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Die«ft-g. den»7. In» 188«.

III Iichr»

ellwerVMl«!! Brgan für die Interessen der Arbeiter.

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W Sizillnsiim.

Das, freiwillige" Organ de« Herrn Reichskanzler« Übe fich dieser Tage bewogen, sich wieder einmal über die Sozialreform anSzusprechen. E« giebt in Deutschland Leute die den Aussprächen diese« Organ» mit derselbe»

«dacht lauschen, wie einst die alte« Hellenen dem Orakel zu Delphi. Wir gehören freilich nicht dazu und wir finde» eschen de« Autsprüchen det Orakel» von Delphi und en derNorddeutsche« Allgemeine» 8 ei tu« g" einen sehr große» Unterschied. Den» wen» jje Autsprüche jene« Orakel» auch meisten« dunkel und !$»« verständlich waren, so hatte» fie doch immer eine» vestimmte» Inhalt. Da« kann man aber von de» Aus« iPnKhen de» reichikanzlerischen Organ« nicht sagen, «eun sei»« Sentenzen find oft nur leere Redewendungen. _ So dietmal in Bezug auf die Sozialreform. c»Li* angekündigt, die«große Werk" solle fort- »i«ht«erde» und solle auch mit der Alters« hat Ii* 0U«0 nicht abaeschlofse« sei». Diese Mittheilung di-s» Adeutung, so lange man nicht erfährt, w a« kl. komwen soll. Bei dieser Gelegenheit kann fich

da« oliv �aavnev soll. Bei dieser Gelegenheit kann fich aus �üan auch nicht versage», eine große Lobrede R-k-l Sozialreform zu halte«. Neben de« gewohnten ß-1.��duvgen wird auch behauptet, die Bortrefflichkeit der ozuureform werde schon dadurch bewiesen, daß andere Negwunge« dieselbe«achahmte». Da» ist un« eine seltsame Beweisführung, den» eine �ache ist doch dethalb nicht schon vortrefflich, weil fie nach« 5, wird. Wen» z. B. ein« Regierung eine un« w-rthschaftliche und drückend« Steuer einführt wwd diese Steuer dadurch Keffer, daß fie "da andere« Regieruage»»achaeahmt wird? Nein; Wen» auswärtige Regierung«» die Sozialreform nachahme», so beweist da« nur, daß fie i« ihre« Länder» dieselbe» öko» »o mische« und soziale» Uebelstände habe» wie»tr, und daß J;; eben auch in Berlegeuheit find, wie fie diese Uebelstände eseitige« sollen. Uebrizens ist es bi» jetzt nur O e st e r, reich, da« die Sozialreform nachgeäfft hat und auf die Erfolge der jetzt dominirenden österreichische« Etaatskunst »erden wohl die eigenen Träger deffelbea kaum stolz zu sein »age». Wir«olle» nochmals betonen, daß für diese Art von Gesetzgebung die BezeichnungSozialreform" eine allzu stolze ist, wie auch der Abgeordnete Bio« im Reichstage bei »er dritten Berathung der Unfallverficherung für land- und fitstwirthschastliche Arbeiter der Regierung gesagt hat. Sine wirk» '«he Sozialreform muß neue» Grund legen laffen für unsere stanntliche» soziale« Verhältaiffe. Man wird aber nicht «haupten wollen, daß die« mit der gegenwärtige« Sozial»

Ieuilleton.

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Spuren im Sande . Roman von Ewald August«öuig. Zeit lang schritte« fie schweigend«eben einander dann aber konnte Verena de« in ihr tobende« Groll nicht "ger zurückhalten. m eine Sup .1» ______________________ digkeit ga, �wmt doch alle«, wir werde» enterbt.' vWenn man da« mit Sicherheit voran« wiffen könnte, »»ül brächten mich nicht zehn Pferde wieder in da« Hau «, hAderte Ronstanze nicht minder erregt.Biegen wir um bw* �ke. ich sehe dort bekannt« Offiziere komme« und nicht in der Stimmung, ihnen Rede zu

te.Seitdem wir adelig geworden find, ist gar nicht mehr hJ auszukommen," fuhr Verena fort,und doch«nt» &*)"§* sei»«erger nur dem blassen Neid. Daß sein Va»er �frdraue, gewesen ist, braucht er un« nicht zu sage», aber f un« soll er keinen Schluß daran» ziehe«." wOR will nun einmal, daß wir ihn besuche», so wir u»« m*«» nurh mit innerem Miderürebe».

