Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 284.

Parlamentsberichte.

Deutscher Reichstag .

5. Sigung vom 3. Dezember, 1 Uhr. Am Tische des Bundesraths: von Boetticher, Jacobi, Bronsart v. Schellendorff v. Caprivi, von Haenisch, von Xylander, Graf Zeppelin, Don Schlieben, von Goßler.

Bunächst steht die Uebersicht der Ausgaben und Einnahmen für 1885 86 zur ersten Berathung.

Abg. Penzig: Unter den Ausgaben der Postverwaltung befindet sich das Kapitel: Vergütung an auswärtige Post­und Telegraphenanstalten und an Dampfschiffgesellschaften für Beförderung der Post" mit 5 912 530 m., die eine Ueber­schreitung von 612 500 M. zeigt. Sollte in derselben die Post­linie Stiel Storfoer mit einbegriffen sein, so sollte die Kommission das näher prüfen. Ich habe aus den Aften nicht entnehmen tönnen, wie viel diese Linie gekostet hat; aber die eigene Be­nugung derselben in diesem Sommer hat mich überzeugt, daß die deutsche Postflagge auf diesen Schiffen wehen zu sehen für einen Deutschen nicht gerade ein besonderer Stolz ist. Eine Abänderung oder Verbesserung ist dringend nothwendig. Unter den Ersparungen befindet sich eine bei der Entschädigung der Privatbahnen für die Fahrten der Abgeordneten von 19 765 M. Ersparungen find ja an sich erfreulich, aber sie dürfen nicht verlegender Art sein. Die Maßregel, die die Abgeord neten auf bestimmte Routen zur Benuzung ihrer Eisenbahn­farten beschränkt, hat sie unter die Spezialkontrole des niederen Eisenbahnpersonals gestellt, was zu unangenehmen Differenzen der Abgeordneten mit diesem Personal führt. Mir selbst ist früher ein ähnlicher Fall passirt, in neuerer Zeit hat fogar ein Kollege auf die Aussage eines gewöhnlichen Schaffners hin eine schriftliche Zufertigung erhalten, den jedenfalls irrthüm­lich abgefahrenen Betrag baar herauszuzahlen. Da der be treffende Herr überhaupt diese Strecke nicht befahren hat( hört! hört!), so kann das nur auf eine wenig gründliche Handhabung der Angaben des betreffenden Unterbeamten zurückzuführen sein, wie es zu häufig auf den Eisenbahnen geschieht, daß diese Leute fich manchmal diese Karten garnicht genau vorzeigen lassen, sondern sich mit der Angabe von Nummern begnügen und sie vielleicht nicht richtig verstanden haben. Auf Grund solcher Dinge dann von Eisenbahnbeamten Buschriften zur Heraus­zahlung bekommen, ist jedenfalls eine für die Stellung eines Abgeordneten sehr wenig wünschenswerthe und würdige Art des Verkehrs. Für die Wohnung unseres Präsidenten find 20 000 M. ausgeworfen, aber sein Betrag, um sie als Ver­sammlungspunkt in geselliger Vereinigung für die Abgeordneten dienen zu können, für die es ein Bedürfniß ist, sich auf neu­tralem Boden zu begegnen und auszusprechen. Wir in den Partikularstaaten( der Herr Redner ist aus Dresden ) haben zum Theil diese Einrichtung und haben ihren Werth für Ausgleichung der Gegenfäße erprobt. Bei der mißlichen Lage unseres Budgets enthalte ich mich eines Antrags, aber da uns vielleicht auf außerordentlichem Wege das Dichterwort treffen kann: ,, Ach wie bald, ach wie bald schwindet Schönheit und Gestalt"" so will ich, bevor ich ausscheide, wenigstens meine Ansicht aussprechen.

-

Geh. Oberpostrath Fischer: Die von dem Vorredner monirten Ueberschreitungen bei den Ausgaben für den auswär tigen Verkehr in der Post- und Telegraphenverwaltung find im Ganzen ein erfreuliches Beichen und beweisen, daß der Verkehr mit dem Auslande in der Post und Telegraphie gestiegen ist. Was die in Betreff der Linie Kiel - Rorsoer vorgebrachten Be­schwerden betrifft, so kann ich den Vorredner nur bitten, die­felben in der Kommission zu wiederholen. Dort wird die Re gierung nach Prüfung der Sachlage die erforderliche Antwort ertheilen können.

