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Beilage zum Berliner Volksblatt.
Mr. 302.in
: Good drill
Heber Erkältung und Erkältungsfurcht Dom hygienifchen Standpunkte.
Von Dr. Paul Niemeyer.
( Nachdruck verboten.)
In unserer Tagesgeschichte fehlt es ebenfalls nicht an Er lebnissen, welche, wenn gutwillig entgegen genommen und durchdacht, zu erheblicher Einschränkung der Erkältungsfurcht anleiten. Viel zu denken gab unter Anderem der Bericht des Nordpolfahrers Payer über die Einwirkung höchster Kältegrade auf's menschliche Befinden; wohl fühlten fich die Reisenden dort oben trop wärmster Kleidung vom Friergefühl erfaßt, niemals jedoch tam's bei ihnen zu richtiger Erkältung im heimathlichen Sinne. Nicht lange aber hatten sie den Boden der Bivilisation wieder betreten und die ihnen bereiteten Festessen besucht, als fie auf einmal wieder zu nießen und zu husten anfingen. Andererseits stand jüngst in Berliner Tagesblättern die Geschichte mehrerer Weiber zu lesen, welche behufs Kugelstehlens auf dem Tegeler Schießplaße wochenlang unter freiem Himmel fampirten, ohne fich davon merkwürdiger Weise"( sic!) auch nur einen Schnupfen zu holen.
Eine Art von Probe auf's Exempel liefert folgende Erfahrung aus dem Eisenbahnwesen: die früher auf offenem Standplaze durch Wind und Wetter, bei Tag und Nacht dahinellenden, fich in Kälte gleichsam badenden Lokomotivführer zeichneten fich, wie ich selbst das aus meiner einstigen langjährigen Stellung als Eisenbahnarzt bezeugen kann, vor dem anderen Bahnpersonal durch ausdauernde Dienstfähigkeit aus. Erst neuerdings, wo höhere Fürsorge den Plaz mit einer gegen Erkältung schüßenden" Wand umgab, fingen laut Bericht eines noch aktiven Eisenbahnarztes die Leute zu kränkeln an, und zwar deshalb, weil sie nunmehr statt frischer, reiner Luft Staub und Dunst zu athmen bekommen.
Mit experimenteller Sicherheit wurde der gleiche Thatbestand in der Thierpflege, und zwar vor Allem an den zarten Geschöpfen der Seidenraupen erwiesen. Während diese kost baren Thierchen, wenn in schön warmen" Binnenräumen verwahrt, massenhaft dahinstechen, halten fte sich auch unter gemäßigtem Himmelsstrich da, wo man fie en pleine air d. h. unter stetiger Zufuhr frischer, reiner Luft züchtet, eine Erfahrung, welche, nach und nach in zoologischen Gärten durchgeführt, fich auf Erhaltung ausländischer Arten überhaupt be währte.
Lebhafte der Erkältungsfurcht des Friedensphilifters in's Geficht schlagende Beweise häuften sich in der durch strengen Winterausbruch ausgezeichneten Kriegszeit, in der allerdings tausende von Gefangenen vor Kälte, Hunger und Gram elen diglich umkamen. In der geregelten Lazarethpflege dagegen ergab fich das Wunder", daß just die in offenem Gefährt beförderten oder aus Noth blos in zugigen" Schuppen, Regelbahnen und sonstwo untergebrachten Kranken und Verwundeten sich auffallend wohl befanden und rasch erholten. Pockentrante gar sah ich selbst im bloßen Hemde von braußen her, wohin sie bei Frostfälte entwichen waren, hereinbringen, ohne daß fie fich Schaden gethan!
