verschiedene Päckchen moralische, satirische, ernst- und ernsthaft| Neujahrswünsche auf dus Jahr 1770, mit rothen und schwarz­figürlichen Aufschriften an Herren und Damen, Meffteurs und Demoiselles; desgleichen an bürgerliche Mannspersonen und Frauenzimmer. Busammen für 1 Thlr. 8 Gr., jedes einzelne Bäckchen 1 Gr. 6 Pf. Sechs verschiedene Päckchen, desgl. Neu­jahrswünsche mit verschiedene Sorten, halbe und ganze Bogen, für Kinder an ihre Eltern, Freunde und Gönner, 1 Thlr., einzelne Sorten 1 Gr. 6 Pf. Und endlich ein schönes, figurirtes Herz, darinnen groß gedruckt: An.. Profit das Neue Jahr 1770. Berlin , den 1. Januarius." a Dußend für 12 Groschen. In späterer Zeit fand der Verkauf nur auf öffentlicher Straße statt, wie aus dem prächtigen, wenngleich nur in Umriffen ausgeführten Kupferstich der Neujahrs­Neujahrs­wunsch- Verkäuferin" von D. Chodowiecki , aus dem Jahre 1800, hervorgeht.

Der verschwundene 64jährige Gerichtsdiener Carl August Donati ist bis jetzt noch nicht aufgefunden. Derselbe hat am 22. Dezember 1887 früh seine Wohnung verlassen und fich in seinen Dienst begeben; er ist aber dortselbst nicht einge­troffen. Es fehlte jede Spur über seinen Verbleib. Seine Schwedterstraße 41 wohnende Familie schildert den Verschwun­denen als einen ordnungsliebenden Mann, mit dem sie in bestem Einvernehmen gelebt hätte. Obwohl er von seiner vor­gesetzten Behörde diesem Jahre mit der Weihnachtsgratifitation übergangen sei und obwohl er sich dies sehr zu Herzen genom­men habe, so glaubt die Familie dennoch nicht, daß dies den Donati zum Selbstmorde getrieben habe, fie vermuthet vielmehr, daß dem Verschwundenen ein Unglück zugestoßen sei. Donati sei nervenleidend und auch brustkrank gewesen. Es habe zu seiner Gewohnheit gehört, allein weitere Spaziergänge zu unter­nehmen, weshalb die Annahme gerechtfertigt sei, Donati sei er­schöpft oder von Krankheit überrascht umgesunken und ver storben. Donati war von schlanker Gestalt und 1,70 m groß; er hatte dunkelblonde, graumelirte Haare, grüngraue Augen und einen graumelirten Vollbart mit ausrasirtem Kinn. Die eine Schulter sei etwas tiefer als die andere, die rechte, gewesen. Besonders kenntlich sei er durch eine Warze auf einer Wange und eine Narbe auf der Außenseite der linken Hand gewesen. Seine Kleidung habe damals aus einem dunkelblauen, ge= flockten Winterüberzieher mit schwarzem Sammetkragen und grauem Futter, einem graumelirten Rock mit Hornknöpfen, einer dunkelgrünen Weste und einem dunkelblau gestreiften Beinkleid bestanden. Er habe Schaftstiefel, graue angestrickte wollene Strümpfe und ein Chemisett getragen und außerdem eine filberne Remontoir- Uhr mit Talmipanzerkette und etwa 50 Pf. Geld bei sich geführt. Auf der inneren Seite der Uhr­fapfel sei: R. P. S. 1884 eingravirt gewesen.

Die Schwäne auf der Spree und der Havel haben ihre Winterquartiere bezogen. Dieselben sind mit beginnendem Frostwetter in Spandau zusammergetrieben worden, woselbst ihnen der sogenannte Mühlengraben und dessen Umgebung als Aufenthalt angewiesen worden ist.

