Dffigin von B. 6. Teubner in Leipzig , bas biesjährige Stipen Dium der Karl Tauchnis- Stiftung au einer Reise nach Amerita bebufs Studiums des gegenwärtigen Standes der Buchdrucker­und der verwandten Rünste verliehen worden. Das Stipendium foll 1200 R. betragen. Der Schriftfeger Karl Look( Leipzig bet Breitkopf u. Härtel) beging am 30. September eine in den Kreisen seiner Wirksamteit feltene Feter, die der 60jährigen Berufsthätigkeit.

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Die Hundefänger find so ziemlich die beftgebaßten Leute in Berlin . Jkt wird der Bolts Btg." wieder geschrieben: Es ist mehr als empörend, bem Gebahren der Hundefänger in den Straßen Berlins zusehen zu müssen. Am 29. v. M. war ich Augenzeuge eines Erieffes, welcher sich in der Frankfurter Allee , in der Nähe der Thaerftraße, abspielte. Besagten Tages, Morgens 63/4 Uhr, bemerkte ich einige Hundefänger, welche einen großen gelben Hund, anscheinend einen Siebbund, ge fangen batten. Bum Transport desselben bedienten fie fich eines offenen Wagens, ähnlich denen der Grüntrambändler. Um nun den Hund auf den Wagen zu schaffen, flieg einer bieser Beamten binein und zog den Hund an dem am Halse bes letteren befestigten Stride an der Seite des Wagens bin auf, indem er den Strid ungefähr einen Fuß weit vom Kopfe bes Hundes anfaßte, während der andere Beamte von unten etwas nachhalf. Auf diese Weise laum oben angelangt, sprang bas Thier wieder herunter, worauf dieselbe Prozedur noch ein mal vorgenommen wurde. Natürlich hatte fich fofort ein zabl reiches Bublifum angesammelt, welches im höchsten Grabe auf gebracht war über diese unmenschliche Behandlung. Einer der Baffanten, welcher seinen Unwillen äußerte, wurde sofort von zweien der Beamten überfallen und mit Fauftschlägen auf das brutalfte mishandelt. Der eine nahm sogar seine Fangschlinge, brehte dieselbe um und schlug mit dem daran befindlichen Griffe nach dem Manne. Durch das Erscheinen zweier Schugleute wurde der brutalen Sjene endlich ein Ende gemacht.

Im Delirium. In der Nacht zum 1. Dttober d. J. machte der dem Trunle ergebene Schneidermeifter N. in einem Anfalle von Delirium den Versuch, seine in der Bebrenstraße belegene Wohnung in Brand zu fteden, indem er Petroleum auf den Fußboden goß und dasselbe anzündete. Kurz vorher batte St. auch versucht, die in der Küche zum Trocknen aufge gebangene Wäsche in der Rochmaschine zu verbrennen. N. wurde zur Charitee gebracht.

In dem Prozeb gegen die zwölfjährige Mörderin Marie Schneider soll, wie die Boft mittheilt, der Vertheidiger Rechts anwalt Dr. F. Friedmann die Nevifion angemeldet haben. Bei der Begründung derselben gebt er von der Anficht aus, daß bas Mädchen die ihm zuertannte geistige Burechnungsfähigkeit nicht besessen habe.