Sonnabend, den 25. Dezember 1886.
danke! Unklug aber handelte in jener Nacht sein Schöpfer, indem er, der bald 60jährige Stubengelehrte, halten ließ, fich des Mantels entledigte und hinausstieg in die schneidende Kälte, um, was ebenso gut ein dienstbarer Geist besorgt hätte, besagte Gans mit Schnee auszustopfen. Noch nicht war er mit dem umständlichen Werte fertig," so erzählt Th. Buckle, ,, als er fich von heftigem Frösteln geschüttelt fühlte und in einem nahegelegenen Gasthause Unterkommen suchen mußte, wo er denn auch binnen acht Tagen dahinftarb."
Eine Kraftnatur von der Art des bekanntlich den vollen Winter hindurch, natürlich in Belzumhüllung, unter freiem freiem Himmel nächtigenden russischen Dwornik wäre bei so unterlassenem Inachtnehmen" wohl blos mit einem leichten Schnupfen davon gekommen, wobei mir's aber natürlich nicht beifällt, solche Haustnechtsgewohnheit zur Nachahmung zu empfehlen. Ich gehe sogar noch weiter im Bugeständnisse und erkläre die Hohlung für eine Erkältungsquelle vor der man sich mit Fug und Recht in Acht nimmt. Sohlung" so nannte Unzer und so nennt man noch jetzt im Ostfriesischen jene von einer Seite her durch eine verhältnißmäßig enge Deffnung in einen verhältnißmäßig warmen Raum hereinblasende Luftströmung, welche so häufig an öffentlichen Drten, im Koupeeraume und sonstwo einem Theile der Anwesenden den Schreckensruf: Sier zieht's!" entlockt und wenn etwa der andere Theil dies nicht findet, zu einer Fehde im fleinen Style Anlaß giebt. Nicht nur muthet solcher Bug" unbehaglich an, sondern man kann dabei auch rheumatisches Weh an der davon betroffenen Körperstelle erwerben. Freifinniger jedoch denkt die Gesundheitslehre da, wo der Rörper, zumal wenn ordentlich bekleidet, von allen Seiten her gleichmäßig von frischer Luft umspült wird, z. B. auf Ded eines Dampfschiffes, wo einem schon die Schiffsleute mit ihrem Dekolleté ein fräftiges Beispiel geben. Doch auch die hygienisch geschulte Landratte" nimmt hier eher Anstoß an den vom Heizkessel und Schornstein ausströmenden warmen, unreinen Dünsten, freut sich aber, in des Plaids wärmender Hülle geborgen, des Luftbades nach Art jener dem Windstrome mit förmlichen Luftgefühle entgegenarbeitenden Schwäne und ermuthigt den Aengstlichthuenden mit dem Dichtermorte: Es tommt nur auf Gewöhnung an!" Da's in der That das Jdeal der Erkältungsfürchtigen, absolut ruhige Luft, weder im Freien noch im geschloffenen Wohnraume, noch sogar zwischen den Lagen unserer Kleidungsstücke, überhaupt nicht giebt, so richtet fich's ganz und gar nach dem Grade der persönlichen Gewöhnung, ob man lebhafter strömende Luft als wohl. thätige Fächelung oder als böse Bugluft" empfindet, und da die Luftbewegung nun einmal zu den unents behrlichsten Naturheilkräften gehört, so thut man gut, sich mit seinen Nerven zur Ertragung eines möglichst hohen Grades abzuhärten.