Die Tage des Schweizergartens find gezählt. In­folge eines Bestzwechsels, der sich in den letzten Tagen vollzogen hat, wird mit dem beliebten Vergnügungslokal eine wesentliche Henderung vorgenommen werden. Der Schweizergarten" wird nur noch wenige Jahre in seiner bisherigen Gestalt fortbestehen; es soll in etwa 5-6 Jahren auf dem sehr umfangreichen Garten­terrain eine Brauerei erbaut werden. An den Schweizergarten" knüpft sich mehr als ein Vierteljahrhundert Berliner Geschichte. Eine Zeit lang war er das größte und besuchteste Garten­vergnügungslokal Berlins , bis ihm durch die vor den anderen Thoren der Stadt errichteten Etablissements eine empfindliche Konkurrenz gemacht wurde. Ursprünglich befand er sich auf der Stelle, auf welcher jezt die Häuser Greifswalderstr. 8, 8a, 8b und Se stehen. In den fünfziger Jahren befand sich daselbst ein hügeliges Terrain, ein 25-30 Fuß hoch über der Land­straße, welche nach Bernau führte, gelegenes Plateau und auf diesem ein prachtvoll angelegter Garten mit uralten Bäumen. in reicher Fabrikant hatte auf diesem hübschen Fleckchen Erde zu seiner Sommerwohnung drei kleine Schweizerhäuschen errichtet. Dicht daneben Vor dem Königsthor Nr. 7 befand sich ein Restaurationslokal ,, Onkel Toms Hütte", welches der Wirth August Strewe inne" hatte. Der unter nehmende Mann hatte schon längst sein Augenmerk auf den prachtvollen Garten nebenan gerichtet; am 1. April 1859 gelang es ihm, denselben käuflich an sich zu bringen. Er wandelte ihn in ein Sommer- Vergnügungslokal um und gab ihm den Namen Schweizergarten". Am Am 30. Mai desselben Jahres wurde diefer eröffnet. Anfänglich fanden die Konzerte nur des Sonn­tags statt, sie erfreuten sich aber eines so großen Zuspruchs seitens des Publikums, daß sie sehr bald 3-4 Mal in der Woche stattfinden konnten. Um auch im Winter Konzerte ver­anstalten zu können, wurde 1861 mit dem Bau eines für tausend Personen berechneten Saales begonnen. Gleichzeitig wurde der Garten nach der Straße zu freigelegt. Hier brannte der damals berühmteste Feuerwerker Berlins , Dobre­mont, seine Feuerwerke ab, bis er 1865 bei einer Explosion in seinem Laboratorium den Tod fand. Um der allmälig auftretenden Konkurrenz die Spitze zu bieten, wurde die den alten Berlinern wohlbekannte Gymnastiker­familie Braat engagirt. Die Leistungen dieser Familie steiger

Gleichzeitig

Glück. Wie das gliterte und glänzte und blißte und blendete.

Was bedeutet das, Narr?"

Du sollst es bald erkennen. Er schlug mich mit einer Distel, die er in der Hand hielt, an die Stirn, und ich befand mich im Hochwalde. Unter einer säulenartigen Buche stand ein Mensch.

,, Wer ist das, Narr?"

Jedes Kind würde Deine lächerliche Frage unterlassen haben, Kennst Du ihn nicht? Du bist es selbst; oder wenn Du willst: Das ist Adam.

Ganz, ganz fern, in unendlicher Entfernung, flang ein Tönen und Rufen in den Wald hinein, daß jeden Jägers­mann, wenn er ihn hört, vor Freude zittern läßt: Horido, do, do! Hep, hep, Horido! Do, dodo! Horido, do- do0o- do. Das Geschrei näherte sich: Horido, do, do! Horido! Do, do, Horido- do, dooo- do! Keine Cavalleriesignale flangen mehr; die Treiber gingen vor: Horido, do, do Horido... do, dooo! Do! Einzelnes Wild flüchtete schon; der Wald gerieth in Aufregung. Durch knackende 3weige, über Gräben und Pfützen- Alles flüchtete. Ein Fuchs erscheint. Er macht Kehrt; setzt sich auf die Hinter beine und hält den Kopf schief. Er überlegt. Endlich macht auch er die Wendung und eilt den andern nach.

Horido, do, do- 80000- do, do. Der Mensch unter der Buche horcht. Er hat das Haupt vorgestreckt und horcht, horcht..

Horido, do, do doooo, horido- do, do Mit Todesangst in den 3ügen macht er Kehrt und eilt zurück. Er weiß, die Jagd gilt ihm. Aber so schnell er läuft. immer näher, immer näher: Horido, do, do- dooo, do, do!...

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Einmal macht er feuchend Halt. Die Brust fliegt ihm. Die Hände hat er an die hämmernden Schläfen gelegt.

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Horido, do, do Horido, do, do- 80-80000 -do, do!

Und wieder wendet er sich zur Flucht.

