gleitenden Nebenumstände wohl geeignet ist, zur Warnung zu Dienen, wird uns mitgetheilt. Ein in der Hafenhaide wohnender Reftaurateur S. hatte eine fleine Finne, einen sogenannten Miteffer, am Kinn, und um selbigen zu beseitigen, ließ er fich ihn durch seine Frau mittelst eines Taschenuhrschlüffels aus drücken. Schon nach einer Stunde empfand er auf der be zeichneten Stelle einen brennenden Schmerz und entdeckte bei näherer Besichtigung, daß sich eine starke, röthliche Entzündung über das ganze Rinn verbreitet habe. Sofort angewendete Hausmittel blieben ohne Erfolg, vielmehr nahmen die Schmerzen, wie auch die Geschwulst rapide zu und der Zustand des Herrn S. wurde ein so bedenklicher, daß man einen Arzt zu Rathe zog. Dieser lettere tonstatirte eine Blutvergiftung, Deren Entstehung er, nach eingehender Untersuchung, auf eben jenen Uhrschlüssel mit Bestimmtheit zurückführen zu müssen glaubte. Es wurde nun in den legten Tagen der verfloffenen Woche eine Operation vorgenommen, welche zwar das Kinn arg entſtellte, aber doch die bereits berannahende Todesgefahr beseitigte. Seit dem Beginn dieser Woche ist Herr S. wieder in der Lage, fleine Spaziergänge zu unternehmen, doch ist er noch immer sehr angegriffen. Der gefährliche Uhrschlüssel soll, nach Aussage des Arztes, Roſt und Grünspanbestandtheile enthalten haben, die durch jene Manipulation auf das Blut über tragen worden sind.
Wie das Berliner Tagebl." berichtet, hat jene Frau H., gegen welche eine Untersuchung wegen Kuppelei schwebte und die gegen eine Kaution von 30 000 M. auf freiem Fuße beiaffen worden war, Berlin heimlich verlassen.
Polizei- Bericht. Am 23. d. M. früh fiel ein Mädchen in der Rüdersdorferstraße in Folge der Glätte und erlitt dabei eine Verrenkung des linten Fußgelenks. Abends fiel in der Gollnowstraße ein Mann in Folge eines Fehltritts und brach den linken Unterschenkel. Beide Verunglückte wurden nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht.
Gerichts- Zeitung.
Vorstandsmitglieder auf die Dauer von 2 Jahren. Es ging aus beiden genannten Wahlen recht deutlich hervor, wie sehr die Kaffenmitglieder terrorifirt werden. Nur als Stimmvieh," so schreibt uns ein Theilnehmer an der legten Versammlung, werden die Delegirten gebraucht. Eine Diskussion über die zu wählenden Personen findet überhaupt nicht statt. Der Vorfigende, Herr Rathsmaurermeister Lüdtke, trifft die Anordnun fizende, Herr Rathsmaurermeister Lüdtke, trifft die Anordnungen in den Versammlungen und die Delegirten müssen ge= horchen. Daß überhaupt noch Arbeitnehmer in eine solche Ver fammlung gehen, das ist zu bewundern." Der erste Punkt sammlung gehen, das ist zu bewundern."- Der erste Punkt der Tagesordnung wurde schnell erledigt, die Herren Dähne und Buchholz, sowie ein Arbeitgeber wurden สิน Revisoren gewählt. Bum zweiten Punkt der Tagesordnung stellten die Arbeitnehmer den schriftlichen, laut§ 48 des Statuts von 10 Arbeitnehmern unterschriebenen Antrag: Die Versammlung möge beschließen, daß die Vor standswahl durch die neuen Delegirten vollzogen werde, weil die neu gewählten Delegirten und der neue Vorstand die nächsten zwei Jahre zusammen arbeiten müffen." Die Antrag nächsten zwei Jahre zusammen arbeiten müffen." Die Antrag steller hielten es für unrichtig, daß die alte Generalversammlung noch den neuen Vorstand wählt und nach der Wahl zurücktritt. Der Vorsigende berr Lüdtke erklärte jedoch rundweg, daß der Antrag nicht zur Verhandlung komme und eine Debatte darüber nicht stattfände, die Wahl müsse vielmehr vollzogen werden. Die Versammlung fügte sich dieser Anordnung des Vorftzenden und vollzog die Wahl. Dadurch, daß jede Diskussion in den Ortstrantentaffen- Versammlungen unterdrückt wird," so schreibt uns der Berichterstatter, tönnen die zweideutigsten Elemente in die Raffenverwaltung hineingebracht werden. Die Arbeit nehmer würden mundtodt gemacht und die Arbeitgeber nicken ihren Herren Kollegen zu." Er giebt den Arbeitnehmern den Rath, an solchen terroristischen Versammlungen und an der Kaffenverwaltung feinen Antheil mehr zu nehmen.
