Der ungefähr 10 Jahre alte Knabe Willy N. hatte fich auf den Zeigefinger der rechten Hand einen eisernen Ring gepreßt, wie solche an Portieren und Rouleaur zum Auf- und Buziehen benutzt werden. Als er nach einiger Zeit den Ring wieder entfernen wollte, war der Finger so angeschwollen, daß der Ring weder vorwärts noch rückwärts geschoben werden fonnte und schließlich durchfeilt werden mußte. Einen Tag später war die ganze Hand bei heftigen Schmerzen angeschwollen und der Arzt erklärte, daß in Folge des stundenlangen Druckes fich eine Knochenvereiterung gebildet habe, deren weiterem Umfichgreifen nur durch eine Amputation des Fingers entgegentreten werden könnte. Die Operation wurde am Dienstag vollzogen.
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Polizei- Bericht. In der Nacht zum 12. d. M. wurde ein geistesfranker Mann im Lustgarten umhertobend und aus einer Kopfwunde blutend angetroffen und, nachdem er in der Sanitätswäche in der Brüderstraße verbunden worden war, mittelst Droschte nach seiner Wohnung gebracht. Auf welche Weise er die Verlegung erlitten, konnte nicht festgestellt werden. Am 12. d. M., früh gegen 6 Uhr, warf sich ein geisteskranker Mann an der Ecke der Königs- und SpandauerStraße vor einem heranfahrenden Pferdebahnwagen auf die Schienen, um sich überfahren zu lassen, wurde jedoch noch rechtzeitig entfernt und demnächst auf behördliche Veranlassung nach der Charitee übergeführt. Als am Nachmittag der Kutscher Hennig die durchgehenden Pferde eines in der Perlebergerftraße unbeaufsichtigt stehen gelassenen Wagens aufhalten wollte, wurde er von denselben umgeworfen und gerieth dabei so unglücklich unter die Räder des Wagens, daß er an beiden Füßen schwer verlegt wurde und nach seiner Wohnung ge fahren werden mußte. Gegen Abend fiel in der Gladenbeckschen Gießerei in der Münzstraße der Schmied Russiwicz durch eigenes Verschulden von einer etwa 5 Meter hohen Schiebe brücke herab und erlitt dadurch so schwere innere Verlegungen, daß er mittelst Krankenwagens nach dem St. Hedwigs- Krankenhause gebracht werden mußte.
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Gerichts- Zeitung.
Der Spremberger Krawall vor Gericht. Dritter Tag der Verhandlung.
Gegen 9 Uhr Vormittags eröffnet Präsident Landgerichtsbirektor Ritgen wiederum die Sigung. Es erscheint zunächst als Beuge Tuchfabrikant Schmidt: Am 1. Mai Nachmittags hörte ich, wie der mir bekannte Arbeiter Tittel mit einem Mann fich lebhaft unterhielt und sagte: Nun fehlt uns blos noch Dynamit!"
Der Angeklagte Plaske giebt zu, daß er fich etwa eine Stunde auf dem Marktplage befunden und erst fortgegangen sei, als die Bürger erschienen. Bis dahin habe er eine Aufforderung zum Auseinandergehen nicht gehört. Brofig bemerkt: Wachtmeister Sommer, der gestern befundet habe, daß er( Angeklagter) Sozialdemokrat sei, dürfte ihn mit seinem Bruder, der Tischler sei, verwechseln.
Wachtmeister Sommer: Eine Verwechselung meinerseits ist ausgeschloffen. Brofig hat sogar, nochdem ich ihn verhaftet hatte, noch sozialdemokratische Lieder gesungen. Angeklagter Hoffmann: Es sei ihm unklar, daß Subrich behaupten könne, er habe sich unter der skandalirenden Menge befunden.
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Der Präsident bedeutet dem Angeklagten, er werde ihm sogleich eine Ordnungsstrafe diktiren, wenn er die dem Gerichtshof und den Zeugen gebührende Achtung verlegte.
Hubrich bekundet wiederholt: Hoffmann habe zu den Hauptstandalmachern gehört. Schon am vorhergehenden Tage sei Hoffmann ein Hauptskandalmacher gewesen. Als er( Subrich) dem Säbischka die rothe Fahne entreißen wollte, habe Hoffmann ihn gestoßen.