Andererseits muß das Gegenstück der Abhärtung, die Verweichlichung, geradezu als die sicherste Quelle habitueller Er fältung bezeichnet werden, in welchem Sinne abermals schon ein fältung bezeichnet werden, in welchem Sinne abermals schon ein Stromener lehrte:„ Der Schnupfen währt, wenn man ihn nicht behandelt, drei Tage, behandelt man ihn aber mit Rechtwarm halten und dergl., fann er sich drei Wochen lang hinziehen." Vollkommen begreiflich wird diese Ansicht, wenn man sich in die Lehre vom Körper als einem lebenden Ofen hineindenkt, bei dem ebenso wie beim leblosen, Ventilation die Hauptsache, hier aber nicht blos, wie bei diesem, in Bezug auf die Luftaus strömung, sondern auch auf die Wasserdampfausdünstung, jene durch das Athem, diese durch's Hautorgan. Nun wohl! In hygienischer Selbstheizung verfieht's unsere Fashion" lebende Gesellschaft darin, daß fie einerseits wohl durch Gut und Vieleffen und Trinken tapfer schürt, andererseits aber durch Stubenhocken und Langschläferei, Dfenheizung, dichte Kleidung den entsprechenden Grad von Ventilation verhindert, der durch Bewegung im Freien, Baden, luftige Kleidung u. s. m. unter halten werden müßte. Die Folge dieses Mißverhältnisses zwischen Ein- und Ausfuhr( um mich ganz allgemein auszu
Mögen die neueren Prediger der Abhärtungspraxis Anfangs durch schroffe und ungestüme Gegenrede das rasche Ver ständniß erschwert haben, so that man doch auch von der anderen Seite darin Unrecht, daß man, nachdem man nur obenbin zugehört oder flüchtig gelesen, ihnen nachsagte, fie stellten die Möglichkeit jeglicher Gesundheitsstörung durch Erkältung überhaupt in Abrebe. Nun wohl! Diesem Mißverständniß fehlt die thatsächliche Unterlage so weit, daß wir vielmehr erklären: Angesichts unserer heimischen, fast laufend aprilmäßigen Witterung gehört Erkältung zu den häufigsten, ja alltäglichen, allerdings aber auch ungefährlichsten Krankheitsursachen. Auf den Tod" gar tann man sich höchstens unter so auf die Spige ges triebenen Verhältnissen erfälten, wie fich ihnen z. B. jener ebenso große Philosoph als unverständige Mensch, Baco v. Verulam, ausdrücken) besteht in der Gesundheitsstörung, welche man unter feste: In eifig- falter Winternacht auf der Landstraße dahinfahrend, bringt ihn ein mitgeführtes Stück Schlachtgans auf den Gedanken, ob etwa Rälte fich zur Verhütung von Fäulniß verwerthen lasse, ein, wie heute schon Jedermann weiß, in der That kluger Ge
Weihnachten.
R. C. Weiße Weihnachten, grüne Ostern- so wünscht es der Landmann; Friede auf Erden" verkündet der Pfarrer- aber Beide errathen leider nicht immer das Richtige. Wohl dehnt sich die weiße, glitzernde Schneebecke unabsehbar aus über Feld und Thal, man sagt, es wäre ein Leichentuch, unter deſſen ſtarren Falten die Mutter Erde ſchläft. Aber der heulende Schneesturm raft über die Ebene, spielend, in graufigem Uebermuth verschüttet er Wege und Steg, bem schnaubenden Dampfroß hemmt er höhnisch den Lauf und den einsamen Wanderer bedt er zu mit Schnee, bis auch der Wanderer schläft wie die Mutter Erde. Und wenn der Sturm sich gelegt hat, wenn vom Himmel keine weißen Flocken mehr herabfallen, dann wird der Schnee schmelzen und das tosende Hochwasser ergießt sich über die Wohnstätten der Menschen und vernichtet Leben und Wohlstand. Trotzdem heißt es, daß die Erde schlummert, daß sie Rraft sammelt zu neuem Blühen und Gedeihen, und daß der demantglänzende Schnee dem Auge des Menschen das feimende Leben und Sprossen im Innern der Erde verbirgt. Das mag der Friede sein, der heute auf Erden herrschen soll, von dem uns die Legende erzählt, aber im Leben der Menschen existirt er nicht. Wer weiß, ob nicht gerabe jetzt dem Weihnachtsfrieden ein Osterkrieg folgt, der die Menschen wiederum zu Tausenden hinmäht? Untröstlich ist es allerwärts; im Norden wie im Süden, im Westen wie im Often glimmt das Feuer unter der Aſche. Im Jahrhundert des Fortschritts, im Zeitalter der Aufklärung und in der Aera der Humanität verschlingt der Militarismus
Opfer, wie sie ihm vormals kaum je geworden. Klingt da das Friede auf Erden" nicht wie ein Hohn?
