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Mittwoch, den 28. Juli 1886.

III. Jahrs.

Berliner Volksblatt.

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Organ für die Interessen

Das Berliner Volksblatt"

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eribeint täglich Morgens auger nach Sonn- und Festtagen. Abonnement3prets für Berlin frei bar's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Poftabonnement 4 Bart. Einzelne Nummer 5 Bf. Sonntags- Nummer mit der illuftrirten Bellage 10 f. ( Eingetragen in der Boffzeitungspreisliste für 1886 unter Nr. 769.)

Redaktion: Beuthstraße 2.

Die Hyänen der Kultur.

Unter diefer geschmacoollen Ueberschrift bringt ein fonfervatives Provinzialblatt, bie Hallische Beitung, nach ftebenbes interesante Geschichtchen:

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Das folgende Beispiel für das gegenwärtige Wuchers unwefen beruht auf Thatsachen, deren Wahrheit gar nicht schwer zu ermitteln war, weil sehr viele Leute bie Folgen davon tragen. In einer größeren mitteldeutschen Stabt lebt ein angefehener, reicher Mann, der wichtige Vertrauensposten bekleidet und als Führer einer politischen Partei gilt. Derfelbe hat in folgender Weife fein Vermögen erworben und vermehrt es fortwährend: Wo irgend ein bequem gelegener Bauplah, namentlich in einem ber benachbarten Villenorte, frei wird, tauft er denselben zunächst nicht selbst; aber er macht einem Helfershelfer einen Vorschuß, um ihn zu erwerben, unb läßt sich eine Hypothet barauf eintragen. Weiter giebt er dem Helfershelfer Geld, daß diefer anfangen tann zu bauen. Im Anfange wird alles pünktlich bezahlt, um Bertrauen zu gewinnen; wenn dieses erlangt ist, auf Reebit weiter gearbeitet. Der Bau wird fertig gestellt; die Hand­werker beginnen bie innere Ausrüstung. Aber ehe biefe ganz vollendet, erklärt sich ber angebliche Unternehmer für zahlungsunfähig. Den weiteren Berlauf der Sache kann man fich benten. Daß Anwesen tommt zur Versteigerung. Der Hypothekengläubiger, mit dem von vornherein tein Anderer sich einlaffen kann und mag, erhält dasselbe für einen Pappenstiel und die wirklichen Gläubiger, die Ge. werbsleute u. f. w. gehen leer aus. So ist ber Spekulant, ber fich als guten Chrißen und sehr staatstreu ausgiebt, z. B. in den Besik Don ganzen Straßen gelangt. Er berücksichtigt bei allen feinen Unternehmungen forgfältigt ben Buchstaben bes Gesetzes; tein Gericht fann ihm etwas anhaben. In der Bürgerschaft ist er, wie gesagt, hoch an­gefehen und wer ihn dennoch richtig beurtheilt, hütet sich wohl, es auszusprechen."

Was hier erzählt wird, ist gar nicht neu, auch kommt es durchaus nicht selten vor und ähnliche Spekulationen find auch oft genug schon öffentlich, besonders burch die Arbeiter preffe verurtheilt worden. Bei obigem Geschichtchen ist das beste, daß ein angesehenes Blatt den Machern der eigenen Partei zu Leibe geht, denn dieser Führer einer politischen Partei ist doch sicher ein Mitglied der tonfervativen ober eng befreundeten nationalliberalen Partei.

Der Zentrumspartei fann der oben Geschilderte nicht angehören, weil es teine größere Stadt in Mitteldeutschland giebt, wo diese Partei irgend welchen Einfluß hat; bie Sozialdemokratie, der man sonst alles Mögliche und Un

Radbrud verboten.

Feuilleton.

Spuren im Sande.

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Roman von Ewald August König. Leise, leise, fromme Weise, schwing' dich auf zum Sternentreise!" fuhr die Sängerin mit ergreifender Innigkeit fort, aber schon nach wenigen Takten wurde die Aufmert famteit Werners, der mit stillem Entzüden den wunderbaren Tönen lauschte, jäh unterbrochen Die Thür, vor der er fland, war haftig geöffnet worden, in ihrem Rahmen er schien ein kleiner, sehr lebhafter Herr, ber beim Anblid bes Fremben sofort fein Lorgnon auf die Nase Klemmte und ben langen, flachsblonden Badenbart nach beiden Seiten hin aus einanderstrich.

