will jezt den größeren Strömen in Ueberfluthung ihrer Ufer| nicht nachstehen. Seit Wochen schon überschwemmt sie östlich von der Prenzlauer Chauffee die weiten Wiesenflächen bei Franzöftsch- Buchholz und Blankenberg bis hinauf nach Buch mit dem aus ihrem 6-8 Quadratmeilen großen flach- muldenförmigen Buflußgebiet herbeigeleiteten Waffer. Laut tosend stürzt sich jetzt schon die eingefeilte übermächtige Wassermenge durch die für solche Fälle viel zu enge Wölbung der Löffelbrücke unter die Chauffee hindurch, unterhalb derselben einen gewaltigen, Strudel bildend.
Eine nette Morgensprache hielt am Sonnabend in aller Frühe ein sauberes Pärchen in der Kommandantenstraße neben dem„ Wiener Café" ab. Die„ ,, Dame", welcher man auf den ersten Blick die nächtliche Beschäftigung ansehen konnte, war nämlich mit ihrem Beschüßer" in eine lebhafte Auseinander fegung gerathen, die zunächst in nicht wiederzugebenden Worten, dann aber in einer derben Prügelei erfolgte, bei welcher der männliche Theil entschieden den Kürzeren zog. Nachdem die touragirte Heldin ihren Liebhaber gehörig durchgebläut hatte, packte fte ihn noch einmal, um ihn mit großer Gewalt in das Schaufenster eines Garderobengeschäfts zu werfen. Mit lautem Klirren flogen die Glasscherben nach allen Richtungen, während der Hineingeworfene mitten in der Scheibe hängen blieb und weder rück noch vorwärts aus seiner peinlichen Lage entweichen fonnte. Schließlich schien jedoch bei der Wüthenden das Mitleid die Oberhand gewonnen zu haben, denn fte bemühte sich nunmehr, den Verlegten von hinten aus dem Glase herauszuziehen, was auch nach einiger anstrengung gelang. Dann sprangen Beide versöhnt in eine gerade vorüberfahrende Droschke, welche fie schnell den Bliden der angesammelten Menge entzog.
Polizeibericht. Am 23. d. M. früh wurde ein Arbeiter in seiner Wohnung in der Kopenstraße erhängt vorgefunden. Um dieselbe Zeit fielen Es liegt zweifellos Selbstmord vor. infolge der Glätte in der Jerusamerstraße ein Formenstecher und in der Ackerstraße ein Mädchen und erlitten Knochenbrüche. - Gegen Mittag fiel in der Chmgaffe ein Kutscher von dem von ihm geführten Arbeitswagen herab, gerieth unter die Räderdesselben und erlitt durch Ueberfahren einen Bruch des rechten Arms. Er wurde nach dem Krankenhause Bethanien gebracht.
Um dieselbe Zeit fiel vom Dache des Hauses Großbeerenstraße 16 eine Menge Schnee infolge des Thauwetters herab und einem vorübergehenden Kaufmannslehrling auf den Kopf. Er erlitt eine Erschütterung der Wirbelsäule und mußte sich in Ferner stürzte um dieselbe ärztliche Behandlung begeben. Ferner stürzte um dieselbe Zeit ein Mann, welcher auf dem Dache des Hauses DorotheenStraße 60 mit Hinabwerfen des Schnees beschäftigt war, infolge eigener Unvorfichtigkeit auf die Straße herab und wurde nach der Charitee gebracht. Abends fand Steinmegstr. 28 ein unbedeutendes Feuer statt.
Wallner- Theater.
Das traurigste Zeichen für eine Poffe ist, wenn die Wize von den Zuschauern geriffen werden. So war es vorgestern Abend im Wallner Theater, wo das Berliner Publikum mit einer sogenannten Poffe, die dadurch um nichts beffer wird, daß fie dem Französischen entnommen ist, beglückt wurde.
