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Ansicht ist eine durchaus irrige! Nicht mir, sondern dem ruhigen, zielbewußten Geiste, der überall die Anhänger der Sozialdemokratischen Partei kennzeichnet, ist es zu verdanken, daß die Provokationen des erwähnten Herrn erfolglos blieben. Reinem einzigen das kann ich mit Bestimmtheit be­haupten von all den Parteigenossen, die das zweifelhafte Vergnügen hatten, zeitweilig mit jenem ,, pflichttreuen Beamten" zu verkehren, wird es auch nur im Entferntesten eingefallen fein, auf seine Provokationen irgendwie einzugehen. In diesem Punkte dachten wir alle vollkommen gleich, und es war also in teiner Weise nöthig, daß jemand durch mich oder durch andere von Greuelszenen zurückgehalten wurde. Jens Christensen.

Dänemark  .

Die sozialistischen   Arbeitergefeßvorlagen find am Sonnabend von der Mehrheit des dänischen Folkethings für erheblich erachtet und sofort in Berathung genommen worden. Eine Minderheit wollte sie durch eine begründete Tagesordnung abgelehnt wiffen.

Schweden   und Norwegen  .

Für die Verstaatlichung sämmtlicher Privateiſen­hahnen hat sich nach der Kölnischen 3tg." der Ausschuß in Stockholm   grundfäßlich entschieden.

Belgien  .

Neulich fand die Generalversammlung der Aktionäre des Organes der Arbeiterpartei, des Peuple", statt. Es wurde fonstatirt", daß dieses sozialistische Blatt das verbreitetste Belgiens   sei. Man beschloß, da die finanziellen Ergebnisse sehr günstige sind, die Errichtung einer eigenen Druckerei und die Ueberschwemmung Belgiens  mit neuen sozialistischen   Schriften.

Frankreich  .

In Vierzon   giebt es noch immer ein Häuflein Strei­tende, weshalb der Pariser   Gemeinderath Vaillant bean­tragte, ihnen 4000 Franken nicht als Almosen, sondern des Prinzips wegen auf Kosten der Stadt zukommen zu lassen. Der Pariser   Gemeinderath, der für Decazeville und Vierzon schon oft ähnliche Spenden ohne Bedenken bewilligt hat, zeigte fich diesmal nachdenklich. Er schob zuerst die Entscheidung hinaus und verwarf die Subvention endlich mit 36 gegen 28 Stimmen.

Großbritannien  .

Gegen den Sozialisten John Ward wurde am Sonn abend die Verhandlung vor dem Bowstreet- Polizeigericht in London   fortgesetzt. Ward war bekanntlich am Lordmayorstage in Trafalgar Square   wegen unordentlichen Benehmens" ver­haftet. Die Sozialisten wollten durch den Ward'schen Fall eine richterliche Entscheidung darüber erlangen, ob die Polizei befugt war, die Volksversammlung am Lordmayorstage zu verbieten. Der Polizeirichter Vangham entschied, daß der Polizeichef völlig im Rechte war, das Abhalten der Versammlung in Trafalgar Square   zu untersagen. Der Angeklagte Ward wäre demnach nicht befugt gewesen, eine Rede zu halten und müsse wegen feines ordnungswidrigen Betragens eine Geldbuße von zehn Schillingen entrichten. Ward zahlte die Strafe unter Protest, womit der Fall seine Erledigung fand.

Das Kabinet hat einen Ausschuß ernannt, welcher einen Plan für die Beschleunigung" des Geschäftsganges im Hause der Gemeinen ausarbeiten soll. Mitglieder dieses Ausschusses, der gestern seine erste Sigung hielt, sind: Lord Randolph Churchill  , Sir Michael Hicks- Beach, Mr. Matthews, Mr. Stanhope und Mr. Smith.

Spanien  .

Aus Spanien   wird gemeldet, daß die Prozesse gegen die Urheber und Theilnehmer des Putsches vom 19. September jezt zu Ende sind. Alle Soldaten, welche daran theilnahmen, wurden zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt, ausgenommen ein Trompeter von 16 Jahren, der 15 Jahre Gefängniß er­hielt. General Villacampa mit seinen 5 Gefährten ist in Fer nando Bo angekommen, wo sie in einem Schiff des dortigen

und fünfzehn Sergeanten und Korvoräle büßen ihre Strafen in den Stationen von Centa und Melilla  , an der Küste von Marotto ab, wohin 110 Verurtheilte nächstens abgehen.