Abg. Ridert: Es war meine Abficht, zu beantragen, bie Uebersichten an die Budgetkommission zu verweisen, weil nur im Anschluß an den ganzen Etat eine fruchtbringende Prüfung der Etatüberschreitungen möglich ist. Ich ver zichte aber darauf, weil in diesem Jahre in der Budgetkommission teine Neigung zu diefer Prüfung vorhanden ist. Im Uebrigen bedauere ich, daß die Aeußerun gen des Vorredners in Bezug auf die Behandlung der Reichstags­abgeordneten hinsichtlich der Freikarten hier so spurlos vorüber gegangen ist. Man hat allerdings begründete Beschwerde er­hoben über die Art und Weise, wie Volksvertreter bei Benugung der Freilarten unter Rontrole gestellt worden sind. Ich möchte Herrn Penzig bitten, seine Klagen beim Etat zu wiederholen, wir werden ihn dann gern unterstüßen.

Staatssekretär v. Boetticher: Ich meinerseits möchte den Herrn Penzig bitten, seine Klagen dem Staatssekretär des Innern mitzutheilen. Es find allerdings bei mir solche Klagen eingegangen. Ich habe sie sofort untersuchen und Remedur eintreten laffen. Dieser Weg führt am fichersten zum Biel. Auf allgemeine Klagen hier im Hause kann ich leine Rüdficht nehmen, wenn sie nicht durch bestimmte Thatsachen unterſtüßt find. Ich bedauere, bei dem betreffenden Theil der Benzig'schen Rede nicht im Hause gewesen zu sein; hätte ich bestimmte Daten bernommen, so würde ich vielleicht darauf antworten. Ich kann daber Herrn Penzig nur bitten, mir seine Beschwerden mitzu­theilen, ich werde dann dafür sorgen, daß, soweit sie berechtigt find, Remedur eintritt.

Abg. Meyer( alle): Als Mitglied der Rechnungskom­mission glaube ich aussprechen zu dürfen, daß es den einzelnen Mitgliedern derselben sehr willkommen sein wird, wenn auch ihnen derartige Monita mitgetheilt werden.

Die Vorlage geht an die Rechnungskommission. Das Haus tritt nunmehr in die erste Berathung des Gesetz­Entwurfs, betr. die Friedens- Präsenzstärke des deutschen Heeres ein.

Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff: Meine Herren, die Gesegesvorlage, welche Sie heute in erster Lefung beschäftigen foll; stellt sich in den Augen der verbündeten Re gierungen als eine zwingende Nothwendigkeit dar: zwingend in Bezug auf den gestellten Zeitpunkt ihrer Einbringung, zwingend in Bezug auf den in Aussicht genommenen Anfangspunkt ihrer Giltigkeit, zwingend in Bezug auf das Maß der geforderten Erhöhung und zwingend endlich auch in Bezug auf die in Aussicht genommene Dauer des Gesetzes. Meine Herren, ein folches Gesetz kann nicht wohl betrachtet werden, ohne einen weiten Blick über unsere Landesgrenzen hinaus, und so ist es Denn auch natürlich, daß schon bei der Betrachtung des ersten Punktes, den ich hier zur erörtern habe, ein Blick geworfen werden muß auf die Verhältnisse in unseren Nachbarstaaten, auf die Verhältnisse, wie sie sich in der legten Zeit auf dem Gebiete der allgemeinen europäischen Politit entwickelt haben. Meine Herren, es ist weder meines Amtes, noch auch ist es erforderlich, daß ich Ihnen hier ein weit läufiges Exposé über die auswärtige Lage gebe, es ge nügt, und ich werde keinem Widerspruch begegnen, wenn ich die Verhältnisse, die hier in Betracht kommen, in ihrer All­gemeinheit als notorisch bezeichne,- wenn ich die Behauptung

Sonnabend. den 4 Dezember 1886.