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ten das Interesse des Publikums an dem Etablissement so, daß der Bau eines neuen Saales in Angriff genommen werden mußte, welcher dreitausend Personen faffen sollte. Gleichzeitig wurde der Garten dadurch vergrößert, daß das hinter dem­felben liegende Terrain der jezige Schweizer- Garten" sowie ein Theil des dem Fabrikanten Neumann gehörigen Gartens dazu gekauft wurde. Auf dem neuerworbenen Terrain, hauptsächlich aus einer großen Wiese bestehend, wurden die großartigen pyrotechnischen Schauspiele des Feuerwerkers Geb­hardt abgehalten. Ein unglückliches Ereigniß verzögerte die Fertigstellung des neuen Saales. Am 22. November 1865, an demselben Tage, an welchem der schreckliche Häusereinsturz in der Wafferthorstraße erfolgte, stürzte die Giebelwand des ziem lich fertigen Saales ein und begrub unter ihren Trümmern drei Bauhandwerker. Infolge dieser Katastrophe konnte die Ein­weihung des Saales erst am 16. März 1866 erfolgen. In dem neu angelegten Sommergarten, in welchem der alte Strewe" jeden Baum mit eigener Hand gepflanzt, wurde ein Thurmseil aufgestellt, auf welchen die Familie Braaz, allen voran die älteste Tochter Klara, genannt ,, Euphrosyne", ihre halsbrecherischen Künste produzirte; von diesem Thurmseil stürzte die junge Künstlerin eines Tages hinab und zog sich schwere Verlegungen zu. Ihr erstes Wiederauftreten gestaltete fich zu einem Freudenfeste. Eine Reise nach Kopenhagen und die Be­fichtigung des dortigen Tivoli" spornten Strewe an, sein Etablissement diesem Vorbilde gemäß umzugestalten. Er führte zwei Sommerbühnen und einen Birkus auf und bot dem Bublifum für 2 Silbergroschen die größte Abwechselung. Die Unterhaltungskosten und die auf das Kriegsjahr 1866 folgende Geschäftsstille führten 1869 eine Trennung des alten vom neuen ,, Schweizergarten" herbei. Der alte Theil wurde unter verschiedenen Firmen, Firmen, wie Elysium", ,, Königshöhe", Theater Charivari", Neues Königstädtisches Theater" und London Pavillon Theater" fortgeführt, bis er - endlich der Bauspekulation zum Opfer fiel. Der letzte Befizer, Brauereibefizer Radicke, erbaute die auf der Stelle desselben stehenden Häuser der jeßigen Greifswalderstraße. Auch der unter dem Namen Schweizergarten" fortbestehende neue Theil des Gartens ging schließlich in anderen Befizz über. Es ging eben dem alten Strewe so, wie es vielen ergangen ist, die sich nicht mit ihrem Gewinn zu rechter Zeit zurückziehen sie werden vom Wechsel der Zeiten erdrückt. Da er aber den Garten in Pacht behielt, war es ihm möglich, aus dem einen Theile seines früheren Etablissements wieder ein beliebtes Vergnügungslokal zu schaffen, in welchem er die in jener Zeit beliebtesten Spezia­litäten dem Publikum vorführte. Der Besuch des Gartens stieg von Jahr zu Jahr, aber am 18. Juni 1875 machte] der Tod Strewe's arbeitsreichem Leben ein Ende.

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Beschlagnahmte werthvolle Werkzeuge sind auf dem Kriminalfommiffariat zu refognosziren. Vor einigen Tagen ging der Behörde von einem Vigilanten die Nachricht zu, daß ein gewiffer Krause, ein oftmals vorbestrafter Verbrecher, verschie denen Personen werthvolles Werkzeug zum Kauf angeboten habe mit dem Hinzufügen, er wolle seine Ehefrau verlassen und zu feiner Geliebten nach außerhalb verziehen. Bei der in der Wohnung des Krause vorgenommenen Haussuchung wurden für etwa 500 M. Werkzeuge gefunden, unter Anderem eine Bergen fluppe im Werthe von 50 M. und ein Rohrschneider für 20 M. Beide Gegenstände wurden von der Firma Schäffer u. Walker als ihr gestohlen refognoszirt. Die Eigenthümer der anderen vorgefundenen Gegenstände sind noch nicht ermittelt; es wäre von großer Wichtigkeit, wenn sich dieselben bei der Kriminal­behörde melden wollten.

