hätten, eine rein ficherheitspolizeiliche Thätigkeit zu entwideln. Die Ruhe ist in die Belegschaften des rheinisch- westfälischen Kohlenreviers noch nicht zurückgekehrt. Presse und Versamm lungen forgen dafür, daß dies vorläufig nicht geschieht. Der Wiederausbruch eines Streits über furz oder lang ist daher nicht ausgeschloffen, und die Handelskammer spricht freimüthig den Wunsch aus, daß in diesem unerwünschten Falle nach den oben dargelegten Grundfäßen verfahren werden möchte."

Die Frff. 8tg." bemerkt dazu: Hier werden die In dustriellen, die sonst so sehr für den staatlichen Schuh ihrer Produktion durch Zölle, Tarife 2c. find, auf einmal die reinsten Manchestermänner. Der Staat soll nur die bekannte Nacht wächterrolle spielen und für die Sicherheit der Unternehmer forgen, sich um das Uebrige aber nicht fümmern. Bei der Nordd. Allg. 3tg." werden die Vorschläge, die Arbeiter mög­lichst zu isoliren, schon Verständniß finden. In Desterreich machte man bekanntlich die umgekehrte Einführung: daß die Buziehung der Fabrikinspektoren als Vermittler manchen Streik fchneller erledigt und sogar verhütet hat."

Nun, bei der Stellung, welche die Fabrikinspektoren in Deutschland einnehmen, wollen wir von ihnen gar nicht reden. Aber so rein manchesterlich sind auch in diesem Falle die In­duftriellen gar nicht. Aus dem ganzen Bericht der Handels­fammer geht hervor, daß sie wohl ein Einschreiten der Behörde und zwar gegen die Arbeiter gewünscht hätte; es sollte dieses barin bestehen, daß jede Belegschaft ausschließlich auf die Verständigung mit ihrer Zeche verwiesen" werden sollte. Bei folcher Bersplitterung der Arbeiter wären die Grubenbefizer ihrer wohl Herr geworden.

Was die so gewundenen Klagen über die Gefeßgebung betrifft, die das individuelle Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber" lodere, fo giebt es zur Abhilfe derselben nur ein einziges Mittel, und das ist die Einführung der Hörigkeit, wenn man vor dem Worte Sklaverei zurückbebt. Alles, was in dem Bericht gefagt wird, läuft nur darauf hinaus; nur fcheut man fich, es offen auszusprechen.

Die Regierungspräsidenten von Schleswig , von Lüneburg und von Wiesbaden machen im Reichsanzeiger" bekannt, daß die auf Grund des Sozialistengefeßes im ab­laufenden Jahre verfügten Ausweisungen nach Erneuerung des fleinen Belagerungszustandes in den betreffenden Bezirken noch ein ferneres Jahr in Geltung bleiben.

Aus Sachsen wird uns geschrieben: Der Wahlkampf im Wurzener Reichstagswahlkreise, wo am 8. Oktober eine Neuwahl- an Stelle des verstorbenen Kartellmannes Günther- vorgenommen werden soll, ift insofern interessant, als sie gewiffermaßen eine Probe im Kleinen für die bevor­stehenden allgemeinen Wahlen ist, und die Taktik der Kartell parteien in all ihren Details offen darlegt. Es ist genau die­felbe Taftit, wie bei der vorigen( Faschings.) Wahl- nur noch etwas besser ausgearbeitet. Die Kriegslüge fann um einer einzigen Ersagwahl willen natürlich nicht in vollem Um­fange angewandt werden, sie ist aber da, und mit Kassandra­Stimme hat das Wurzener Tageblatt" bereits seinen schaudern­den Lesern das blutige Kriegsgespenst" gezeigt, das wieder in Europa umgeht. Auch die Verhebung gegen die Oppositionsparteien, der Appell an die Rohheit der Ungebildeten( denLandbewohnern wird vorgeredet, dieSozial demokraten und Deutsch freisinnigen wollten sie ,, an den Bettelftab bringen" u. f. w.) wie die sonstigen bekannten Demagogen­funststückchen fehlen nicht, und haben auch bereits ver­fchiedene abscheuliche Erzesse der Herren Ordnungsleute zur Folge gehabt. Doch das ist das Nebensächliche. Die Haupt­fache ist: an sämmtliche Gemeindevorstände, Bürger­meister, Pfarrer, Schullehrer, Gendarmen, Richter- furz an fämmtliche Staats- und Gemeindebeamte ist von einer 3entralstelle aus, die zwar nicht offiziell amtlich ist, aber die Autorität der höchst en offiziell amtlichen Stelle hat, die Weifung oder Ordre ergangen, mit Aufgebot aller Energie und all ihres Einflusses für die Wahl des Kar­tellfandidaten agitatorisch thätig zu sein. Infolge dieser Ordre denn einer solchen kommt es gleich find fämmtliche Pfarrer, Schulmeister, Gemeindevorstände, Gendarmen 2c. 2c. des ganzen Kreises eifrige Agitatoren geworden und üben- selbstverständlich nur als Privatpersonen" -all den Drud aus, welchen fie Dank ihrer amtlichen Rapazität auszuüben im Stande sind. Kurz, wir haben die offiziellen Randidaturen in des Wortes verwegenſter Bedeutung daß die Herren Beamten ihrer Agitation den schriftlichen oder mündlichen Vermerk vorfezen: Nichtamtlich" ein Stückchen ein Stückchen Komödie, das unserer Aera der politischen Heuchelei" wohl würdig ist. Dazu nehme man die Vergewaltigung der Gegner, die Verbote ber Oppositionsversamm­Iungen, die Saalabtreiberei und man hat das Bild einer freien Wahl" in Deutschland .

