157» Kon«al»end> den 7. Juli 1888. S. ZntzSK. erlmerVolksiillltt Brgan für die Interessen der Arbeiter. * Da«„Berliner Volk«blatt" «scheint täglich Morgen« außer nach Sonn- und Festtagen. IlbcnnetnentäpreiMur Berlin frei in« Haut vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 Marl. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntagt-Nummer mit dem„Sonntags-Blatt" 10 Pf. (Eingetragen in der PostzeitungtpreiSliste für 1888 unter Nr. 349.) Insertion« gebühr beträgt für die 4 gespaltete Betitzeile oder deren Raum 25 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf. 39« größeren Aufttägen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags m der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen-Bureaux, ohn« Erhöhung des Preises, angenommen. Ä «1 ffllll N-daKttlm: Deuchstraße S.— Grpedttio«: Zimmerstraß- 44. Die freie Konkurrenz. Es ist jetzt wiederum die Zeit, wo die Handelskammer- berichte der Oeffentlichkeit übergeben werden, und wer die- selben mit Aufmerksamkeit liest, kann daraus manches lernen. Freilich haben auch diese Berichte ihre stehenden RedenS- arten und manche Flachheit muh man mit verdauen, wenn man diese Elaborate strebsamer Handclskammersekretäre von vorne bis hinten durchgeht. So kann es z. B. doch wirklich nur komisch wirken, wenn die Hagener Kammer als Ursache für das Zurückgehen des Unternehmergewinns die „steigenden Lasten für die Kranken- und Unfallversicherung" anführt und dann meint:„Die Arbeiter haben umsomehr Ursache zur Zufriedenheit, als die ausgedehnte Fürsorge des Staates im Verein mit den immer stärker hervortretenden wohlwollenden Bestrebungen der Arbeitgeber sie von mancher eigenen Sorge zu befreien und ihre ganze Lebensstellung zu heben geeignet ist." Worin mag wohl das Wohlwollen der Unternehmer, von dem hier die Rede ist, bestehen? Etwa in den„schwarzen Listen", die heut zu Tage überall auftauchen, oder in den Arbeitsbüchern, nach denen heute das Geschrei in den Unter- nehmerverbändcn stärker als je ist, oder sind die Denun- zrationen der fachgewerklichen Arbeiterorganisationen, oder der Oechelhäuser'sche Verein der Arbeitgeber, oder die national- liberale„Arbeiter-Zeitung " die Zeichen des in Hagen ent- deckien, jetzt so überquellend hervordrängenden Unternehmer- Wohlwollens? Die Fürsorge des Staates für die Arbeiter hat sich bis jetzt ebenfalls nur innerhalb sehr platonischer Grenzen gehalten. Die Unkosten, welche die Kranken- und Unfall- Versicherung heute dem Staat verursachen, sind kaum nennens- werth. Die Unsummen aber, welche die Durchführung des Sozialistengesetzes kosten, wird man doch nicht etwa als zur„Fürsorge für das Arbeiterwohl verausgabt" buchen wollen. Zndeß, nicht alle HandelSkammcrberichte bewegen sich in dem gleichen Geleise wie der der Hagener Kammer, und mancher dieser Berichte wirft Streiflichter auf unser wirth- schaftlicheS Leben, wie eS sich innerhalb der kapitalistischen Produktion entwickelt, die wirklich eingehender Beachtung werth sind, l So z. B. finden wir in dem Bericht der Chemnitzer Handelskammer ein Urtheil über die Wirkungen der freien und uneingeschränkten Konkurrenz, wie es vernichtender über diese Panacee unserer modernen Wirthschaftsordnung gar nicht gefällt werden kann, wenngleich der Verfasier diese Wirkung nicht beabsichtigt haben dürfte. Der Bericht schenkt nämlich der im Kammerbezirk hauptsächlich vertre- tenen Textilindustrie eine eingehende Würdigung und kommt JeuM'eton. Ihre Tochter. [29 Krim 'nal-Roma» nach dem Französische » von K. D e t r i» g. V. Guntram von Arbois stand seit Jahren in Afrika , aber er hatte deswegen nie darauf verzichtet, wieder