Die Feuerwehr ist in den letzten beiden Tagen wieder einmal unausgefeßt in Thätigkeit gewesen. Der erste Brand, am Montag Abend gleich nach 7 Uhr gemeldet, betraf ein Broncewaarenlager auf dem Grundstück Prinzessinnenstraße 28 und erstreckte fich hauptsächlich auf die Strohverpackungen der Lagervorräthe. Bei dem nicht unerheblichen Umfange, welchen das Feuer rasch erreicht hatte, mußte die Gas- und Dampf­sprize in Thätigkeit gesezt werden, welche dem weiteren Um­fichgreifen der Flammen in furzer Zeit ein Biel sette. Zwischen 8 und 9 Uhr Abends brannte Neue Roßstraße 6 ein Konkurs­waarengeschäft, Wollen- und Weißwaaren enthaltend, fast voll­ständig aus; auch hier konnte mit der Gas- und Dampfsprize einer Weiterverbreitung des Feuers bald Einhalt gethan werden. Das Geschäft war nicht lange vor Wahrnehmung des Brandes von dem Inhaber verlassen und geschloffen worden. Ueber die Entstehungsursache werden voraussichtlich die noch schwebenden Ermittelungen Klarheit schaffen. Ein dritter größerer Brand vernichtete am Dienstag früh zwischen 5 und 6 Uhr einen auf dem Hinterterrain des Grundstücks Dranienstraße 187 befind lichen Bretterschuppen, das Waarenlager der Flaschenhandlung von Hamm u. Co. enthaltend. Die leichte Bauart des Ge bäudes vermochte den Flammen nicht lange Widerstand zu leisten, so daß der Feuerwehr nur erübrigte, eine möchst schnelle Ablöschung des theilweise schon zusammengebrochenen Gebäudes herbeizuführen, um die Nachbargebäude zu bewahren. Unbedeutende Brände fanden außerdem statt: am Montag Abend gegen 8 Uhr Boyenstraße 14, gleich darauf Gitschiner­straße 51, gegen 9 Uhr Große Frankfurterstraße 139, am Dienstag Vormittag gegen 9 Uhr Breitestraße 6 und Mittags Kurstraße 41.

Aus der Treibjagd ist die Heze geworden

Da öffnet sich ihm eine Lichtung. Diese führt in rasch steigender Steile zu einem Felsblock hinauf. Vielleicht ist dort die letzte Rettung.

Schon zeigt sich hinter ihm das bunte Feld. Von allen Seiten bricht's heran und heraus, den Hügel hinan. Voraus, weit voraus hetzt das Glück.

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Nun nun ist er verloren... Er will vom Felsen springen, aber unter ihm gähnt eine unsichtbare Tiefe. Immer näher ist ihm die Hetze auf der Spürbahn. Halali, Halali...

und

Er läßt sich von der Kante gleiten strauchelt... noch hält er sich mit den Fingern am Rande.

Das Glück springt vom Pferde, läuft auf ihn zu und trampelt mit den Füßen auf seinen Händen, bis er losläßt und in's Bodenlose sinkt. Einmal, im Stürzen, greift er nach einem Ginsterstrauch, der vorragt. Aber die Wurzelchen sind zu schwach.

Das Glück schaut ihm nach in den schwarzen Schlund, bis eine Stille eingetreten. Dann hob es den Arm, und wie auf Commando erhebt sich ein graufiges Sieges­geheul, daß Wald und Fels tausendfach wiederhallen.

Der Elephant und der Esel mit der lieben Trägheit waren zurückgeblieben. Der Teufel hat es auch nicht nöthig, sich zu ereifern.

Als ich nach einigen Tagen wieder im Waldkrug er­schien, erzählte ich der schönen Schenkin, während sie sich bei den Gläsern und Flaschen zu schaffen machte, was ich geträumt, und wie ich sie als das Glück auf dem Roth­schimmel gesehen, ein güldenes Krönlein auf dem Haupte, die langen blonden Haare am Rücken hinunterfallend

Ach wat, dat ol Tüch versta ick nich," antwortete fie, den Kopf zu mir über die Schulter wendend.

Aber ehe ich meine Flinte unter den Arm genommen, um weiter zu jagen, waren wir schon wieder gute Freunde eworden.

