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Afrika.
Der Besuch Sir H. Wolff's in London giebt dem Londoner " Standard" Anlaß zu folgenden Bemerkungen: In Egypten, als einem Vasallenstaat der Türkei , gelten jene Kapitula tionen, welche ausländischen Konsuln das Recht geben, in den Gang der Justiz und Verwaltung einzugreifen. Sir H. D. Wolff wird seinen Vorgesezten in London Aufklärungen über diesen feltsamen Bustand der Dinge geben und ihnen mittheilen, daß es unmöglich ist, so lange er andauert, den Halt, welchen wir in Egypten gewonnen haben, zu schwächen. Mag der Aufstand Arabi's und seine Folgen dem Gedächtniß der Franzosen vollständig entschwunden sein, in Egypten giebt es Niemanden, möge er einer Nationalität angehören, welcher er wolle, dem jene Ereignisse nicht noch lebhaft vor Augen stehen, der der Verdienste, welche England damals Leben und Eigenthum erwiesen, nicht dankbar gedenkt. Die Rolle, welche wir damals spielten, wird nicht vergessen, das Gute, das wir gestiftet, stets anerkannt werden. Das sind unsere Kreditive. Fragt jemand, was wir noch in Egypten zu thun haben, so wird Sir Henry Lord Salisbury und Lord Jddesleigh mittheilen fönen, daß, falls sich auch nur das Gerücht unseres Abzuges bilden sollte, eine jähe Panik entstehen und Egypten und der Khedive fich von uns verrathen glauben würden. Auch dem Sultan scheint nicht besonders viel daran zu liegen, daß wir das Land räumen. Mukhtar Pascha wird seinem Herrn berichtet haben, wie schwach die Bande find, welche Egypten an die Türkei knüpfen und daß die Stärke dieser Verbindung namentlich davon abhängt, welchen Schuß wir ihr angedeihen lassen. Der Besuch Sir Henry Drummond Wolff's in London wird eine zwiefache Bedeutung haben. Er wird nicht nur im Stande sein, bewährten Rath zu ertheilen, sondern auch neue und genauere Instruktionen empfangen. Lange wird er wahrscheinlich nicht in England verweilen, da seine Anwesenheit in Egypten nothwendig ist."
Arten.
Aus Wladikawkas im Raufajus wird gemeldet, daß unter den Tschetschenzen ein großer Aufstand ausgebrochen ist. Schon gegen Ende August erhoben sich dieselben und brachen zur Nachtzeit in die Wohnungen der russischen Offiziere
Die beständig im Distrikt garnisonirenden Truppen sammelten fich zwar rasch, machten einen Einfall in das Gebiet der Tschetschenzen und tödteten einige, aber der Aufstand hatte schon eine zu umfassende Form angenommen, um von den Lofaltruppen bewältigt werden zu können. Gegenwärtig sind auf dem Schauplatz des Aufstandes genug Truppen vorhanden, um die Aufständischen zu umzingeln und zu unterwerfen, aber es liegt im Plan der Ruffen, alle benachbarten Pässe und Schluchten zu besetzen, denn wenn sich der Aufstand nach den Bergen von Daghestan und darüber hinaus ausbreiten sollte, fönnte er alle Stämme des Kaukasus zur Erhebung bewegen. Die Ursache der Revolte war der Versuch, die Tschetschenzen gegen ihren Willen und mit Gewalt zum Militärdienst zu zwingen, und er brach aus, als die Behörden die Namen der Mitglieder des Stammes in die Militärlisten einzutragen be= gannen. Ueber hundert Kosaken find bereits getödtet worden. Die Verluste der Tschetschenzen find unbekannt.
Amerika.
Bum Präsidenten der Republik Uruguay ist, wie aus Montevideo gemeldet wird, General Maximo Tajes von der Generalversammlung gewählt worden.
Kommunales.
