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Nr. 279.

VM

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Vorwürts

13. Jahrg.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Parkei der Begehrlichkeit

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und Aug.

Sonnabend, den 28. November 1896. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

gemeinschaft mit den Kerntruppen der konservativen Partei, geahnten Nachwirkungen der agrarischen Agitation, die den Großgrundbesitzern und der Hof- und Zivil- Dieners anfangs so schön sich anließ, als ein Werbemittel für den schaft" verbunden, sondern vorläufig nur noch durch die konservativen Heerbann. Wer weiß, was da alles zu Hinter den verschlossenen Thüren eines Kommissions- Tradition, die alle rückständigen im Verfall be tage gekommen wäre, wenn die bewährten Führer als zimmers des Reichstages, nicht wie 1892 in der hallenden griffenen Bevölkerungsklassen aneinander kettet. Den Delegirte nicht ganz unter sich geblieben wären. Da fährt Deffentlichkeit des Tivoli- Saales, hat die konservative entsprechendsten Ausdruck für ihre Sonderbestrebungen man besser, wenn ein Herr v. Mirbach mit einigen unver Partei einen Parteitag Parteitag abgehalten und nur ein finden gerade die zünftierischen Handwerker, die in kurz- bindlichen Redensarten den Antrag Kanit und die dürftiger partei offizieller Bericht giebt Kunde von sich tiger Verkennung für den auf ihnen lastenden tapita fleinen Mittel" lobt und wenn schließlich eine Resolution den Reden und Beschlüssen der wenigen Dele- listischen Druck einzelne Personen, die Juden als Haupt- angenommen wird, deren allgemeine Redensarten bei dem girten, die sich dort zusammengefunden hatten. Das tapitalisten verantwortlich machen, in der antisemitischen Bauer den Glauben erwecken sollen, daß seine Interessen ist ein äußerst charakteristisches Zeichen für den Mangel an Partei. Ist es doch bezeichnend, daß der Hauptwortführer nach wie vor am besten aufgehoben sind in den Händen Zuvertrauen, den die konservativen Führer zu sich selbst der Zünftlerforderungen auf der jüngsten Parteikonferenz der Edelſten und Besten, deren Vorfahren die Seinen von und ihrer Partei haben. Denn sie wollten mehr noch als Herr Jacobsfötter, es bis zu seiner erfolgten Wahl Haus und Hof gejagt und ihnen das Fell über die Ohren den Augen der Gegner, den Blicken und der Kritik ihrer zum Reichstag in Erfurt völlig unklar gelassen gezogen haben. eigenen Anhänger im Reiche den dürftigen Inhalt ihrer hatte, ob er sich der konservativen oder der antisemitischen Zwar diese vorsichtige Haltung in agrarischen Dingen Auseinandersetzungen entziehen. Partei anschließen werde. Außer den paar abhängigen ist keineswegs nach dem Herzen der Plötz und Genossen, der Wie war es doch so anders zu den Zeiten, als noch Beamten bilden aber die zünftigen Handwerker in den Junker, denen die geringere Sättigung nicht die Lust an der Hammerstein und der Stöcker, beifallumtoft, auf der Städten die einzige Stüße der konservativen Partei. Wie politischen Beutezügen gelähmt hat. Ihre Begehrlichkeit Tivoli- Bühne den Ton angaben und dem Tivoli- Programm der Karren aber bis jetzt gegangen ist, führen die konser treibt zum rücksichtslosen Draufgehen auf den Reichs­den Stempel ihres Geistes echt christlicher Frömmigkeit und vativen und antisemitischen Wege immer weiter aus Steuersäckel, auf daß sie ihre Strohdächer endlich flicken ungenirtester Kampfesfreudigkeit aufdrückten! Da ritten einander und damit wächst die Gefahr, die Gefahr, daß die und ihr färgliches Brot schmalzen können. Sie lockt mehr auch die Manteuffel, Mirbach und Limburg- Stirum noch Zünftler völlig völlig abschwenken. Kein Wunder, daß die Beute, als die Gefahr sie