am Gesundbrunnen " vernommen. Dabei stellte sich die ganze Geschichte als eitel Weibergeschmäß heraus. Bernasch gab an, daß er am Abend der That unmittelbar nach der Entdeckung zwar in der Baneß'schen Wohnung gewesen sei, aber eine Be gegnung, wie die geschilderte, dort nicht gehabt habe. Allerdings habe er am vorigen Dienstag in der Nähe seiner Wohnung einen Mann getroffen, der ihn nach dem Bahnhof Viehhof gefragt, und den er dahin begleitet hätte, diefer Mann habe aber nicht schwarzes Haar und schwarzen Schnurrbart, sondern einen röthlichen Vollbart gehabt. Der Fremde habe ein Packet in Glanz leinwand bei sich gehabt, wie es Kolporteure zu tragen pflegen, er habe sich als Kriminalbeamter ausgegeben und dabei auf fein Padet deutend erzählt, daß sich die Kriminalbeamten in den verschiedensten Verkleidungen bewegen müßten, so z. B. müffe er jegt in der Rolle eines Rolporteurs herumlaufen. Gesprächsweise hat dann der Fremde geäußert, er glaube nicht, daß Klaufin der Mörder sei, aber daß er dies ganz bestimmt wiffe, das habe er nicht gefagt. Der Fremde hat dann noch dem Pernasch seine Adresse: Taubert, Gesundbrunnen , Biesenthalerstraße 13" gegeben. Als derselbe auf ein Blatt seines Notizbuches diese Adresse schrieb, will Bernasch gesehen haben, daß in dem Notizbuche stand: Frau Grunow, BlumenthalStraße 36 erhält die Loreley ." Wie festgestellt worden ist, hat die Frau Grunom von einem Kolporteur mehrere Eremplare eines Lieferungswertes mit dem Namen Loreley " erhalten. Aufgeregt oder gruselig will Bernasch durch die Erzählungen des Fremden nicht geworden sein. Derselbe sei thm auch gar nicht etwa als verdächtig vorgekommen, er habe Jenen einfach für einen Schwadroneur gehalten und auch an dessen Beamtenqualität nicht geglaubt. Lediglich aus diesem Grunde habe er von dieser Begegnung feiner Wirthin erzählt, diese habe wieder einer Nachbarin, Frau Wilsch davon erzählt, die einen Schwager habe, der Bes richterstatter sein soll, und auf diesem Umwege sei aus dem röthlichen Vollbart ein schwarzer Schnurrbart und aus dem harmlofen Plauderer ein des Mordes verdächtiger Mensch geworden. So weit die Bekundung des Pernasch. Nun ist ferner bereits ermittelt worden, daß der betreffende Kolporteur einer Frau Haß, Biumenthalstr. 12, gegenüber sich ebenfalls als Kriminalbeamter gerirt hat, und so dürfte die ganze alarmirende Nachricht nur ein Strafmandat gegen den Rolporteur Taubert megen groben Unfugs zur Folge haben. Für die Untersuchung wider Klausin ist dabei gar nichts herausgekommen.
Dem u 12 Jahren Zuchthaus verurtheilt geweſenen Kammerdiener Brochrom muß der Gedanke, sich das Leben zu nehmen, ganz plöglich gekommen sein. Denn am Donnerstag Abend empfing sein Vertheidiger, Rechtsanwalt Wronker, einen am Vormittag des genannten Tages geschriebenen Brief des Brochnow, in welchem der Verurtheilte seinen Anwalt bat, falls es ihm möglich sei, am nächsten Tage im Untersuchungsgefängniß ihn aufzusuchen; er wolle sich nicht bei dem Urtheil beruhigen und möchte daher mit ihm betreffs der Anmeldung der Revision Rücksprache nehmen. Als infolge dessen der Rechtsanwalt Wronker am Freitag Vormittag fich zu feinem Klienten begeben wollte, war er nicht wenig überrascht, als man ihm die Mittheilung machte, Prochnow bedürfe keines Rechtsbeistandes mehr.
Bar Explosion in Spandau . Nach dem„ A. f. d. H." ift begründete Hoffnung vorhanden, daß die schwer verletzten Arbeiterinnen des Feuerwerkslaboratoriums zu Spandau am Leben erhalten bleiben. Die hauptsächlichsten Verlegungen find durch Zündhütchen verursacht worden, welche einzelnen Arbeiterinnen zu Hunderten ins Fleisch eingedrungen waren. Der Betrieb ist in der Seftion IV, in welcher sich die Katastrophe ereignete, noch nicht wieder aufgenommen worden. Die Thätig teit wird jedoch wieder beginnen, sobald der am Gebäude angerichtete Schaden ausgebeffert ist.