Zentralfranken- und Begräbnißtasse der Buchbinder Die Zahlstellen, ausgenommen die in der Naunynstr. 60 und Blumenstraße 29, find am 1. Feiertage geschloffen. Freitag, den 31. b. M.( Sylvester) sind sämmtliche Bahlstellen wieder geöffnet.
Verband deutscher Zimmerleute( Lokalverband Berlin Zentrum). Dienstag, den 28. d. M., Abends 8 Uhr, Komman dantenstraße 77-79, Versammlung. Tagesordnung: 1. Vortrag. 2. Verschiedenes. 3. Fragetaften.
Verein zur Wahrung der Intereffen der Tischler. Am 1. Weihnachtsfeiertag in Klein's Salon, Dranienſtr. 180, Konzert, Gesangsvorträge, sowie Auftreten des Zauberkünstlers Herrn Berndt. Anfang 6 Uhr. Nach dem Konzert Tanz fränzchen. Billets find zu haben bei den Herren Lackur, Admrralstr. 26, 1; Werschke, Adalbertstr. 16; Frant, Reichenbergerſtr. 46; Lerche, Fruchtstr. 52, III; Stiegelmeier, Git schinerstr. 93, I, und Pichichholz, Strausbergerstr. 43.
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Der Fachverein der Tischler veranstaltet heute, am ersten Weihnachtsfeiertage, in der Berliner Reffouree", Komman dantenstraße 57, eine Festlichkeit, bestehend aus Konzert, Gesangs und deklamatorischen Vorträgen, Theatervorstellung und Ball. Anfang des Konzerts Nachmittags 4 Uhr, des Balles nach 12 Uhr. Billets find nur vorher zu haben bei den Mitgliedern Böhm, Johanniterstraße 10, of III; Gruenwaldt, Prinzenstraße 8, III, bei Konrad; Glocke, Laufigerplat 2, Hof part.; Meinz , Manteuffelstr. 93, III links; Haase, Rheinsberger straße 13, 1; Apelt, Belle- Alliancestr. 61, of rechts V; Thierbach, Neue Königstr. 72; Besold, Bergmannstr. 96; Fest, Hollmannftraße 1a, 1; Palme, Andreasstr. 17, of It; Schulz, Briger straße 42; Witte, Möckernstr. 95; Jakob, Ackerstr. 71 und Bielstein, Gartenstr. 3, IV( bei Biedermann). An der Kasse des Lokals werden keine Billets ausgegeben. Der ZentralArbeitsnachweis des Vereins( Blumenstr. 56) ist am 25., 26. und 31. Dezember, sowie am 1. Januar für Arbeitsuchende geschlossen; jedoch können schriftliche Gesuche der Arbeitgeber um Zuschickung von Gesellen auch an diesen Tagen in den am Eingang zum Arbeitsnachweis befindlichen Briefkasten ges legt werden. Die Zahlstellen des Vereins sind heute und am 1. Januar ebenfalls geschlossen.