schreckt. Aber die Satteren, hocherhobenen Hauptes in die Schranken. da die konservativen Führer zurückschaudern vor einer die annoch in der konservativen Partei das Ruder führen, gründlichen Auseinandersetzung mit den gefährlichen sind vorsichtiger. Begehrlich sind auch sie wie nur ein Freunden von Tivoli. Die Angst vor den Antisemiten Kanitz oder Plöz. Aber in ihrer Brust lebt neben der lähmt ihnen den Arm und schreckt sie zurück hinter ver- Großgrundbefizer Seele die Beamtenseele. schlossene Thüren. Es bangt ihnen um die schönen Pfründen im Heer Es ist das aber nicht ihre einzige Besorgniß. Die und Zivildienste, Die und Zivildienste, die doch ihnen die doch ihnen und ihresgleichen Erfahrung mit der antisemitischen Abzweigung von der von altersher als Erbdomäne galten. Das Beamtengemüth tonservativen Partei hat ihnen die Sinne geschärft. scheut aber instinktiv vor jeder Boltsbewegung zurück; ihm Sie haben frühzeitig und entschieden sich vom christ ist Ruhe stets die erste Bürgerpflicht. Nach allen den üblen lichen Sozialismus losgesagt, damit er ihnen nicht die Erfahrungen der letzten Jahre hat aber die Beamtenseele nämlische Ueberraschung bereite wie der Antisemitismus. zeitweilig wieder einmal die Oberhand behalten über die Der bejubelte Scheinerfolg des Tivoli- Tages war die Bwar mit Herrn Stöcker persönlich würden sie sich wieder agrarische in der Partei der Begehrlichkeit und Angst. Köderung der antisemitischen Freischaaren für den kon- befreunden können. Denn der theure Gottesmann wird sicher servativen Heerbann durch den antisemitischen Aufput nicht aus freien Stücken auf die Dauer wider den Stachel des konservativen Programms. Aber ach! Als die fon löcken. Aber hinter dem Stöcker lauern die Naumann und servativen Ritter und Knappen auszogen zum Wahl- Göhre und hinter denen Gott sei bei uns! tampfe für Ordnung, Sitte und Religion, da haben Sozialdemokratie. Schnell das Tischtuch entzwei geschnitten, an die Sozialdemokratie. Einen wahrhaft klassischen die antisemitischen Marodeure ihnen das Lager ge- aber so ganz unter uns, damit ja nicht in öffentlicher Ver- Ausdruck hat dieses Angstgefühl in dem Eingeständniß des plündert. Nicht weniger als zehn Mandate haben sammlung ein christlich- sozial angehauchter Theilnehmer Herrn v. Manteuffel gefunden, daß der Kampf gegen die uns die Antisemiten abgenommen, klagte Herr v. Manteuffel. auffässige Reden führt und die anderen der Getreuen im Sozialdemokratie das Leitmotiv bilde für alle konservativen Da soll man den Konservativen auch noch von Freundschaft Lande ansässig macht. Handlungen. Dadurch haben diese positiven Politiker sich reden mit den Antisemiten! Das Schlimme an der Sache Und noch eine Sorge nagt am Herzen der konservativen selbst gekennzeichnet als die eigentliche Partei der Negation,/ ist nur, daß unter den Wählermassen, die bei den 1893 er Führer. Ist man denn der Bauern so sicher, die durch die die ihr Lebensprinzip sucht in der angstvollen Ver­Wahlen der konservativen Fahne treu geblieben waren, agrarische Agitation an den Bund der Landwirthe und damit neinung der sozialdemokratischen Forderungen. Wir können ganze Haufen sind, denen es zuzutrauen ist, daß an die konservative Partei gefettet werden? Machen nicht in es zufrieden sein. Ein Gegner, dem die Angst vor uns fie bei paffender Gelegenheit zu den Antisemiten ab- Bayern die Bauern schon ganz verteufelte Quersprünge? die Politik diktirt, ist uns höchst willkommen auf dem schwenken werden. Alle die Kleinhandwerker und Haben nicht schon in Pommern ganze Schaaren sich los- Kampfplatz des Lebens. Im Zeichen der Augst hat noch Kleinbauern werden nicht durch wirkliche Interessen- gesagt von der konservativen Partei? Das sind die un- nie eine Partei gefiegt.