RA'_________ ,Lr,1,.________ r___________( W'irtuVgs'kreis'sucht«."' der R'irL�'bm&geTm wohnt oben im zwecken Stock, und vnkÄ..«hrevwerthe« Dame soll der Liebling unsere» «l« sein!" spo,tete Verena. fragte ihre Schwcher übenascht.

reform geschehen sei. Die Uvfall- und Krankenverficherung berühre» nur ei« spezielle« Gebiet; die Altersversorgung wäre schon eine umfassendere Organisation, allein fie wird nach denselben Grundsätzen durchgeführt werde», wie die Kranken» und Unfallverficherung und deshalb wird fie Stückwerk bleiben. Ohnehin scheme» die Herren Geheim» räthe vor der Frage der Altersversorgung stille stehe« zu wolle», sonst hätte man doch wohl schon einmal vernommen, wie man fich den» die Alter«versorgu«g organistrt denkt und wie man die erforderlichen Mittel zu einer solche» auf« bringen will. Die Herren sozialpolitische« Geheimräth« schweige« fich gerade über diese« Punkt merkwürdig lange au«. Die Verhältnisse liegen allerdings so, daß eine Sozial» reform, und zwar eine ttefgreifend«, nicht eine oberflächliche, den Regierunge» geboten erscheine» sollte. Namentlich aus all den Gebiete«, wo die moderne Industrie dominirt. Die Industrie hat in Folge der steigenden Vervollkommnung

der technische« Mittel die Tendenz, immer mehr menschlich« Arbeckskräfte üb-rflüsfig zu machen. Dazu kommt«och die alljährliche Zunahme der Bevölkerung, so daß der verhält«

»ißmäig geringe« Nachfrage«ach Arbeitskräfte» ein geradezu kolossale« Angebot von solchen gegenübersteht. Unter solchen Umständen müsse» die Löhne sinke» und außergewöhnlich niedrig werde», wie e« in der That der Fall ist. Die Fälle, wo die Nachfrage nach Arbeitskräfte» da« Angebot erreicht oder gar übersteigt, find außerordentlich selten; fie komme« nur vor in Momente» der außerordentliche« Prosperität einer Branche. Und wo ist heute eine außerordentliche Prosperität vorhanden? Während die Löhne immer staken, steigen die Bedürf» »iffe. Der Mensch de« neunzehnte» Jahrhundert« schafft gewiß mehr Komfort, als seine Vorgänger, aber er ist in der große» Ueberzahl kaum in der Lage, davon Gebrauch zu machen. Wir habe» Arbeiter genug in Deutschland , die mit ihrer Familie von einem Einkomme» von 710 Mark in der Woche lebe» solle». Diese Leute werden bei dem heutige» Geldwerthe von dem Komfort de« neunzehnte» Jahrhunderts sehr wenig verspüre«. Und dabei wachse« die öffentlichen Lasten I Die Folgen de» zurückgehende» Verdienste« find von un» schon öfter« eingehend dargestellt worden; fie gehe« sehr tief. Sie zerrütten die Gesellschaft bi« aufs Mark; fie entnerven und verderben ganze Tenerattone«. Man sieht, welche große» Schattenseite» der Jndustriali«» m u« in seiner gegenwärtige» Gestalt mit fich bringt. Die moderne Industrie hat de« zivil, strte» Länder« ein« ganz andere Physiognomie gegebe»; fie hat Berge versetzt. Aber fie kennt al« einzige Triebfeder ihrer Thättgkeck nur das