In der freireligiösen Gemeinde halten die Festvorträge Vormittag 10 Uhr Rosenthalerstraße 38 Herr Schäfer am ersten und Herr Howe am zweiten Weihnachtsfeiertage. Zutritt steht Gästen frei.
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Gesang, Turn- und gesellige Vereine 2c. am Montag. Gesangverein Männerchor Linde" Abends 8 Uhr Naunyn straße 70 bei Stab. Männergesangverein Schneeglöckchen" Abends 9 Uhr im Restaurant Klose, Mariannenstraße 31 32. - Liedertafel des Fachvereins sämmtlicher im Drechslergewerk beschäftigten Arbeiter Berlins Abends 9 Uhr im Lokale des Turnverein Hasenhaide" Herrn Winzer, Naunynstr. 78. ( Lehrlingsabtheilung) Abends 8 Uhr Dieffenbachstr. 60 bis 61. Berliner Turngenossenschaft"( 7. Lehrlingsabtheilung) Abends 8 Uhr in der städtischen Turnhalle Brigerstraße 17 18. Bitherklub Amphion" Abends 8 Uhr im„ Kurfürstenkeller", Poſtſtr. 5.
In dem Wiederaufnahme- Verfahren gegen den -Schlächtermeister Gustav Hoffmann hat der Straffenat des Kammergerichts auf die Beschwerde des Vertheidigers des Angeklagten gegen die Zurückweisung seines WiederaufnahmeAntrages seitens der zweiten Straffammer hiesigen Landgerichts II den nachfolgenden für den Verurtheilten ungünstigen Beschluß gefaßt: In Erwägung, daß von den in dem Antrage auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 16. Oftbr. d. J. benannten Zeugen, der Strafanstaltsdirektor von Sonnenburg, sowie die Anstaltsgeistlichen und die Fränkel'schen Eheleute, im Wesentlichen nur Ürtheile über den Charakter des Angeklagten, sowie darüber, daß demselben die Ermordung seiner Ehefrau nicht zuzutrauen, abgeben sollen, daß fedoch in dieser Beziehung eine ganze Reihe von Thatsachen( Aeußerungen des Verurtheilten mit Bezug auf seine Frau) durch völlig glaubwürdige Beugen glaubwürdig bekundet worden, benen gegenüber die Urtheile der vorbenannten Beugen, selbst wenn sie zu Gunsten des Angeklagten ausfallen sollten, nicht ins Gewicht fallen könnten; daß ferner die von dem Angeflagten früher schon benannten Beugen Leuchtenberger, ver ehelichte Schoene und verehelichte Goldberger bereits eidlich vernommen worden sind und deren Aussagen in den früheren Beschlüffen vom 8. und 13. Juli 1882 eingehende Würdigung gefunden haben, weshalb auf dieselben hier verwiesen werden fann( die Aussagen dieser Zeugen waren für den Angeflagten äußerst günstig, indem durch dieselben u. A. die Einlernung der Aussage des 4jährigen Pflegefohns des Hoffmann bestätigt worden ist. Damals wurden fie nur nicht als aus= reichend füe die beantragte Wiederaufnahme erachtet); daß weiter dns Gutachten des Dr. Pick im Wesents lichen nur eine Kritik des Gutachtens der beiden gerichtlichen Phyfici, des Dr. Fuhrmann und Dr. Fall enthält, daß jedoch dem Gutachten der beiden gerichtlichen Sachverständigen, wels ches nach vorheriger Inaugenscheinnahme des Thatorts unter Berücksichtigung aller Thatumstände in voller Uebereinstimmung abgegeben, wohl motivirt und durchaus überzeugend ist, der Vorzug vor dem Gutachten des Dr. Pick zu geben ist( dieser hatte ebenfalls den gesammten Befund in Berücksichtigung gezogen, und es war für die Wichtigkeit seines Gutachtens das Medizinalfollegium angerufen); daß endlich die gegenwärtig wieder behauptete Thatsache, die verehelichte