Balkan   länder.

schwinden des Generals Kaulbars vom bulgarischen Aus Wien   wird der Natztg." geschrieben: Das Ver­Schauplatz dürfte von ganz Europa   mit Beifall begleitet wer den, denn dieser Figur war man allenthalben von Herzen schaft gerichteten Ultimatum die Abreise festgesett; vielleicht läßt er fich aber einige Tage Zeit, um die Koffer zu packen, vergebens, wie man mit Sicherheit annehmen darf, wenn er noch ein Einlenken der Regentschaft erwarten sollte. Wenn der General nicht längst die Welt gewöhnt hätte, von ihm nur Unglaubliches zu erwarten, könnte man versucht sein, die Ge schichte mit dem Kawaffen in Philppopel sei eigens zu dem 3wed in Szene gesetzt worden, um dem General den Vorwand zur Abreise zu liefern. Ein Kawasse des russischen Konsulats

Dokohama- Gesellschaft, die mit ihren japanischen Spielen die Buschauer immer in Berwunderung erhält. Ein anziehendes, la sensationelles Schauspiel bildet seit einiger Zeit der mert­würdige Genidringkampf zwischen Mr. Reçon und Mr. Coal, und für alle Kenner der Turnkunst die kühnen Produktionen des Mr. Nizarras. Daß auch im Uebrigen für jeden Geschmack gesorgt ist, ergiebt sich aus dem reichhaltigen Programm, das Künstler jeden Genres aufweist.

Amerikanisch! An Erfindungsgeist find nun einmal die amerikanischen   Reporter nicht zu übertreffen, wie folgendes aufs Neue beweist. Ein Blatt im Far West" läßt sich von einem Der Farm unseres geschäßten Freundes M. P. Hoyle befindet Augenzeugen" folgendes Phänomen berichten: Auf dem Hofe fich

yon dem vollständig wollenlosen Himmel herab fortwährend Regen niederfällt. Beitweise scheint der Regenschauer heftiger zu ſein als sonst. Die ungewöhnliche Erscheinung dauert schon drei Wochen und viele können sie sich nicht erklären." Das darf natürlich einem amerikanischen   Blatte nicht paffiren, daß es seinen Lesern etwas unerklärt bleiben ließe, es sezt also der Erzählung folgende wissenschaftliche Erläuterungen hinzu: Da, maffen, welche als Regen auf die Erde niederfallen, in einer Art Reservoir rings um unsern Planeten ruhen, so ist, wenn wir den toloffalen permanenten Druck berücksichtigen, den diese Refervoits aushalten müssen, leicht erklärlich, daß eines der felben zeitweise undicht wird. Dies dürfte hier eingetreten sein. Hoffentlich dichtet es sich von selbst, sonst könnte der Schaden unabsehbar werden." Der Mann sollte eine Profeffur

bekommen.

bedroht in der Nacht bulgarische Soldaten mit dem Revolver und wird in Gewahrsam gebracht, am Morgen aber sofort dem russischen   Konsulat übergeben. Dafür verlangt der General Kaulbars von der Regentschaft die Absetzung des Präfekten von Philippopel, des Militärkommandanten und des Polizei­kommissars. Die einzig richtige Antwort der Regentschaft be­stand darin, daß sie keine Antwort ertheilte und den Briefsteller dieser Forderung gewissermaßen als unzurechnungsfähig be­handelte. Während demnach in einigen Tagen diese unge­heuerliche Mission Kaulbars ausgespielt haben dürfte, erhält Rußland   dennoch eine große Genugthuung. Denn die Groß­mächte haben der von Rußland   vorgeschlagenen Kandidatur des Fürsten von Mingrelien   zugestimmt und sogar Rußlands   Rathschläge gefordert, wie die bisher von Rußland   nicht als rechtsbeständig anerkannte Sobranje zu legalisiren oder zu ersetzen sei.