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Magistrat hat beschloffen, den§ 1 nach Maßgabe der Beschlüsse der städtischen Deputation für die öffentliche Gesundheitspflege folgendermaßen zu fassen: Frische Kuhmilch( im Gegensaße zu faurer Ruhmilch, ferner zu Buttermilch und anderen Produkten aus Ruhmilch, endlich zu Milch anderer Thiere, auf welche Milchwaare gegenwärtige Polizeiverordnung sich nicht bezieht), darf nur als Vollmilch, oder als theilweise entsahnte Milch in den Verkehr gebracht werden. Vollmilch ist solche, welcher der beim Mellen vorhanden gewesene Rahmgehalt zu feinem Theile entzogen ist. Alle andere unter gegenwärtige Polizeiverordnung fallende Milch gehört in die Klasse der entsahnten Milch, sei es, daß fie unter der Bezeichnung als Halbmich, als Magermilch, oder wie sonst an den Markt kommt. Für die als Vollmilch zu verkaufende Milch ist Bedingung, daß fie einen Fett gehalt von mindestens 2,7 pCt. und bei 15 Grad CelsiusTemperatur ein spezifisches Gewicht von 1,028 14 Grad des polizeilichen Milchprobers hat. Entsahnte Milch ist, auch als Magermilch bezeichnet, vom Verkehr ausgeschlossen, wenn der noch vorhandene natürliche Fettgehalt unter 15 pCt. hinabgeht und das spezifische Gewicht bei 15 Grad Celsius- Temperatur über 1,032 16 Grad des polizeilichen Milchprobers steigt. * Schlechtes Trinkwasser in den städtischen Anstalten zu Rummelsburg . Die Kuratorien des städtischen Waisenhauses und des städtischen Arbeitshauses haben sich veranlaßt gesehen, beim Magistrat dahin vorstellig zu werden, daß beide Anstalten mit trintbarem Waffer versehen werden müßten, da das Waffer, welches jetzt daselbst zum Trinken, Backen und Kochen benutzt werden muß, so schlecht sei, daß bei seinem ferneren Gebrauche die Gesundheit der Insaffen beider Anstalten aufs Aeußerste gefährdet sei, Versuche auf Verbesserung des Waffers durch Filtriren aber vollständig erfolglos geblieben seien. Die Kuratorien der besagten Anstalten haben daher be= antragt, diese letteren mit städtischem Leitungswaffer aus städtischen Wafferhebestellen am Stralauer Thore zu versehen und zu diesem Zwecke ein Buleitungsrohr nach dem Arbeits- resp. Die hierdurch entstehenden Kosten Waisenhause anzulegen. Die hierdurch entstehenden Kosten werden etwa 46 300 M. betragen. Der Magistrat hat be= schloffen, dem Antrage zu entsprechen und der StadtverordnetenVersammlung die Aufnahme der veranschlagten Summe in den nächstjährigen Etat zu empfehlen.
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Gerichts- Zeitung.
Die Rädelsführer des Spremberger Krawalls vor dem Schwurgericht.
Cottbus , den 20. November 1886. Dritter Tag der Verhandlung. ( Schluß.)
In unserem legten Bericht ist bei der letzten Vernehmung des Hubrich das Wort vielleicht" weggeblieben. Es muß bei dieser Bekundung des Hubrich heißen: Die Gestellungspflich tigen haben sich an jenem Tage so ungebührlich benommen, daß er( Beuge) fich vielleicht eines Schimpfwortes bedient habe" u. f. w. Nach längerer Pause wird die Sizung wieder er öffnet. Das Auditorium ist nunmehr überfüllt.
Der Präsident verliest die den Geschworenen vorzulegenden 111 Schuldfragen, die auf qualifizirten Aufruhr, qualifizirten Auflauf und auf Widerstand gegen die Staatsgewalt lauten. Bezüglich des Säbischka ist noch die Frage wegen der Nädelsführerschaft und wegen vorfäglicher förperlicher Mißhandlung mittelst eines Messers gestellt. Bei Gustav Hoffmann , der erst 17 Jahre alt ist, wird noch die Unterfrage gestellt, ob er die zur Erkenntniß der Strafbarkeit seiner Handlung erfor derliche Einsicht besessen hat. Es beginnen alsdann die Plädoyers.