Hoffmann habe wiederholt erklärt, fie werde fich, wenn ihr Ehemann fie nochmals schlüge, das Leben nehmen, durch Arsenik oder einen Sturz aus dem Fenster, an sich nicht neu ist, daß hierüber vielmehr bereits in der Voruntersuchung die unverehelichte Baschin und Witt und in der Hauptverhandlung lettere Beiden, sowie Die Frau Matton als Beugin vernommen worden sind, mithin derartige Aeußerungen der verehelichten Hoffmann schon in der Hauptverhandlung vollkommen gewürdigt worden sind; daß aber, wenn Angeklagter in der Beschwerdeschrift vom 16. Nov. d. J. unter Berufung auf das Beugniß des Bigarrenfabrikanten Hauch und der Eigenthünterin Siegler die neue Behauptung aufstellt, die verebelichte Hoffmann habe erklärt, fie werde, wenn fie aus dem Fenster hinausfpränge, dies so einrichten, daß es aussehe, als ob es ihr Mann gethan, auch dieser Aeuße rung der Aussage des 4jährigen Knaben Thiele, sowie dem Gutachten der Sachverständigen Fuhrmann und Falk gegenüber und mit Rücksicht darauf, daß bei der Be- Im Zeitalter der Eisenbahnen und Telegraphen ist der bis schaffenheit der an dem Körper der verebelichten Hoffmann vorgefundenen Verlegungen und den zahlreichen Blutspuren in -der Hoffmann'schen Wohnung die Annahme durchaus gerecht fertigt erscheint, daß ein großer Theil jener Verlegungen der verehel. Hoffmann von ihrem Ehemanne vor dem Sturz aus dem Fenster zugefügt worden und daß dieselbe in Folge der Mißhandlungen, die nach Angabe der Zeugen faft eine halbe und in Folge des Blutverlustes gar nicht Stunde gewährt mebr im Stande gewesen, fich selbst aus dem Fenster zu stürzen, ein besonderes Gewicht nicht beizulegen sein würde( zu Diesen Beugen gehört namentlich die bereits erwähnte Frau Schöne, die mit vollet Sicherheit befundet, daß Hoffmann während des Hinausstürmens seiner Frau aus dem Fenster gar nicht mehr in dem qu. Simmer gewefen und er eine Minute barauf in dasselbe zurückgekehrt ist); daß nach alledem die behaupteten Thatsachen, selbst wenn, ste von den Zeugen bestätigt würden, wie in dem anges worden- fochtenen Beschluffe zutreffend ausgeführt weder allein, noch in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwenbung eines milderen Strafgesetes eine geringere Bestrafung herbeizuführen geeignet sind, ist beschloffen worden, daß die Beschwerde des Angeklagten vom 16. November d. J. als un begründet auf Kosten desselben zurückzuweisen. Unterschriften." Da inzwischen fich beim Rechtsanwalt Dr. Salomon wiederum Beugen zu Gunsten des verurtheilten Hoffmann gemeldet haben, beabsichtigt derselbe, der immer dringender werdenden Bitte feines feine Unschuld betheuernden Klienten zu entsprechen und ein neues Wiederaufnahmegesuch einzureichen. Im sensationellen Fall Speichert find ebenfalls die ersten Anträge abgelehnt wor den, und doch hat die Ausdauer des Vertheidigers endlich den erhofften Erfolg gehabt.
Vereine und Versammlungen.
Ortskrankenkassen- Terrorismus. Nachdem ani 21. v. M. Die Delegirtenwahl der Ortskrantentaffe Berliner Maurer fo wundervoll vollzogen war, daß man dabei unwillkürlich an einen Karnevalsscherz erinnert wurde, fand am 20. d. M., Krausenftraße 10 eine Generalversamn lung mit folgender Tages ordnung ftatt: 1. Wahl von drei Nevisoren. 2. Neurvahl der
Kleine Mittheilungen.