Jawohl, Friede auf Erden! Das Gold und das Silber, welches der Staat seinen Bürgern abnimmt, dient zum AnKauf von Pulver und Blei und raffinirten Maschinen. Wer ein neues Gewehr erfindet, dessen Bild wird verewigt und die Mütter zeigen ihren Rindern ben Mann, der zum Heile des Landes die neue Schraube fonstruirte. Die bürgerlichen Berufsarten verlieren an Werth, der Soldat tritt vor und brüstet sich, stolz auf seine von Dichtern und Denkern gefeterte Miffion. Der Traum von dem zur Pflugschaar um
dem zwar ungelehrten, aber um so weniger ungewöhnlichen Namen des Kazenjammers" bekanntlich nicht blos mehr beim akademischen Kommerse, sondern bei jeglicher ehrbaren Form der Ueberladung oder richtiger der Ueberheizung erwirbt. Nun
geschmiedeten Schwert ist vergessen und die ihn einst gehegt, bekennen, daß sie sich eines Besseren" belehren ließen.
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Und der Tannenbaum mit seinem grünen Winterkleid und seinen strahlenden Kerzen bringt ja heute überall Friede, Freude und Glüd. Im Palast und in der Hütte soll es ja heute nur zufriedene, heitere Menschen geben, die eine Pause machen, die kurze Nast halten in dem aufreibenden, erschöpfenden, nimmer ruhenden Kampf um's Dasein. Ob das wahr ist? Ob es gerade heute keine Menschen geben mag, die mit zerrissenem, blutendem Herzen und sehnsüchtigem Auge auf die Anderen schauen, denen ein gütigeres Geschick gelächelt, denen es vergönnt war, sich eine Freude zu machen, indem sie Andere erfreuten? Vielleicht offiziell von allen Kanzeln ankündigen läßt, und doch ist es hält man die fühle Ruhe für den Frieden, den man heute noch Muth findet, nur dumpfe Verzweiflung, die zu lautem Murren weder Kraft - das ist der Friede, der Friede des Kirchhofs.
Aber luftig ertönt das Schellengeläute der Schlitten auf den Straßen, muthige Rosse jagen über die Schneefläche, deutlich, daß es eine Lust ist, zu leben auf dieser schönen die lachenden Gesichter der geputzten Menschen sagen es Welt. Es ist eine traurige Wahrheit, aber trotzdem muß sie gesagt werden, auch die Feste sind ausschließlich ein Besigthum der bevorzugten Klassen. Was nüßt dem Proletarier der ganze Glanz und der ganze Festtrubel, für ihn ist das Gerede vom Weihnachtsfrieden nur eitel Flunkerei, es ist eine Phrase, die man ihm vorwirft, eine Phrase, mit ber man vielleicht weinende Kinder beschwichtigen kann, die für ernste Männer aber werthlos ist.
Merkwürdig, daß der Weihnachtsbaum trot alledem auf jedermann, sei er jung oder alt, griesgrämig oder luftig bis zur Ausgelassenheit, immer und immer wieder seinen alten Bauber ausübt. Und wenn tausende von Meilen uns vom Heimathlande trennen, so denkt der melancholich angehauchte Deutsche mit Vorliebe an den Tannenbaum mit seinem harzigen Waldgeruch und seinen vergoldeten Aepfeln, und harzigen Waldgeruch und seinen vergoldeten Aepfeln, und jeder Junggeselle von Beruf oder Passion redet sich am Weihnachtsabend in eine rührselige Stimmung hinein, er fommt sich in seiner Ecke im Wirthshaus unendlich unglücklich vor, und er denkt so lange an feine Jugendzeit Jugendzeit, wo auch ihm ein Weinachtsbaum