Angeklagter Sommer erklärt sich für nichtschuldig. Er sei als er aus dem Schanklokal von Meyer kam, ohne Weiteres von dem Nachtwächter Schmidt mit den Worten verhaftetet worden: Das ist auch so Einer von den Schw.
Nachtwächter Schmidt bestreitet, diese Worte geäußert zu haben. Sommer habe auf seine( des Zeugen) Aufforderung, fich zu entfernen, geantwortet: Sch habe ein Recht, hier zu stehen, Sie haben mir gar nichts zu sagen, ich will einmal sehen, wer mich hier wegbringen will." Drei Entlastungszeugen, die die Verhaftung beobachtet, bestätigen im Wesentlichen die Bekundung des Angeklagten. Der Nachtwächter habe den Angeklagten gestoßen und geschleift, so daß er ihnen( den Zeugen) leid gethan habe.
Angell. Handrick, dessen nochmalige Vernehmung wiederum zu keinem Resultate führt, bemerkt: Es ist hier von Sozialdemokratie gesprochen worden. Ich muß bemerken, daß ich zur Sozialdemokratie nicht gehöre!
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Präfident: Jst denn behauptet worden, daß Sie Sozialdemokrat find? Angeklagter: Von mir nicht, aber von Brofig. Präsident: Brofig geht Sie garnichts an. Es wird dem Präsidenten berichtet, daß die Angeklagten Kara und Appelt angesichts des Gerichtshofes frühstücken. Die Ange flagten, die noch im vollen Kauen find, geben dies zu, der Staatsanwalt beantragt diese gegen Angeklagten eine Haftstrafe von je 24 Stunden. Während der Gerichtshof über diesen Antrag beräth, frühstückt der 18jährige Appelt mit lachendem Geficht ruhig weiter.
Der Präsident verkündet: Der Gerichtshof habe beschlossen: Diesmal von einer Bestrafung noch Abstand zu nehmen.
Die Angeklagten Greischel und Bierreich erklären sich für nichtschuldig. Die Beweisaufnahme ergiebt gegen diese Angeflagten nichts Belastendes.
Der Angeklagte Radefeld erklärt sich ebenfalls für nichtschuldig.
Nachtwächter Noad bekundet: Radefeld sei ihm bei der Verhaftung von Erzedenten hinderlich gewesen.
Tuchfabrik ant Büschel: Radefeld habe sich auch unter den Exzedenten befunden. Auf Befragen des Staatsanwalts bejaht der Zeuge, daß Radefeld Sozialdemokrat sei.
Gustav Schmidt erklärt sich ebenfalls für nichtschuldig. Er sei an jenem Abende überhaupt nicht in der Altstadt gewesen.
Die Beweisaufnahme ist danach beendet. Es tritt hierauf eine zweistündige Pause ein.
Gegen 3 Uhr Nachmittags wird die Sigung wieder eröffnet und nochmals Polizeiwachtmeister Sommer vernommen. Dieser bekundet, daß er sowohl den Sozialdemokrat" und das sozial demokratische Liederbuch bei Haussuchungen in Spremberg vorgefunden habe. Der Präsident verliest hierauf einige Stellen aus diesem Liederbuch. Ein Lied ist betitelt„ Eigenthum ist Diebstahl" und schließt jedesmal mit dem Refrain ,, Eigenthum ist Dieberei".
Es erscheint nun nochmals als Zeuge Bürgermeister Wirth: Dieser bemerkt auf Befragen des Präsidenten: Ich glaube nicht, daß die sozialdemokratische Partei den Krawall angestiftet hat. Ich bin aber der Ueberzeugung, daß die Sozialdemokratie, die unter der Spremberger Arbeiterbevölkerung den Geist der Auflehnung und Unordnung gepflegt, den Boden für diesen Krawall vorbereitet hat. Diesen Geist, der die Gemüther erregte, hat einerseits der Branntweingenuß, anderseits der Krawall verschuldet.
Präsident: Sie haben uns schon gesagt, daß in Spremberg mehrfach aufregende Versammlungen stattgefunden haben?- Beuge: Ja, diese Versammlungen, in welchen Berliner Abgeordnete gesprochen haben, haben allerdins schon vor etwa zwei Jahren stattgefunden. Als ich eine Verlammlung, in der Hasenclever sprach, auflösen mußte, wurden wir nicht b os mit Steinen geworfen, es wurden mir auch die Fenster eingeworfen und selbst die Mitglieder meiner Familie auf der Straße insultirt.