* Neue Polizeiverordnung, den Milchhandel betreffend. Der Magistrat beschäftigte sich in seiner legten Sigung mit dem bekannten Entwurf zu einer Polizeiverordnung betreffend den Verkehr mit Milch in der Stadt Berlin . Derselbe hat beschlossen, dieser Polizeiverordnung mit einigen redaktionellen Alenderungen zuzustimmen, bis auf den§ 1, welcher von prinzipieller Be deutung ist. Nach dem Vorschlage des Polizeipräsidiums lautet dieser 1 wie folgt:" Milch darf nur als Vollmilch oder Halbmilch oder Magermilch in den Verkehr gebracht werden. Als Vollmilch gilt eine Milch, welche nach der Gewinnung durch daß das Melten in feiner Weise entrahmt ist, einen Fettgehalt von mindestens 2,7 pct. und bis 15 Grad Celsius Temperatur, ein Spezifisches Gewicht von mindestens 1,028= polizeilichen Milchprobers hat. Halbmilch ist solche Milch, der sich beim Stehen der Milch nach dem Melfen naturgemäß und ohne künstliche Mittel auf derselben gebildet hat. Der Halbmilch steht eine Mischmilch aus Vollmilch genz oder theilweise entrahmter Milch gleich. Halbmilch mindestens 1,5 pCt. Fett enthalten und bei 15 Grad Celsius Temperatur ein spezifisches Gewicht von mindestens 1,030 15 Grad des polizeilichen Milchprobers haben. Magermilch ist eine durch maschinelle Vorrichtungen z. B. durch Zentrifuge entfettete Milch, welche min destens 0,15 pCt. Fett enthalten und bei 15 Grad Celsius Temperatur ein spezifisches Gewicht von mindestens 1,032= 16 Grad des polizeilichen Milchmessers zeigen muß.
muß
und
Der
heraus, ebenso auch, wenn man den neben dem Fenster stehenden Waffertrog schüttelte(!).
Seltsames Geschent. Der Präsident der französischen sandtschaft des Königs von Abessinien eingetroffen ist, welche ihm
ihre Thiere unmittelbar in das Elysée- Palais überführen, und es foftete viele Mühe, ihnen begreiflich zu machen, daß man in dem Hause des Staatsoberhauptes wilde Thiere nicht beherberge. Man hat die lebenden Geschenke in dem Jardin des Plantes gebracht, wo die beiden Löwen und die drei Panther in Gegenwart der abessinischen Botschafter in Käfige
gesperrt wurden.
Unter den Negern der nordamerikanischen Bundeshaupt fladt Washington beſteht die eigenthümliche Gitte, Begräbniß
Erster Staatsanwalt Haude: Meine Herren Geschworenen ! Die gegenwärtige dreitägige Verhandlung hat Ihnen jedenfalls ein Bild von tiefgehenden sozialen Schäden gezeigt, die in einem Theile der Spremberger Bevölkerung herrschen. Die Verhandlung hat den Beweis geliefert, daß in einem Theile der Spremberger Bevölkerung die Begriffe von Ruhe und Ordnung vollständig geschwunden find. Es ist durch die Verhandlung ferner erwiesen worden, in einem Theile der Spremberger Bevölkerung die Begriffe von Pflichten, die man den Behörden schuldig ist, nicht eristiren, sondern daß der Geist der Widerwärtigkeit, der Auflehnung und Unordnung in der Spremberger Arbeiterbevölkerung schon sehr weit um sich gegriffen hat. Diese soziale Anschauung, die ich am Eingange meiner Rede soziale Schäden nannte, war die Haupttriebfeder zu den Vorgängen, die Ihrer Beurtheilung unterbreitet werden. Einer der Herren Vertheidiger hat bereits vorgestern die Frage angeregt, ob der gesammte Vorgang vom 30. April nicht ein Auflauf von dummen Jungens gewesen sei. Wenn man sich einen Theil der Angeklagten anfieht, so gelangt man allerdings zu der Ansicht, daß dieselben faum der Schulbant entwachsen sind. Diese Thatsache kann aber nur zu der Ueberzeugung führen, daß die von mir des Näheren bezeichnete soziale Anschauung in der Arbeiterbevölkerung Sprem bergs bereits recht tief eingewurzelt ist. Ich habe bereits bei den Verhandlungen vor der Straftammer gesagt: ich behaupte nicht, daß die Führer der Sozialdemokraten den Putsch in
wird aber mit jedem Tage unleidlicher. Die Zenfurbeamten erscheinen täglich in den Redaktionen der Lokalblätter, um die für den Druck bestimmten Artikel im Manuskript zu prüfen, und diese Leute, deren politisches Verständniß nicht auf der
nichts der Regierung Feindseliges enthalten. Nicht nur Artikel, harmlose Theaternachrichten sind dieſer lächerlichen Zensur unter
worfen, die fich überdies auch auf die Theateraufführungen selbst erstreckt. So wurde dieser Tage die Aufführung von La Mascotte" verboten, nachdem schon früher den italienischen Sängern die Darstellung von Ernani ",„ Hugenotten " und anderen Opern als der öffentlichen Moral schädlich ver= wehrt worden war.