Einen traurigen Jahresabschluß hat eine im Norden der Stadt wohnende Familie gehabt. Der Kaufmann F. war mit seiner jungen Frau von Bekannten in der Chauffeestraße zum Sylvesterball gebeten worden und hatte dieser Einladung Folge geleistet. Als nun das Ende des alten Jahres heran nahte, machte der Hausherr den Vorschlag, mit einer Polonaise durch die Wohnungsräume das neue Jahr zu erwarten. An diesem Tanze hatte sich auch Frau F. betheiligt und im Ge­schwindschrift eilte die lustige Gesellschaft davon. Hierbei von einem iẞimmer zu dem anderen unter frohen Scherzworten wandernd, mußten einige Stufen passirt werden; Frau F., welche, im eifrigen Gespräch mit ihrem Partner begriffen, die selben nicht fah, glitt aus, stürzte, und zwar so unglücklich, daß ein sofort hinzugerufener Arzt einen komplizirten Bruch des linken Oberschenkels konstatirte. Die Schwerverlette wurde mittelst Krantenwagens nach ihrer in der Straßburgerstraße bes legenen Wohnung geschafft.

Ein gräßlicher Unglücksfall ereignete fich gestern in der Norddeutschen Brauerei. Der Brauer Gustav Bereiter stand an dem Gehäuse des Fahrstuhls und bemerkte nicht, wie der Fahrstuhl herunterkam. Der unglückliche B. hatte seinen linken Arm im Gehäuse; bevor er ihn herauszuziehen vers mochte, war der Arm gebrochen, die Hand auf gräßliche Weise zerquetscht. Der bedauernswerthe B. wurde sofort zur Charitee transportirt.

Anf entfehliche Weise verunglückte am Sylvesterabend eine in Straße V. Nr. 22 am Görlizer Bahnhof wohnhafte, erst 20 Jahre alte Frau Hilsmann. Die junge Frau erwartete am Abend ihren Ehemann vergeblich und da fie wußte, daß er zuweilen in einem am Elisabethufer 8 belegenen Parterre­restaurant verkehrte, so begab sie sich schließlich dorthin. Da ste jedoch nicht den Muth besaß, das Lokal zu betreten, erstieg fie das eiserne Vorgartengitter, um so durch die Fenster des Re­ſtaurants sehen zu können. Hierbei glitt sie aus und die mit Widerhaken versehenen Eisengitter bohrten sich ihr derart in die Brust, daß sie förmlich aufgespießt wurde. Auf den entseßlichen Schmerzensschrei eilten sofort Personen, darunter der tief er schrockene Ehemann herbei, denen es nur mit großer Mühe unter schrecklichen Qualen der Frau gelang, die Arme aus ihrer entsetzlichen Lage zu befreien. Das Unglück ist ein doppelt großes insofern, als die Frau erst vor kurzem einem Kinde das Leben gegeben hat, dem nun die Ernährerin genommen ist. Die schreckliche Verwundung giebt zu lebhaften Bedenken Anlaß. Die Sanitätswache der Adalbertstraße leistete die erste Hilfe.

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Polizeibericht. Am 2. d. M. Vormittags erschoß sich ein Mann in seiner Wohnung in der Rheinsbergerstraße. Gegen Abend fiel in der Neanderstraße ein Arbeiter infolge der Glätte und brach das rechte Bein. Er wurde nach dem Kranken­haufe Bethanien gebracht. Um dieselbe Zeit fuhr in der Gitschinerstraße, in der Nähe der Belleallianzebrücke, eine Droschke, deren Führer betrunken war, in scharfer Gangart zwischen die an der dortigen Pferdebahn- Haltestelle stehenden Menschen und wurde ein Mädchen dabei niedergestoßen und am Kopf verlegt. Abends wurde in der Spandauerstraße eine etwa 80 Jahre alte unbekannte Frau hilflos und an= scheinend innerlich frant, auf der Erde liegend vorgefunden und nach der Charitee gebracht. An demselben Tage fanden mehrere Feuer statt. Es brannten Prinzessinnenstr. 28 Regale und deren Inhalt in einem Blechwaarengeschäft; Neue Roßstr. 6 der In halt eines Posamentierwaaren- Geschäfts; die auf den Hof geschafften, beim Feuer beschädigten Waaren geriethen in der Nacht zum 3. d. M. nochmals in Brand; ferner Boyen­straße 14 Fußboden und Balkenlage vor einem Ofen;- Gits schinerstraße 51 Möbel, Betten und Kleider in einer Wohnung, durch Hausbewohner gelöscht; Frankfurterstr. 139 Petroleum aus einer umgeworfenen Lampe und am 3. d. M. Vors mittags Dranienstraße 187 ein Bretterschuppen mit Flaschen lager.

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Gerichts- Zeitung.