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Bremerhafen , 25. September. Schon wieder standen vor dem hiesigen Seeamt zwei Selbstmorde von Feuerleuten des Norddeutschen Lloyd " zur Verhandlung. Der Kohlenzieher A. Effner und der Heizer G. Dönicke führen beide auf dem Lloyddampfer, Dresden ". Effner sprang am 20. Juni über

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wüsten Insel für mich herangezogen wurde. Auch das noch mußte Timar mir verführen, denn mit dem Weibe, dessen Vater er umgebracht, fonnte er nicht glücklich sein, und er brauchte daher eine Geliebte. Pfui, Herr Timar! Únd des­halb mußten Sie mich auf fünfzehn Jahre an die Galeeren­bank anschmieden lassen?"

Schlag auf Schlag fiel herab auf Timars geschändetes Antlig. 3war was die einzelnen Belastungspunkte betrifft, waren sie alle nicht wahr: er hat nicht Timea's Vater umgebracht"; hat keine Schäße ,, gestohlen" er hat auch Noemi nicht verführt" und Theodor nicht ,, verschwinden" lassen; aber in ihrer Gesammtheit kann er die Anklage nicht von sich abwälzen. Er hat falsches Spiel ge spielt und sich dadurch in alle möglichen Verbrechen ver­wickelt.

Der Deserteur sprach weiter: Als wir im Golf ,, Barra de Rio Grande do Sul " lagen, brach an Bord unferes Schiffes das gelbe Fieber aus. Auch mein Vater bekam es. Er lag im Todeskampf neben mir auf der Bank; man nahm ihn nicht fort. Es ist das nicht üblich. Der Galeerensklave muß dort sterben, wo er angeschmiedet wurde. Für mich war das eine sehr widerwärtige Situation. Den Aften schüttelte den ganzen Tag der Fieberfrost, er fluchte und klapperte dazu mit den Zähnen. Er war unausstehlich mit seinen beständigen Verwünschungen auf die Jungfrau Maria, die er in unga­rischer Sprache ausstieß. Warum fluchte er nicht spanisch? Das flingt auch schön und die Andern hätten ihn dann verstanden. Und warum verwünschte er die Madonna? Ich konnte das nicht ertragen. Giebt es doch männliche Heilige Giebt es doch männliche Heilige genug, die er hätte verwünschen können. Es schickt sich nicht für einen Mann von Bildung, für einen Gentleman, Frauen zu beleidigen. Das entzweite mich gänzlich mit dem Alten. Nicht fein tödtliches Fieber, das mich anstecken konnte lediglich sein unausstehliches Fluchen. So start auch die Bande waren, die Vater und Sohn verknüpften, beschloß ich dennoch, sie zu zerreißen. Es gelang mir auch in Gesellschaft von zwei Kameraden, mit denen ich mich verabredete, zu entkommen."

( Fortsetzung folgt.)