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Der Abenteurer Francis Frand in Paris ( sein eigentlicher Name it Francis Bincau) früher Redakteur des„ Figaro", der in der legten Zeit den, reichen Mann" spielte und finanzielle storbenen Mitgliedern eine nach ihren Begriffen möglichst Zeitungen herausgab, wurde auf die Klage einer russischen aroßartige"
Beerdigung zu verschaffen. In der Regel fürchten fich die Neger nicht so sehr vor dem Tode, wenn sie wissen, daß ihre sterblichen Ueberreste von einer langen Reihe von Leidtragenden, mit schmetternder Blechmufit an der Spize, zur legten Ruhe getragen werden. Diese charakteristische Eigenschaft der Raffe hat zur Gründung von zahlreichen Vereinen Veran laffung gegeben, die ihren Ehrgeiz darin seßen, in der Entfal tung von Pomp bei Beerdigungen einander zu überbieten. Jeder Verein strebt natürlich danach, möglichst viele Mitglieder hochtönenden Titeln, wie:„ Der alte und ehrwürdige Orden des galiläischen Fischers"," Die devotesten Brüder und Schwestern des Sterns von Bethlehem " u. f. w.
zu haben.
Sie
find sämmtlich inforporirt, und zwar unter
Familie, der er sehr bedeutende Summen abgeschwindelt hatte, verhaftet. Es gelang ihm aber, dem Polizeibeamten, der ihn nach dem Gefängniß Mazas bringen sollte, zu entweichen, beim Credit Lyonnais" 150 000 Fr., die er dort niedergelegt hatte, zu erheben und sodann spurlos zu verschwinden. Der Polizeibeamte wurde abgesezt und wegen des Verdachts der Bestechung in Untersuchung gezogen.
Durchschaut. Neffe( zum reichen Onkel): Lieber Onkel, Du weißt, daß ich mich für Deine Tochter schon seit einiger ich tomme deshalb heute, um bei Dir um Beit intereffireihre Hand anzuhalten!" Dntel: Sage mir lieber, wie viel Du gepumpt haben willst!"
Im Schneesturm verunglückt. Nach einem Telegramm der Times" aus Philadelphia ist in der Nähe von Leadville
Die Zensur in der Türkei . Aus Konstantinopel wird geschrieben: Rürzlich hat das Ministerium des Innern im Wege des Preßbureaus eine Verordnung erlassen, welche sämmtlichen( Kolorado ) eine Postkutsche mit neun Passagieren während
Länder verwehrt. Anlaß hierzu hatte die Haltung dieser Jour nale gegeben, welche in der legten Zeit die Pforte einigermaßen angegriffen hatten. Da die meisten griechischen Beitungen nach Makedonien gehen, hat diese Maßregel der Regierung zu Klagen von allen Seiten Anlaß gegeben, so daß der griechische Gesandte Herr Conduriotis von dem Ministerium des Innern Auf
eines Schneesturms verunglückt. Eine Lawine erfaßte die Kutsche und stürzte dieselbe in einen zweihundert Fuß tiefen Abgrund; die Verunglückten wurden ausgegraben, doch dürften fünf derselben kaum mit dem Leben davonkommen.
Neue Taufnamen. Frau Nachbarin, auf welche Namen wollen Sie denn Ihre Zwillinge taufen laffen?"" Donner und Doria sollen sie heißen!" Was fällt Ihnen denn ein solch fomische Namen?" Ja, so hat sie mein Mann
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ihrer Allgemeinheit ungerechtfertigt und es hätte wohl genügt, angerufen, als sie zur Welt gekommen find!"