Soweit Unnatur und Widerfinn in jene drei kleinen Alte, die überhaupt nur durch übermäßiges Ausdehnen der Zwischenafte auch äußerlich die nöthige Länge erhielten, um den Abend zu füllen, hineingepreßt war, so schien das Publikum doch geneigt, die Poffe zunächst mit freundlichem Beifall aufzunehmen. Als aber der Blödsinn gar kein Ende nahm, als Dummheit auf Dummheit erfolgte, da ergriffen schon Viele nach dem Schluß des zweiten Altes die Flucht.
Man denke fich folgendes: Ein leichtlebiger Vater, Wittwer natürlich, der mit fünfzig Jahren die albernsten und lüderlichsten Streiche vollführt, wird von seinem Sohn, einem Tugenbold ersten Ranges, so zu sagen zwangsweise verheirathet. Er heirathet man weiß nicht recht weshalb, ein blutjunges Mädchen, welches fich bei ihrem ersten Auftreten als das zeigt, was man im gewöhnlichen Leben mit dem wenig poetischen Namen„ Gans" bezeichnet. Die zivilrechtliche Trauung hat in Brüssel stattgefunden, weil das belgische Gesez eventuell die Scheidung er laubt. Der tugendhafte Sohn des lüderlichen Vaters befist einen Freund und Lehrer, " Profeffor" der außer unglaublich albernen Eigenschaften zwei Töchter hat, von denen der Tugenbold fich zur" even Es tuellen Verheirathung" eine aussuchen kann. ge= hören zur Vervollständigung des Personals nun noch die lette Maitreffe des lüderlichen Vaters, die jedoch auch der Profeffor einmal geliebt" hatte und der unvermeidliche Prinz". Der Prinz hielt die neugebackene junge Frau des lüderlichen Vaters für die ehemalige Maitreffe, er entführt dieselbe, und man betrinkt fich in einer Weise, die wirklich nicht mehr Schön" ist. Dem Profeffor ist ein Brief der ehemaligen Maitresse in die Hände gefallen, der dem lüderlichen Vater galt, er muß jener Dame seine Aufwartung machen. Sie wohnt in demselben Hotel, in welchem der, Prinz gerade mit der jungen Frau ſeines Freundes sein Gelage seiert. Es fergeben fich nun die gewöhnlichen Verwechselungen, die diesmal, wahrscheinlich zum besseren Verständniß der Zuschauer, mehrmals wiederholt werden. Zum Schluß kommt die erfreu liche Thatsache zum Vorschein, daß der lüderliche Vater überhaupt nicht mit seiner Frau verheirathet ist, sondern daß diese Dame seinem Sohne angetraut ist, weil er selbst der lüderliche Vater feine Papiere mit denen seines Sohnes ver wechselt hat.
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Die Künstler des Wallnertheaters vertheidigten ihre albernen Rollen mit anerkennenswerther Bravour, nur Herr Bornemann fah für den lebenslustigen Wittwer doch etwas gar zu klapprig aus. Frau Marie Schwarz aus Wien , die debutirte, zeigte fich als schneidige Soubrette, voll Feuer und schauspielerischen Ta lents. Eine Einlage, welche die Mundart und Allüren verschiedener Völker darstellte, war von frappanter Naturtreue.
Gerichts- Zeitung.