Doch wir wollen nicht weiter rühren an den schmerzlichen Erinnerungen, die für die konservative Heerschaar mit dem Verluste jenes berathenden Diosturenpaares verknüpft sind. Wir ehren die Trauer der Partei, die Sitte, Zucht und Ordnung, Wahrheitsliebe und Treue als ihr unveräußers liches Vorrecht gegenüber den anderen Parteien im Munde zu führen pflegte. Der Verlust des Hammerstein- Kastor und Stöcker Pollux ist es ja nicht allein, der ihr in die Glieder gefahren ist. Sie hat auch sonst noch der bitteren Erfahrungen genug gemacht.

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Rienzi .

Der letzte der römischen Volkstribunen. Rienzi füßte seiner Gattin die Stirne, als sie sich zärt lich an seine Brust schmiegte. Dein Lächeln ist heiter wie das Licht der Sonne," sagte er, aber dieses Mädchen be­unruhigt mich. Ich dächte, sie könnte wenigstens jetzt ein fröhlicheres Gesicht zeigen."

Sollte nicht immer noch die Liebe Deine schöne Schwester traurig machen?" antwortete Nina. Erinnerst Du Dich nicht, wie sehr sie den Adrian Colonna liebte?" Sollte diese Neigung immer noch fortdauern?" ent­gegnete Rienzi nachdenkend. Sie ist eine Braut, deren kein Monarch sich zu schämen hätte."

Die Verbindung mit dem Colonna würde aber er folgreicher, als die mit einem Monarchen Deine Macht in Rom befestigen."

Doch die Besorgniß vor den Antisemiten und den Christlich- Sozialen und der agrarischen Agitation tritt noch weit zurück hinter dem Angstgefühl, das der konservativen die Ordnungsstüße den Hals zuschnürt bei dem Gedanken

zu berühren? Erblickten Dich nicht diese Augen leblos in jenem schrecklichen Gewölbe, dessen ich mich nur schaudernd erinnere? Durch welches Wunder bist Du wieder auf erstanden, durch welche Mittel erhielt der Himmel der Erde ein Wesen, das er schon unter seine Engel aufgenommen zu haben schien?"

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Die St. Markus- Kirche! so hatte es ihm ein Traum vorher verkündet!" ,, Er erzählte mir, daß er Dir begegnet sei. Wir suchten Dich aber vergebens, endlich hörten wir, Du habest die Stadt verlassen und- und ich freute mich, Adrian, wenn ich auch trauerte."

Die jungen Liebenden überließen sich dem Entzücken ihrer Wiedervereinigung, während neue Mittheilungen sie mit neuer Wonne erfüllten.

" Glaubtest Du das wirklich," sagte Frene stammelnd, aber mit einem beredtsamen Tone der Freude. Du hast mich also wirklich nicht absichtlich verlassen? Wie unrecht that ich Dirich glaubte, der Sturz meines Bruders, Dein glänzendes Loos und mein unglückliches Schicksal gefunden haben sie hielt inne und ihre Maske verbarg " Und jetzt," flüsterte Irene, jetzt, da wir uns wieder­hätten Dich veranlaßt, Irene aufzugeben." wortete der Liebende. Aber ich sah Dich doch bestimmt das Stillschweigen unterbrechend, sollten wir uns nicht Da hast Du mir allerdings sehr unrecht gethan," antihr Erröthen. Jetzt, da wir uns wiedergefunden haben," sagte Adrian, unter den Todten, Dein Mantel mit den filbernen Sternen, wieder treunen. Glaube mir, Geliebte, dieses ist die Hoff­wer sonst trug die Wappen des römischen Tribunen?" nung, die mein Herz belebt. Ich gab nur meine heutige Abreise nach Balestrina auf, um diese kurzen glücklichen Augenblicke mit Dir zu genießen. Könnte ich nur hoffen, liche Verbindung zu bringen, dann würde unserer Ber­meinen jungen Vetter mit Deinem Bruder in freundschaft­einigung sich kein Hinderniß mehr entgegenstellen. Ich vers gaß das Geschehene, den Tod meiner unglücklichen Ver­wandten( die allerdings als Opfer ihrer eigenen Fehler gefallen find) und vielleicht schäzt unter der Menge, die den Einzug Rienzi's jubend begrüßte, niemand mehr seine großen und erhabenen Eigenschaften, als Adrian Colonna."