Ein heftiger Zusammenstoß zwischen zwei Droschken fand gestern Nachmittag an der Ede der Dorotheen- und Friedrichstraße statt. Das Pferd einer Droschte war infolge bes Puffens einer Lokomotive schen geworden und rannte nun die Dorotheenstraße entlang. An der genannten Straßenecke prallte das Gefährt gegen eine andere Droschte mit solcher Gewalt, daß ihm die Hinterachse mit beiden Rädern abgeriffen wurde und auch ein Vorderrad in Trümmern ging. Durch bie jähe Hemmung der Geschwindigkeit wurde der Rutscher im hohen Bogen auf den Straßendamm geschleudert. Der im Wagen figende Fahrgast tam glücklicherweise mit dem bloßen Schreck davon. Der Kutscher schien erhebliche Abschürfungen an Geficht und Händen davongetragen zu haben. Während der Fahrgast nach Bezahlung seiner Tour verschwand, sammelte der hintende Kutscher die Ueberreste seines Fahrzeuges zu fammen und trat dann, sein Rößlein am Zügel führend, den Heimweg an.
Ueberfahren wurde am Sonntag ein faft achtzigjähriger Greis in der Wendenstraße von einem Omnibus der Linie Stettiner Bahnhof- Görlizer Bahnhof. Der alte Mann hatte vor Angst und Schrecken die Sprache verloren, so daß er nicht anzugeben vermochte, wie er heiße und wo er wohne. In den nämlichen Omnibus, welcher das Unglück angerichtet, ward der Berlegte hineingelegt und so zur Sanitätswache am Görliger Bahnhof gefahren. Auf der Wache, wo es fich ergab, daß der Alte zwar mehrere kleinere Verlegungen davongetragen habe, aber glücklicher Weise nicht ernstlicher beschädigt worden sei, erlangte der Mann die Sprache wieder und gab an, H. zu heißen und in der Brandenburgstraße zu wohnen. Auf die Hausnummer wußte er sich jedoch nicht zu besinnen, erklärte aber, das Haus zu kennen. Nachdem H. auf der Wache verbunden, ward der Verunglückte darauf in eine Droschte geschafft und seiner Wohnung zugeführt, wobei er während der Fahrt seinem mitgegebenen Begleiter die Richtung andeutete, welche der Wagen in der genannten Straße nehmen sollte, bis er das Haus heraus
tannte.
Verfehltes Biel". In dem Gehölz gegenüber der Hinderniß- Rennbahn( am Wildzaun der Schäffer- Boit'schen Forft hat sich am Freitag Nachmittag ein etwa 22 jähriger junger Mann erschossen. In der bei der Leiche vorgefundenen Uhr war, dem„ Charlottenburger Neuen Intelligenzblatt" zu folge, der Name Beufert " eingravirt. In einer Tasche fand sich ein Zettel vor mit der Aufschrift:„ Verfehlies Biel". Der Selbstmörder ist 1,70 Meter groß, hat furz geschorenes blondes Haupthaar und einen Anflug von Schnurrbart.
Ein schwerer Zusammenstoß fand am Montag Abend zwischen einem Omnibus und einem Militärfouragewagen statt. Lekterer verließ, hoch mit Heu beladen, den Ecke Magazinund Alexanderstraße befindlichen Fouragespeicher in dem Augenblice als sich ein Omnibus der Linie Oranienplag- Stettiner Bahn von der Jannowißbrücke her näherte. Der nicht mehr zu vermeidende Zusammenstoß war ein furchtbarer. Der Stoß, der den Omnibus in die Seite traf, war ein so gewaltiger, daß der vollbesetzte Omnibus umschlug. Die meisten der Deckpaffagiere retteten sich durch einen fühnen Sprung. Als ein wahres Wunder muß es argesehen werden, daß kein Passagier, fleine Schürfungen abgerechnet, verwundet wurde.
Entschliches Unglück hat die Konstruktion der beiden Eisenbahnbrücken in der Pant- und Reinickendorferstraße an gerichtet, dem leider ein Menschenleben zum Opfer gefallen ist. Am Sonntag Nachmittag paffirte ein mit 70 Bentnern MauerSteinen beladener Arbeitswagen die Reinickendorferstraße und befand sich unter der betreffenden Bahnbrücke, als plöglich ein Ningbahnzug mit donnerartigem Geräusch über dieselbe hinwegfuhr. Durch den furchtbaren Lärm erschreckt, wurden die Pferde scheu, gingen durch und raften in wildem Galopp die Straße entlang; bei dem Versuche, die feurigen Thiere zu zügeln, stürzte der Kutscher des Fuhrwerts, G. von dem Wagen herab, und zwar so unglücklich, daß das linke Border- und
Hinterrad über die Brust des Unglücklichen fortrollten. Mit entseglichen Verlegungen wurde G. nach dem AugustaHofpital gebracht, woselbst er am Montag seinen furchtbaren Leiden erlag.