-

aufstelle, daß das Deutsche Reich trotz seiner unausgesetzt be zeugten friedlichen Politik sehr wohl in absehbarer Zeit in die Lage kommen kann, ganz gegen seinen Willen in einen Krieg verwickelt zu werden. Meine Herren, es handelt sich nach der Auffassung der verbündeten Regierungen feineswegs um eine augenblicklich drohende Kriegsgefahr; wenn das der Fall wäre, meine Herren, so wäre diese Vorlage ja eine ganz verfehlte. Eine Gesegesvorlage, welche die Friedenspräsenzstärke des Heeres vom 1. April nächsten Jahres zu erhöhen beabsichtigt, wäre nicht das geeignete Mittel, um einer augenblicklich drohenden Kriegsgefahr entgegenzutreten; läge eine solche vor, so wäre ja die einzige Antwort die Mobilmachung. So stehen die Verhältnisse eben nicht; aber man wird sich der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß wir uns in einer Beitepoche befinden, welche gegründete Aussicht auf dauernde Erhaltung des Friedens nicht giebt; und wenn Sie dieser Ueberzeugung beitrete 1, meine Herren, dann werden Sie sich auch nicht weiter derselben Pflicht, wie sie den verbündeten Regierungen obliegt, entziehen können, zu prüfen und zu messen, inwieweit die Wehrkraft des Deutschen Reiches gegen­über der Wehrkraft benachbarter Staaten als ausreichend zu erachten ist, um die Machtstellung, die Sicherheit nnd die Un­abhängigkeit des Deutschen Reiches aufrechtzuerhalten. Meine Herren, ich brauche auch kein Wort darüber zu sagen, daß, wenn wir derartige Vergleiche anstellen, der nächstliegende und uns am meisten intereffirende derjenige ist, mit Frankreichs Kriegsmacht; und unter diesem Gesichtspunkte ist zu bemerken, daß die Kriegsmacht dieses Landes, welches an Bevölferungs­zahl gegen uns erheblich zurücksteht, voranschreitet schon seit längerer Zeit uns gegenüber in der erhöhten Friedenspräsenz Stärke. Die Bevölkerung Frankreichs zu der Deutschlands vers hält sich etwa wie 5: 6. Wenn man den gleichen Maßstab der persönlichen Belastung für den Friedenstriegsdienst anlegt, dann müßte die Friedenspräsenzstärke Frankreichs geringer sein, als unsere erheblich geringer! Sie ist aber höher und es liegt dort augenblicklich auch ein Gefeßentwurf vor, der eine weitere Erhöhung der Friedenspräsenzstärke in Aussicht nimmt. Meine Herren, eine hohe Friedenspräsenzstärke, also im Ver­hältniß hohe Friedenspräsenzstärke, gewährt aber nicht nur den Vortheil erhöhter Kriegsbereitschaft zu jeder Zeit, sondern sie schließt auch in sich die nothwendige Konsequenz einer Erhöhung Der Kriegsstärke des Heeres. Ich fann Ihnen nicht verbergen, meine Herren, und werde das auch in der Kommission auf Er­fordern näher darlegen, daß, wenn es schließlich die Absicht wird, zum 1. April nächsten Jahres mit dieser Vorlage in die Verwirklichung zu treten, es dann dringend wünschenswerth ist, daß wir, ehe der Reichstag seine Weihnachtsferien antritt, mit dieser Vorlage zu Ende gekommen find.( Oho! Bewegung links.) Denn, meine Herren, wir bedürfen einer etwa drei­monatigen organisatorischen Thätigkeit, um den Uebergang in die neuen Verhältnisse zu bewirken, daß weder die erforderliche Kriegsbereitschaft des Heeres, noch auch der bewährte Aus­bildungsgang der Truppen dadurch gestört wird. So viel, meine Herren, also über den Zeitpunkt der Einbringung und über den in Aussicht genommenen Anfangszeitpunkt der Giltigkeit der Vorlage. Nun, meine Herren, bin ich ja natürlich genöthigt, auch einen Blick auf die finan­zielle Seite der Frage zu werfen. Ich habe ja den Etatsverhandlungen in den legten Tagen mit großer Aufmerk famfeit beigewohnt, und ich leugne nicht, daß es mir persönlich gewiß sehr bequem und sehr angenehm ist, daß ich nicht auch dafür zu sorgen habe, auf