Baron v. Bergau!" sagte Werner mit einer leichten Berneigung, nachbem auch er mit einem raschen, prüfenden Blid ben eleganten Herrn gemustert hatte.

Außerordentlich erfreut!" erwiderte Baron von Raven, ihm die Hand bietend. Ich heiße Sie herzlich willkommen weshalb haben Sie den Herrn nicht sofort angemeldet, Fanny? Sie müssen entschuldigen, Herr Baron

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Bitte, bitte, bas Mädchen trifft durchaus teine Schulb," unterbrach Werner ihn lächelnd, ich würbe wohl noch Länger bem entzückenden Gesang Ihrer Frau Gemahlin ge­Lauscht haben."

Ah, dann muß ich um Entschuldigung bitten, daß ich gestört habe," fuhr ber Baron fort; bitte, treten Sie näher- Paula, ein alter Freund, Herr v. Gottschalt hat Dich ja

bereitet."

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der Arbeiter.

Insertionsgebühr

beträgt für bie 4 gespaltete Petitzelle oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pfennige. Bei größeren Aufträgen hober Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 übe Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Bimmerftraße 44, sowie von allen Annoncen Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Expedition: Zimmerstraße 44.

mögliche nachsagt, steht erhaben über dem Verdacht, daß fie in ihrer Mitte einen derartigen Spekulanten befiße, auch wird dieselbe durch den guten Christen" vor solchem Ver bachte noch nebenbei geschüßt. Die Deutschfreifinnigen aber find bekanntlich in den Augen der Ronservativen gleichfalls teine guten Chriften, geben sich auch gemeinhin nicht dafür aus; fie betonen auch ihre große Staatstreue nicht. So bleiben also nur die beiden reaktionären Parteien, die nationalliberale und die konservative übrig, die ja beranntlich ihr Christenthum und ihre Staatstreue immer im Munde führen.

Dem oben genannten Blatte fann man beshalb einen gewiffen Muth nicht absprechen, wenn es berartige Unter­nehmer" in den eigenen Reihen denunzirt.

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Doch ist das tonservative Blatt viel zu bescheiden. Es fönnte viel weiter greifen. Auch wir sind der Ansicht, daß ber geschilderte Spekulant in unserem sozialen Leben eine sehr verderbliche und scharf zu verurtheilende Rolle spielt, ba er eine ganze Anzahl bürgerlicher Elemente in der rüd. fichtsloseften Weise ausbeutet. Ueber den ihm beigelegten Titel: Die Hyäne der Kultur" allerdings läßt sich streiten,

da die Hyäne doch bekanntlich nur ein Raubthier zweiter Sorte ist, welches die Knochen abnagt, welche der Löwe zurückläßt. Hier haben wir es aber mit einem Spetulanten erster Sorte zu thun, da uns aber der Name Kultur­Löwe" au nobel flingt, so dürfte am Ende der usbrud Rulturtiger" paffen.

Aber solche Kulturtiger existiren hundert ja iaufend weis in allen Kulturstaaten. Sie find faft sämmtlich fromme Leute und fehr ftaatstreu", weil, ja meil fie bei unserem heutigen burch den Staat geschüßten Gesellschaftswesen, als Kulturtiger, oder unferthalben auch als Hyänen ber Rultur" eine fo einträgliche Rolle Spielen tönnen. Sagt das konservative Blatt ja doch ausbrück­lich, daß man gemeingefährlicher Spekulant fein könne, ohne mit dem Gesez und den Gerichten in Ronflikt zu ge rathen; fagt das Blatt boch weiter, baß ein solcher gemeins gefährlicher Spekulant in ber bürgerlichen Gesellschaft eine berartige hervorragende Rolle spiele, baß auch diejenigen, welche die Gemeingefährlichkeit des Mannes lennen, es nicht einmal wagen, bies auszusprechen. Nennt ja selbst das tonservative Blatt nicht einmal den Namen seines Helben! Wir sagten schon, solcher Hyänen der Kultur" gäbe es eine große Bahl. Wenn man alle diejenigen zählen wollte, welche ohne Rücksicht auf das Loos ihrer Neben menschen die Kultur zu ihren selbstischen Zwecken ausbeuten, so würde dies 3ählen eine Lebensaufgabe sein. Und man fände in allen Parteien, in denen überhaupt Spelu lanten und Unternehmer find, Personen genug, welchen der Erwerb die Hauptsache ist und die Mitmenschen nur in so­