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Nachträgliches vom Prozeß Reller. Die Szene in ber Schwurgerichtsverhandlung, in der die lleine Anna Schiff ling auftrat, schildert der Berliner Börsenkourit" im einzelnen wie folgt: Das Rind wurde zuerst mit den übrigen Beugen von zwei schwarzgelleideten Frauen hereingeführt. Sie steht febr träntlich aus, und die gelbliche Farbe des schmalen Ge fichtchens fällt bei der dunklen Trauerkleidung um so mehr auf. Bist Du da, mein Rind?" wandte sich der Vorsitzende, Herr Landgerichtsdirektor Martius, an Anna Schiffling, mit welcher er bei der Verhandlung sets in dem ermuthigenden, freund lichen Zone eines Vaters sprach. Das eingeschüchterte Kind vermied es, nach dem Plage des Mörders hinzusehen. bie kleine aber bald darauf den Saal verlies, batte fte wieder Buverficht genug, um einigen Belannten hinter der Buschauer Barriere freundlich auzuniden. Die spätere Bernehmung des Kindes führte einen ergreifenden Bwischenfall herbei. Der Präfident ließ Keller gans binten im Saale Blaz nehmen, und die Schut'eute traten vor ihn hin, so daß der Anblick des Mörders dem Kinde völlig entzogen wurde. Die Glimme der unglüdlichen Waise sitterte, als fie anaftbetlommen zu sprechen begann, und wurde bald völlig im Schluchzen erflidt. Erft nach den väterlichen Ermahnungen des Vorsitzenden beruhigte fich die Kleine ein wenig und erzählte von jener entfeglichen Nacht, die für immer einen düsteren Schatten auf das Dasein Dieses Mädchens geworfen hat. In diesem seiner Eltern be raubten Rinde entstand die fürchterlichste Antlägerin für den Mörder. Diese schlichten, unbeholfenen Worte enthielten seine unerbittliche Verurtheilung. Wie Anna Schiffling aussagte, fte babe ber bereits blutenb am Boden liegenden Mutter auge rufen: Mamachen, lomme boch in mein Bett!" vermochte fich wohl Niemand im ganzen Saale dem Einbrude dieser rühren ben lindlichen Worte zu entziehen, und so manches Auge neste fich. Eine sehr peinliche Szene entwickelte fich, als schließlich doch noch eine Ronfrontation des Mörders und der Kleinen nöthig wurde. Das Kind zitterte heftig am gangen Leibe und schluchate. Reller blieb unbeweglich. Nur in dem Augenblide, wo Anna Shiffling aus dem Saale geführt wurde, bielt er fich das Taschentuch eine Sekunde lang vor bas Geficht."

Markthallen Bericht von 3. Sandmann, Rädtischem Berlaufsvermittler, Berlin , Bentral Markthalle, den 5. Dl tober 1888.

Wild. Rebe, Rebbühner und Hafen hoch im Preise und febr begehrt. Hehe 70-90, Hirsche 25-35, Dammbitsch 35-50, Bild fchwein 25-35 Bf. pr. Bfb., Rebhühner, junge 100-120, alte 80 bis 90 Bf., Fajanen 3-4 M., Wachteln 50-60 f., wilde Enten 0,80 bis 1,20, basen 3,00-3,75 D. per Stüd. Kramet

genügen, die Thatsache zu konstatiren, daß die ganze Fa milie Tag für Tag nur von einem Stüd trodener Polenta lebte unb baß es ein Fest bildete, wenn sich je dazu ein Stückchen Sped over geräucherten Fisches fand. Wenn der Bater, der wohl infolge von Entbehrung und Luftmangel Tränklich und abgehrend war, für feine Flidarbeiten etwas erhielt, so waren es 3entefimi; manche bezahlten mit etwas Polentamehl, andre auch gar nicht, weil sie eben selbst nichts hatten. Die Mutter versuchte, als Wäscherin im Lagelohn zu arbeiten, aber bei ber Ueberzahl der verfügbaren Kräfte war die Nachfrage gering und der Lohn ein unbedeutenber. Bier Rinder waren im Alter von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, nur ein Mädchen hatte das sechste Jahr er reicht und fuchte seiner Familie baburch zu helfen, daß es für eine Obstfrau Bitronen verkaufte. Was dabei für das arme Rind bei ber Werthlosigkeit dieser Waare in Palermo abfiel, fann man leicht berechnen. Die beklagenswerthe Familie bauerte mich tief, leider war ich aber nicht in der Lage, ihr hilfreich beigufpringen; das eingiae, was ich zu thun vermochte, war, daß ich ber eifrigfte Runde bes blei chen, fleinen Zitronenmädchens wurde, und ba ich doch biese Auslage mit meinen Mitteln in Einklang bringen mußte, mich nun dieser Frucht zu den verschiedensten 3weden bebiente. Ich gebrauchte fie ftatt des Effigs für bie Speisen, trant statt Wein Limonade und wusch mir fogar bamit die Hände, um die Seife zu erspuren. Der bankbare Blid aus dem tiefbunklen Auge des Rindes entschädigte mich reichlich für die kleinen Ents behrungen; die wenigen Kreuzer, die ich ihr zu verdienen geben fonnte, tamen fichtlich der ganzen Familie zu gute.

Es mochten fo zwei Wochen verflossen sein, als ich eines Morgens feltsamen Lärm im Hofraum hörte. Ich blidte burch mein Fensterchen und fah, daß der Flidschneis ber ganz gebrochen aus der Mitte jener jämmerlich schreien ben Rinderschar von awei Guesturini( Polizeiwachen) fort.

vögel 23-25 Bf. per Stud. Auerhahn 3-4,50 M. Birkhuhn 1,75-2,50 t. pr. Stüd.