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Der Fürst von Mingrelien   hat, nach einer offenbar offiziösen Berliner   Mittheilung der Köln  . 3tg.", die Kandidatur für die bulgarische Fürstenwahl angenommen. Seine Be­zeichnung bei den Mächten seitens Rußlands   stehe unmittelbar Die Wahl des bevor, falls dieselbe nicht schon erfolgt sei. Fürsten von Mingrelien  , so schreibt der Petersburger Grasch danin", würde alle Vortheile einer russischen Ottupation gewähren, ohne eine solche nöthig zu machen. Sobald Nikolaus Dadian mit einem russischen   Gefolge, einem russischen   Kriegs­minister, russischen Offizieren und einigen Bataillonen und Kosaten- Sotnien in Bulgarien   einziehe, müsse die bulgarische Verfassung beseitigt werden; ferner seien geeignete Funktionäre für Bulgarien   mit Umsicht zu wählen. Die heutige Anarchie sei weniger das Werk der Konstitution, als der in Bulgarien  thätig geweſenen Generale, die als Liberale untauglich waren. Bulgarien   brauche im Frontdienst gut disziplinirte Offiziere und Generale nikolaitischen Zuschnitts. Solche würden eine feste Stüße des neuen Fürsten sein. Gegenüber solchen Plänen würde es viel einfacher sein, Bulgarien   für eine russische   Provinz zu erklären.

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Afrika  .

Die Meldung, daß Sir Henry Drummond Wolff  , der britische   Diplomat, von Kairo   nach London   berufen worden ist, um der Regierung persönlich über den Verlauf seiner Mission Bericht zu erstatten und mit ihr betreffs der Unterhandlungen, die er mit dem türkischen Kommissar in Egypten führen soll, zu konferiren, ist, wie die" Morning Post" hervorhebt, eine flare Andeutung, daß die Regierung entschlossen ist, das Wert der egyptischen Reorganisation, welches während der Amtsdauer der liberalen Verwaltung unterbrochen worden, wieder aufzunehmen. Das erwähnte Blatt führt weiter aus: Obwohl Mr. Gladstone's Regierung die Opportunität und die Wichtigkeit der Mission Sir H. D. Wolffs vollkommen aner­fannte, wurden legterem während eines langen Zeitraumes teine Weisungen von Belang übermittelt. Es ist keine Be­gründung vorhanden für das Gerücht, daß Sir H. D. Wolff nach London   berufen worden zu dem Zweck, ihn mit einer Sondermission nach Konstantinopel   zu betrauen.

Nach einem Pariser   Telegramm des Hamb  . Korresp." for­mulirte Frankreich   seine Ansprüche in der egy ptischen Frage folgendermaßen: Firirung von Terminen für die sukzessive Räumung seitens der englischen Truppen, Ersetzung der eng­lischen Verwaltung durch die frühere europäische   Kontrole und Ersetzung der englischen Offupationsarmee durch egyptische, eventuell auch türkische Truppen. Hoffend, daß diesbezüglich ein Einvernehmen der Mächte zu erzielen ist, will Frankreich  nach der angeführten Quelle zunächst Deutschlands   Vermittelung nachsuchen(?).

Gerichts- Zeitung.

Bremen  , 15. November.  ( Sozialistenprozeß.) Kürzlich fand vor dem hiesigen Schöffengericht eine Verhandlung wegen Verbreitung des in Zürich   erscheinenden Sozialdemokrat" statt.

Auf der Anklagebant erscheinen die Schuhmacher Möder und Lahmann, sowie die Bigarrenarbeiter Knöpfel und Baust, nach­dem dieselben zum Theil eine 5 wöchentliche Untersuchungshaft hinter sich hatten.

Der Staatsanwalt beantragt Ausschluß der Deffentlichkeit, der Gerichtshof beschließt demgemäß. Die Anklage behauptet, daß Möder und Baust das Blatt hier verbreitet haben, während Knöpfel daffelbe nach auswärts versendet haben soll, und Lab­mann ein Packet, welches 676 Exemplare des fraglichen Blattes enthielt, enipfangen habe.

Der Staatsanwalt ersucht, das Schuldig über sämmtliche Angeklagte auszusprechen, indem er besonders die Gemeinge­fährlichkeit der Verbreitung eines Blattes, wie es der Sozial­demokrat" ist, hervorhebt. Auch das Empfangen eines Packets, welches verbotene, zur Verbreitung bestimmte Schriften enthält, sei strafbar; erschwerend falle für Knöpfel ins Gewicht, daß derselbe in mehreren Fällen Blätter versandt habe, was er durch die aufgefangenen Packete, welche von Knöpfels Hand adressirt seien und dadurch, daß derselbe das bei Lahmann beschlagnahmte Packet habe von letterem ab­holen wollen, für erwiesen erachte. Man könne gar nicht wissen,

Maschine fann also auch ohne nennenswerthe Kosten für die Verbrennung von Leichen verwandt werden.