Der ehemalige Stadtverordnete Gördi wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht. Die Stichwahl zwischen dem Kandidaten der deutschfreifinnigen Partei, Brauereibefizer Oswald Berliner und dem sozialdemokratischen Kandidaten, Zigarrenhändler Gustav Splöttstößer, die am 13. Dezember vor. Jahres im 37. Kommunalwahlbezirk stattfand, hatte heute vor dem Forum der 88. Abtheilung des Schöffengerichts am Amtsgericht Berlin I ein Nachspiel. Es wurde an jenem Tage sowohl in der Turnhalle, als auch in der Aula der Gemeindeschule in der Demminerstraße gewählt. Der ehemalige Stadt verordnete Gördi, der sich in der Turnhalle aufhielt, wurde plöglich nach der Aula gerufen, da dort angeblich eine Wahlfälschung vorgekommen sei. Ein Wähler habe bei der Stimmabgabe den Namen„ Oswald" genannt, der Wahlvorstand habe diese Stimme aber einfach dem Kandidaten Berliner zugeschrieben. Görcki fragte infolge dessen den Wahlvorstand in der Aula, ob fich das so verhalten, daraufhin wurde ihm die Antwort zu Theil: die Stimme für Oswald ist selbstverständlich auf das Konto des Kandidaten Berliner geschrieben worden, es ist das schon einige Male, auch bei Splettstößer, geschehen. Gördi erDer Wahlvorsteher, Bezirkshob hiergegen Protest; und bot jedoch Rube Görcki vorsteher Röhr, trosdem erklärte, daß er den Protest aufrecht erhalten müffe, forderte ihn der Wahlvorsteher zum Verlaffen des Lokales auf. Gördi leistete dieser Aufforderung jedoch nicht Folge, indem er einwandte, daß die Verhandlung eine öffentliche sei, er mithin befugt wäre, in dem Lokale zu verweilen. Der Wahlvorsteher richtete diese Aufforderung dreimal an Gördi und da letterer der Aufforderung nicht entsprach, so stellte der Wahl
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vorsteher wegen Hausfriedensbruchs Strafantrag. Der Wahlvorsteher erklärte in der heutigen Verhandlung: Es sei nicht willkürlich angenommen worden, daß der Wähler mit„ Oswald" den Kandidaten Berliner " meine, sondern der Wähler sei gefragt worden, ob er mit der Bezeichnung des Vornamens den Kandidaten Berliner meine. Erst nachdem der betr. Wähler dies bejahte, sei die Stimme für Berliner notirt worden. Der Staatsanwalt beantragte 15 Mark Geldstrafe event. 3 Tage Gefängniß. Der Vertheidiger Rechtsanwalt Freudenthal beantragt die Freisprechung, da einmal nur der Magistrat berechtigt sei, den Strafantrag zu stellen, andererseits aber die Störung, deren fich der Angeklagte schuldig gemacht haben solle, keines wegs erwiesen sei. Der Angeflagte bemerkte: Wenn jeder Einwand gegen die rechtmäßige Vornahme der Wahl als Störung aufgefaßt würde, dann sei die Deffentlichkeit der Wahlhandlung illusorisch. handlung illusorisch. Nach langer Berathung verkündete der Vorfigende, Gerichtsaffeffor Dr. Kuttner, etwa folgendes Urtheil: Der Gerichtshof hat durch die Beweisaufnahme die Ueberzeugung gewonnen, daß der Wahlvorsteher befugt gewesen ist, den Angeklagten aus dem Lokale zu weisen. Die Wahlhandlung ist allerdings öffentlich; damit ist aber nur ausgesprochen, daß es jedermann frei stehe, in dem Wahllokale zu verweilen, um die Wahlhandlung zu kontroliren. Es ist jedoch niemandem damit das Recht eingeräumt, gegen etwa vorgefommene Unrichtigkeiten zu protestiren. Derartige Proteste sind an Der Gerichtshof ist geeigneter Stelle schriftlich anzubringen. Der Gerichtshof ist auch außer Zweifel, daß der Angeklagte, angesichts seines Bildungsgrades und seinen Stellung, die er im öffentlichen Leben einnimmt, fich bewußt war, daß er sich eines Hausfriedensbruches schuldig mache. Troß alledem mußte jedoch auf Freisprechung erkannt werden, da zur Stellung des Strafantrages nur der Wahlvorstand in seiner Gesammtheit, nicht aber der Wahlvorsteher allein berechtigt war.
Vereine und Versammlungen.