Präs. Versammlungen des Fachvereins, in denen ebenfalls aufreizende Reden gehalten wurden, haben auch noch später stattgefunden? Beuge: Jawahl.
Präs.: Sind Sie der Meinung, daß auch die belgischen Unruhen auf die Spremberger Arbeiterbevölkerung eingewirkt haben? Beuge: Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich habe bei der ersten Vernehmung den Säbischka gefragt, ob er über die belgischen Unruhen etwas gelesen habe. Er antwortete mir: Jawohl, ich habe davon gelesen, aber nur im Spremberger Anzeiger".
Präs. Gestern Abend sollen die Angeklagten, als Sie nach Spremberg fuhren, sozialdemokratische Lieder gefungen haben? Beuge: Jawohl, Kretschmar soll es gehört haben. Buchhalter Kretschmar erklärt auf Befragen: Ich habe wohl die Angeklagten fingen gehört, ob es aber sozialdemokra tische Lieder waren, fann ich nicht sagen.
Bürgermeister Wirth: Ich habe die Nachricht von Berrn Stadtrath Säbisch, dieser nannte den Kretschmar als Zeugen.
Alsdann nimmt das Wort zur Schuldfrage Erster Staatsanwalt Sauce: Wenn ich bei der ersten Verhandlung sagte, der Kramall habe einen sozialdemokratischen Beigeschmack, so tann ich wohl jezt etwas weiter gehen und sagen: Der Krawall hatte einen anarchistischen Beigeschmack. Es spricht da für der ganze Charakter des Krawalls. Derselbe unterscheidet fich dem von 30. am April ganz besonders dadurch, daß es ein wohlgeplanter war. Während der Krawall am 30. am hellen Tage von fast ausschließlich jungen Leuten ausging, haben sich an diesem alle Altersklassen betheiligt. Es kommt noch hinzu, daß der letzte Krawall am Abende stattfand, wo es den Beamten und dem Publikum schwerer ist, Ruhe zu schaffen. Die Art und Weise, wie der Krawall am ersten Mal geplant und ausgeführt wurde, führt zu der Ueberzeugung, daß in der Spremberger Arbeiterbevölferung bereits der Geist des Anarchismus Platz gegriffen hat. Der Umstand, daß die meisten der gegenwärtigen Angeklagten in noch sehr jugendlichem Alter stehen, widerlegt die Behauptung nicht. Daß die Angeklagten nicht wissen, oder was Sozialdemokratie Anarchist ist, habe ich bereits am Mittwoch gesagt. Allein es ist nachgewiesen, daß die Angeklagten Lieder fangen, in die rothe Republit verherrlicht wurde, obwohl sie jedenfalls feine Ahnung von Politik haben. Trozdem wird ihnen ge lehrt, daß die Republik die beste Staatsform sei. Wenn ich nun zu den Strafanträgen übergehe, so bedaure ich, mit Rüd ficht auf die Schwere der Etrafthaten und auf die Gefährlichteit des Erzeffes, daß das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nicht zuläßt. Ich beantrage gegen Rubendunst 1 Jahr, gegen Kara, Burkerd, Plast, Lange und Lauke je 14 Jahr, gegen Täuſcher 14 Jahr, gegen Hoffmann 1 Jahr und 1 Monat, gegen Maltusch 8 Monate, gegen Appelt, Dunst, Handrid, Radenfeld, Rethert, Richter, Klinze , Sachs, Grund, Ernst Schmidt, Brofig, Biernich und Gustav Schmidt je 3 Monate, gegen Hermann Schmidt und Greischel je 2 Monate, gegen Witte 6 Wochen Gefängniß und gegen Sommer die Freisprechung. Außerdem beantrage ich, alle diejenigen Angeflagten, die zu 1 Jahr und darüber verurtheilt worden, zu verhaften."
denen
Die Angeklagten bitten theils um Freisprechung, theils um mildernde Umstände.
Nach sehr langer Berathung verurtheilte der Gerichtshof Maltusch, Hoffmann zu je 10 Monaten, Kara, Burkert, Plast
und Laufe zu 1 Jahr 2 Monaten, Lange zu 1 Jahr, Appelt,
Bandrid, Radefeldt, Rothert, Richter, Heinze, Dunst, Sachs, Ernst Schmidt, Schmidt, Grund und Brofig zu je 3 Mo naten, Hermann Schmidt, Greischel und Biernich zu je 2 Monaten, Witte zu 6 Wochen Gefängniß und spricht Gustav Schmidt und Sommer frei. Ferner beschließt der Gerichtshof: die Angeklagten Rubendunst, Teuscher, Hoffmann, Kara, Plagt, Laude, Lange und Burkert sofort zu verhaften.
