Beilage zum Berliner Volksblatt.
Mr. 77.
Lokales.
Der frühere Reichstagsabgeordnete Mar Kayser ist nach einer uns zugegangenen Privatdepesche gestern, Dons nerstag Nachmittag, seinem Halsleiden erlegen.
Ueberschwemmungsgefahr an der Unterspree. Seit Dienstag Abend ist die Unterspree übergetreten. Die von der selben durchzogenen Wiesen zwischen Moabit und Charlotten burg , die Judenwiese gegenüber dem Schleswiger Ufer, die Horst stehen vollständig unter Waffer bis zum Spree- Port bei Martinicenfelde. Die weite Wiesenfläche ist jetzt in einen langgeftredten See verwandelt, in welchem fich bei dem Schein der Märzsonne die Fabrikgebäude an beiden Ufern wiederspiegeln, während schwer feuchende Schleppdampfer auf dem hochgeschwollenen Spreefluffe fich abmühen, ihre Laſten vorwärts zu Schaffen. Einen großartigen Anblick, besonders von den QuaiAnlagen am Schleswiger Ufer betrachtet, bietet diese von Fischernachen und Waffervögeln belebte große See bei Sonnenunter gang. Die Wassermassen der zum Strom gewordenen Spree erhalten stündlich neuen Zufluß. Am Dienstag zeigte der Wafferstandsmesser unterhalb der Moabiter Brücke bereits ein erhebliches Steigen des Spreefluffes. Gegen Abend drang das Waffer in der Nähe der Freund'schen Maschinenfabrik über das jenseitige Ufer und am Mittwoch früh war die Ueberschwemmung der Judenwiese vollständig. Auf derselben, dicht neben der Dampf mühle beim Borsig'schen Fabritetablissement, ist im Laufe des vergangenen Sommers eine Kahnschlächterei nebst massivenkomtoir Gebäuden innerhalb eines umzäunten Grundstücs errichtet. Der Zugang zu demselben auf dem Lande steht unter Wasser und das Grundstück ist jetzt nur vom Spreefluffe her mittelst Handtahns zu erreichen. Die frühere Scheidegrenze zwischen Wasser und Land ist verschwunden und nur die an den Ufern anfernder, von dem plöglichen Steigen des Spreewafferspiegels überrafchten Kähne martiren noch an beiden Ufern den Lauf des Spreefluffes. Der fleine Ausladehafen des auf dem linken Spreeufer belegenen Grundstücks der Moabiter Mörtelwerke ist bis zum Rande des hölzernen Bollwerks überfüllt und auf verschiedenen Baustellen an der Kurhafener, Klopstock- und Flensburgerstraße welche im nächsten Monat bereits vom der Bausteht mehrere thätigkeit in Angriff genommen werden sollten Fuß hoch Grundwasser, da die Unmenge von Echneewasser bei dem hohen Wasserstand der Spree vorläufig feinen Abfluß finden fann. Einer völligen Ueberfluthung der auf dem linken Spreeufer belegenen ehemaligen Schöneberger Wiesen( auf dem selben ist der neue Stadttheil beim Stadtbahnhof Bellevue bezw. Thiergartenhof entstanden) ist seit Erbauung der in Sandsteinquadern aufgeführten Quaianlagen am Schleswiger Ufer vorgebeugt; dagegen steht bei voraussichtlichem Steigen des Spreefluffes eine leberfluthung der Fabrikgrundstücke unterhalb der Moabiter Brücke bis Martinidenfelde hin zu erwarten. Es fehlt übrigens nur ein kleines, so hat die Spree dieselbe Höhe des Wafferstandes wie im Hochwafferjahre 1830, ein Vergleich des jeßigen Wasserstandes mit dem an der Eisernen Brücke beim alten Backhof befindlichen Erinnerungszeichen aus dem Jahre 1830 läßt hierüber keinen Zweifel.