Bord, als der Dampfer das rothe Meer paffirte, Dönice am 23. Juni, ebenfalls im rothen Meere. Aus der langen Ver­handlung greifen wir nur einige Punkte heraus. An dem Tage, an dem Effner über Bord sprang, herrschte große Hize. Im Reffelraum war dieselbe auf 58 Grad gestiegen. Der Arzt des Schiffes, Herr Dr. Kußner, hatte schon Tage vorher dem Kapitän bemerkt, die Leute müßten bei der großen Hiße eine gute Verpflegung, so unter Anderem schon Morgens früh etwas Gebratenes haben, und der Kapitän hatte dann dem Arzt geboten, alles das, was er für die Leute für nöthig erachte, nur zu requiriren. Auf Befragen giebt Herr Kapitän von Schuckmann noch an, daß die Mannschaft des Schiffes an Bord Bier und Rothwein gegen Bezah­lung erhalten könnte, Schnaps dagegen nicht; es fomme jedoch selten vor, daß von den Leuten Jemand Bier oder Wein faufe, denn sie hätten eben kein Geld dazu. Der Beisigende Direktor Jungclaus frägt den Rapitän, ob es fich nicht empfehlen würde, Kulis, Chinesen und Japanesen für füdliche Fahrten als Heizerpersonal zu verwenden. Kapitän Schudmann verneint dies. Die Chinesen 2c. feien im Arbeiten nicht besser als die deutschen Kohlenzieher und könnten auch nicht mehr Hige ertragen. Der Barbier Marholz sah Effner aus dem Logis kommen, sich an die Reeling ftellen, seine Holz­patinen ausziehen, einige Mal sich vor und rückwärts über die Reeling biegen und dann mit einem fich gebenden Schwung über Bord springen. Der Matrose C. M. Petersen fah dieses ebenfalls, im Weiteren aber auch noch, daß Eisner die Hände kreuzweise übereinander auf der Reeling hielt und zum Himmel aufblidte, als ob er bete. Dann sah auch dieser Zeuge Effner fich über die Reeling hinausschwingen. Der Kohlenzieher Klemm fagt aus, daß Effner bei Eintritt der Hize schlaff geworden sei. Der dritte Maschinist habe geglaubt, daß Effner nur faul sei. Klemm dagegen meint, daß Effner wirklich die Hiße nicht habe ertragen können. Einmal sei er sogar so schlaff geworden, daß er ins Feuer gefallen sein würde, wenn ihn nicht der zweite Ma fchinist ergriffen und zurückgeworfen hätte. Hierbei soll Lekterer bem Effner dann eine Ohrfeige gegeben haben. Reichskommissar Georgi fagt: Was die Einrichtung auf dem Dampfer, Dres ben" anbelange, so habe er dieselbe mit Herrn Amisrichter Dr. Grote gemeinschaftlich befehen und sich darüber gewundert, mit welcher Sorgfalt die Ventilations- Einrichtungen ausgeführt feien. An Luft mangelte es den Leuten dabei nicht. Im Rohlenbunker sei er freilich nicht gewesen, jedoch nach den dort befindlichen Luftschächten, sowie überhaupt nach der gesammten Vertheilung der legteren zu rechnen, müsse die Ventilation auch bort gut sein. Die Einrichtung des Schiffes fönne nicht als Ursache der Selbstmorde angesehen werden, es feien vielmehr wohl frankhafte Zustände der betreffenden Leute.(!) Ueber­arbeitet hätten die letteren sich nicht. Es war wohl heiß, aber die Ventilation gut und den Leuten auch noch zeitweilig erlaubt, unter die Luftschächte zu treten, und unter diesen sei es derartig, wie Redner sich überzeugt habe, daß man von dem Luftzuge wohl fortgeweht werden fönne, zumal wenn das Schiff sich noch dazu in Fahrt befinde. Das Seeamt fällte nach Schluß der Verhandlungen den folgenden Spruch: Die Verhandlungen haben ergeben, daß am 20. Juni 1889 der Koblenzieher Effner und am 23. Juni 1889 der Heizer Dönicke über Bord gesprungen und ertrunken sind. Zur Net­tung der Verunglückten sind alle möglichen Maßregeln ge­troffen worden. Es ist durch die Beugenaussage nicht erwiesen, daß schlechte Behandlung seitens der Vorgesezten oder anderer Personen der Schiffsbesaßung den Verunglückten Veranlassung hätte geben können, sich das Leben zu nehmen. Die Einrich tungen des Heizraumes und des Kesselraumes, insbesondere die Ventilation derselben, find in feiner Weise zu beanstanden.- Also krankhafte Bustände" veranlaffen die Kohlenzieher der Lloyddampfer, über Bord zu springen und ihrem Leben durch Selbstmord ein Ende zu machen. Nun gut, vielleicht bequemt man sich maßgebenderseits dazu, einmal zu untersuchen, wo­durch diese frankhaften Zustände" entstehen. Wir sind uns darüber längst flar. Wer jemals eine solche Hölle, wie den Kesselraum eines Lloyddampfers betreten und die Leute bei ihrer unmenschlichen Arbeit in einer solchen Atmosphäre

man denke 58 Grad gesehen hat, der ist über den Ursprung der krankhaften Zustände" teinen Augenblick im 3weifel.