3. Jahrs.
wohl! Der heutigen Ueberheizung folgt, wenn sie, wie gewöhnlich, in Bett und Stube weiter gezüchtet wird, morgen die in innerlichem Frösteln, Verschleimung, Gliedermattigkeit, Empfindlichkeit gegen Zugluft, Verschnupftsein, oder, wie man's mit einem Worte zu nennen beliebt starker Erkältung" be stehende Gesundheitsstörung, die man sich durch„ Unterlassung ordentlichen nachtnehmens auf dem Nachhausewege" oder gar von der rauben Nachtluft" geholt zu haben glaubt. Man braucht sich aber nur, wie gesagt, in die hiegienische Ofenlehre hineinzudenken, um zu verstehen, wenn ich erkläre: nicht vor Erkältung draußen, sondern vor Ueberheizung drinnen fommt folcher Schnupfen und Susten, und ein großer Fortschritt wäre schon errungen, wenn's gelänge, neben dieser jetzt alleinherrschenden Art der angeblichen äußeren Erkältung vorläufig wenigstens den, wenn auch fachlich nicht ganz richtigen, Begriff einer innerlichen" Erkältung zur Geltung zu bringen, weil er jedenfalls die Praris des Inachtnehmens auf luftfreundliche Bahnen hinüberleiten würde.
Lokales.
Berliner Neisende vor hundert Jahren. Das Archiv für Bostwesen" druckt aus der 1786 erschienenen Beschreibung der föniglichen Residenzstädte Berlin und Potsdam und aller daselbst bestehenden Merkwürdigkeiten eine eingehende Schil derung des damaligen Reiseverkehrs ab. Der Verfaffer ist offenbar mit Stolz erfüllt über die Vortrefflichkeit der damaligen Posteinrichtungen für den Reiseverkehr. Welche Augen würde er machen, wenn er den heutigen, durch die Eisenbahn ver mittelten Reiseverkehr schauen fönnte! Doch laffen wir den Verfasser des bei Nicolai erschienenen Büchleins selbst erzählen. Ein Fremder, der verreisen will, meldet sich, wofern er mit der ordinären Post zu reisen gedenkt, in dem hofpostamte einige Tage vor Abgang der Post; daselbst wird er gegen Bezahlung des Postgeldes bis auf die erste Station eingeschrieben. Man zahlet für jede Meile 6 Gr., das sogenannte Stationsgeld mit eingeschlossen, und der Postillon darf von den Reisenden kein Trinkgeld als eine Schuldigkeit fodern. Dem Passagier wird laut der Verordnung vom 28. Mai 1770 und vom 26. Nos vember 1782 an Bagage mehr nicht als 40 bis 50 und in Meßzeiten über 60 Pfund frei mitzuführen erlaubt; was über 50 und in Meßzeiten über 60 Bid. mitgenommen wird, davon bes zahlt er die Ueberfracht nach der Posttare, nach Beschaffenheit der Sachen. Eine Stunde vor Abfahrt der Post sendet der Reisende seine Gepäcke dahin, damit solche gehörig gewogen und aufgepackt werden können; jedoch stehet ihm auch frei, fich mit einem Postboten dahin zu verabreden, daß dieser gegen ein Trinkgeld von 2 Gr. die Sachen abholet und ihn abrufet. Wer mit Extrapost abgehen will, meldet sich den Tag oder auch nur einige Stunden vorher im Hofpostamte in der Passagierstube beim Wagenmeister, welcher die Pferde bestellt und zu verlangter Stunde nebst der Posttalesche, wofern der Reisende nicht einen eigenen Wagen hat, vor die Wohnung des Passagiers sendet. jedes Pferd wird für jede Meile 8 Gr. und dem Postillon für jede Meile 3 Gr. Trinkgeld bezahlt, doch ist zu merken, daß beim Postamt in Berlin allezeit eine Meile mehr bezahlt wird, z. B. nach Potsdam 5 Meilen u. s. w. Vor einen zweifißigen, leichten Wagen mit einer