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Panke - Ueberschwemmung. Berlin hat gestern früh, zum Glück in nur fleinem Maße, die Verheerungen, welche eine Ueberschwemmung mit sich bringt, erfahren müssen. Die Pante, welche im Hochsommer fast immer austrocknet, war schon seit Wochen über die Ufer getreten und hatte die benachbarten Gärten überschwemmt. Hinter dem Grundstück Schulzendorferfir. 8, auf deffen zweitem Hof fich ein Pferdestall und eine Schlofferwert statt befinden, bildet die Pante einen Winkel, um sich der Müllerstraße zuzuwenden; an dieser Ecke erlangten die trüben Fluthen solche Gewalt, daß heute früh Pferdestall und Werkstatt weggerissen wurden; außer den Schäden an Gebäuden find hier feine Verluste zu beklagen. Viel beklagenswerther noch find die Bewohner des rechten Seitenflügels auf dem zweiten Hof des Hauses Müllerstraße 1; der Theil des Hauses stößt mit dem Hause Schulzendorferstraße zusammen und mußte wegen starker Gefährdung von sämmtlichen Miethern sofort geräumt werden.
Nach dem geftrigen wunderschönen Frühlingstag ging ein ziemlich heftiges, mit starkem Regen begleitetes Gewitter über Berlin nieder. Derartige frühzeitige Gewitter sind in unserer Gegend eine Seltenheit.
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Osterei und Osterhase. Berlin steht zur Zeit vollständig unter dem Zeichen des Ostereies, und wenn nicht der goldige, langerfehnte Sonnenstrahl es anfündigte, ein Gang durch die Straßen Berlins würde es unzweifelhaft bestätigen, daß wir dem hohen Feste nahe find, welches mit der Wiederauferstehung der Natur nach langem Winterschlafe zusammenzutreffen pflegt. An allen Schaufenstern prangen die Zeichen des Osterfestes- das Osterei und der Osterhase in den wunderbarsten Gruppirungen und nicht nur der Zuckerbäcker und Pfefferküchler, nicht nur der Seifensteder und Gärtner, nein, auch jeder Spielwaarenhändler, Posamentier und Kleinkrämer rüstet sein Schau fenster mit diesen Festesboten aus. Es ist merkwürdig, wie viele Dinge um diese Zeit unwillkürlich eine ovale Form anzunehmen wiffen. Den Vogel schießen natürlich die Zuckerbäcker ab, vor deren Schauläden sich die Jugend mit Vorliebe sammelt, um die dort ausgestellten wundersamen Bilder aus der Naturge schichte anzustaunen und sich zu überzeugen, wie vielgestaltig das Ei sein kann, welches der aus frischem Grün hervorlugende Österhase ihnen ins Zimmer trägt. Denn daß der Osterhase feine naturwissenschaftliche Abnormität ist, sondern zu der felben Beit sein Wesen treibt, wo überzeugungstreue Jungfrauen das Osterwaffer holen, welches vor Krankheiten und Runzeln schüßen soll das ist eine Wahrheit, welche fich Jung Deutschland nicht nehmen läßt. Wozu wären denn auch die Gebrüder Grimm und andere Märchendichter auf der Welt gewesen, die den Oster hafen so oft leibhaftig gesehen und die Männchen, welche er zu machen pflegt, so schön beschrieben haben. Das Ei, selbst das Sinnbild der Auferstehung, hat es in unserer an Ueberschwänglichkeiten gewöhnten Beit allmälig zu ungewöhnlichem Glanz gebracht, an welchem fich allerdings nur wenige Auserwählte laben fönnen. Auch an der Ausstaffirung des Ostereis zeigt fich die Leistungsfähigkeit der Kunstindustrie, ganz ungeheure Summen werden für diese Erzeugnisse in diesen Tagen ausges geben. In unseren Markthallen zeigt sich ganz deutlich der überaus gesteigerte Konsum an Hühnereiern, wie er um diese Beit alljährlich wiederzukehren pflegt, denn das Hühnerei spielt um die Zeit der Ostern nicht nur in jedem Haushalte eine gewaltige Rolle, es bildet auch in abgekochter und buntgefärbter Gestalt eine einzige Ostergabe für Hunderttausende. Als solche hat fich das einfache Hühnerei neben dem luxuriösen Dsterspiel zeug durch die Jahrhunderte ehrlich behauptet. Und das mit Recht, denn wer da meint, daß mit dem einfachen Gekocht- und Verzehrtwerden der Daseinszweck des Hühnereis erfüllt ist, irrt fich sehr. Das einfache, unscheinbare Ei hat seine glanzvolle Ge schichte und es giebt Schri titeller, welche neben den sonstigen vielseitigen Vorzügen des Hühnereis ganze Historien über die Bebeutung des Eis in den verschiedensten Phasen der WeltFür den Alltagsgeschichte zusammengeschrieben haben.