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während Baron Raven Seffel herbeirollte. Ich habe drüben in jeder deutschen Beitung mich nach Ihnen umgeschaut, für mich unterlag es feinem 3weifel, daß Sie eine gefeierte Rünftlerin geworden waren, da mußte es mich freilich be unruhigen, daß ich in teiner Beitung Ihren Namen fand. Ah, Baron, Sie luben eine schwere Schuld auf sich, als Sie diefe herrliche Kraft der Bühne entzogen."

Was wollen Sie?" antwortete er achfelzudend. Ich gestehe es offen, daß ich Egoist bin, wer fann mir verargen, baß ich diese Perle mir sicherte!"

Die Baronin hatte Werner gegenüber Platz ge

nommen.

Sie überschäßen mein Talent," fagte sie lächelnd, eine Diva' wäre ich nie geworden, dazu reichen meine Mittel nicht aus. Vielleicht hätte ich als Stern zweiten ober britten Ranges einige Jahre geglänzt, aber wie balb solche Sterne erlöschen, wiffen wir ja aus Erfahrung, und wer so gründlich hinter die Roulissen geblidt hat, wie wir beibe, ber vertauscht die Bühne gern mit einem traulichen Afyl am eigenen Herbe."

Nun, ich bin auch weit entfernt, Sie deshalb tabeln zu wollen," scherzte Werner, fonbern ich beklagte diesen Schritt nur im Interesse der Runst und des Publikums."

Wer weiß, was in der Zeiten Hintergrunde schlum So mert!" sagte der Baron in demselben heiteren Tone. ganz hat meine Frau immer noch nicht refignirt, unb man fann nicht wissen, wohin dieses geheime Sehnen führt."

Werner blidte bie schöne Frau fragenb an, fie wiegte wehmüthig lächelnd das Haupt.

" Das ist vorbei!" erwiderte fie. Ich weiß nur zu gut, wie weit meine Rraft geht, und nichts tönnte mich un­glücklicher machen, als ein Fiasto auf offener Bühne. Aber sprechen wir von Ihnen, haben Sie wirklich die Jahre all

Da ftand fie vor ihm, eine hohe, schlanke Gestalt und te Wahrheit eine schöne Frau; ihre schmale Hanb lag in ber feinigen, und aus ihren buntlen, ausbrudsvollen Augen leuchtete die Erinnerung an jenen kurzen Liebestraum, ben in Kalifornien zugebracht?" auch fie noch nicht vergessen zu haben schien.

Leife.

Sie haben mich also nicht vergessen?" fragte fie

Wie wäre mir das möglich gewesen?" erwiderte er,

Doch nicht," erwiderte Werner, ich war bort nur

einige Jahre, gerade lange genug, um mir ein Bermögen zu erwerben, die übrige Beit verbrachte ich in den Prairien Südamerikas .

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weit zählen, als fie benutzt werden können, ihnen den Er werb zu vergrößern und zu sichern.

Fromm und chriftlich im guten Sinne das Wortes find diese Leute selbstverständlich nicht, denn wenn sie auf ben Ausspruch des Nazareners in Bezug auf die Nächstenliebe aufmerksam gemacht werden, so antworten sie rasch: Ich bin mir selbst der Nächste und diesen Nächsten liebe ich auch, wie mich selbst"; sehr staatstreu aber sind sie natür lich jeber nach seiner Art, weil ihnen der Staat, wie wir schon angedeutet, geftattet, ihre Nächstenliebe in obigem Sinne in ausgiebigter Weise zu fruftifi ziren.

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Daß der Arbeiterstand am meisten zu leiben hat von solcher chriftlichen Liebe, von solcher Auffassung der Staats ibee, ist selbstverständlich. Schlimm ist es gewiß, wenn Handwerker und Handwerksleute ben oben gefchilberten Häuserwucherern in die Hände fallen, schlimmer aber ist es noch, wenn die größte Klasse der Bevölkerung Jahr aus, Jahr ein fich abmüht und wenn dabei die Produkte ihrer Arbeitskraft zu einem großen Theile von anderen eingeheimst

werden.