emmal das Pariser Pflaster zu betreten. Er rechnete auf irgend einen Zufall in seiner militärischen Karriere, der ihn wieder end- giltig nach Paris zurückführen konnte, und so hatte er sich wohl gehütet, das letzte Band zu zerschneiden, das ihn mit dem Boulevardleben verband. Er bezahlte seinen Beitrag als Klubmitglied ruhig weiter, das er bereits als Sekonde-Lieutenant geworden war. Man hatte ihn nicht vergesien und als er jetzt wieder zurückkehrte und den Klub aufsuchte, hieß man ihn herzlich willkommen. Seine ehemaligen Kameraden waren gealtert, einige waren verschwunden und neue Gesichter an ihre Stelle ge- treten. Aber die Erinnerung an den lustigen Guntram war nicht verschwunden. Sein herzliches Gelächter schien noch im gtotze», rothen Salon des Klubhauses wideerzutönen und seine Rückkehr war allen ein Fest. Guntram besaß auch alle jene Eigenschaften, die in einer Klubmänner-Gesellschaft beliebt machen, wo man Prahlern und Schwätzern gleich sehr aus dem Wege geht. Er war kein Spaßverderber, er wußte zu leben, er machte alles mit und verstand mit Anstand ein Spiel zu gewinnen und zu verlieren. Das waren Eigenschaften, die im Klub beliebt machen mußten, beliebter als es die geschwollenen Finanzbarone und die alten Generäle mit ihren ewigen Kriegsgeschichten waren; und gerade an diesen beiden Kategorien von Langweiligen lttt der sehr exklusive Klub keinen Mangel. Am nächsten Tage nach seiner Ankunft in Paris war Guntrum wieder im Klub erschienen, und hier pflegte er dabei auf den vor einiger Zeit eingetretenen Aufschwung in diesem ArbeitSzweig zu reden, welcher einen großen Zufluß von Arbeit und Kapital zur Folge hatte. So weit sich nun nur ein Überangebot von„mittellosen Arbeitnehmern" in einer Industrie bemerklich macht, so meint der Verfasser des Berichts, so birgt dieser Zustand„etwas direkt Schäd- licheS" nicht in sich:„Die überflüssigen Kräfte treten vielfach wieder zurück, sobald die durch nachhaltiges Arbeits- angebot verursachte Lohnminderung den Geschäftszweig nicht mehr als bevorzugt erscheinen läßt." Vom Unternehmer- Standpunkt aus ist vorstehendes durchaus korrekt gedacht. Der Profit wächst, je mehr sich Arbeit anbietet und infolge dessen der Lohn sinkt. WaS aber aus den überzähligen Arbeitern wird, welche„zurück treten' müssen, das geht den Kapitalisten natürlich nichts an. Darum mögen sich die Gemeinden kümmern, deren Armenbudgets durch die künstlich herangezogenen und dann infolge ihrer„Ueberflüssigkeit" der Verarmung verfallenen Arbeiter überlastet sind, oder es mögen die Arbeitslosen- und Bettlerkolonien aushelfen, in denen man ja in neuerer Zeit die überschüssige Arbeiterreserve gewissermaßen„über- wintern" will, um sie dann, sobald Bedürfniß nach„Hän- den" vorhanden ist, dem Kapital wieder zur Verfügung zu stellen. So gleichgiltig es aber dem Kapitalisten ist, waS auS den„Händen" wird während der Zeit, wo er ihrer nicht bedarf, und so angenehm es ihm ist, wenn diese„Hände" sich zu der Zeit, wo Nachfrage nach ihnen ist, Konkurrenz unter einander machen, um so die Löhne zu drücken, so un- angenehm ist es ihm, wenn diese Konkurrenz sich nicht nur auf dem Gebiet des Arbeits-, sondern auch auf dem des Kapitalangebots geltend macht. „Gefahrdrohend— so heißt eS in dieser Beziehung in dem Äammerbericht— aber wird der Zustand, sobald eine weit ausgedehnte Kreditwirthschaft auf den ungesunden Stand- punkt gelangt, nicht bemittelten, in die Industrie neu eintreten- den Unternehmern Vorschuß einzuräumen. Da der betreffende Industriezweig längere Zeit ein blühender ist, so haben sich auch die Händler mit Roh- und Hilfsstoffen auf größeren Absatz