Verein zur Wahrung der Interessen der Schuhmacher und verwandten Berufsgenossen Verlins. Montag, den 26. März, Abends 8 Uhr, Versammlung in Wiedemann's Lokal, Tiedtstr. 24. Tagesordnung: 1. 3wed und Ziele des Vereins. Heferent Herr Megner. 2. Verschiedenes. 3. Fragetaſten.
Fachverein der Posamentirer und Berufsgenoffen. Versammlung am Montag, den 26. März, Abends 8 Uhr, im Königstadt- Kafino", Holzmarktstr. 72. T.- D.: 1. Vorstands wahl. 2. Verschiedenes und Fragetaften.
Allgemeine Kranken- und Sterbekaffe der Metallarbeiter( E. H. 29 Hamburg ). Filiale Berlin III. Versamm lung am Montag, den 26. d. M., Abends 8 Uhr, Manteuffel straße 90. Tagesordnung: Verlesung der Anträge zur Generalverfammlung. Vorwahl der Delegirten und Verschiedenes. Mitgliedsbuch legitimirt.
Verein zur Wahrung der Interessen der Lackirer. Versammlung am Montag, den 26. März, Abends 8 Uhr, Kommandantenstr. 20. Tagesordnung: 1. Vortrag des Herrn Rechtsanwalt Dr. Perl über die Bedeutung des Wechsels und die Wechselfähigkeit. 2. Diskussion. 3. Verschiedenes und Fragekasten. Kollegen als Gäste willkommen.
Verein Berliner Hausdiener. Montag, den 26. d. M., Abends 9 Uhr, Neue Grünstraße 28 bei Jordan, ge= selliges Beisammensein mit Damen. Gäste haben Zutritt.
Große öffentliche Versammlung der in der Schuhmacherbranche beschäftigten Zuschneider, Stepper und Vorrichter heute, Sonntag, Vormittags 10% Uhr, Große Frankfurterstraße 74/75.
Die allgemeine Stuhlarbeitervereinigung hält am Montag, den 26. d., Abends 8 Uhr, in Nieft's Salon, Weberstraße 17, ihre regelmäßige Generalversammlung ab, in welcher die Erfaßwahl des Vorstandes stattfindet.
Fachverein sämmtlicher an Holzbearbeitungsmaschinen beschäftigten Arbeiter. Montag, den 26. März, Abends 8 Uhr, bei Säger, Grüner Weg 29, Mitglieder- Ver sammlung. Tagesordnung: Innere Vereinsangelegenheiten. Verschiedenes und Fragekasten. Gäste haben Zutritt. Neue Mitglieder werden aufgenommen.
Verband deutscher Zimmerlente( Lokalverband Berlin West). Mitgliederversammlung am Montag, den 26. d. M., Abends 8 Uhr, im Saale des Hohenzollerngarten", Stegligerstraße 27. Tagesordnung: Vortrag über ,, altrömisches Familienund Gesellschaftsleben". Bu dieser Versammlung haben Frauen Zutritt.
Vereinigung deutscher Stellmacher. Montag, den 26. März, Abends 8 Uhr, Versammlung bei Nieft, Weberstraße 17. Tagesordnung: 1. Vortrag. 2. Vereinsangelegen. heiten. 3 Fragetasten.
Verein der Modelltischler. Versammlung am Montag, den 26. d. M., Abends 8, Uhr, Ackerstr. 144. Tagesordnung: 1. Vorlesung über: Die barfüßige Bande von Difip Betfin". 2. Abrechnung vom Maskenball 3. Vereinsangelegenheiten. 4. Fragekasten. Gäste find willkommen.
Turn- und gesellige Vereine am Sonntag. Lübeck 'scher Turnverein( 2. Lehrlingsabtheilung) Abends 6 Uhr Elisabethftraße 57-58.- Turnverein, Wedding "( 2. Lehrlingsabtheilung) Nachmittags 4 Uhr, Pankstr. 9. Turnverein" Frob und Frei ( Lehrlingsabtheilung) Nachmittags 4 Uhr, Bergstr. 57.