jene Journale mit dem Interdikt zu belegen, denen türkenfeind liche Publikationen nachgewiesen werden können. Die Zensur
Szene gesezt haben, ich sage das, obwohl Herr Bürgermeister Wirth befundet hat: der Sohn seines Hauswirths habe ihm berichtet, daß einige Zeit vorher in einer Spremberger Fabrit die Aeußerung gethan worden sein soll, es werde in der Stadt Spremberg ein Putsch unternommen werden. Allein irgend welche Anhaltspunkte haben sich dafür nicht ergeben. Ich bin sogar überzeugt, daß der Putsch die Führer der Sozialdemokraten sehr überrascht hat, ja daß er ihnen sehr unangenehm war. Einmal tam denselben der Putsch zu früh, andererseits wußten die Führer, daß sie sich durch den Putsch den Haß der Spremberger Bürgerschaft zuziehen werden. Allein fest steht, daß die Angeklagten zu den Anhängern der Partei gehören und daß die sozialdemokratischen Ideen, denen die Angeflagten huldigen, den Butsch veranlaßt haben. Bei der näch ften Verhandlung wird den Herren Geschworenen der Beweis geliefert werden, daß die Spremberger Arbeiterbevölkerung nicht blos zur Ausführung sozialdemokratischer, sondern bereits anarchistischer Handlungen fähig ist. Ich wiederhole also, wenn auch die sozialdemokratische Partei den Krawall nicht in Szene gefeßt hat, so haben doch die Irrlehren, von denen die Angeflagten angetränkelt, die sie eingesogen, den Putsch veranlaßt. Die Angeklagten haben sich hier auf der Anklagebant allerdings nicht als Sozialdemokraten benommen. In dem sozialdemo fratischen Liederbuche, das bei einer Haussuchung gefunden wurde, heißt es in dem Liede, das die Ueberschrift trägt: Was ist ein Sozialiſt?"" Wer das Panier der Wahrheit stolz und hoch erhaben hält, ist ein Sozialiſt." Wenn die Angeklagten diesem Grundsatz huldigen würden, dann hätten sie frei und offen erklären müssen: Wir sind Sozialdemokraten", anstatt in feiger Weise ihre Barteiangehörigkeit zu leugnen. Daß der Vorgang vom 30. April einen sozialdemokratischen Beigeschmack hatte, dafür spricht die rothe Fahne und das Singen der sozialdemokratischen Lieder. Die Herren Vertheidiger dürften einwenden, daß Auszüge mit Fahnen 2c. eine alte Spremberger Sitte find. Ich gebe dies zu, allein es darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die Fahne eine rothe war. In dem erwähnten sozialdemokratischen Liederbuche heißt es u. A.: Unsere Fahne ist roth." Es ist ja eine alte Erfah rung, meine Herren, daß bei sozialdemokratischen Beerdigungen Kränze mit rothen Schleifen, rothe Blumen in den Knopflöchern, rothe Halsbinden u. s. w. getragen werden. Dies be weist doch zur Genüge, daß die rothe Farbe das Symbol, das Banier ist, dem die sozialdemokratische Partei folgt. Erwägt man diese Thatsache, sowie alle weiteren Umstände, so muß man zu der Ueberzeugung gelangen, daß der Putsch zum Mindesten einen starken sozialdemokratischen Beigeschmack hatte. Es dürfte von der Vertheidigung bemerkt werden, daß der Polizeiwachtmeister Hubrich viel Schuld an den Vorgängen hatte. Ich bin der entgegengefeßten Meinung. Es ist nicht zu verkennen, daß die Zustände betreffs der Polizeiorgane in der Stadt Sprem berg recht traurige waren. Das Benehmen des ehemaligen Polizeisergeanten Schilling bei dem Vorgange am 30. April hat eine treffende Illustration hierfür geliefert. Nun kam der Polizeiwachtmeister Hubrich nach Spremberg . Diesem kam es nicht darauf an, sich das Wohlwollen der Spremberger Arbeiter bevölkerung zu erwerben, sondern hauptsächlich seine Pflicht als Polizeibeamter zu erfüllen und für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der Stadt Sorge zu tragen. Des halb hat er auch nur seine volle Pflicht gethan, als er das herabnehmen der rothen Fahne und das Unterlassen des Singens sozialdemokratischer Lieder gebot. Hubrich erkannte mit Recht, daß es fich um eine sozialdemokratische Demonstration handelte. Der Zeuge Tittel, der zweifellos Sozialdemokrat ist, hat dies auch eingesehen. Da dieser die Folgen voraussah, so rieth er seinem Parteigenossen Säbischka, die rothe Fahne zu entfernen. Zu erwägen ist ferner, daß kurz vorher, ehe der Bug unternommen wurde, eine Anzahl der Angeklagten in dem Restaurationslokale von Klein, das uns als sozialdemokratisches Heerlager bezeichnet wurde, sich Muth getrunken hat. Der Staatsanwalt beleuchtet sodann in längerer Rede die einzelnen Vorgänge und beantragt gegen alle Angeklagten mit Ausnahme von Rietschel, Wrede, Müller, Maltusch und Rich. Hoffmann das Schuldig. Bezüglich dieser leẞtgenannten 4 Angeklagten stellt der Staatsanwalt das Urtheil den Geschworenen anheim Im Weiteren bemerkt der Staatsanwalt: Angesichts der Urtheile, die von der Straftammer gegen diejenigen Angeklagten ausgesprochen wurden, die sich minder erheblicher Bergehen schuldig gemacht haben, würde es in der Außenwelt sehr wunders bar erscheinen, wenn die gegenwärtigen Angeklagten, die bes deutend schwerere Strafthaten begangen haben, durch den Spruch der Geschworenen eine geringere Strafe treffen sollte. Ganz besonders halte ich bezüglich der Angefl. Säbischta, Korn, Gustav Hoffmann und Just mildernde Umstände für ausgeschlossen. Meine Herren Geschworenen, Ihre Pflicht ist es, den Aus schreitungen der Angeklagten, die den Einflüssen der sozialdemokratischen Agitation entsprungen find, einen Damm entgegenzusetzen. Ich bin nicht der Meinung, daß durch Ihren Urtheilsspruch der Geist der Sozialdemokratie zu bannen ist, allein jedenfalls sind die Organe, die berufen sind, in einer solchen Affäre ein Urtheil an fällen, verpflichtet, derartigen Ausschreitungen nach Möglichkeit einen Damm entgegenzuseßen, um die Wiederholung solcher Vorgänge so weit als thunlich zu verhüten.