" Ja, wäre es möglich, aber jenes stolze Geschlecht- fallen ließ und den wahrscheinlich eine Unglücklichere auf­Vielleicht war dieselbe Maste, die uns immer folgte, ihr Geliebter. Ich will mich davon überzeugen! Komm, Nina,

bin ich gut gekleidet?"

"

Vortrefflich, und ich?"

Die Sonne hinter einer Wolfe."

Also war es blos der Mantel, den ich auf der Straße genommen hat. War es nur dieser Anblick, der Dich so­bald verzweifeln ließ? Ach, Adrian," fuhr Frene zärtlich, aber im Tone des Vorwurfs fort, selbst als ich Dich schein bar leblos auf dem Lager erblickte, an dem ich Dich drei Tage und drei Nächte bewacht hatte, selbst da verzweifelte ich nicht."

Ah, laß uns aber nicht lange bleiben, welche festliche Stunde gleicht der, wenn wir, deine Hand in der meinigen, Wie, also meine Vision täuschte mich nicht, Du warst dieses Haupt auf deinem Busen ruhend, die Sorgen und es, die in jener düstern Stunde an meinem Bett wachte, selbst die Triumphe vergessen, die wir getheilt haben." deren Liebe und Sorgfalt mich rettete? Und ich Unglück Frene, von tausend verschiedenen Gefühlen aufgeregt, licher-"

Wenn es sich so verhält," sagte Frene, so wollen wir verfolgte mittlerweile verkleidet und maskirt ihren Weg Nein," erwiderte Frene, was Du glaubteft, war sehr das beste hoffen, vorläufig ist es Trost und Glück genug zu durch die Menge nach der Löwentreppe zurück. An jenem zu entschuldigen. Der Himmel schien mich mit übernatür wissen, daß wir uns immer noch so lieben wie früher. Ach, Drt war es, nachdem der Senator sich von dort entfernt lichen Kräften zu begaben, so lange ich nothwendig für die Adrian, ich habe mich sehr verändert, und ich wagte kaum, hatte, einsamer und stiller geworden. Die Musik und der Erhaltung Deines Lebens war. Aber dente Dir, wie ich zu glauben, daß, wenn Du mich wieder sähest, Du mich noch Tanz zogen die Masten nach einer anderen Seite hin, und erschrat, als ich, nachdem ich Dich verlassen hatte, um den lieben könntest." Frene, die sich jetzt näherte, sab das Monument im Mond - guten Mönch aufzusuchen, der Dich als Arzt behandelte. Schöner und liebenswürdiger bift Du, wie jemals," schein erglänzen und eine Gestalt sich gegen das Fußgestell Dich bei meiner Rückkehr nicht wiederfand! Traurig und erwiederte Adrian leidenschaftlich, und die Zeit, welche lehnen. Sie blieb stehen, die Gestalt trat ihr näher, und sie verzweifelud durchsuchte ich vergebens die verödete Stadt. Deine Blüthe reifte, hat mich gelehrt, Deinen Werth nur hörte nochmals die Stimme ihres Geliebten. So start ich war, so lange die Hoffnung mich belebte, so noch tiefer zu fühlen. Lebe wohl, Frene, ich darf nicht O, Frene, die ich Dich selbst wiedererkenne in Deiner unterlag ich doch bald der Furcht, und mein Bruder fand länger hier bleiben. Du wirst, wie ich hoffe, bald ver­Verkleidung," sagte Adrian, ihre zitternde Hand ergreifend, mich vor der St. Markus- Kirche bewußtlos auf der Erde nehmen, daß meine Vermittlung zwischen den Patriziern ,, bin ich so glücklich, Dich wieder zu sehen, Deine Hand liegen." und Deinem Bruder von Erfolg gewesen, und ehe die Woche