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Gesang-, Turn- und gesellige Vereine etc. am Montag. Männergesangverein„ Schneeglöckchen" Abends 9 Uhr im Restau rant Klose, Mariannenstraße 31-32.- Liedertafel der im Drechslergewerk beschäftigten Arbeiter Berlins Abends 8 Uhr im Lofale des Herrn Lehmann, Naunynstr. 44. Gesangverein Sängerlust" Abends 9 Uhr im Restaurant, Landsbergerstr. 80. Männergesangverein Weiße Rose " Abends 9 Uhr im Restaurant Kleine, Gerichtsfir. 10. Männergesangverein„ Eintracht 1" Abends 9 Uhr Köpniderftr. 68, im Restaurant. Männergesangverein" Firmitas" Abends 9 Uhr bei Wolff u. Krüger, Staligerstr. 126, Gefang und Mufit.- Turn verein Hafenhaide"( Lehrlingsabtheilung) Abends 8 Uhr Dieffenbachstr. 60-61. Berliner Turngenoffenschaft" ( 7. Lehrlingsabtheilung) Abends 8 Uhr in der städt. Turnballe, Brigerstr. 17-18; desgl. 6. Männerabtheilung Abends 8 Uhr in der städtischen Turnhalle, Gubenerstr. 51. Lübeckscher Turnverein( Männerabtheilung) Abends 8 Uhr ElisabethStraße 57-58. Verein ehemaliger Schüler der vil. Ge meindeschule Abends 9 Uhr im Restaurant Poppe, Lindenstraße 106. Friedrichs- Verein"( ehemalige Böglinge des großen Friedrichs Waisenhauses der Stadt Berlin ) Abends Bitherklub Amphion" 8 Uhr bei Bormann, Ohmgaffe 2. Vers Abends 8 Uhr im„ Kurfürstenfeller", Poststraße 5. gnügungsverein Lustig" Abends 9 Uhr bei Thamm, Schön haufer Allee 28. Berein Ratibor" Abends 8 Uhr im Arends'scher StenoRestaurant Frige, Elisabethstr. 30. graphenverein Mercur" Abends 83 Uhr im Restaurant, Baag", Blumenstr. 10. Arends'scher Stenographenverein ApolloWissenschaft bund" Abends 8 Uhr Thurmſtr. 31( Moabit .) licher Verein für Roller'sche Stenographie. Abends 8 Uhr im Münchener Bräuhaus, Neue Friedrichsstr. 1, Unterrichts- und Uebungsstunde.
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Kleine Mittheilungen. Wittenberge , 22. März. Der gestern gemeldete Elbdeichbruch hat grenzenloses Elend im Gefolge. Behn Dörfer stehen unter Waffer. Dömiz hatte gestern 4 Fuß. Lenzen 3 Fuß Waffer. Der Anprall des Waffers war so start, daß gestern Nachmittag in Lenzen bereits drei Häuser eingestürzt waren und die dortige Waffermühle fast zerstört wurde. Der Bahnverkehr nach Lüneburg ist eingestellt, weil der Eisenbahndamm bei Lanz überschwemmt ist. Das Unglück und die Noth in den über
schwemmten Dörfern ist entsetzlich, denn die Bewohner hatten nicht mehr Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, sondern mußten, um das Leben zu retten, auf Böden, Dächer und Bäume flüchten, Hunderte von Menschenleben waren und find größten theils noch in Todesgefahr. Die telegraphischen Hilferufe nach Berlin , Potsdam und hierher ertönten seit gestern Vormittag in furzen Pausen. Der Postagent in Breet tele graphirte in furzen Zwischenräumen über den Fortgang des steigenden Waffers, bis endlich die letzte Depesche einlief:„ Das Waffer steigt immer höher, ich muß auf den Boden flüchten." Gestern Abend 7 Uhr mit dem Expreßzuge trafen der Res gierungspräfident von Neve, der vortragende Rath im Minifterium Koslowsky, einige Regierungsräthe und die königliche Betriebsdirektion hier ein, um die Rettungsarbeiten im Verein mit den städtischen Behörden zu berathen und in Angriff zu nehmen. Infolge deffen trafen Morgens 2 Uhr mittelst Extrazuges aus Berlin 100 Gardepioniere mit 7 Offizieren und 10 Pontons hier ein, wurden verpflegt und fuhren nach Karstädt weiter, wo Wagen und Pferde in Bereitschaft standen, die Pioniere und Pontons weiter zu schaffen. Bei Abgang dieses Berichts, Mittags 12 Uhr, werden die Pioniere wahrscheinlich schon in Thätigkeit sein. Aus dem hiesigen Hafen wurden heute Vormittag Kähne losgeeist, um Lebensmittel an die Unglückss ftätte zu bringen.