Geflügel. Größere Bufuhren fetter Gänse per Bfund 60 bis 70$ ẞf. erwünscht. Halbfette Gänse 50 bis 60 Bf. per Pfund. Mageres Geflügel ist nur mit ühe und zu ſehr niederen Breifen unterzubringen. Gänse 2,50-8.00-6,00 R., junge Enten 1-1,50-2,00 art, junge Hübnes 0,55-0,80 D., alte 1,00-1,70., Tauber 30 bis 45 Pf., Boularden 4,50 bis 8,00. per Stück.

Butter Frische feinfte Tafelbutter sc. 120-128, feine Butter I. 115-122, II. 100-112, III. fehlerhafte 82-92, Landbutter 1. 92-98, II. 75-85 D. Galtzische und andere gerinante Sorten 55 bis 72 Mart per 50 Rilo. Breise feft.

Käse. Echter Emmenthaler 73-80 Mart. Beßpreußischer Schweizertäse L 56 bis 63 Mart, II. 50 bis 55 Mart, III. 45-48., Quadrat Backstein I. fett 22-25 R, II. 12-18 M., Limburger L 80-35 R., II. 20 bis 25 R., rheinischer Holländer Räse 45-58., II. Waare 35 M., echter Holländer 65 M., Edamer L. 60-70., II. 56-58 M., franzöfifchez Neufchateller 16 M. per 100 Stüd, Roquefort 1.20-1.50 pr. fb.

Eier. 2,60-2,70 Dt. per Schock.

Geräucherte Fische. Rheinlachs 2,50-2,90 D., Beser und Oftfeelachs 1,20-1,40., geräucherte Male 70-1,00 bts 1,30 Bf. pr. Bfb., großer Delilatesaal 1,50 per Pfd., Flundern, fleine 2,00-3,00, mittel 3,50-6 große 8-16 M., Bücklinge 1,80 bis 4,00 t. Dorsch 3-10 . per 100 Stüd. Sprotten 0,40-0,50 per Pfund.

Krebse. Kleine, 10 cm. 0,75-1,00 M., mittel 1,50-3., große 4-10 D. per Schod. Summern 1,30-1,60 per Bfund. Austern 7,50-12 t. pr. 100 Stüd

Lebende Fische. al, mittelgroß 80-95, große 1,10 bechi 60-70 Bf., Slete 80-90 Bf. per Bfunb.

Geeftiche. Lachs 1,00-1,20-1,30 Mart, Bander, grože, 80-100 f., Hecht 40-50-65 Bf., Steinbutte 70-80 Bf., Sees unge, große 0,70-1 R., mittel 50-60 Bf., Scholle 10-25 Bf., Schellfisch, große 20 Bf., Rabliau 15 bis 20 Bf. per Bfund, Matrelen 40-60 Pf. pro Stüd

Obst und Gemüse. Ung. Weintrauben 24-26, Defens augen und Muskateller Weintrauben 26-28 f. Neue C tronen 30-48 R. per Rifte, Bflaumen 2,25 bis 4, Birnen 4,20 bis 6,50, Tafelbirnen 7-15 M., Mepfel 425-6 Mart, Tafeläpfel 7-15 M., feinste Sorten bis 25 Mart, Prfiche 20-30 R., nanas 2,50-3,00 Mart pr. Bfd. Neue faure eingelegte Gurten 1,50-1,80 M. per God. 3wiebeln 2,25-2,75 t. Kartoffeln, weiße 3,50-4,00, rotbe 2,80 bis 3,00., blaue 3,00-3,60 R. pr. 100 kilo. Schalotten 6-7 M., Teltower Rübchen 9-12 M., Melonen 15 bis 20 m. pr. Ctr., Sellerie 7-8 M., Meerettig 7-12 Blumenkohl 20 bis bis 50 R. pr. 100 Stüd.

Blumen und Blätter. Lorbeerblätter 3-4 M. pro Rorb. Rosen 8-12 R., Rofentnospen 2-3 M. pro 100 Stüd Honig, reiner deutscher 60, feinfter weißer 70-80 R. pr. Ctr.