Privatinteresse und diese« macht fich so nackt und

Ganz so schlimm, wie er sie schildert, find fie sicher nicht, aber etwa« Wahre« mag daran sein." Da« wäre schon schlimm genug," sagte Verena be» troffen,ich kann e« nicht glauben, Papa hat«» seh, große« Privatvermögen." Er ist seit«iniger Zeck immer so still, so einsilbig und zerstreut" Amtssorgen! Er hat ja oft darüber geklagt, daß ihm so viel Arbeck aufgebürdet werde." Da« allein ist'« nicht," erwiderte Konstanze in be» sorgte« Tone,indeß glaube ich auch nicht, daß die Be- hauptunge« Onkel Theodors begründet find. Ihn mag es ärger», daß wir auf dem vornehme» Fuße lebe», er könnte das auch habe«, wen« er nicht so geizig wäre." Den Geiz ließe ich ihm gerne hingehe», aber die Rest beunruhigt mich, fie ist eine falsche Person, und ihr ganzes Strebe» geht dahin, un« um das Erbe zu betrüge«. Fiel e« Dir nicht auf, daß wir dem Baron v. Bergau wieder begegnete« s" Er hat uns ja die Gründe genannt" Daran glaube ich nicht; wen« er drüben wirklich Schätze erworben hat, dann kann ihm die Vergangenheck höchst gleichgiltig sei«, und e« muß ihn sogar unangenehm

____ ,.e«. an seine Komödiantenjahre erinnert zu werde«. Ich möchte nur wissen, ob er mit seinem Vater au«ge» söhnt ist." Konstanze konnte nicht sofort Antwort gebe«, fie er» widert« mck kokettem Lächeln de» Gruß einiger Herren, die

vergebe«. Der Baron wird«vs ja morgen oder übermorgen leine Aufwartung machen". Dann gilt diese Aufmerksamkeck Dir allein I" "Wie Du nur rede« kannst I" Du darfst auf meinen Scharfblick vertraue«. Eme Entdeckung, die ich gemacht habe, gefällt mir nicht, der Baron "Also hat er Dich mck ganz andere« Auge» äuge»

Ü

o rücksichtslos geltend, daß man fich zweifelnd fragt, ob >«»» der moderne ZnduflrialiSmuS mehr Nutze» oder mehr Schaden gestiftet habe. An die Stelle de« Pttvatinteresses ei» erweitertes, mehr auf die Gefammthett gerichtete« Jntereffe in unser wtrth» schaftliche« Lebe» einzuführen, ist«ach unserer Anficht da* Ziel einer wirkliche« Sozialreform. Die Regierungen wer- de« fich dem wohl auf die Dauer nicht verschließe» können; die Gestaltung unserer wirthschaftlichen Zustände wird fie »öthige», mck der Macht de« Staate« dem Emzelinteresse zu Gunsten der Gefammthett gegenüber zu trete». »olMsche Uebrrstcht. Zur Handhabung d-« Soziattsteugesetze« in Berlin . Zu der von un« mttzetheilten tluflöjung einer Versammlung des Akademischen liberalen V eretn», in der Dr. Lütgenau eben da« Wort ergriffen hatte, bemerkt dieL»b. Korr.":Aus diesem Vorgange ist, wie ja schon aus früheren Fällen, wiederum erkennbar, wie das hiefige Poltzeiprästvtum den Z 9 de» Sozialtstengesetzei auffaßt. Die Beamten deff-lben find dahin instruirt, nicht erst da» Eintreten der Thatsachen abzuwarten, welche nach ihrem eigenen Auffaffungivermögen al» eine Verletzung der Vorschriften des obigen Paragraphen zu krachten wären, um dann die Auflösung anzuordnen, sott» der« fie müssen grundsätzlich da« spätere Eintreten dieser That« fachen voraussetzen, sobald ein al« Sozialdemokrat bekannter Redner daS erste, wenn auch noch so wenig mck den Voraus- setzungen de« obigen Paragraphen im Zusammenhang stehend« Wort ausspricht. Bei dieser nunmehr al» konstant auftretenden Auslegung und Handhabung des Gesetzes, welche wir al» eine nicht nur falsche, sondern auch höchst schädlich wirkende erach- ten, welche aber nach den«eußerungen de» Ministers des Innern im Reichstage gelegentlich des Rechenschaftsberichts über die Handhabung de« Sottalistengesetzes seine Billigung findet und seinen eigenen Auffassungen über den Sinn de« Gesetze« entspricht, erscheint die vetretunq de« Be- sch werdewege, absolut nutzlos. Der Vorstand de»»kadenckschen liberalen Verein» nimmt daher auch Abstand k*" n 0»( I d 1 0 rn rn*_ Da» liberale Blatt deutet hier also energisch auf eine Aufhebung d-S Sozialisten- gesetze» hin. So sehr wir dieselbe wünschen, so wenig theilen wir doch den Glaubm der Korrespondenz. Dazu veranlaßt uns nicht etwa nur die Haltung einer so unberechenbaren Partei, wie fie das Zentrum augenblicklich ist, sondern gerade auch die Haltung der Liberalen selber. Ihr Eifer gegen da« Gesetz ist immer wie ein Strohfeuer aufgeflammt, wenn die Liberalen in ihrer eigenen Agitation durch da« Sozialisten gesstz gekört wurden, sonst war von dem Eifer niemals viel zu spüren. Ist er aber doch so groß, so wäre e» jaeinleichte«. eine allgemeine freisinnig« Agitation gegen da» Ausnahmegesetz im ganzen Reiche zu