Ein amerikanisches Urtheil über die europäischen Verhältnisse. Im Pittsburger Volksblatt" lesen wir:

Herr Friedrich Raine , bis vor Kurzem Vereinigte Staaten Generalfonful in Berlin , ist soeben aus Deutschland zurück­gekehrt und hat sich nach seiner Landung in New York einem Vertreter der Preß News Assoziation" gegenüber in einer Weise über europäische Verhältnisse ausgesprochen, die, wenn es dies bedürfte, von seinem gefunden Urtheil neuerdings Beugniß giebt und in angenehmer Weise von dem chauvinisti­schen Geifte absticht, der leider auch auf deutscher Seite oft zu finden ist. Herr Raine sagt u. A.: In Frankreich so gut wie in Deutschland wünschen die Konservativen feinen Krieg, allein Rußlands Ehrgeiz und die panslavistische Agitation mag dennoch zu einem solchen führen." Herr Raine ist sogar der Ansicht, Frankreich und Deutschland follten eher Freunde als Feinde sein, denn Rußland sei unter dem Szepter des autokratischen Zaren ein gefährlicher Gegner für Beide. Ein allfälliger Sieg Rußlands in einem Kriege ist gleichbedeutend mit der Ueberhandnahme autokratischer Ideen und mit einem Schlag gegen j.de fonftitutionelle oder gar republikanische Regierungsform. Denkende Staatsmänner in Frankreich durchschauen diese Zwecke Rußlands und sind des­halb keineswegs geneigt, das Revanchegefchrei gegen Deutsch­ land zu ermuthigen, sie glauben, daß früher oder später sich die Werhältnisse so sehr ändern, daß es ganz wohl zu einer Entente cordiale zwischen Frankreich und Deutschland wird kommen fönnen. Herr Raine fürchtet, daß die ungeheuren Kriegsvor bereitungen von ganz Europa und die enormen Rüstungskosten, sowie die daraus folgende drückende Besteuerung die Völker endlich erschöpfen und den Ausbruch des Krieges noch beschleu nigen, der im Grunde von allen Freunden des Fortschritts und der Zivilisation in Europa verabscheut wird.

Wenn Herr Raines sagt, die Ronservativen" in Deutschland und Frankreich wünschten keinen Krieg, so ist das mit einem Fragezeichen zu versehen. Behaupten doch sogar die Organe unseres Reichskanzlers, es gebe in Deutschland unter den Konservativen eine Kriegspartei", deren Chef bekanntlich eine sehr hohe und einflußreiche Stellung hat.-

Oesterreich- Ungarn.

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In der lezten Nummer der Wiener Arbeiter- 3tg." findet fich folgende Erklärung:

Wir sind unseren Lesern eine Erklärung darüber schuldig, warum der allergrößte Theil von ihnen die Nr. 5 der Ar­ beiter- Zeitung " nicht erhalten hat. Wie das Erkenntniß an der Spiße des Blattes ausweist, wurde das Blatt konfiszirt, wir fügen hinzu, wider die gewohnte Uebung, erst am Freitag früh tonfiszirt. Sonst geschieht dies Donnerstag Abend. Die Staatsanwaltschaft, wie üblich, um Bekanntgabe der bean­standeten Stellen angegangen, verweigerte diefelbe. Wir wat en somit gezwungen, mit der Herausgabe der zweiten Auflage auf das Erkenntniß zu warten, welches erst am Dienstag, den 17. b. M., in unsere Hände gelangte. Die nunmehr hergestellte zweite Auflage wurde nun abermals mit Beschlag belegt, dies­mal nicht wegen des Inhaltes, sondern weil die Nr. 5 Nr. 5 schon erschienen sei." Die zweite Auflage gesehen, obwohl mit der ersten Auflage kaum 1400 Exem­plare von den 6800, welche wir benöthigen, ausgegeben waren. Der Herr Staatsanwalt wird Gelegenheit haben, sein Borgehen zu rechtfertigen, oder wenigstens zu erklären, da er die Herausgeber und den Redakteur der Arbeiterzeitung"

wurde als ein besonderes Erscheinen des Blattes an

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wegen Uebertretung der§§ 10 und 11 des Preßgefeßes unter Anklage gestellt hat. Wir sind begierig darauf, den Versuch feiner Rechtfertigung zu hören.