Vertheidiger Rechtsanwalt Hammerschmidt: Meine Herren Geschworenen ! Ich kann der Auffassung des Herrn Staats anwalts nicht beipflichten, daß in der Spremberger Arbeiter bevölkerung die Begriffe für Ruhe und Ordnung geschwunden find. Allein selbst dies zugegeben, so hat dies mit der gegenwärtigen Anklage nicht das Geringste zu thun. Ich bin viel mehr der Meinung, daß der Vorgang, wie er sich am 30. April in Spremberg zugetragen, auch an jedem anderen Orte, wo die behaupteten sozialen Schäden nicht vorhanden, möglich ist. Daß der Krawall vom 30. April durch den Einfluß der sozialdemokratischen Partei entstanden, ist in keiner Weise festgestellt. Es ist von einem der Zeugen bemerkt worden, daß auf ihn die ganze Affäre den Eindruck eines Auflaufs von dummen Jungen gemacht habe. Ich kann dieser Auffassung nur beistimmen. Es ist in feiner Weise bewiesen, daß der Krawall einen sozialdemokratischen Charakter hatte. Ich bin der Meinung, wäre der Wachtmeister Hubrich nicht gleich zur Ges walt geschritten, dann hätte die Sache nicht einen so schlimmen Charakter angenommen. Es hätte in der That genügt, wenn man die Einzelnen notirt und wegen ruheſtörenden Lärmens zur Verantwortung gezogen hätte. Der Herr Staatsanwalt behauptet, die Angeklagten seien Sozialdemokraten, den Bes weis hierfür ist er aber schuldig geblieben. Daß die Ange flagten feig find, kann ich nicht finden. Es sind eben junge Leute, die vielleicht sich in Arbeiter- Fachvereinen bewegt haben, im übrigen aber von politischen Dingen noch nichts verstehen. All die Momente, die zu der Annahme berechtigen, daß die Angeklagten Sozialdemokraten seien, wie das Verkehren in sozialdemokratischen Versammlungen, das Lesen sozialdemokra tischer Schriften 2c. ist ihnen nicht bewiesen worden. Auch die Beugen haben hierüber etwas Pofitives nicht bekunden können. Die Angeklagten selbst leugnen, Sozialdemokraten zu ſein; man wird daher nicht zu der Annahme gelangen können, daß der in Rede stehende Vorgang der Ausfluß sozialdemokratischer Agitation war. Nun sagt der Herr Staatsanwalt: Es würde in der Außenwelt sehr wunderbar erscheinen, wenn angesichts der Urtheile der Strafkammer das Urtheil des Schwurs gerichts milde ausfallen würde. Meine Herren Geschworenen , ich weiß nicht, wodurch es gekommen ist, daß die Straffammer- Sache vor der Schwurgerichts- Sache verhandelt wurde, allein soviel steht fest, wenn ein Dugend Straffammerurtheile vorliegen würde, so dürfte dies auf Ihr Urtheil nicht den geringsten Einfluß haben. Ihr Urtheil muß ein selbststän diges sein. Sie, meine Herren Geschworenen, müssen lediglich dajenige prüfen, was Ihnen unterbreitet worden ist. Straf