Freitag, den 30. März 1888.
menschen steht natürlich sein Nährwerth in allererster Reihe und wer in diesen Tagen, wo das Ei seine höchsten Triumphe feiert, in Sorge um die Vielgestaltigkeit des Küchenzettels ist, dem mag es zum Trost gereichen, daß einmal in einer Sigung des Vereins der Weißbierwitthe der Präsident nicht weniger als 32 Arten der Eierbereitung angegeben hat: Ei in der Schale, Ei in der Bouillon, Ei zum Klären, Soolei, Liaison, Knidebein, Eierpunsch, Rührei, Spiegelei, Verlorenes Ei, Saures Et, Croquette von Ei, Ei a la provencale, Gi a la Russie, Eiers gelee, Schramm- Nocken, Ei in Aspic , gebackenes Ei, gefülltes Ei, Ei a la Bechamel, Eierkuchen, Eierpfanzel, Blinsen, Pudding, Torte, Ei zum Fischgarnieren, Eiernudeln, Eierbordüre, Eiercrême, Sprizfuchen, Eierklößchen und Eierkäse. Zu dieser gastronomischen Bedeutung des Hühnereis, welche es jedermann ermöglicht, sich nach Belieben sein Osterei" herzu richten, kommt auch noch eine große medizinische Bedeutung, bei Leberleiden und Gelbsucht, bei Husten, bei der Herrichtung von Salben gegen Brandwunden und bei tausenderlei Haus- und auch Geheimmitteln. Denn es ist bekannt, daß so manches theuer bezahltes Geheimmittel aus Ei und Glyzerin besteht. Das unscheinbare Hühnerei bat deshalb volles Recht darauf, neben den kostbaren Ei- Konstruktionen als willkommene Oster gabe in Ehren gehalten zu werden und überall, wo es als solche erscheint, möge es mit dem Freudenruf empfangen wer den: Ei! Ei!
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Ostereier- Erzeugung in Berlin . In der stillen Woche ist der meistbegehrte Artikel der Kleinindustrie das Osterei. Im Allgemeinen glaubt man, das Osterei werde in den Konditoreien hergestellt. Das ist aber nicht der Fall. Berlin befißt nicht weniger als dreißig größere und fleinere Fabriken, in denen lediglich für den Osterbedarf viele Millionen Eier angefertigt werden. In großen Keffeln so schildert ein Berichterstatter gelegentlich eines Besuchs eine der größten Fabriken in der Straßburgerstraße der Gußstube wird der Buder mit Waffer aufgelöst und bis zu einem bestimmten Grade gekocht und gerührt und dann in angefeuchtete Gypsformen gegoffen. Dann bleibt der darein gegoffene Bucker einen Augenblick stehen und nun wird, wie es bei Hohlgüffen allgemein üblich, der überflüffige Bucker wieder ausgegossen. Es wird hierdurch die Form des hohlen Eies hergestellt und je 30 Stück Eier faffende Bretter wandern nun in die Glasurſtube oder beffer ges fagt in das Atelier, wo eine Anzahl Sprißtünstler" fizt, die dem Ei den nöthigen Ausput, die bunte erhabene Verzierung geben. In fleinen Corneds( Düten) befindet sich Eiweißzucker mit der betreffenden Farbe gemischt und diese farbigen Düten handhabt der Glafirer auf das Geschickteste. Bald malt er einen Vogel oder Hasen, auch wieder eine Menschengestalt u. s. w. Ist die Glasur bezw. die Verzierung vollendet, so gelangt die Waare in die Hand des Buchbinders, welcher das Ei mit gol benen oder farbigen Streifen beklebt. Aber noch ist dasselbe nicht vollendet; wieder andere Arbeiterinnen versehen es mit einer zierlich gerüschten Brand- Tolle"; von hier aus wird es dem Lagerbestande zugeführt. Nicht allein Zucker wird zu den OsterEiern verwendet, sondern auch Chokolade und Marzipan in allen Farben. Wie groß der Bedarf ist, geht daraus hervor, daß die meisten der Fabriken, welche zwischen 10-60 Personen beschäftigen, das Jahr über auf Lager arbeiten, um im OsterMonat genügend Waare zum Versand fertig zu haben. Inter effant ist es zu hören, daß die nordischen Länder wie England, Schweden , Dänemark sämmtlich von Berlin aus damit versorgt werden. Hamburg vermittelt den Export nach Nord- Amerika .