Eine Bärengeschichte. Aus Sternberg   wird dem ,, N. P. W." folgendes berichtet: Am Sonntage vor acht Tagen war Kirmeß in N., Züllichauer Kreises, und die tanzlustige Jugend wurde in einem der beiden dortigen Gasthöfe von der Musikkapelle aus einem Drte im Kreise Krossen   bedient. Die­selbe trat in der Nacht, nachdem die Erlaubnißfrist abgelaufen war, die Heimreise zu Wagen an. Der Raum auf demselben war aber blos knapp für das sämmtliche lebende Personal der Mufifer berechnet ohne Rücksichtnahme auf den Transport des forpulenten Violons. Darum traf den bedauernswerthen Baß geigenspieler das Schicksal, er muße laufen und sein Instrument fragen. Im Walde angekommen, mußte er dasselbe einer Ver­richtung halber abnehmen und hinstellen. Da überkam dem Violonisten eine eigene Vision, als ob sich die Bänme um ihn herum bewegten; er fand ſeine Geige nicht mehr, weil er fie auf einer andern Stelle suchte und mußte überhaupt das Suchen aufgeben, weil er sich zu erschöpft fühlte, seinen Begleiter weiter tragen zu fönnen und ging allein nach Hause. Noch in der Dunkelheit bei früher Morgenzeit fam der betreffende Förster mit seinem Hunde an diese Stelle. Vor dieser Gestalt blieb schweigend stehend. Dadurch auf die braune Kreatur aufmerksam gemacht, schoß der Jäger darnach und augenblicklich fing fie gewaltig an zu brummen. Die Sache war erwiesen, fein Gegner war ein Bär. Auf einen zweiten Schuß erfolgte daffelbe Lebenszeichen. Ohne Zögern ward eine dritte Ladung gegeben, worauf blos noch eine schwächere, feinere Stimme die nahende Verendung nothwendig machte. Siegestrunken, diesen Tag segnend, an welchem er eine solche außergewöhnliche, werth­volle Jagdtrophäe, einen Bärenpelz heimbringen sollte, lief der

wie uns von fachkundiger Seite geschrieben wird, wegen ihrer Die Leichenverbrennung mittelst Elektrizität dürfte, freudige Waidmann   heran zur Empfangnahme seines Opfers und fand den zertrümmerten Baß." Folge den Vorzug vor jeder anderen, jegt bei der Feuer- Nähe Münchens   ereignete fich fürzlich folgender Vorfall: Bu Einfachheit, Sauberkeit, Schnelligkeit und Billigkeit für die bestattung zur Anwendung kommenden Methode verdienen. ist, auf ein von feuerfesten Steinen errichtetes Lager gelegt, an Die Leiche wird, nachdem sie in ein Laken von Asbest gehüllt deffen Kopf- und Fußende fich zwei breite Kupferplatten be finden, die mit einem starken dynamo- elektrischen Motor in Ver­bindung stehen. Die Leiche vertritt augenscheinlich die Stelle ben eingeleiteten Strom sofort verkohlt. Die Berseßung der des Dochtes in einer weißglühenden Lampe und wird durch Leiche in ihre ursprünglichen Elemente vollzieht sich in 10-15 Minuten. Jede Beleuchtungszwecken dienende dynamo- elektrische schrie auch das Bäuerlein mörderisch um Hilfe, er spürte es

einem Bader kommt ein Bäuerlein, daß Hilfe heischt gegen ein mörderisches Zahnweh. Der Inhaber der chirurgischen Offizin empfiehlt Blufegel als das beste Heilmittel, rollt das blutsaugende Thierchen in Papier, fippt das Ende um und bringt den Kopf dem bäuerlicheu Zahnfleisch näher. Der Bauer fühlte aber keinen Biß, weshalb der Bader   nachsah, wo denn der Blutegel hingerathen war. Entsetzen faßte den länd­lichen Jünger Aeskulaps, denn nichts anderes konnte er glauben, als daß der Bauer den Btutegel verschluckt habe. Bald darauf

in welchem Umfange und wie lange schon Knöpfel diese ver botene Thätigkeit entwickelt habe und sei daher die ganze Schärfe des Gesetzes in Anwendung zu bringen.