welche Weise die Mittel für die Durchführung dieser Reorganisation herbeigeschafft werden ( Deiterkeit sehr gut! links), wie also die finanzielle Bes deckung erfolgt. Noch angenehmer aber, meine Herren, ist mirs in der That, in diesem Augenblicke hier mit dem guten Ge­wiffen vor Sie hintreten zu können, daß Alles, was nur irgend möglich war, in der Berechnung der Ausgaben geschehen ist, um die dauernden Ausgaben sowohl wie die einmaligen so niedrig wie möglich zu gestalten. Es ist ein Zweifel in den Etatsverhandlungen ausgesprochen, ob ein Vergleich, welcher mit Frankreich gezogen worden ist, auch auf dem finanziellen Ge­biet, also in Bezug auf die Summen, welche pro Kopf der deutschen und der französischen Bevölkerung beansprucht werden für die Mittel der Landesvertheidigung, ein zuverlässiger und zutreffender wäre. Meine Herren, das laffe ich vollständig da­hingestellt. In Ermangelung einer besseren Unterlage für den Vergleich, hat die Begründung der Vorlage nicht davon ab­sehen wollen, diese Zahlen einzustellen. Über, meine Herren, man mag darüber denten, wie man will, darüber kann doch kein Zweifel sein, daß, wenn die Verstärkung in dem geforderten Maße wirklich nothwendig ist, dann auch die Mittel dafür beschafft werden müssen, sei es äußersten Falles auf dem Wege einer Erhöhung der Matrikularbeiträge. Es ist auch die erhöhte persönliche Belastung, welche mit dieser neuen Vorlage dem deutschen Volte auferlegt wird, erörtert und besprochen worden. Ich habe in der Preffe Stimmen gefunden, welche die Belastung mit einem Prozent der Bevölkerung als eine un­erträgliche erklären. Ja, meine Herren, ich glaube, daß diese Auffaffung eine unrichtige ist. Wer fie aber festhalten will und feine anderweite Begründung finden kann, die persön­liche Belastung des deutschen Volkes für eine erträgliche zu halten, dem würde ich ganz einfach den Rath ertheilen, sich einmal jenseit der Vogesen zu erfundigen, aus welchen Grün­den denn dort eine weitergehende persönliche Belastung für völlig erträglich gehalten wird. Also, meine Herren, wir gehen nicht über das Maß deffen hinaus, welches verlangt werden muß. Um noch einmal auf die finanzielle Seite der Frage zurückzukommen- ich hätte es voraussagen müffen, es ist mir aber im Augenblick entgangen noch einmal auf die finanzielle Seite der Frage zurückzu­kommen, so will ich doch nur dem Gedanken Aus­druck geben, daß es wirklich daß es wirklich meiner Meinung nach verhängnißvoll geradezu wirken könnte, wenn die Zustimmung zu dieser Vorlage von ihrer finanziellen Belastung abhängig ge macht werden wollte, von einer vorherigen Verständigung in Bezug auf die schwierige Frage der Boll- und Steuerpolitit. ( Hört! hört.) Jch würde glauben, meine Herren, daß unter allen Umständen diese Vorlage die Priorität in Anspruch nehmen darf, daß das Bedürfniß geprüft werden muß und daß, wenn es anerkannt wird, dann die Frage, wie die Mittel zu beschaffen sind, in eine zweite Linie gestellt werden muß. Endlich, meine Herren, habe ich noch einige Worte zu sprechen über die Frage des sogenannten Septennats. Mir ist von ver­schiedenen Seiten aus dem Hause mitgetheilt worden, daß die Begründung der Vorlage, gerade soweit sie diesen Puntt be­trifft, an vielen Stellen den Eindruck erregt hat, als ob es den verbündeten Regierungen mit der Forderung des Septennats eigentlich gar nicht Ernst wäre. Manche von den Herren haben zwischen den Zeilen lefen wollen, daß die verbündeten Regie­rungen recht gern auf eine geringere Frist eingehen würden. Man hat gemeint, die verbündeten Regierungen haben wohl ein bischen vorgeschlagen, um dem Reichstage Gelegen Meine Herren, es heit zu geben, abhandeln zu können.