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Im nächsten Monat soll eine neue Gendarmeriestation in Adlershof eingerichtet werden. Bisher bestanden bereits an der Oberspree fünf solcher Stationen, nämlich in Stralau, Treptow , Nieder- Schönweide, Köpenick und Glienice bei Köpenick .
Reklame- Ulk. Welche sonderbare Blüthen die Reklame heutzutage zeitigt, davon liefert eine Probe das Schaufenster eines hiesigen Hutgeschäftes. Um die Aufmerksamkeit des Publikums auf die ausgestellten Waaren zu lenken, hat der Geschäftsinhaber an augenfälliger Stelle folgende Verslein an gebracht:
Sieht sich hier freundlichst Jedermann, Und sei es zum Zeitvertreib, Recht aufmerksam die Hüte an, Lacht mir das Herz im Leib.
Da das Ansehen bekanntlich nichts kostet, so läßt sich gar mancher herbei, die ausgestellten Hüte recht aufmerksam zu bes trachten, was im vo: liegenden Falle immerhin als ein Beitvertreib gelten kann, denn der praktische Geschäftsmann hat jeden der ausgestellten Hüte mit einer ulfigen Reklame versehen, welche feine Behauptung:
Staunen soll hier Jedermann, Was ich für 3 Mart 50 fann. zu rechtfertigen bestimmt ist. Die Güte seiner seidenen und filzigen Behauptungen" fündigen folgende artige Verslein an: Außen wie innen ist jeder Hut Für 3 M. 50 viel zu gut.
Ein feiner Hut ist des Schädels Bier, Für 3 M. 50 giebt's den nur hier.
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Sieht man sich nun die Hüte einzeln an, so findet man folgende Anpreisungen: Für Herren in der 20. Steuerſtnfe" Federleicht und ſemmelweich" Im Gewicht den Flöhen aleich" Für schneidige Lebemänner" Die reine Chokolade" Kein Mumpig"- u. dergl. m. Von einem anderen heißt es wleder:
Glatt wie ein Aal, Schwarz wie die Nacht,
Für 3 M. 50 eine Pracht.
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Die Zylinderhüte werden in folgender Weise empfohlen: Gut ist ein Bylinderhut,
Wenn man ihn besigen thut.
Doch von ganz besonderer Güte Sind bei mir die Seidenhüte.
5. Jahrs.
Der Zweck dieses Reklame Ultes ist wohl in folgendem zu suchen:
Beim hochverehrten Publikum
Möcht' stets in Gunst ich sein, Denn set' ich nicht viel Hüte um, Weiß ich nicht aus noch ein.
Die schwere Noth der Zeit spiegelt sich in Vorstehendem recht offenherzig wider!
Vergnügte Tage hat sich der 18jährige Handlungslehrling M. auf Kosten seines Prinzipals zu machen verstanden. M. wurde am 21. und 22. März von seinem Chef beauftragt, zwei Chets auf die Deutsche Bank lautend einzukaffiren. M. hat auch den Auftrag prompt ausgeführt, hat sich aber mit den erhaltenen 800 Mart nicht wieder sehen lassen. Er hat sich vielmehr unter fremdem Namen in ein feines Hotel einlogirt und bis gestern als Baron ein Herrenleben geführt. Als er gestern verhaftet wurde, fand man bei ihm nur noch 96 Mark, so daß der Junge täglich an 100 M. verausgabt hat.