Der Kuß! Die erste Verhandlung, welche in diesem Jahre vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts 1 stattfand, hatte einen recht komischen Beigeschmack. Am Nachmittage des 31. Auguſt wurden Baffanten der Koblandstraße Augenzeugen eines schnöden Attentats auf eine Frau. Sie sahen, daß ein ihr begegnender Mann ste anredete. Die Frau wich ihm aber aus und ging weiter. Nun folgte ihr der Mann mit einigen schnellen Schritten, schlang beide Hände um ihren Hals, beugte ihren Kopf hintenüber und versette ihr einen schallenden Kuß auf die Wange. Die Gefüßte schrie furchtbar. Es war die 40jährige Ehefrau des Haudelsmannes J. und derjenige, der so rücksichtslos ihr seine Zuneigung auf offener Straße bewiesen, war ihr entfernter Verwandter, der Handelsmann Jonas. Der lettere hefand sich gestern auf der Anklagebank, denn der Ches mann J. fühlte sich wegen der seiner Frau angethanen Be handlung tief beleidigt. Frau J. meinte im Termine, es habe fie blos genirt, daß so viele Leute es gesehen; ob dem Ange flagten die Absicht innegewohnt, sie zu kränken, oder ob er ihr seine Buneigung habe beweisen wollen, vermöge fie nicht zu fagen. Der Angeklagte behauptete dagegen, daß er von der ganzen Geschichte nichts wisse. Er sei ein unverbesserlicher Säufer, wofür er sämmtliche Beamte seines Reviers, sowie auch die Aerzte in der Charitee als Zeugen beibringen könne. Als argumentum ad oculus zog er seine stete Begleiterin, die Schnapsflasche hervor, deren Größe er zu tariren bat. Diese Flasche habe er an jenem Tage viermal geleert. Wenn er nicht betrunken gewesen wäre, so würde er die grause That nimmer mehr begangen haben. Es wurden in dieser hochnothpeinlichen Sache drei Beugen vernommen und vereidet und stellte der Vertheidiger noch den Antrag, darüber Beweis zu erheben, daß die weibliche Ehre der Frau J. nicht ein derartig rein ge haltenes Schild sei, daß es durch den Kuß des Jonas befleckt werden konnte. Der Gerichtshof lehnte diesen Antrag indeffen ab. Der Staatsanwalt erachtete eine Beleidigung für vorliegend und beantragte eine Geldstrafe von 30 M. event. sechs Tage Ge fängniß. Der Vertheidiger nahm sich seines Klienten mit Wärme an, und führte aus, daß die vorliegende Frage, ob jener Kuß beleidigend sei oder nicht, nicht ohne physiologisches Intereffe sei. Er zog mehrere Obertribunals- und Reichsge richtsentscheidungen zu Gunsten des Angeklagten an und außer einer Menge anderer Gründe führte er die finnlose Trunkenheit des Angeklagten als strafausschließend ins Gefecht. Nach einer Replit des Staatsanwalts, der wieder eine Duplik des Verthei digers folgte, zog sich der Gerichtshof zur Berathung zurüd. Unter gespannter Aufmerksamkeit des Auditoriums erkannte der Gerichtshof dahin, daß der Angeklagte Jonas der Beleidigung schuldig und deshalb mit drei Mart event. ein Tag Gefängniß zu bestrafen sei. Frau J. wurde außerdem die Publikations­befugniß zugesprochen. Der Vertheidiger wird gegen das Ur­theil Berufung einlegen und wird diese prinzipielle Sache wahr­scheinlich noch das Kammergericht beschäftigen.

Der Posener Sozialistenprozeß. Posen, 2. Januar.. Vor der zweiten Straffammer des hiesigen Landgerichts begann heute Vormittag 9 Uhr die Verhandlung gegen die seit längerer Beit in Untersuchungshaft fizenden Sozialisten. Den Vorsit führt der Landgerichtsdirektor Hausleutner; die Anklagebehörde vertritt der Erste Staatsanwalt Martins und der Affeffor Dr. Klemme. Als Vertheidiger fungirtn die Rechtsanwälte Meschelson und Dr. Flatau aus Berlin und Dr. Dziembowski aus Pofen. Angeklagt find folgende Personen: 1) der Student Schriftsetzer Wladislaw Kurowski aus Bosen, 25 Jahr, Atheiſt; Bronislaus Slawinski aus Rußland , 25 Jahr, fath.; 2) der 3) der Tischlergeselle Felix Witkowski aus Berlin , 30 Jahr, fath.; vorbestraft durch das Landgericht Berlin I am 11. Mai 1887 wegen wissentlichen Meineides mit 1 Jahr Gefängniß; 4) der Goldarbeiter Johann