Ein frecher Doppel- Einbruchsdiebstahl, von denen der eine gelungen ist, während der zweite nur durch einen fonderbaren Umstand nicht den für die Einbrecher gewünschten Erfolg hatte, wird uns von der Nacht zum Sonntag aus dem Hause Wallfir. 15 gemeldet. In demselben befindet sich das Delitateffen- Geschäft von Tiints, welchem in genannter Nacht Einbrecher dadurch einen Besuch abstatteten, daß fie die LadenJalousien hochhoben und, nachdem sie so in das Geschäftslokal eingedrungen, die Ladentaffe erbrachen. Dieselbe hat jedoch zwei Fächer, von denen das eine die Tageslofung von 300 M., bas zweite 16 M. Wechselgeld enthielt. Nur das lettere nahmen die Diebe an sich und, weil ihnen die Beute zu gering, befchloffen sie dem in demfelben Hause belegenen Laden des Papierhändlers B. einen Besuch abzustatten. Die Einbrecher begaben sich nach dem Hofe, drückten die Scheiben des mit dem Geschäftslokal in Verbindung stehenden Arbeitszimmers ein und suchten fodann die hinter den Scheiben befindlichen Fensterladen mittelst eines Stemmeisens zu erbrechen. Beim Hantiren mit dem Tantel und Stemmeifen fiel dieses Handwerkszeug in das Zimmer hinein, und das hierdurch entstandene Geräusch, wohl auch das Fehlen von paffenden Instrumenten, veranlaßte die Einbrecher, den beabsichtigten unliebsamen Besuch aufzu geben. Von den Dieben, die im Hause wohl bekannt sein müssen, fehlt bis jest jede Spur.
Nicolaus v. Savine, jener ruffische Kornet, welcher Sonntag vor 14 Tagen durch zwei Berliner Kiminalbeamte an die russische Grenze geleitet und den russischen Behörden ausgeliefert werden sollte, in Bosen aber seinen Transporteuren entwischte, befindet sich bereits wieder hinter Schloß und Riegel. Wie die hiesige Kriminalpolizei mittheilt, ist Savine in Genf ergriffen worden. Auf die Festnahme des Flüchtlings war seitens der hiesigen Polizei eine Belohnung von 500 M. ausgefeßt worden.
Polizeibericht. Am 30. v. M. Nachmittags wurde auf dem Schloßplaß eine Frau von einem Möbelwagen überfahren und erlitt außer einer Quetschung am Arm anfcheinend schwere innerliche Verlegungen, so daß fie nach der Charitee gebracht werden mußte. Bu derselben Zeit wurde im Thiergarten in der Nähe des Spielplates an der großen Quer- Allee ein unbekannter, etwa 55 Jahre alter Mann mit einer Schußwunde in der rechten Schläfe todt aufgefunden. Die Leiche wurde nach dem Schaubause gebracht. Abends wurde ein Mann in seiner Wohnung in der Staligerstraße erhängt vorgefunden. In der Nacht zum 1. d. M. fand vor dem Hause Alexander Straße 46-48 eine Schlägerei statt, wobei ein Ingenieur und ein Schlächter durch Meffer- bezw. Stockichläge nicht unbedeutend verlegt wurden. Am 30. v. M. Abends fanden Hollmannstraße 32 und Manteuffelstraße 18 und in der Nacht zum 1. d. M. in der Manteuffelstraße 5 fleinere Brände statt, welche von der Feuerwehr gelöscht wurden.
Gerichts- Beifung.