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In der Braun'schen Mordaffäre schreitet, wie der B. C." hört, die Untersuchung unter der Leitung des Herrn Rath Hollmann rüstig weiter, und es steht zu erwarten, woran faum noch zu zweifeln, daß die Ueberführung der Thäter wenigstens der bis jetzt verhafteten Eheleute Heinze- gelingen wird. Am legten Sonnabend fanden umfangreiche Beugenvernehmungen statt, die sich bis gegen sieben Uhr Abends ausdehnten. Es wurden an zwanzig und mehr Zeugen vernommen. Einer der Hauptbelastungszeugen ist ein Kaufmann Namens Stein, ein junger Herr, der, an dem fraglichen Morgen zwischen drei und vier Uhr nach Hause kommend und an dem Gitter des Kirchgartens einen Augenblick stehen bleibend, von einem augenscheinlich der Louis" Bunft angehörenden Manne in dunklem Anzuge mit den in schroffem Tone ge sprochenen Worten Wat jaff'sten da?" zum Weitergehen aufgefordert wurde. St., ein schmächtiger junger Mann, tam dieser Aufforderung aus leich begreiflichen Gründen, ohne ein Wort zu erwidern, schleunigst nach. Beim Weitergehen bemerkte er noch, wenige Schritte davon, ein zweites Individuum, bekleidet mit ut und hellem Ueberzieher, beffen Geficht er aber in der Dunkelheit nicht genau sehen konnte. Den ersten Mann hatte er sich indeffen ziemlich genau angesehen, zumal derselbe dicht an einer Straßenlaterne gestanden. Nach St.'s Schilderung trug derselbe eine sogenannte Krach" Müße, eine Lieblingskopfbedeckung jener Menschenforte. Außerdem entfinnt sich der Beuge St. genau, daß der Mann einen dunklen Schnurrbart getragen. Heinze's Schnurrbart ist nun zwar von hellerer Farbe, doch ist festgestellt worden, daß er sich denselben gewöhnlich zu färben pflegte. Auch eine Müße, wie beschrieben, hat Heinze nachweislich be seffen, diefelbe wurde aber, zusammen mit anderen Kleidungsstücken, von ihm und seiner Ehefrau verbrannt. Angeblich sollen die vernichteten Sachen beim Schlachten eines Hundes besudelt worden sein.( In der Behausung des Verhafteten fand sich eine fleine Taschenlaterne vor. Dieser Fund ist von Wichtigfeit.) Der dicht an dem Thatort wohnende Beuge Stein blidte, zu Hause angelangt, von einem Fenster seiner Wohnung in den dunklen Kirchgarten hinunter und bemerkte, daß in demselben mit einer Flamme, größer als wie solche durch ein Streichholz erzielt wird, herum geleuchtet wurde. Die Thäter scheinen demnach mit einer kleinen Laterne versehen gewesen zu sein, bei deren Schein der ermordete Braun aufgeknüpft wurde. Als Heinze am Sonnabend vorgeführt wurde, war der Beuge hinter einen Vorhang im Vernehmungszimmer getreten. Der Untersuchungsrichter forderte Heinze auf, bie oben erwähnten Worte: Wat jaff'sten da" zu sprechen; H. that dies, fichtlich betroffen, und erbleichte, als Stein ihm gegenübergestellt wurde. Im übrigen bleibt er bei der Behauptung, in jener Nacht, speziell von drei bis vier Uhr, geschlafen zu haben. Seine Ehefrau wurde promenirend" um drei Uhr in der Gegend gesehen. Von dem zweiten Mann, den der Zeuge gesehen, fehlt bis jest jede Spur. Hoffen wir, daß es der Behörde gelingen wird, denselben zu eruiren. Genaue Situationspläne von dem Orte der That sind selbstverständlich angefertigt worden und werden den Geschworenen vorgelegt wer den, ebenso eine Photographie des Baumes mit der an dem selben hängenden Leiche des unglücklichen Wächters, welches Bild einen geradezu schaurigen Eindruck machen soll.