Der Schneefall. Die Nachrichten aus den von dem foloffalen Schneefall der letzten Tage betroffenen Gebieten Deutschlands weisen noch feine Befferung der Verhältnisse auf.
dahin wohl undenkbar gehaltene Bustand eingetreten, daß viele auch größere Städte und Ortschaften so vollkommen eingeschneit sind, daß der Verkehr mit der Außenwelt gänzlich abgeschnitten ist. Volle 18 Stunden war z. B. Leipzig ohne alle Nachrichten, Briefe und Zeitungen aus Berlin , Dresden 2c. Unterm 22. d. wird von dort berichtet:" Der Verkehr ist auch jetzt noch auf fast allen hier einmündenden Eisenbahnen eingestellt. Auf der Dresdener Bahn ist seit vorgestern Abend, nachdem der 8 Uhr 30 Min. abgelassene Noffener Personenzug bei Beucha im Schnee stecken geblieben war, weder ein Bug angekommen noch abgelaffen worden. Troß Aufbietung aller Arbeitskräfte ist es bisher nicht gelungen, die Geleiſe frei zu machen. Auf der Bayerischen Bahn ist gestern Nachmittag in der vierten Stunde ein Zug abgelassen worden, dem es auch wirklich gelungen ist, fich bis Altenburg durchzuarbeiten, seitdem ruht der Verkehr wieder vollständig. Ebenfo steht es auf der Berliner Bahn. Dort hat man vorgestern 10 Uhr Abends versuchsweise einen Personenzug abgelaffen, der aber bereits an der Gebhardt'schen chemischen Fabrit festfuhr und Nachts 1 Uhr wieder zurückgeholt werden mußte. wieder zurückgeholt werden mußte. Auf der Magdeburger Bahn hat ebenfalls ſeit vorgestern Abend tein Bug mehr vertehrt. Auf dem hiesigen Magdeburger Bahnhofe befindet sich eine ganze Anzahl Personen, die an der Weiterreise gebindert sind und sich seit gestern im Wartesaale aufhalten. Mehrere derselben, darunter verschiedene beurlaubte Soldaten, denen nunmehr die Geldmittel ausgegangen find, baben bereits Gegen stände versetzen müssen. Vom hiesigen Thüringer Bahnhof Vom hiesigen Thüringer Bahnhof find gestern auf der Linie Plagwiß- Beiß- Gera- Saalfeld 4 Büge abgelassen worden und 2 angekommen. Auf der Linie Cor betha Erfurt dagegen find nur 2 Züge eingetroffen, während von hier feine abgegangen find. Heute ruht auch dort der Verkehr vollständig. Auch die hiesige Pferdebahn hat unter dem Schneewetter start zu leiden. Vorgestern Nachmittag wurde der Verkehr auf allen Linien eingestellt, da die Pferde die Wagen nicht mehr fortzubringen vermochten, gestern gelang es wenigstens auf der Neudnißer und theilweise auf der Linde nauer Linie unter großen Anstrengungen, die Wagen, welchen zwei und stellenweise vier Pferde vorgelegt wurden, zu befördern. Da das Schneewetter auch jest noch fortdauert, wird es des halb kaum möglich sein, den Verkehr heute in weiterem Die Berliner Zeitungen Umfange wieder aufzunehmen.