um

von

3. Jahrg.

liegt nicht in der Gewohnheit der verbündeten Regies rungen vorzuschlagen.( Abgeordneter Dr. Windthorst: Na, na!) Ich höre Seiten Sr. Erzellenz des Herrn Abgeordneten Dr. Windthorst ein Na, na! Meine Herren, das nimmt mich um so mehr Wunder, als der verehrte Herr Abge­ordnete noch im vorigen Jahre, ohne von den verbündeten Regierungen dazu legitimirt zu sein, hier von der Tribüne aus die verbündeten Regierungen ausdrücklich in Schuß der von einer genommen hat gegenüber einem Angriffe anderen Seite des Hauses kam( hört! hört! rechts), daß die verbündeten Regierungen vorschlagen, er hat gesagt, er protestire namens der verbündeten Regierungen feierlich dagegen( Große Heiterkeit), daß die verbündeten Regierungen mit dergleichen Mitteln arbeiteten. Die verbündeten Regierungen bringen Ihnen freiwillig, indem sie annehmen, daß in der Majorität des Reichstags auch heute noch der Wunsch nach einer bes grenzten Dauer des Gesetzes besteht, diese Konzession entgegen, aber allerdings, meine Herren, in dem Vertrauen auch, daß der Reichstag nicht die verbündeten Regierungen wird in die Lage bringen, sich über die Annahme eines Gefeßentwurfs zu ent scheiden, welcher, da die Dauerzeit des Gesetzes zu gering be­messen wird, die ruhige stetige Entwicklung der militärischen Einrichtungen in Frage stellt. Meine Herren, in unseren Etatsdebatten der lezten Tage find ja recht tiefgehende Gegen­säße zu erblickten gewesen und durch die scharfen Auseinander­segungen ist doch versöhnend ein Wort, fast von allen Es lautete Parteien ausgesprochen, hindurch geklungen. etwa: Abgesehen und ungeachtet aller Parteiunterschiede wird der Deutsche Reichstag da, wo es sich um nachgewiesene Forderungen für die Aufrechterhaltung und Stärkung unserer Wehrkraft handelt, eines Sinnes stehen. Meine Herren, lösen Sie dieses Wort ein durch eine möglichst einstimmige Annahme der Vorlage.( Bravo ! rechts.)

Abg. Richter: Die Ausführungen des Kriegsministers zur Begründung der neuen Vorlage haben sehr viel Aehnlich feit mit dem, was gesagt ist bei dem Septennat von 1880 und der Vorlage von 1874. Auch heute hat er wie sein Vorgänger gesprochen von der zwingenden Nothwendigkeit, der Vorlage zuzustimmen, von den auswärtigen Verhältnissen,