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Lenzen, 21. März. Einen traurigen Anblid gewährt Lenzen und seine Umgegend. Am 18. d. M. machte fich langsam ein Steigen des Wasserstandes in der Elbe, wie in der Löcknig bemerkbar, welches infolge des Feststehens des Eises bei Dömiz plößlich zu einem gewaltigen Steigen überging. Die Löcknis strömte mit einem Male mit einer Schnelligkeit rück wärts, wie man sie nur an Gebirgsströmen bemerken kann. Am 19. begann die Löcnit aus ihren Ufern zu treten und die Fluren immer mehr mit Wasser zu decken. Die niedrigen außerhalb der Stadt gelegenen Häuser wurden mit Wasser umgeben und gefüllt. Ein reges Leben begann überall, namentlich auf den Deichen den Deichen der immer mehr wachsen den Elbe . Die Deichwachen zogen auf und suchten den Damm zu schüßen. Alles vergeblich! Am 20. brach der Deich bei Kieg und Garz , am 21. bei Kl. Woog. Gewaltig dehnten fich die Fluthen über die ganze Gegend aus, an einer Unfallsstelle sechs Gehöfte mit sich fortreißend, lebendes und todtes Inventar begrabend. In dem mit am meisten bedrängs ten, unter Waffer stehenden Seedorf ging plöglich mitten in der Nacht zum 21. Feuer auf; man mußte dies, ohne Hilfe bringen zu können, ansehen. Glücklicher Weise brannte nur ein Gehöft ab. Sichtbar stieg das Wasser zu einer Höhe, wie sie hier noch nicht gesehen worden. Lenzen, Dömiz, Hizacker und alle dazwischen liegenden Dörfer, 40-50 an der Bahl, stehen theils mehr, theils weniger unter Waffer. Menschen und Vieh find auf die Böden gebracht; viele Menschen figen auf Dachs firsten, Schornsteinen und Bäumen, viele find bereits ertrunken und unendlich ist der Jammer, wo man hinblickt. Menschen, Vich und Inventar müssen in Kähnen ge rettet und nach höher gelegenen Stellen gebracht werden. Nahrungsmittel fangen an zu fehlen und zu der Waffersnoth tritt so stellenweis noch Hungersnoth. Heute brach auch noch der Deich bei Pölz jenseit der Alten Elbe, auch diese Gegend überfluthend und hier etwas Fall und Erleichte rung bringend. Diese Nacht sollen Pioniere und Pontons zur Der Bahnverkehr von Wittenberge bis Rettung eintreffen. Dömitz ist infolge des Einsturzes von Brücken vollständig eins gestellt und der Postverkehr wird durch Nothpost von Karstedt aus vermittelt. hin und her fliegen die vorhandenen, lange nicht ausreichenden Kähne behufs Rettung und rührend ist es, wie einer um den andern besorgt zu Hilfe eilt und Tag und Nacht gearbeitet wird, um das Mögliche zu retten. Zwei Dampfer brachten die unglücklichen erreichbaren Bewohner von Kiez und Kl. Wooz nach Lenzen und Vieze.
Telegraphische Depeschen.
( Wolff's Telegraphen- Bureau.)