Unsere Leser aber bitten wir, nicht uns zur Laft zu leger, was die Schuld der Verhältniffe ift. Sie müssen damit vorlieb nehmen, daß unsere heutige Nr. 6 in größerem Um­fange erscheint und außer dem neuen Stoff ben nicht veralteten und nicht konfiszirten Theil des Inhalts der Nr. 5 nochmals enthält.

Im Uebrigen werden unsere Leser die Annehmlichkeiten zu würdigen wissen, welche die Herausgabe eines Arbeiterblattes mit sich bringt. Das scheinen allerdings liebliche Zustände zu fein.

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Weiter schreibt das Blatt:

Die deutschnationalen Antisemiten erfahren nunmehr am eigenen Leibe, wie es schmeckt, gemaßregelt zu werden. Und sie erfahren, was das heißt, wenn eine feile, servile und heuchle­rische Breffe dazu Hurrah! schreit oder, was noch elliger ift, ihre offenkundige Schadenfreude hinter allerlei würdevollen und hochpolitischen Grimassen versteckt. Uns ist die politische Freiheit überall gleich heilig, für Freund wie für Feind; uns gilt jede politische Verfolgung gleich verwerflich, gilt fie uns oder dem Gegner.

Aber die Herren Antisemiten mögen daraus lernen, welchen Grad von Verachtung es erregen muß, wenn fie und ihre Organe zu allen Sozialistengefeßen Bismarc's Bravo! heulen, jede Knebelung der deutschen Arbeiter als echt natio nale That", wenn fie fentimental gestimmt find als traurige Nothwendigkeit" auffaffen.

Nebenbei bemerkt, werden nur deutschnationale Vereine, Kouleur Schönerer, aufgelöst; die schwarzgelben Antisemiter, Kouleur Lueger , erfreuen sich des besten Wohlseins und der höchften Protektion. Woraus nicht etwa folgt, daß sie die Befferen sind.

Großbritannien .

Der Streit der Schneider im Ostend dauert fort. Von zuverlässiger Seite wird uns über die Streitfrage zwischen den Meistern und den Arbeitern folgende Aufflärung gegeben. Die Bohnfrage spielt in diefem Streit teine Rolle, fondern es bandelt fich um die Reduktion der Arbeitszeit, die bis jetzt 14 bis 16 Stunden pro Tag ausmachte, auf 10 Stunden. Dieses wurde von den Meistern im Prinzip angenommen, doch weigerten fie fich einmal das Streiffomitee anzuerkennen, und sodann kam n fie in der legten Minute mit der Forderung, nach Stunden zu bezahlen. Bisher ist der Arbeitstag immer als Ganzes be handelt worden. Die Idee der Meister. jetzt Stundenlohn einzuführen, hat natürlich nur den Zweck, den Zweck, eine Lohn­reduktion zu mastiren, sodann aber auch den, ras Uebereinkommen betreffs Ueberzeit hinfällig zu machen. Die beiderseitigen Drganisationen haben sich an den Bankier Samuel Montagu , Parlamentsmitglied für Whitechovel, gewandt und ihn ersucht, den Vermittler zu spielen. Die Meister behaupten, daß die Arbeiter durchaus nichts gegen das Stundensystem einzuwenden haben, was das Streiffomitee mit Hinweis auf die einstimmig erfolgte Verwerfung dieses Systems in allen Arbeiterversammlungen, energisch bestreitet. Es liegt auf der Hand, daß, wenn das System der Stundenarbeit und Stundenlöhnung eingeführt wird, teine Rontrole mehr geführt werden kann, was Zeit und was Ueberzeit ist, und der Zweck des Streifs, die Arbeitszeit innerhalb der Grenzen von 8 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends zu normiren, vereitelt wird. Das Streiffomitee hat von dem Komitee der Dockarbeiter eine Unterstützung von 100 Litr. erhalten. Weitere Unterstügung ist aber dringend nothwendig. Der Streit ist bis jetzt faft ganz auf Kosten der Streikenden selbst geführt worden, wenn man die Unterstüßung der Westend schneider abrechnet. Dah fonach die Mittel ganz erschöpft sind, fönnen sich unsere Leser leicht denken. Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe.