Der Vertheidiger, Dr. Pralle, hält die Anklage nicht für erwiesen und erwidert dem Staatsanwalt, daß man bei der Beurtheilung der vorliegenden Frage sich nicht auf Annahmen stüßen dürfe. Hier kommen nur in Betracht die zur Verhand­lung stehenden Fälle. Knöpfel gebe zu, die von hier versandten Backete adressirt zu haben, aber ohne den Inhalt zu kennen. Es könne dieses den Umständen nach auch ganz gut so gewesen sein; so lange dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden könne, daß er auch die Packete abgesandt habe, sei auf Freisprechung zu erkennen. Nachdem noch der Staatsanwalt, Vertheidiger und der Angeklagte verschiedentlich das Wort ergriffen, wird die Verhandlung geschlossen.

Das Urtheil gegen Möder und Lahmann lautet auf Frei sprechung, gegen Baust und Knöpfel auf je vier Wochen Ge fängniß und ist die Strafe durch die erlittene Unters suchungshaft als verbüßt zu erachten. Lahmann wird freigesprochen, weil in der Entgegennahme eines Packets, welches verbotene Schriften enthalte, feine strafbare Handlung im Sinne des Gesetzes zu erblicken sei, ebenso in dieser Beziehung auch Knöpfel, welcher das Packet von Lahmann habe zwar abholen wollen, aber nicht den Inhalt habe zur Verbreitung gebracht, weil dasselbe vorher von der Polizei beschlagnahmt worden sei. Gegen letteres hatte der Staatsanwalt Berufung eingelegt und fand auch bald die diesbezügliche Verhandlung vor dem Land­gericht statt. Der Staatsanwalt beantragt Ausschluß der Oeffentlichkeit; das Gericht lehnt jedoch den Antrag ab. Knöpfel, seitens des Vorsißenden des Gerichtshofes über den Hergang befragt, antwortet, er sei von einem Bekannten ges beten worden, ein Packet von Lahmann abzuholen, und, nach dem er mit der Meldung zurückgekehrt sei, daß das Packet noch nicht angekommen, habe der Betreffende ihn bewogen, gegen ein kleines Honorar später noch einmal nach Lahmann zu gehen, was er auch gethan habe. Der Richter fragt Knöpfel nach dem Namen seines Bekannten, worauf Knöpfel die Auskunft ver weigert.

Der Staatsanwalt führt aus, es führt aus, es stände zweifellos fest, daß, wenn das Schöffengericht Lahmann wegen Ems pfangen des Packets freigesprochen, es auch Knöpfel logischer Weise hätte freisprechen müssen. Wenn nun auch feine bestimmte Verbreitung vorliege, so sei doch das, was Lah­mann und Knöpfel gethan, eine vorbereitende Handlung zur Verbreitung. Beide bildeten Glieder einer Kette, die dazu bes stimmt sei, das verbotene Blatt zu verbreiten; mithin wären auch Beide strafbar. Er beantrage gegen Lahmann 3 Wochen und gegen Knöpfel eine Zusagstrafe von einem Monat Ges fängniß.

Dem gegenüber erwidert der Vertheidiger, Dr. Pralle, der Gesetzgeber habe nicht das Wort Verbreitung" in dem von der Staatsanwaltschaft angeführten Sinne aufgefaßt wissen wollen. Erst wenn festgestellt sei, daß Knöpfel den Inhalt des Packets direkt ins Publikum hineingetragen habe, läge eine strafbare Handlung vor. Auch Lahmann könne man nicht be­strafen. Verschiedene Reichsgerichtsbeschlüsse lägen vor, nach denen das Empfangen des besprochenen Packets straffrei bleibe. Redner verliest die diesbezüglichen Reichsgerichtsbeschlüsse und ersucht schließlich, seine Klienten freizusprechen.

Nach längerer Berathung theilt der Gerichtshof mit, daß man die Urtheilspublikation bis auf den kommenden Dienstag verschoben habe. Vorher war noch Knöpfel die Frage vorgelegt worden, ob er an Lahmann Porto 2c. entrichtet hätte. Die Frage wird von beiden Angeklagten verneint.

Die Urtheilspublikation hat stattgefunden und lautet für beide Angeklagte auf kostenlose Freisprechung.