Stettin , Sonnabend, 24. März. Das hiesige Eisenbahn Betriebsamt giebt bekannt: Die Strecke Stolp Hebrondamni ist frei und somit die sämmtlichen diesseitigen Strecken wieder fahrbar.
Altona , Sonnabend, 24. März. Das hiesige Eisenbahn Betriebsamt macht bekannt: Die dänischen Staatsbahnen auf Seeland mit Ausnahme von Nestved - Masnedsund sind wieder fahrbar. Die Falsterschen Bahnen find noch unfahrbar.
Thorn, Sonnabend, 24. März. Das Betriebsamt Thorn theilt mit: Bis auf die Strecke Garnsee- Lefsen sind sämmtliche Streden des Amtsbezirks wieder fahrbar.
Neu- Strelit, Sonnabend, 24. März. Der Verkehr auf der Bahn Neu- Streliß- Warnemünde ist wieder aufgenommen. Der Verkehr auf der mecklenburgischen Südbahn ist noch ein gestellt.
Stolp i. Pommern , Sonnabend, 24. März. Die Bahn strecken Rügenwalde Zollbrück und Neu- Stettin- Stolp find wieder fahrbar.
Stolp , Sonnabend, 24. März. Das Eisenbahn- Betriebs amt Stolp theilt mit: Der regelmäßige Betrieb auf den Streden Neustettin- Belgard, Neustettin- Konig ist heute mit den Bügen 583 bez. 623 wieder eröffnet.
Posen, Sonnabend, 24. März. Der Reichstags Abgeordnete für Mogilno , Gnesen , Wongrowitz , v. Jarochowski , ist heute hier gestorben.
Paris , Sonnabend, 24. März. Gestern fand hier eine Versammlung von Gegnern Boulangers statt, welcher etwa 2400 Personen beiwohnten. Joffrin hielt eine Rede, in welcher er das Säbelregiment brandmarkte, während Graf Neuville zu Gunsten Boulangers sprach. Die Versammlung verlief äußert stürmisch, Rufe Nieder mit Boulanger" wurden mit Hochrufen auf Boulanger beantwortet. Schließlich wurde eine Tagesord nung angenommen, welche sich auf das Schärfste gegen Bous langer ausspricht; gleichzeitig wurde ein T legramm an Felig Pyat nach Marseille abgesandt, in welchem dessen Kandidatur mit lebhaftem Beifall begrüßt wurde. Die Versammlung verlief ohne weiteren Zwischenfall. Am Ausgange des Saales wat eine größere Anzahl Polizisten aufgestellt.
Das Untersuchungsgericht für die Angelegenheit Boulanger wird, wie nunmehr bestimmt ist, am Montag zusammentreten. Boulanger wird zu demselben Entlastungszeugen vorladen.
Paris , Freitag, 23. März. Der aus den Generalen Fevrier , Breffonnet, Greffot, Thierry und Franchesfin bestehende mit der Untersuchung über das Verhalten des Generals Boulanger betraute Rath trat heute zusammen, um sich zu fon ftituiren und von den durch den Minister mitgetheilten Schrift stücken Einsicht zu nehmen.- General Boulanger traf beute Nachittag 5 Uhr hier ein, wurde auf dem Bahnhofe von einigen hundert Personen mit Burufen empfangen und begab sich sofort
nach dem Louvre- hotel.
Briefkasten der Redaktion.
0. H., Stuckateur, Blumenstr. Wir danken Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen. Wie Sie gesehen haben, ist vieles von uns bereits ausgeführt, wir werden, wenn wir auf die Angelegenheit zurückommen, von Ihrer Einsendung Gebrauch
machen.
Rendsburg . Zur Zeit in Frankfurt a. M., nähere An
gabe der Adresse ist nicht nöthig.
handlung Auskunft.
auf
W. F. Grüner Weg. Darüber ertheilt Ihnen jede Buch Abonnement Skaliherstraße. Sie haben Anspruch 14tägige Kündigung.