Person werden zwei Pferde, mit zwei, allenfalls drei leichtbeladenen Personen werden drei Pferde gespannt. Vor einen vierfißigen Wagen, worin vier Personen fißen, vier Pferde; auch nach Beschaffen heit des Wagens und des Gepäckes fünf, sechs und mehr Pferde. Wollte Jemand Kurierpferde haben( wozu übrigens eine besondere Erlaubniß vom Gouvernement erfordert wird), so zahlet er für jedes Pferd die Meile 12 Gr. Wer mit einem Fuhrmanne auf eine ganze Reise einen Vergleich treffen will ( denn es ist alsdann nicht erlaubt, unterwegs Pferde zu wech feln), muß im Hofpostamte einen Fahrschein lösen, gegen Bahlung von 2 Gr. auf die Meile, für jede Person. Wer mit Extrapost oder Fuhre abgeht( denn mit den ordinären Poften ist es nicht nöthig), muß sich von dem Gouvernement einen Paß geben lassen, ohne welchen man nicht aus dem Thore gelassen wird, und welcher auch auf Ver langen unterwegs bei Bestellung der Extrapferde auf den
Für
ausgeputzt wurde, bis sich eine wirkliche und wahrhaftige Thräne in sein Auge stiehlt. Dann ist er glücklich.
Wie man sieht, gehört also garnicht so viel dazu, um glücklich zu sein, und sei es auch nur für einen Moment. Es kommt eben nur darauf an, wie man sich seine Feststimmung macht, der eine findet sich beim Weinen wohl, der andere beim Lachen, und aus diesen beiden Faktoren besteht doch hauptsächlich das ganze menschliche Leben. Rechnet man noch ein wenig Komödienspiel hinzu, so hat man wirklich alles. Doch bleiben wir bei dem vielgerühmten und so wohlverbürgten Frieden auf Erden".
Haben wir nicht noch in den letzten Tagen aus dem unteren Ende der Leipzigerstraße erfahren, daß wir den Weihnachtsfrieden in ungetrübter Weise genießen werden? Ist es nicht die alte Geschichte, die ewig neu bleibt? Das deutsche Volk wird sein Weihnachtsgeschenk erst nachträglich erhalten in Gestalt vieler schöner, geputzter Soldaten- die Parlamentarier sprechen dagegen, aber sie stimmen dafürmit schwerem Herzen", wie der technische Ausdrud lautet man fann ja auf anderen Gebieten sparen, wo keine Dringlichkeit herrscht. Der arme Mann mag weiter hungern, wenn es auch Weihnachten ist, er hat ja darin Uebung und hält er es nicht länger aus, so soll er sterben, es steht nirgends in der Verfassung geschrieben, daß der Mensch leben müsse.
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Doch freuen wir uns des Weihnachtsfestes, man kann an manchen Sachen nichts ändern, und es ist besser, wenn man davon schweigt. Wozu Hoffnungen erwecken, die nie erfüllt werden, weshalb sich Traumgebilden hingeben, deren Verwirklichung für jezt unmöglich ist, freuen wir uns mit den Fröhlichen des leuchtenden Weihnachtsbaumes. Wenn Weihnachten wirklich ein Fest der Freude ist, so möchten wir, daß es Niemanden kopfhängerisch und traurig findet. Es wird nach dieser eine bessere Beit kommen, wo auch der Besitlose sich als freier Mann unter freien Menschen fühlen wird, wo jene finsteren Mächte, die ihm heute den Ertrag seiner Arbeit vorenthalten, gebrochen darniederliegen: das ist die wahre, gnadenbringende Weihnachtszeit. Aber auch nur erst dann wird der Gesang zur Wahrheit werden, mit dem die Hirten in Bethlehem das Proletarierkind begrüßten, dann ist es fein Trugwort mehr, wenn auch wir ausrufen. Friede auf Erden!"