schaut!" scherzte Verena.Ich will Dir diese Eroberung gern« gönnen" Spotte nicht," unterbrach«»»stanze fie,von einer wirkliche» Eroberung kann«och keine Rede sein." Sie waren vor dem elterliche» Hause angekomme». S» macht« mit seinen architektonische» Verzierungen, der drette» Einfahr» und de» hohe« Spiegelscheibe«, die damals »och zu de» Seltevhecke« gehörte», eine« imponirende» Ei«. druck, und auch im Z«»er« zeugte alle« von gediegenem Reichthum und einer Prunkliebe, die man«ater solche» Ver- hältniffe« wohl begreiflich finde» konnte. Die beide« Mädchen stiege« die brette, mck Teppiche» belegte Treppe hinauf und ttate» in eine» kleinen Salon, in dem eine schwüle, de» Athem beengende Atmosphäre herrschte. Die Geheimräthi» lag in eleganter Toilette auf einer Chaffelvngue, während ihr Gemahl auf dem dicke« perfische« Teppich«»hörbar auf und nieder wanderte. Der Geheimrath war, wie sei« Bruder, klein und hager, da« spärliche, berett« ergrauende Haar zeigte schon manch« licht« Stelle, und die vielen Runzel« in dem glatt rafirte» Gesicht verriethe», daß Arbett und Sorge oft schwer 1 ihm geruht hatte». Er war beim Eintritt seiner Kinder stehm gebliebe«, fragend ruhte» seine blaue», ausdrucksvolle« Auge» zuerst auf ihnen und dann auf de« Bücher», die sie in der Hand trugen, während die Geheimräthi« kaum Nock, von ihnen nah«. Da« war ein schöner Empfang l" brauste Verena auf, da« Buch mit einer verächtliche« Geberde auf de» Tisch werfend.Kochen und schneidern solle« wir lerne», Equi- page und Dienerschaft abschaffen und nicht vergesse«, daß unser Großvater Bierbrauer gewesen ist." Der Geheimräth zuckte zusammen, seine Gattt« richtete fich seufzend empor und strich mck dem Epitzentaschentuch über ihre Stirne. Ich bitte Euch, Kinder, schont meine Nerven," klagte fie,die rohe» Aeußerunge» dieses Manne« rege« mich immer auf, er vergißt und vergießt e» uns nicht, daß wir so hoch über ihm