Ueber die Verhandlung gegen den Baumeister Keßler vor der fgl. Regierung von Oberbayern in München entnehmen wir den Münchener N. N." folgendes: Ausgewiesen aus Bayern wurde laut. Beschluß der Polizeidirektion München vom 30. September der Angehörige der sozialdemokratischen Bartei, Regierungsbaumeister Gustav Keßler aus Tilsit , zuständig in Berlin . Regler legte Beschwerde zur Regierung von Ober bayern , Kammer des Innern, ein, und der Fall kam gestern vor dem zweiten Senate zur Verhandlung. Keßler machte in
Nachtwächter Schmidt: Er habe den Angeklagten auf dem hier
Marktplay gesehen.
Einige Beugen befunden, daß sich der Angeklagte an jenem Abende in der in der Neustadt belegenen Schweta'schen Gastwirthschaft befunden habe. Wie lange Schmidt in diesem Lokale verblieben, können die Entlastungszeugen nicht betunden.
Angeklagter Dunst: Er sei bei einem Geschäftsgange zufällig in einen Menschenhaufen gerathen und in Folge deffen verhaftet worden.
Ein Zeuge bekundet: Der Angeklagte habe der Aufforderung der Polizeibeamten auf Entfernung keine Folge gegeben, fondern habe geschimpft.
Angell. Witte: Er sei gegen 9 Uhr Abends von Haufe weggegangen. Als er nach der Langenstraße fam, sei das Publi fum von den Polizeibeamten zurückgedrängt worden. Er habe der Aufforderung auch sogleich Folge geleistet. Hubrich habe ihm zugerufen: Er solle schneller gehen, sonst werde er ihn laufen lehren." Er habe erwidert: Er gehe so schnell, als er fönne." Raum hatte er diese Worte gesprochen, so habe ihn Hubrich von hinten gepackt und in eine Polizeiwache geführt.
Polizeiwachtmeister Hubrich: Witte erwiderte auf meine Aufforderung, fich zu entfernen: Ich habe ein Recht hier zu tehen", ich habe ihn infolge dessen verhaftet. Bei dieser Gelegenheit griff mich der Angeklagte an und widersetzte sich der Verhaftung.
Rechtstonfulent Just: Er habe wohl gehört, als Witte zu Subrich sagte: Ich kann nicht so schnell gehen, denn ich habe einen lahmen Fuß.
selben am besten durch die Thatsache illustrirt, daß er noch lange nachher fich in höheren preußischen Staatsämtern be funden habe. Es genüge, wie es scheine, als Sozialdemokrat bekannt zu sein, um ansgewiesen zu werden; es würden seine Gesinnungsgenossen die Sache im Reichstage zur Sprache bringen. Die Regierung verwarf die Beschwerde als unbe gründet. Keßler wird Beschwerde zum Verwaltungs- Gerichtshof einlegen.
der
Der Handel mit Antheilscheinen der preußischen Lotterie wird je nach der verschiedenen Beurtheilung der be treffenden Straffammer als erlaubt oder als unbefugte Veran staltung einer öffentlichen Lotterie angesehen. Dies hat namente lich der Loosehändler Ferdinand Seidicke an sich erfahren. Derselbe war wegen Vertriebs von Antheilscheinen auf den be tannten Formularen gleichzeitig vor dem Landgericht zu Liegnit und vor dem hiesigen Landgericht 1, Straftammer IV, ange flagt. Bei dem erstern Gericht handelte es sich um Antheile der 172., bei dem legtern außerdem um Antheile der 171. und 173. Lotterie. Das Landgericht zu Liegnis lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil nach seiner Annahme ein aliquoter Theil an dem Loose übertragen war, also nicht blos ein Hoffnungsverkauf vorliege, während hier das Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie eröffnet worden Hauptverfahren wegen unbefugter ist. Im Juni dieses Jahres wurde auch Angeklagte von der genannten Kammer wegen Vergehens gegen $ 286 Str.-G.-B. in fünf Fällen zu zusammen 500 m. event. 50 Tagen Gefängniß verurtheilt, indem in Gegensatz zum Liegnißer Landgericht angenommen ward, daß nur die Gewinn des Vertheidigers, daß die Loose der 172. Lotter in Folge des chanze Gegenstand des Vertrages gewesen ist. Den Einwand Liegnißer Beschlusses bereits abgeurtheilt seien, verwarf das Gericht. Aus dieser Nichtberücksichtigung nahm auf die von dem Rechtsanwalt Dr. Friedmann eingelegte Revision der zweite Straffenat des Reichsgerichts Veranlassung, das qu. Urtheil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung in die erste Instanz zurückzuweisen. In dem gestrigen Termin beantragte der Staatsanwalt die Annahme von nur zwei Straf fällen, erachtete aber die früher erkannte Strafe von 500 M. für nicht zu hoch; der Gerichtshof folgte aber den Ausführungen des Rechtsanwalts Dr. Friedmann und verurtheilte den Ange flagten zu 200 M. event. 20 Tagen Gefängniß.