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find durch die Hallesche Schlittenpost in Leipzig eingetroffen. Für Dresden mußten Kettenschlepper und Dampfschiffe die Backet- und Personenbeförderung über Meißen und Riesa , von dort per Schlitten nach Leipzig besorgen; es herrschte Milchund Gemüsemangel. Die Leipziger Oberpostdirektion sah fich sogar veranlaßt, bekannt zu machen, daß in Folge der durch den starken Schneefall eingetretenen allgemeinen Verkehrsunterbrechung auf den Eisenbahnen und Landstraßen Backete mit oder ohne Werthangabe, sowie Geldbriefe nach auswärts bei den Postanstalten in Leipzig bis auf Weiteres nicht mehr angenommen werden können. Der weimarische Mittagsschnellzug vom 21. d. M. wurde von zwei Lokomotiven gezogen, während eine dritte schob. Gleichwohl blieb derselbe in einer oberhalb Oßmannstedt befindlichen Schneewehe stecken und konnte erst nach anderthalbstündiger Arbeit wieder in Bewegung gefeßt werden. Die nach Nordhausen gerichteten Personenzüge aus Halle, Berlin und Erfurt blieben ebenfalls im Schnee stecken, der von Nordhausen abgegangene Schnellzug fam glücklich bis Sangerhausen , dort ging er mit 4 Lokomotiven weiter, blieb aber trotzdem bei Niestedt stecken. Nun saßen in furzer Ent fernung von einander fest die Züge aus Berlin , aus Halle und aus Nordhausen . Der Zug von Erfurt nach Nordhausen saß im Geschlinge bei Hohenebra fest. Die Passagiere dieser fämmtlichen Büge saßen von Montag bis Dienstag eingepfercht fest!"
Tragikomische Szenen werden dem B. Börs.- Cour." aus Eisenach gemeldet. Das dortige Hauptquartier der Verschneiten ähnelt einem wahren Kriegslager. Allstündlich zieht eine Pro zeffion von Passagieren nach dem belagerten Bahnhofe und tehrt dann enttäuscht zurück. Große Mengen von Reifenden find in den Bahnhofshallen untergebracht. In dem Heere der Eingeschneiten herrscht Galgenhumor und Verzweiflung. Die Magazine können die aufgesammelten Postfachen nicht faffen. Das Telegraphenamt ist mit Arbeit überhäuft; die Beamten fönnen tros allen Aufgebots an Fleiß und Ausdauer das Material faum bewältigen. An tausend Arbeiter sind bei Fröttstedt mit der Sisyphusarbeit des Schneeschaufelns befchäftigt; was tausend Hände in einer Stunde schaffen, vernichtet ein Windstoß.
In Erfurt und Umgegend find solche Unmaffen Schnee gefallen, daß er theilweise meterhoch liegt. Erfurt ist vom Außenverkehr vollständig abgeschloffen. Die Milchlieferanten und andere Leute, welche Erfurt täglich mit frischer Waare versorgen, find ausgeblieben, auch die Pferdebahn mußte ihren Betrieb einstellen.
Aus München wird unterm 23. d. M. telegraphirt: Innerhalb Bayerns waren gestern und diese Nacht die Bahnstrecken Würzburg Aschaffenburg , Lohr - Wertheim , Würzburg - Ansbach , Würzburg- Weigolshausen, Würzburg- Marktbreit und Neuen matti- Hof völlig gesperrt. Auf den meisten andern Strecken find Störungen und Verspätungen eingetreten. Zur Wegräumung der Schneemassen ist überall Militär aufgeboten. Falls fein weiterer Schneefall eintritt, wird der Verkehr heute Abend oder morgen früh wieder hergestellt sein. Die Berliner Bost fehlt seit Montag, die französische Post seit Dienstag. Die Wiener Post hat starke Verspätung; ein Theil der kölnischen und Frankfurter Post ist heute über Ulm eingetroffen. Der Blitzug von Paris ist vorgestern ausgeblieben, gestern nach fiebenstündiger Verspätung eingetroffen. Der Blizzug von Wien ist gar nicht abgegangen.
In Köln ist der am 23. Dezember, Vormittags 7 Uhr 52 Minuten fällige Pariser Zug ausgeblieben. Die aus Süddeutschlnnd tommenden Züge hatten be deutende Verspätungen. So traf der 5 Uhr 25 Minuten von Frankfurt fällige Bug erst gegen 8 Uhr ein, der Berliner Kurierzug hatte etwa 50 Minuten VerspätungNach den Aussagen von Beamten der Schlafwagen: Gefell schaft figen in Bayern mehrere Wagen derselben im Schnee fest.