Die Begründung des freisprechenden Erkenntnisses war eine wohl erwogene, sorgfältig geprüfte und scharf durchdachte zu nennen, so daß sie in der That einen erquickenden Gegensat zu manchen in letzter Zeit zu Stande gekommenen Gerichts­urtheilen bildete.

In Folge des landgerichtlichen Urtheils wurden noch an demselben Abend die sich noch in Haft befindlichen Bruhns und Andere, gegen welche eine ähnliche Anklage schwebte, auf freien Fuß gesetzt.

Wien  , 16. November.( Verführungskünste einer Mädchen­händlerin.) Das Polizeikommissariat Leopoldstadt   hatte seit längerer Zeit die Wahrnehmung gemacht, daß Dienstmädchen, die keinen Posten finden konnten, ein auffällig großes Kontine gent   zu den Prostituirten stellten. Auch liefen mehrere Anzeigen beim Kommissariat ein, in welchen Frauenspersonen namhaft gemacht wurden, die sich damit befassen, stellenlose Diensts mädchen der Schande in die Arme zu führen. Nachdem erst vor Kurzem eine Frauensperson zu einer mehrwöchentlichen strengen Arreststrafe verurtheilt worden, weil sie Dienstmädchen, die keinen Posten finden konnten, der Prostitution zugeführt hatte, standen heute unter der Anklage desselben Deliktes der in der Zirkusgasse in der Nähe des Zirkus Renz   etablirte Friseur Anton Weichsler, dessen Gattin Mathilde und die frühere Bedienerin derselben, Marie Kowarcit. Anton Weichsler erklärte sich für nichtschuldig, indem er angab, fich um das Ges

schon, wie der Blutegel anbiß und den Magen bearbeitete. Wie rasend rannte der Bader um die zwei Aerzte des Dorfes, die dem Blutegel mit Rizinusöl und Mandelmilch energisch auf den Leib rückten, indeß ohne Erfolg. Ganz verzweifelt forderte der Bader   den Patienten auf, auf seine Kosteu nach München   zu einer ärztlichen Autorität zu fahren, und zwar rasch, denn der Bauer fonnte ja sonst innerlich verbluten. Vor­her aber untersuchte er den Bauer selbst noch einmal genau, und was fand er? Den durch das Hemd in die Magengegend gerutschten Blutegel, daher das fürchterliche Kneipen in der Magengegend. Das Bäuerlein hatte nur nicht gesagt, ob der Blutegel ihm innerlich oder äußerlich Schmerzen verursache."

Wenn ein Eisenbahnwagen 1000 Kilometer zurüd­gelegt hat, so hat nach neueren zuverlässigen Beobachtungen ein jedes Rad desselben 85 Gramm abgenommen; hat man das Rad gebremst, so ergiebt sich ein weiterer Verlust von 45 Gramm. Der Verlust scheint zwar an sich unbedeutend; aber welche Maffe Stahles   geht so im Verlaufe längerer Zeit spurlos in den Lüften verloren. Nimmt man an, daß auf Deutschlands  Geleisen 900 000 Eisenbahnräder fahren, so beläuft sich nach einer beiläufigen Rechnung das jährliche Defizit auf ungefähr 30 000 Bentner, 4400 Räder sind auf diese Weise wider Willen der Bahnverwaltungen spurlos verflogen. So sagt die deutsche Eisenzeitung.

Der Durchstich des Isthmus von Korinth muß schon ziemlich weit gediehen sein; nach der Berl. Philol. Wochenschr." wenigstens wird gemeldet, daß dieser Tage eins der größten modernen Bauwerke Griechenlands   vollendet worden sei: die eiserne Brücke, welche über den Durchstich führt und die Eisen­bahn Peloponnes  - Attika verbindet. General Türr, der Direktor der Kanalarbeiten, und der Direktor der peloponnefi­schen Eisenbahnen gehen demnächst zur Uebernahme dieser Brücke ab.

Ein erfindungsreicher Engländer hat eine kleine elektrische Batterie fonstruirt, welche klein genug ist, in einem Hute Plaß zu finden, wo sie am Deckel befestigt wird. Die Batterie wiegt weniger als 3 Drachmen. Die Drähte der klei­nen Maschine leiten unterhalb des Hutes an die Stirn und das Hinterhaupt und sollen gegen Neuralaie und Kopfschmerzen helfen. Ob auch gegen douleur du cheveux Haarweh wie der Franzose den Kazenjammer sehr treffend bezeichnet, ist nicht gesagt.)