Vereine und Versammlungen.
übernommen.
† Die öffentliche Wählerversammlung für den ersten Berliner Reichstagswahlkreis, die am Freitag in der Lon halle", Friedrichstr. 112, stattfand, hatte den Saal und die erste Galerie vollständig gefüllt. Das Bureau wurde aus den Herren Täterow, Frank und Schönborn gebildet Es handelte sich um die Aufstellung eines Kandidaten der sozialdemokratischen Partei für die bevorstehende Reichstags wahl. Das Referat hatte der Kaufmann Robert Flatow Was wir wir wollen und was wir nicht wollen", lautete fein Thema." Der erste Reichstagswahl freis", so etwa begann der Redner, der bisher von der sozial demokratischen Agitation vernachlässigt worden ist, soll diesmal mit erneuter Kraft bearbeitet werden. Bisher nahm man an daß dieser Wahlkreis geringe Aussichten für das Durchkommen eines Arbeiterkandidaten böte. Dem ist nicht so: der Wahl freis ist durchaus nicht schlecht und bietet große Aussichten. Bwar stehen uns viele Parteien gegenüber, aber gerade in diefer Spaltung der Gegner liegt der Vortheil. Schon jest zanken sich Konservative, Antisemiten, Stöckerianer und Nationalliberale herum und machen sich Konkurrenz. So können wir hoffen, wenigstens in Stichwahl zu kommen. Dieses Re fultat aber läßt sich nur erreichen, wenn Jedermann im ersten bie Wahlkreise seine Pflicht thut, die Säumigen anspornt, Freunde begeistert. Und auch die Hoffnung darf man hegen, daß selbst Männer, die nicht ausgesprochene Sozial demokraten find, bei aus dieser Wahl uns keitsgefühl thre Stimmen geben werden. wir aber in den eintreten, Wahlkampf
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Gerechtige
Wenn
fo
ift
es billig, daß wir sagen, was wir wollen." Der Redner bes gann nun damit, einen geschichtlichen Rückblick über die Ent wicklung der Arbeiterbewegung zu geben. Sie fei nicht vom Himmel gefallen, nicht durch die Hepreden von Agitatoren" hervorgerufen worden, sondern sie sei die Folge der sozialen Verhältnisse, des Entwicklungsganges der Geſellſchaft. Gr flagte die Fortschrittspartei an, daß sie die Maffen mit der politischen Freiheit vertröstet und in sozialer Beziehung den starren manchersterlichen Standpunkt nicht verlassen habe. So sei in ihr auch für einen Mann wie Ferdinand Laffalle
die Maffen auch in sozialer Beziehung fortschreiten müßten. So sei auch Johann Jacobi von seinen früheren Parteigenoffen hinausgedrängt worden, als er neben dem politischen ein so ziales Programm für die Demokratie gefordert habe und folge richtig habe er sich dann der Sozialdemokratie angeschloffen. Selbstständig sei so die sozialdemokratische Partei entstanden, über, die aus kleinen Anfängen sich entwickelt und eine ungeahnte
einige Hauptpunkte des sozialdemokratischen Programms zu örtern, womit er eine Kritif der entgegenstehenden Parteien verband. Er wies zunächst eine Reihe der Vorwürfe zurüd, die der Sozialdemokratie von ihren Gegner gemacht werden: fie sei unfittlich, unmoralisch, leiste nichts Pofitives für Einwandes ging der Redner auf eine ausführliche Darlegung
den Arbeiterstand.