Im nördlichen und öftlichen Frankreich herrschen noch immer Schneeſtürme, In Paris trafen am Donnerstag alle Eisenbahn züge verspätet ein und mehreen Entgleisungen fanden statt, ohne daß jedoch Menschen verunglückt wären. Aus dem Jfere Departement meldet man, daß dort seit 1870 teine solche Maffe Schnee gefallen sei.
Leipzig , 22. Dezember. Gestern Nachmittag in der dritten Stunde verunglückte auf dem hiesigen Thüringer Bahnhof ein Bahnarbeiter. Derselbe hatte im Schneegestöber eine fich nähernde Rangirmaschine nicht bemerkt, wurde von ihr über fahren und starb nach kurzer Zeit an den erlittenen Vera mundungen. Mannheim , 23. Dezember. Heute um 10 Uhr stieß der 10 ubr Personenzug Oggersheim- Ludwigshafen auf offener Strecke mit einer entgegenkommenden Lokomotive zusammen. Schwerver wundet find sechs Personen, eine größere Anzahl hat leichte Verlegungen erlitten. Der Gepäckwagen ist zertrümmert, zwei Personenwagen find stark beschädigt.
Vermischtes.
Ein übermüthiger Schauspieler. Dem Berliner Publi fum spielte vor Jahren der geniale Schauspieler Wilhelm Klä ger einen argen Streich. Man gab im Hoftheater den Tell". Kläger , der den Geßler zu spielen hatte, zechte in der bekannten Weinstube von Lutter und Wegner" bis knapp vor Be ginn der Vorstellung. Der Theaterdiener, der mußte, wo. Kläger zu finden sei, holte ihn aus dem Kreise der Bechgenoffen. Unwillig über die Störung und noch nicht voll des süßen Weines, versprach Kläger längstens um 19 Uhr wieder zurück zu sein. Da nun Geßler erst zu Ende des vierten Aufzuges, also beiläufig nach halb 10 Uhr erschossen wird, wurde Kläger's früheres Erscheinen für unmöglich erklärt. Sofort wettete der Schauspieler um einen Rorb Champagner, daß er das Unmög liche möglich machen werde. Die Wette wurde gehalten und Als nun im dritten Akte die Kläger eilte ins Theater. Apfelschußszene tam und Tell auf die Frage des Vogtes, wozu er den zweiten Pfeil zu fich gesteckt habe, antwortete:
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Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich- Euch, Wenn ich mein liebes Rind getroffen hätte.. Da strich sich zum allgemeinen Erstaunen der Künstler und des Publikums Kläger- Geßler behäbig den Bart und sprach gemüthlich
So, so, mein lieber Tell! Nun wohl, ich könnte Euch jest nach Rüßnacht bringen laffen, Dorthin, wo weder Mond noch Sonne scheinen; Doch will ich's nicht!... Die Schweiz sei frei! Ich gehe aus dem Land und bitt' Euch nur: Seid einig, einig, einig!"
Wohl oder übel! Der Vorhang mußte fallen, an eine Fortseßung des Spieles war nicht zu denken. Kläger entlief in die Weinstube. Die Wette hatte er gewonnen, aber Berlin mußte er verlassen mußte er verlaffen. Sein Meisterstüd" lieferte derfelbe Schauspieler in Bromberg . Höchft angeheitert" betrat er während eines Gastspieles die dortige Bühne und wurde, da seine unsichere Haltung fich deutlich bemerkbar machte, von den Anwesenden mit Enthusiasmus ausgepfiffen. Kläger fam nicht aus der Faffung. Nach einer kurzen Pause trat er hart an die Rampe und hielt folgende Ansprache: Ber- ehrtes Publikum! Wenn ein Künstler, wie... Wilhelm Klä- ger, in einem Neft, wie Brom- berg, gastirt, dann muß er ent- weder ver- rückt oder besoffen fein Ich habe den Testeren Bustand gewählt." Das Holloh kann man sich benken.
Der heutigen Nummer liegt außer der„ Illuftritten. Sonntagsbeilage" ein Wandkalender für 1887 bei.