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Polizei- Bericht. Am 4. d. M. früh wurde in der Nähe des Schlesischen Thores die Leiche eines Mannes, anscheinend Schiffer, aus dem Landwehr Kanal gezogen und nach dem Leichenschauhause gebracht. Am Vormittag wurde ein Mann in seiner Wohnung in der Philippftraße erhängt vorgefunden. Am Nachmittag ftarb plöglich ein obdachloser Mann auf ber Wache des 51. Polizeireoiers, wohin er wegen schwerer Trunkenheit gebracht worden war, wahrscheinlich am Herzschlag. Die Leiche wurde nach dem Leichenschauhause geschafft.- Um dieselbe Belt wurde eine 76 Jahre alte Frau beim Ueberschreiten des Fabrdammes an der Ede der Frankfurter Allee und Memelerftraße durch einen Bierwagen überfahren und am rechten Fuß, sowie am Kopf leicht verlegt.

Gerichts- Zeitung.

heftiger Wahllampf zwischen der lonservativen und der deutsche freifinnigen Bartel. Das Drgan der ersteren war der Nord­haufener Kourier", beffen verantwortlicher Retalteur und Herausgeber ein Herr Eberhardt und dessen Hauptmitarbeiter Herr v. Schlieben war. Herr v. Schlieben war. Die lonservative Partei hatte ein Flugblatt berausgegeben, als beffen Verfaffer v. Schlieben galt und daß gegen die deutschfreifinnige Bartei gerichtet, unter anderen auch die damals von der fonferoutiven Preffe vielfach aufgeftellte Behauptung wiederholte, die deutschfreifinnige Bartet erkläre fich gegen das Septennat, wolle die Dienstzeit auf 2 Jahre feftgefegt haben und fel bemnach gegen den Schutz des Vaterlandes gegen auswärtige Feinde." Gegen Dieses Flugblatt polemiftrte in awet Versammlungen, die in fleinen Drten in der Umgegend von Nordhausen Raitfanden, Der Klempnermeister Grothe, der fich babin ausließ, daß der artige Behauptungen von jungen" Beitungsschreibern auf gestellt würden, die noch auf der Schulbant gefefsen hätten, als wir"( die Männer der deutschfreifinnigen Partei) unser Blut auf den Schlachtfeldern des Vaterlandes verspristen". Diese rhetorische Diatribe war v. Schlieben so mitgetheilt worden, als babe Grothe von grünen Jungen" gesprochen und da v. Schlieben trop seiner 32 Jahre noch über ein sehr jugendliches Aussehen verfügt, so hielt er fib unter dem fränfenden Titel für gemeint und leitete eine Privatbeleidigungsflage gegen Grothe ein. In dem Termin vor dem Schöffengericht wurde Herr Amtsgerichtsrath Lerche als erster Entlastungszeuge vers nommen und befundet die Neußerung fo, wie fie oben mitge theilt worden ist. Um nun die ganze Sachlage verständlich zu machen, gab er ein Bild von den allgemeinen politischen Ver hältniffen und berührte hierbei das fonservative Flugblatt, in bem gegen die deutschfreifinnige Partel der Borwurf der Vaterlandsverrätheret erhoben werbe, weil gesagt fet, fte wolle bas Vaterland wehrlos machen. Die Protokollirung dieser Aeußerung wurde von dem Brtvattläger beantragt, der Ge richtshof lehnte diesen Antrag jedoch ab, weil die Neußerung nicht die Sache betreffe. Der Prozeß gegen Grothe endete, wie bier erwähnt sei, damit, daß v. Schlieben seine Klage zurüdjog, weil sein Hauptzeuge" eine solche Aeußerung Grothe's ebenfalls nicht zu befunden vermochte. Der Amtsgerichtsrath Lerche denunzirte v. Schlieben jedoch durch ein von dem Ver leger Eberhardt unterzeichnetes Schreiben an die Staatsan waltschaft wegen Meineids. Er behauptete, daß in jenem Flugblatt eine solche Behauptung, wie fte Lerche mit getheilt babe, nicht enthalten set. Die Staatsanwaltschaft lehnte aber durch einen Bescheid, den fie noch an demselben Tage, an dem fie die Denunziation erhalten hatte, abgab, die Erhebung einer Voruntersuchung, geschweige denn einer Ans flage gegen Lerche, rundweg ab. Sollte felbft," so bieß es in bem Bescheibe, die Aussage Lerche's so gewesen sein, wie der Denunziant behauptet, so fönne darin doch nur höchstens die falsche Auslegung einer Stelle des Wahlflugblattes gefunden werden." Schon am Tage vorher hatte aber von Schlieben einen Artikel an verschiedene Blätter, darunter an bie ,, Staatsb. Btg." gerichtet, in denen die Erhebung einer Antlage gegen Lerche wegen Meineids als fiber hingestellt wurde, und in benen bann die öffentliche Beleidigung gesehen wurde, die zur Anklage ftebt. Die Beugenvernehmung, in ber auch ber Rechtsanwalt Träger aus Nordhausen sein Brugniß abgab, ftellte im wesentlichen den Sachverhalt so feft, rote er oben wiedergegeben ist. wiedergegeben ist. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte zunächst, den Redakteur Bachler nicht wegen ver leumderischer, wohl aber wegen einfacher Beleidigung zu bes ftrafen, da anzunehmen sei, daß derselbe bona fide gehandelt babe, die Strafe aber in Hinblick auf die Vorftrafen des An getlagten und die Schwere der Beleidigung gegen eine richter liche Berson in der von der Vorderinftans festgesetzten Höhe zu belaffen. Gegen v. Schlieben, deffen Bergehen der Staatsanwalt nicht für verjährt hielt, da die Berjährung burch richterliche Handlungen unterbrochen sei, beantragte er eine Gefängniß ftrafe von 1 Woche. Der juristische Beistand des Neden tlägers, Rechtsanwalt Rundel trat der nficht des Staats anwalts in Betreff der Beijährung bei, hielt aber eine fühl barere Strafe gegen v. Schlieben für angemessen. In scharfen Worten geißelte er das Verfahren des ingetiaaten, der, selber nicht moralisch intatt es versucht habe, einem Ehrenmann die Ehre abzuschneiden. Der Gerichtshof erkannte nach furzer Berathung auf Verwerfung aller Reoiftonsanträge mit Aus