Uab ehe nicht die heutige wirthschaftliche Unordnung burch Eingreifen der Gefeßgebung zu einer wirthschaftlichen Ordnung umgeschaffen wird, werden wir auf Schritt und Tritt immer begegnen zahlreichen

" yanen der Kultur".

Politische Uebersicht.

Minister von Putttamer sagte in seiner Reichstagsrede vom 21. Mai d. S. unter anderem folgendes: Ich meine, mit flareren und unaweldeutigeren Ausdrücken, so lange die Sprache da ist, daß auszusprechen, was man hat fagen wollen, fonnte es nicht gefagt werden, daß ich selbstverständlich auf dem Standpunkt ftebe, baß die durch die Gewerbeordnung§ 152 eingeführte Aufhebung der Berbote gegen gewerbliche Koali tionen die damit also eingetretene Freiheit, zur Er zielung höherer und ausgiebigerer Lohn­fäße sich zu einigen, au dem Ende Genossen. fchaften au bilden und zu Verbindungen au fammen au treten, in teiner Weise einem Angriff aus. gefegt werden dürfe." Und in dem vorhergehenden Sage fagt Der Minifter ausdrücklich: daß es ihm durchaus ferngelegen bat, mit dieser Verfügung den preußischen Behörden auch nur einen Schatten einer Direttive dafür zu geben, baß zu einer Einschränkung" oder ,, Ber fümmerung" der Roalitionsfreiheit für die Arbeiter geschritten werden soll." Mittheilung aus Barmen, nach der die dortige Bolizei eine In seltsamem Widerspruch hierzu steht eine Verbindung zu: Erzielung höherer und ausgiebigerer Lohn äge, nämlich den Fachverein der Metallarbeiter für einen po litischen Verein erklärt und damit in seiner Bewegungs fäbigteit allerdings wesentlich eingeschränkt und Der

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Und bas Golb liegt bort wirklich auf der Erbe?" fragte der Baron, an den Enden seines langen Bartes brehend.

" In der Erbe, und ehe man das erste Rörnchen findet, hat man sich die Hände blutig gearbeitet. Und Glüd muß man baneben auch haben; mancher arbeitet Jahre lang und nagt dabei am Hungertuch."

Ich hätte damals nicht geglaubt, daß fie als Krösus aurücklehren würden," sagte die Baronin, ich fürchtete, Sie würden den Strapazen, bie brüben Sie erwarteten, nicht gewachsen sein. Und als Sie dann nichts mehr von fich hören ließen, da mußte mir auch dies zur Bestätigung meiner Befürchtung dienen."

" Und jetzt gebenken Sie hier zu bleiben?" fragte Baron Raven. Sie thun recht daran, Sie werden hier bald einen Freundeskreis finden, in dem Sie sich wohl fühlen. Herr v. Gottschalt fagte uns, Sie hätten seiner Familie die Ehre Ihres Besuches zugedacht, zwar ift's junger Abel, aber man fann bei biefen Leuten darüber hinwegsehen."

Man behauptet, der Herr Geheimrath sei ein reicher Mann."

Das ist er, er muß es sein, feine Eltern und auch feine Schwiegereltern waren sehr vermögend. Ueber bie Vorfahren spricht man in jenem Hause nicht gern," fuhr ber Baron in ironischem Tone fort, der Vater des Geheim raths war Brauer, fein Schwiegervater Bäder Bacchus und Ceres, indeß die wenigsten wissen es, und: als Abam grub und Eva spann, wer war da ein Edelmann? Wenn Ste es wünschen, werde ich Sie bei Gottschalls einführen."

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" Ich bin Ihnen sehr dankbar für dieses freundliche Anerbieten," erwiderte Werner, vielleicht erlaube ich mir, barauf zurückzukommen. Rennen Sie auch den Bruder des Herrn Geheimraths?"

Ob ich Ontel Theodor, den Bruber des Geheimraths v. Gottschalt tenne?" antwortete Baron v. Raven auf Werners Frage. Ich habe einmal das Vergnügen gehabt, bei Geheimraths mit ihm zusammen zu treffen, nur einem Zufall verdanke ich dieses Vergnügen, und ich kann Ihnen sagen, daß es ein höchst zweifelhaftes war." " Darf ich fragen, inwiefern 8"