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Die Frau Gräfin". Eine gefährliche Hochstaplerin, die es sehr gut zu verstehen scheint, das Vertrauen ihrer Opfer zu gewinnen, ist die 30 jährige Hedwig Klara Neumann. Dieselbe hatte zulest 3½ Jahre wegen Betruges im Gefängniß zugebracht und dort die Bekanntschaft einer unverehelichten M. gemacht. Bald nachdem die Beiden entlassen waren, begegnete die Neus mann ihrer Freundin auf der Straße und erzählte thr, es ginge ibr sehr gut, denn sie habe den Grafen Malzahn auf Schloß Militsch" geheirathet und befinde sich eben in Berlin , um Eintäufe zu machen. Im Laufe der weiteren Unterhaltung bes mertte die Frau Gräfin", daß ihr die fühle Witterung empfindlich sei, um so mehr, als fie vergessen babe, beim Verlassen ihres ziemlich weit gelegenen Hotels ihren Mantel mitzunehmen; ob das Fräulein nicht so freundlich sein wollte, ihr( der Gräfin) den ihrigen für einige Stunden zu leihen; sie werde ihr den selben alsdann mit größtem Dante zurückstellen lassen. Die M. ließ sich bestimmen, der vornehm gewordenen ,, Sit"-Freundin, die sie wegen ihres Glückes nicht wenig beneidete, ihren ziem lich werthvollen Mantel zu übergeben; vielleicht dachte sie, daß es fich später einmal glänzend belohnen könnte, wenn sie die Gemahlin des Grafen Malzahn fich verpflichtete. Sie empfahl fich der letteren angelegentlich, aber vergebens wartete sie auf ihren Mantel; weder wurde ihr dieser zurückgestellt, noch ließ fich die Gräfin" wieder sehen. Dagegen erhielt die M. wieder holt Telegramme, in welchen die Dame ihre bevorstehende Anfunft in Berlin anzeigte und die M. ersucht wurde, fich auf dem Bahnhofe zur Begrüßung einzufinden. Die M. leistete diesem Ersuchen auch mehrmals Folge, aber wer nicht tam, war die
Die Glanznummer aber bildet folgender Triumph der Frau Gräfin Malzahn alias Klara Neumann. Dame Neumann Wunderhüte:
Wer kennt die Völker all' mit Namen, Die hier in Maffen schon zusammenfamen. Weit über die Grenzen Berlins hinaus Schallt das Lob dieser Hüte von Haus zu Haus, Und freudig tönt es von Mund zu Mund, Und Einer thut es dem Andern fund: Daß unübertroffen, billig und gut Nur ein bei Tusch" gekaufter Hut. Nicht nur vom grünen Strand der Spree , Aus Rummelsburg , aus Plößensee, Aus Sonnenburg, selbst aus Rüstrin Sieht man die Kunden zu mir ziehn. Sie traten mit schäbigen Deckeln meist ein Und verließen den Laden wie Grafen so fein. Drum frisch herein und nicht besonnen, Wer hier getauft, wird sicher wiederkommen, Denn feinere Hüte für so wenig Geld, Giebt's nirgends weiter auf der Welt.
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hat sich auch längere Zeit als Mitglied des föniglichen Opernhauses" ausgegeben und verschiedene Personen auf Grund dieser Angabe empfindlich betrogen. So hat sie einer Frau D. in Charlottenburg , der fie mittheilte, fie befize ein Vermögen von 30 000 Mark und sei mit dem Professor v. B. bekannt, den Betrag von 500 Mart abgeschwindelt. Frau A. hatte sich zu der Hergabe des Geldes umsomehr verstanden, als die Neumann ihr versprach, fte als Krankenwärterin in der Privatklinik des Profeffors v. B. mit einer täglichen Remuneration von zehn Mart unterzubringen, und sogar ein bezügliches( natürlich ge= fälschtes) Schriftstück mit der Unterschrift des Herrn Profeffors produzirte. Das letzte Stückchen führte sie vor drei Tagen in einem Laden in der Landsbergerstraße aus. Auch hier gab sie fich als eine„ tönigliche Opernsängerin" aus und bestellte eine Partie Tüllwaaren im Werthe von 1200 Mark. Der Inhaber des Geschäfts nahm auch kein Bedenken, ihr die Waaren zuzusenden. Doch jest sollte die abgefeimte Schwindlerin von ihrem verdienten Schicksal ereilt werden, denn als sie den Laden vers laffen und einige Schritte gethan hatte, kam ihr die unlängst