eingerichtet, man weiß allgemein, das Geschäft ist ein gewinnbringendes und das Vertrauen in die neu be- ginnenden Unternehmer ein weitgehendes. Man giebt Kredit mit langen Fristen. Verbindlichkeiten werden gedeckt, indem neue, größere eingegangen werden, man produzirt ins Un- gemessene, ohne zu wissen, wo eigentlich abzusetzen, man lombardirt, hilft sich mit Warrants jc. Da erreicht das unabwendbare Schicksal einen der Unvorsichtigen. Die Lieferanten werden stutzig, entziehen den Kredit, drängen auf Zahlung, und der Krach ist da. Die alten, gutsituirten Geschäfte bleiben stehen, aber durch den Hexentanz auch die meiste Zeit zu verbringen, die er nicht Frau von LorriS widmete. Selbst sein Reitpferd, das er sich bald nach seiner Rück- kehr angeschafft hatte und das er wieder verkaufen wollte, wenn er nach GabeS zurück mußte, benutzte er nur selten zu einem Morgenspazierritt. Er hatte die Vergnügen, die der Klub ihm bot, eben zu lange entbehrt, um sich nicht jetzt HalS über Kopf in sie hineinzustürzen und sie, so lange sein Urlaub dauerte, gründ- lich auszukosten. So hatte er allmälig wieder alle Gewohnheiten seines rüheren Boulevardlebens angenommen; er hebte das Spiel wieder, dem er sich jetzt, wo seine Glücksgüter sich durch den Tod des Onkels im Jura so bedeutend vermehrt hatten, ruhiger hingeben konnte, als früher. Und merkwürdiger Weise war daS Glück ihm jetzt, wo er es nicht nöthig hatte, treuer als einst. Er wunderte sich selber darüber, aber er gewann Gc- schmack daran, und er hätte wohl alle seine Nächte beim Spiel verbracht, wenn nicht Jeanne seiner Leidenschaft für die Karten einen wohlthätigen Zügel angelegt hätte. Heute Nacht aber hatte Guntram genug für sie gethan, als er den Bösewicht verfolgte, der ihre Ruhe bedrohte. Er hatte das Recht gewonnen, sich jetzt einer kostspieligeren aber weniger kompromittirenden Beschäftigung hinzugeben. Seine Jagd auf den Hallunken war ihm übrigens zuletzt sehr zuwider geworden. Die Luft in der elenden Kneipe hatte ihm Uebelkeit erregt, das Rothwälsch, das er gesprochen, schnürte ihm jetzt noch die Kehle zusammen. Er mußte wieder die Sprache gebildeter Leute hören und nebenbei — sich auch die Hände waschen. Auch war es ihm sehr lieb, wenn ihm wenigstens momentan das Ende des Abenteuers, daS für seine Eigen- liebe so wenig rühmlich war. aus dem Sinn kam. Und als er nun die Treppe des Klubhauses emporstieg, nahm er sich fest vor, bis morgen weder an den verdammten Pelikan noch an den liebenswürdigen Baron von Randal zu denken, unter dessen Höflichkeit doch eine Unze Ironie verborgen gelegen hatte. Der Major kam im Klubhause gerade zu„nch- der Ueberproduktion haben sie erheblich ge- ringeren Reingewinn erzielt. Höchst bedenklich gestalten sich aber durch einen derartigen Zeitraum und mit dessen Abschluß die Arbeiterverhältnisse. Angezogen durch die ins Maßlose gesteigerte Produktion, haben sich Schaaken von Arbeitnehmern dem betreffenden Industriezweige in die Arme geworfen, vielleicht sich eigene Werkzeuge und Ma- schinen angeschafft, die Hausindustrie eingerichtet. Da tritt die Arbeitslosigkeit infolge des Kraches ein, und Massen von Fabrikarbeitern und unglücklichen Hausindustriellen sehen sich der Roth preisgegeben. Beide müssen versuchen, in anderen Industriezweigen Unterkommen zu finden; wer ersetzt aber dem Hausindustriellen den Schaden, der ihm verursacht wird infolge der auf Abzahlung entnommenen, nun arbeitslosen Maschine? In diesem Falle hat er seinen Vortheil gegenüber dem einfachen Fabrikarbeiter nicht billig erkauft. Die eben geschilderten Verhältnisse finden, wie oben schon betont, leider Anwendung auf