Frankreich .

Paris , 29. September. Die gestern in allen Departe ments zusammengetretenen Zählungsausschüsse haben das Er­gebniß der Wahlen amtlich festgestellt. Von den 576 am Sonntag stattgefundenen Wahlen find 390 endgiltige und in 183 Bezirken haben Stichwahlen stattzufinden. In 129 von den Bezirken, welche Stichwahlen abzuhalten haben, übersteigt die Zahl der im ersten Wahlgange abgegebenen republikanischen Stimmen die reaktionären. Von den definitiven Ergebnissen des ersten Wahlgangs sind 230 republikanisch und 160 fonfer vativ ausgefallen. Die republikanische Mehrheit würde sich daher in der Kammer auf mehr als 360 belaufen.

Paris , 29. September. Im Industriepalaste fand heute die Vertheilung der anläßlich der Ausstellung zuerkannten Preise statt. Der Ministerpräsident Tirard theilte in feiner hierbei gehaltenen Rede mit, die Zahl der Aussteller habe mehr als 60 000 betragen. Die verschiedenen Jurys hätten in Ganzen 33 139 Preise vertheilt, darunter 903 groke Breife, 5153 goldene, 9690 filberne, 9323 bronzene und 8070 Ehren Diplome. Der Minifter sprach allen Ausstellern feinen Dank aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die fremden Aus­steller ein gutes Andenken an Frankreich mitnehmen würden. Frankreich fei von dem Wunsche beseelt, mit Jedermann in auter Harmonie zu leben, ohne jedoch irgend etwas von feinen Interessen und seiner Würde zu opfern. Der Präsident Carnot dantte ebenfalls den Ausstellern und sprach die Hoffnung aus, daß die Ausstellung von 1889 für Frankreich eine Aera ber Beruhigung eröffnen werde und daß die Gäste Frankreichs , welche dieses fennen gelernt, in ihre Heimath aufgeklärte Urtheile mitnehmen werden, die nicht ohne Wirkung auf die Beziehungen zwischen den Völkern bleiben würden. So würde die Politit, welcher Frankreich treu bleibe, neue Vertheidiger gefunden und die Ausstellung einer großen Sache: dem Frieden und der Humanität gedient haben.

Soziale Uebersicht.

Auf dem in Braunschweig stattgehabten Verbands­Lohnfrage behandelt. Ein Redner, Schmidt aus Leipzig tage deutscher Lohnfuhrunternehmer wurde auch die führte an, daß in Leipzig ein Monatslohn von 50 M. gezahlt würde; wenn man hierzu 20 M. Trinkgeld rechne, fo verdiene der Kutscher noch mehr als den ortsüblichen Tagelohr. ( Unter diesem ist der Lohn des gewöhnlichen Handarbeiters zu verstehen.) Die Trinkgelder werden also auch zum Lohn ge rechnet! Dann hat ja der Kutscher Recht, wenn er jeden Fahrgast, der ihm kein oder kein genügendes Trinkgeld zahlt, als einen behandelt, der ihn um feinen Lohn betrügt! Her Riem aus Frankfurt a. M. trat der Ansicht des Herrn Schmidt entgegen; er meinte, ein Lohn von 2 M. täglich sei für einen Ruischer, der täglich von Morgens bis Abends dem Wetter ausgefeßt sei, entschieden zu gering; er halte 5 M. täglich nicht für zu hoch. Betreffs der Lohnfrage wurde kein Beschluß ge faßt, wohl aber gegen die in Berlin erscheinende Fahrzeitung" welche in fyftematischer Weise das Verhältniß zwischen Fuhr herrn und Kutscher trübe. Es wurde als Pflicht der Verbandes mitglieder erklärt, darüber zu wachen, daß solche und ähnlice schlechte Lektüre nicht in die Hände der Kutscher komme. Das ist die Hauptfürsorge für die Arbeiter in allen Unternehmer­verbänden, dafür Sorge zu tragen, daß die Arbeiter nicht me ralisch" verdorben werden, und moralisch verdorben werden sie durch Alle, welche die Arbeiter auf ihr materielles Wohl auf merksam machen.