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Neballeurs Bachler nicht als verleumderisch, sondern als ein fache Beleidigung auffaßt. Der Angeflagte v. Schlieben müsse ftraffret bleiben, well Verjährung eingetreten wäre; die Strafe gegen Bachler set mit 150 M. richtig bemessen.

+ Wegen verleumderischer Beleidigung durch die Preffe war der Rebatteur der Staatsbürger Btg.", Dr. Dtfo Bachler, von dem Schöffengericht durch Urtheil vom 7. April 1886 zu einer Geldstrafe von 150 Mart verurtheilt worden, während das Verfahren gegen den Mitangeklagten Richard v. Schlieben wegen Berjährung eingefiellt worden war. Gegen Das Urtheil war von drei Seiten Berufung eingelegt worden; die Staatsanwaltschaft nabm zu Gunsten Bachler's an, daßnahme desjenigen des Staatsanwalts, ber bie That des nicht eine verleumderische Beleidigung vorliege, sondern daß Derselbe bona fide gehandelt habe; Bachler hatte aus demselben Gefichtspunti Revision und eine mildere Strafe beantragt, und der Nebentläger, Amtsgerichtsrath Lerche in Nordhausen , bielt dafür, daß v. Schlieben zu bestrafen sei, weil die Berjährung nicht, wie der Vorderrichter angenommen, eingetreten wäre. Gestern fam die Sache vor der sechsten Straflammer des biefigen Landgerichts I aur nochmaligen Verhandlung. Der Angeklagte, Dr. med. D. Bachler, ist bereits viermal wegen Brezorrgehens, der Angeklagte v. Schlieben nach seiner eigenen Angabe wegen Unterschlagung vorbestraft. Es handelt sich um einen Artikel, der am 28. Juni 1885 in der Staatsb., 8tg." als Driginalforrefpodenz aus Nordhausen erschien, den Ange flagten v. Schlieben zum Betfaffer bat und gegen den Amis gerichtsrath Lerche die Behauptung erhebt, daß gegen ihn das Strafverfahren wegen Meineids bereits eingeleitet worden fei. Diese Angabe beruht, wie die Beweisaufnahme ergiebt, auf unwahrheit. Im Herbst 1884 tobte in Nordhausen ein

geführt wurde. Sein Weib war nicht zu Hanse, es hatte fich bereits auf Arbeitsuche begeben. Ich fragte die Leute, welche ob des für das ganze Stadtviertel hochwichtigen Er eignisses in den Hofraum geströmt waren, was geschehen fet, und erhielt die Aufklärung, daß die verflossene Nacht bem reichen, aber geizigen Räsehändler Domenico, der im gleichen Hause mit dem Flidschneider wohnte, ein Be trag von zehn Lire aus dem Laben entwendet worden sei. Das Säckchen, welches das Geld in fleiner Münzforte enthalten habe, set leer in der Wohnung des Flickschneiders vorgefunden und er daher verhaftet worden. Er behaupte zwar, baß sein breijähriges Rind das Säden im Hofraume leer gefunden und als Spielzeug zu fich ge nommen habe, aber so elenden Leuten lönne man nichts glauben, bie feien zu allem fähig.