-

notorisch seien; ebenso notorisch waren sie auch 1880 und 1874, In Bezug auf diese auswärtigen Beziehungen wurde damals wie heute darauf hingewiesen, daß das Deutsche Reich trotz aller seiner Friedenspolitik in die Lage kommen könne, in ab sehbarer Brit in einen Krieg verwickelt zu werden und daß sich begründete Aussicht auf die Dauer des Friedens nicht durchaus bietet. Nun, auch diese Situation ist nicht neu; sie datirt von 1871 und von 1866 zurück. Bei uns ist durch Gesetz von von 12 auf 1875 die Zahl der dienstpflichtigen Jahre 22 erhöht worden, während sie in Rußland und Frank reich nur 20 beträgt. Ausgehoben haben wir im letzten Jahre 160000 Mann eine Ersat Dazu kommt reserve von 19 000 Mann Frankreich 144 000 oder 146 000 Mann, von denen ein Drittel nur 10 Monate ausgebildet wird. Die Aushebungen Rußlands betrugen im legten Jahre aller­dings 225 579 Mann, aber im Verhältniß zur Bevölkerungszahl ist dies Aushebungskontingent geringer als bei uns und müßte eigentlich 350 000 Mann betragen. Die Anshebungsquote ist dort auch seit 1880 nicht wefentsich größer geworden. Mit Recht wünschte der Kriegsminister das Jahr 1880 in Vergleich zu dem jezigen gestellt zu sehen. Leider haben die Motive an diesem Vergleichsmoment nicht durchweg festgehalten. Damals fagte der Kriegsminister, die Regierung wäre der Ansicht, daß nach der erfolgten Erhöhung der Armee unsere Kriegsmacht vollständig ebenbürtig sei den Nachbarstaaten Frankreich und Rußland . Wenn die Regierung heute weitergehende Fordes rungen erhebt, so ist zunächst die Frage: haben denn seit 1880 in Frankreich und Rußland so große Veränderungen stattge= funden, daß für uns eine zwingende Nothwendigkeit erwächst, mit einer weiteren Erhöhung vorzugehen? Die Vorlage giebt gerade über 1880 wenig oder gar keine Ziffern. Die Vorlage von 1880 enthielt auch Angaben über Frankreich und Rußland . Wollen wir also wissen, was sich dort geändert hat, so vergleichen wir nur die Vor­lage von 1880 mit derjenigen von 1885. Dann aber wird das Bild doch etwas anders als nach der Vorlage von 1886 allein. In dieser find 649 französische Bataillone angeführt, in der Vorlage von 1880 641, also nur acht weniger. In Bezug auf die Zahl der Feldbatterien ergiebt sich jetzt nur ein Plus von 9. Erst vor drei Jahren sagte der frühere Kriegsminister v. Kameke , daß wir im Befit eines Artilleriematerials wären, wie es keine europäische Großmacht befäße, und er tadelte dabei jenes Drängen der Preffe, welches so weit ginge, vermeintliche Schwächen unserer Armeeorganisation ohne patriotische Rück­fichten zu veröffentlichen. Es ist gewiß falsch, wenn man aus parlamentarischen Gründen, um leichter eine Erhöhung durch zusetzen, die eigene Macht schwächer erscheinen läßt, als sie in Wirklichkeit ist. Am 1. März 1880 behauptete mir gegenüber eine hohe militärische Autorität, unseren 401 000 Mann stände eine französische Friedenspräsenzstärte von 497 000 Mann gegens über, deshalb sei bei uns die Erhöhung auf 428 000 Mann nothwendig. Ich bestritt es. Es wurde mir gesagt, wie tönnte ich gegenüber einer solchen Autorität die Sache anders darstellen. Ich würde mich auch ganz zerknirscht ge fühlt haben, wenn ich nicht meiner Sache sicher ge wesen wäre. Ueber die Frage der Dienstzeit wird uns am besten der Kriegsminister eine Auskunft geben. Nach dem Urtheil der Korrespondenten unserer militärischen Blätter ist in Frankreich sehr wenig Stimmung vorhanden, auf diese weit­schichtigen Pläne einzugehen. Jedenfalls war es erfreulich, daß man sagte, wenn Frankreich so umfassende Aenderungen seiner Armeeorganisation beabsichtigt, so kann der Ausbruch eines Krieges nach französischer Auffaffung nicht nahe liegen. Stimmung in Frankreich für diese Vorlage ist keine besonders günstige; ob sie sich nun verändert hat, in Folge der Einbrin­gung dieser Vorlage, so daß infolge dessen die französischen Pläne so ausgeführt werden, wie sie vorgeschlagen sind, das will ich nicht untersuchen. Würden wir diese Vorlage annehmen und würden andererseits die französischen Vorschläge sich ver­wirklichen, so würden wir uns gegenseitig emporschrauben, während die Verhältnisse beider Länder zu einander dieselben blieben wie vorher. Der Vergleich unserer Dienstzeit mit der französischen wird uns nahegelegt, weil die Regierung selbst fich auf das Muster von Frankreich beruft Gegenwärtig be­steht dort für der Armee eine Dienstzeit von 40 Monaten und für eine solche von 10 Monaten. Der Minister Boulanger hat nun allen Denjenigen, welche eine gewiffe Bildung befißen, das Recht zuerkennen wollen, nach zweijähriger Dienstzeit entlassen zu werden, und der Ausschuß hat beschlossen, diese zweijährige Dienstzeit Tenen zu gestatten, welche nach Ablauf von 2 Jahren eine gewisse militärische Qualifikation erlangt haben. Die Sache wird sich nun so stellen. Ein Theil der Mannschaften wird eine 2jährige Dienstzeit zu­rücklegen, die um 2 Monate dadurch vermindert wird, daß die Refrutenvakanz dort bereits Anfang Dezember stattfindet. Der

Die