die in unserem Bezirke heimische Stoffhandschuhindustrie. Die Folgen der Ueberproduktion sind nicht ausgeblieben und eine er- schreckende Anzahl Konkurse reden laut Zeugniß von der Richtigkeit unserer Schilderung. Möchte doch die schöne und richtige Gewohnheit in Industrie- kreisen mehr und mehr Eingang finden, einer drohenden Ueberproduktion dadurch zubegegnen, daß gemeinsame Ueberein- künfte zum Zweck der Einschränkung der Produktion auf bestimmten Termin ge- schlössen würde n." Wem krampst sich angesichts dieses Schmerzenschreies eines bedrohten Kapitalistenherzens nicht ebenfalls das Herz zusammen. Wer hat nicht Mitleiden mit den„gutsituirten Geschäften", die sich infolge des Hexentanzes der Konkurrenz mit einem„wesentlich geringeren Reingewinn" begnügen müssen? Wie gleichgiltig und wie wenig„direkt schädlich" ist der Gefahr deS„geringeren Unternehmergewinns" gegen- über doch der Umstand, daß die überflüssig gewordenen Ar- better heute wahrscheinlich als sogenannte Vagabunden auf der Landstraße liegen? ES liegt wirklich etwas Erhabenes in dieser ängstlichen Fürsorge um den„Reingewinn" und in dieser Gleichgiltigkeit gegenüber dem Schicksal der„über- flüssig" gewordenen Arbeiter. Aber noch etwas anderes kann man aus den AuSfüh- rungen deS Berichts lernen: die ganze Hohlheit jener oft gehörten Behauptung, daß es ganz und gar von dem Wollen und Streben deS Arbeiters selbst abhänge, sich vom einfachen, vermögenslosen Arbeiter durch Fleiß, Sparsam- keit und Umsicht zum reichen Manne aufzuschwingen, eS zu einem Borsig oder Zimmermann zu bringen. Jene hunderte, ja tausende von Hausindustriellen in tiger" Zeit an. Um diese Stunde trafen sich die enraairten Klubmitglieder in dem großen Salon des Hauses, um Neuigkeiten auszutauschen, über Politik zu schwatzen und ein wenig über den Nächsten zu klatschen. Ihre Hauptunterhaltung aber bildeten die Frauen, und eS wäre dem Major nicht lieb gewesen, hier etwas über Jeanne von LorriS zu hören. Trotzdem trat er an eine Gruppe von Herren heran, die sich in eine Fensternische zurückgezogen hatte, und die nur auS Freunden von ihm bestand. ES waren zwei oder drei Offiziere seiner Bekanntschaft und einige Lebemänner seiner alten„Garde", alles Gesell- schaftSmenschen reinsten Schlages. Unter ihnen befand sich auch Robert Desternay, der- selbe Robert Desternay, der Jeanne von LorriS im ZirkuS getroffen und sie an jenem Abend ohne eS zu ahnen in eine Reihe von Abenteuer getrieben hatte, als er ihr er- zählte, die Fremde logire bei der Rodin . Er wußte aber natürlich nicht, welche Folgen diese Auskunft gehabt hatte, und auch Guntram, der gern in seiner Gesellschaft weilt« wußte nichts davon, denn Jeanne hatte ihm wohlweislich ihre Erlebnisse verschwiegen. „Da ist ja der Major," rief Desternay.„Guten Abend, lieber Freund. Wie kommen Sie heut so„früh" hierher? Sonst lassen Sie sich doch erst vor dem Diner hier blicken?" „Sie haben Recht," erwiderte Guntram von ArboiS und lachte.„Ich bin ein solider Mensch geworden. In Tunis habe ich mir die traurige Angewohnheit zugelegt, mit den Hühnern ins Bett zu kriechen und aufzustehen. Dazu ist man dort gezwungen.... Aber ich will mich gerne bessern, und deswegen komme ick in den Klub. Ich will spielen, und vor Mitternacht wird ja nicht ernsthaft gespielt. Bis jetzt habe ich mein Glück nur NachmtttagS im kleinen Bakkarat versucht. Das habe ich jetzt satt, und ich will einmal eine Bank zu sprengen suchen, wo eS sich wirklich der Mühe lohnt." „Da treffen Sie es heut Abend gerade sehr gut. Heut Abend kommt ein starker Spieler." „Wer?" Jett« wit 8"
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