Zur Entfräftung
Dieses
er darlegte. Hieran schloß er die Auseinandersetzung
legten
und
Entwurfes ein, deren reformatorischen Werth für die Arbeiter Begründung jener Forderung, wonach jeder Arbeiter den vollen der einen Seite, welche die wirthschaftlichen Krisen verursache und die Arbeitslosigkeit und Verarmung der großen Vollsmaffen auf der anderen verlangten dringend eine Umgestaltung der Wirthschaftsordnung, den Ersaß der kapitalistischen durch die genossenschaftliche Produktion. Nachdem der Redner noch her meine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht gerichtet
dauernd aufzuhalten gedenke und blos hierher gekommen sei, vorgehoben, daß der Ansturm der Reaktion gegen das allge
um seine Tochter in der hiesigen Kunstgewerbeschule unterzus bringen, und um selbst sozialwissenschaftliche Studien an der Staatsbibliothek zu machen. Er sei auch in Berlin nicht agitatorisch aufgetreten und nur auf Grund seiner Zugehörigkeit zur
sei und und daß die Vertreter der Arbeiter berufen seien, es zu
vor
fam vertheidigen,
er
allen
zum
Schluß:„ Der Schriftsteller Christensen ist als Kandidat Sozialdemokratie ausgewiesen worden. Er erkennt die gefeßliche für die bevorstehende Wahl in Vorschlag gebracht worden. J Berechtigung der Ausweisung an, bittet jedoch aus Billigkeitss fenne ihn persönlich und fann ihn als einen ehrenhaften Mann
gründen um Aufhebung des Ausweisungsbeschlusses. Aus dem
Vortrage des Referenten ist zu entnehmen, daß Keßler den weitesten Kreisen bekannt geworden. Seiner Thätigkeit ist empfehlen. Durch die Affäre Thring- Mahlow ist sein Name in
nach seiner am 2. September v. J. erfolgten Ausweisung aus Berlin hierher fam, vom Polizeipräsidium Berlin avifirt wurde und schon am 6. September, meil als sozialdemokratischer Agitator befannt, eine Haussuchung nach verbotenen Schriften über fich ergehen lassen mußte, die jedoch erfolglos war. Keßler erHärte dem haussuchenden Beamten, daß er sich jeder agitatorifchen Thätigkeit fernhalte und mit den Hauptführern der sozialdemokratischen Partei auf gespanntem Fuße ſtehe. Beichwerdeführer ist laut Ausmeis der
leiden!
es zu danken, daß nicht Arbeiter zu Greuelszenen provozirt wor den find. Immer gilt es, den Kopf oben zu behalten und fich vor Unbesonnenheiten zu hüten. Um Einzelne müssen sehr viele gramm müffen wir die großen Massen zu uns herüberziehen. Durch unsere Grundsäße, durch unser Bros Nehmen wir uns vor, am Wahltage, am 6. Dezember, wader Stürmischer Beifall folgte diesen Der Worten. Es wurde sofort zur Aufstellung des Kandidaten ge polizeilichen schritten. Eine Resolution schlug den Metallarbeiter Grau,
Aften schon mehrfach bestraft. Er wurde von Berlin auf Grund des Sozialistengesetzes, aus Brandenburg und dem Herzogthum Braunschweig als der öffent
unsere Pflicht zu thun!"
Kandidaten vor.
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lichen Eicherheit gefährlich ausgewiesen. Die Polizeidirektion Jubelruf erfcholl, als der Vorfigende den Genannten als ben
München handelte nach gleichen Gesichtspunkten und erachtete
es auf Grund Art. 3 Biff. 2 des Freizügigkeitsgesetzes für gerechtfertigt, Regler den Aufenthalt in Bayern zu verbieter. Der Beschwerdeführer machte geltend, daß von Gemeingefährlichkeit
Bei der Abstimmung erklärte fich die Versammlung fast einstimmig für Christensen. Braufender Kandidaten der Sozialdemokratie bei der bevorstehenden Wahl im ersten Berliner Reichstagswahlkreise proklamirte. Die Ums stände hatten das Bureau veranlaßt, die Diskussion erst nach der erste Redner, ein gewiffer Schmidt, der sich Buchdrucker nannte,
bei ihm keine Rede sein könne, indem er sich ganz zurückgezogen zeigte es fich, wie nothwendig diese Maßregel gewesen. Schon
verhalte. Was seine Verurtheilungen anbelange, so werden die