Mittags tam bes Flickschneiders Weib nach Hause. Sie vernahm das schwere Unglüd, bas fie betroffen, hielt sich an dem Thürpfoften, um nicht zusammenzubrechen und wieder holte nur mit flierem Blid bie Worte: Egli e innocente - er ist unschuldig." Dann raffte fie fich auf und wankte, ohne der jammernben Rinder zu achten, zum Hause hinaus auf die Quäßtur( Polizeiamt).

Ich hatte mich zu Tische gefeßt, konnte aber die be fcheidenen Speisen nicht berühren, fo tief batte mich der Vorfall ergriffen. Eben wollte ich meine fleine Bitronen Iteferantin zu mir rufen, um ihren armen Geschwistern mein Effen hinüberzusenden, als ein markerschütternder Schrei aus dem Hofe herauffholl: Dio! Dio!*

Ich eilte an mein Fensterchen. Vor dem Kruzifir an der Scheunenwand lag das Weib bes Flidschufters auf dem Boben ausgestreckt. Ein einziger Schrei hatte fich ihrer Brust entrungen: ,, Dio!"

Una Gastima, una Gastima!" murmelten die Weiber, welche entsetzt baneben ftanden.

Obiefe Gastima, mit Schreden gebente ich noch dieses Shreies, in dem fich die ganze Verzweiflung eines von Noth,

+ Einen Wuft von Familienzwiftigkeiten enthüllte eine Anklage, die gestern gegen den Konditor Albrecht, feine Frau und seine Mutter wegen Mishandlung und Freibettsberaubung vor der zweiten Straflammer des hiesigen Landgerichts I ver handelt wurde. Die Schwester und Tochter der Angeklagten wollte von denselben so gemißhandelt worden sein, daß fie eine Bruftfellentzündung davongetragen und wochenlang im Kranten bause Bethanien habe liegen müssen; außerdem sollte die Mutter fie im Bimmer eingesperrt und stundenlang der Frei helt beraubt haben. Emilie Albrecht unterhielt f. 8. ein Ber bältniß mit dem Manr, mit dem fte jest verheirathet ift. Dieses Berhältniß fand zunächst die vollständige Billigung der Fas milit. Da trat der Betlobte eine Reise an und bat bie Mutter feiner Braut, thn in seinem kleinen Geschäft zu vertreten. Bei

Elend und Unglüd gebrochenen Menschenherzens widerspiegelte, dieses unnatürlichen Schreies, welcher nie im Bewußtsein, sondern nur im Wahnsinn übermenschlicher Dual ausgestoßen werden kann. Dieser entfehliche Vorwurfsschrei gegen die Menschheit, ja selbst gegen ben Himmel, den bas gebrochene Weib mit dem blaffen Antlig, dem gläsernen Blick und ben zudenden Lippen erhob, bas war die Gastima

Was Sie in Händen halten, Herr Rommiffar, ist nur ein unvollkommenes Bild der herzzerreißenden Szene, welche weder Morte noch Pinsel in ihrer gräßlichen Naturwahrheit wiederzugeben vermögen."

Und was war das Ende dieses Dramas?" fragte ich ergriffen.

Ich vermochte es nicht abzuwarten. Den Ausbruch ber Verzweiflung des Weibes hatte die Auskunft der Quastur veranlaßt, daß ihr Mann, des Diebstahls verbächig bereits bem Gerichte überliefert worden set. Die Inhaft nahme des Mannes bedeutete ben Ruin der ganzen Fa milie. Ich schenkte auch berselben den Nest meiner Reisebaar fchaft und begab mich dann nach Rom, wo ich mich, wie Sie bereits wiffen, selbst gezwungen fab bie Unterstügung unserer Vertretungsbehörde in Anspruch zu nehmen. Mein weiteres Shidfal liegt in Ihren Häuben."

indem ich ihm die bis München nöthige Reifesumme Ich habe ihm baffelbe denn auch möglichst erleichtert, vorftredie. Rurze Zeit darauf erhielt ich den Betrag zurüd und als Beichen der bankbaren Erinnerung Gastima. bes jungen Malers eine gelungene Ropie seiner Stizze La

Ich glaube, baß bas Bildchen auch im Bureau eines hatte er im Begleitschreiben bemerkt. Polizeibeamten nicht so ganz am unrechten Platz sein dürfte,"

Er hatte bamit ein treffliches Wahrwort gesprochen.