Streikanklage. Am 14. Inni 1889 fchlug der nicht streifende Maurer Spaeth dem streitenden Maurer Kamjunte mit einer Feile ins Gesicht. Ramjunke ließ durch die Polizei den Namen des Spreth feststellen, um ihn wegen der Miß handlung zur Verantwortung ziehen zu fönnen. Spaeth gab darauf dem zur Feststellung seiner Persönlichkeit herbeigeholten Schuhmann an: er sei feit mindestens 14 Tagen täglich von den streikenden Maurern Kamjunke, Karl und Wilhelm Wachner bedroht und beleidigt worden, damit er am Streif Theil nähme. Nunmehr wurden, der Weisung des Puttkamer'schen Streif erlaffes entsprechend, gegen Ramiunte und die beiden Maurer Wachner wegen angeblicher Verlegung des§ 153 der Gewerbeordnung das polizeiliche, dann das staatsanwaltschaftliche und schließlich das gerichtliche Verfahren eingeleitet. Die drei streifenden Maurer hatten sich heute wegen Bergehens gegen§ 153 der Gewerbeordnung vor dem Schöffengericht zu verantworten. Als Vertheidiger stand ihnen Rechtsanwalt Stadthagen zur Seite. Spaeth blieb bei seinen Belastungen, mußte aber zugeben, daß er bestimmte Aeußerungen, die ihn zum Streif bewegen sollten, nicht anzugeben vermöge. Seiner Ansicht nach hatten die Angeklagten ihn durch Drohungen und Beleidigungen zum Aufgeben der Arbeit bewegen wollen. Seine Angaben wurden durch drei weitere Belastungszeugen nicht unwesentlich bestärkt. Der Staatsanwalt beantragte deshalb gegen jeden der drei Angeklagten 14 Tage Gefängniß festzusetzen, zumal die Bestrebungen der Angeflagten gemeingefährliche" feien. Rechtsanwalt Stadthagen wies den Vorwurf einer Gemeingefährlichkeit zurüd und bat um Freisprechung, da weder in juristischer noch in thatsächlicher Beziehung von einer Schuld der Angeklagten die Nede sein könne. Würde man Jedem, der Streitende, wie Spaeth es ja gethan habe, mit Feilen thätlich angreifen und dann den Angegriffenen denunziren, Glauben schenken, so würde man die Rechtssicherheit des Staates gefährden und das gefeßlich gewährleistete Koalitionsrecht der Arbeiter vernichten. Der Gerichthof schloß sich dem Antrage des Vertheidigers an, sprach sämmtliche Angeklagie frei und legte die Kosten der Staatstaffe auf.
Während einer Arbeitspause wurde der Webergeselle Franz Emil Weber in Bernau von seinen Arbeitskollegen gefragt, ob er den jezigen Kaiser schon gesehen habe. Weber mar ärgerlich darüber und gab eine Antwort, die sich auf die Gleichartigkeit aller Menschen bezog, in threm Wortlaute aber eine Majestätsbeleidigung enthielt. Die Sache wurde angezeigt und die erste Straffammer am Landgericht It bestrafte dieses Vergehen gestern mit vier Monaten Gefängniß.
Ein mit besonderer Heftigkeit geführter Kampf gegen eine Berufsgenossenschaft hatte gestern den Redakteur und Herausgeber des Fuhrhalter", Herrn L. Müller, unter der Anklage der wiederholten Beleidigung vor die IV. Straffammer hiesigen Landgerichts geführt. In einer Reihe von Artikeln, welche die Ueberschriften„ Der Anfang vom Ende" und Eine Neujahrsepiftel" trugen, hatte der Fuhrhalter" die Meinung zu begründen versucht, daß die Fuhrwerks- Berusgenossenschaft bei ihrem Vorfißenden Herrn Scharffenberg in den denkbar schlechteften Händen sich befinde und daß die gesammte Art der Verwaltung jener Genossenschaft eine arge Mißwirthschaft sei. Der Fuhrhalter" war in die Einzelheiten der Geschäftsverwaltung mit unbarmherziger Strenge hineingeftiegen und das ceterum censeo ging immer dahin, daß Herr Scharffenberg weder würdig, noch befähigt sei, das Amt des Vorsitzenden zu führen, dasselbe vielmehr vielfach mißbrauche, um für sich refp. feinen Schahmeister Vortheile zu erringen. Speziell wurde u. a. der Vorwurf erhoben, daß Herr Scharffenberg mehrfach an den Protokollen der Vorstandsfigungen nachträglich herumgemodelt habe. Spesiell sei in einem Protokoll verzeichnet worden, daß ein Betriebskapital von 100 000 m. bei der Reichsbank deponirt worden sei, während thatsächlich diese Summe erst später deponirt und inzwischen von dem Schahmeister Dietrich zu eigenen Geschäftsmanipulationen benugt worden sei. Herr Schaffenberg habe dann in seinem eigenen Haufe der Genossenschaft die Bureauräume zu sehr hohem Preise vermiethet und dieser Preis sei dann auch noch erhöht worden. Feiner wurde behauptet und für diese Thatsachen Zeugen gestellt, daß sich Herr Schaffenberg und sein Schazmeister, troßdem dies vom Reichsversicherungsamte als unzulässig erklärt worden war, doch größere Entschädigungs
die
summen für juristischen Beirath" aus der Genoffenschaftskaffe hatten anweifen Taffen. Unter Berufung auf Aften des Kriegsministeriums war auch auf folgen den Fall hingewiesen worden: Ein Sektionsvorsteher der Genoffenschaft, Namens Bodt, über deffen schlechte Geschäftsführung Herr Scharffenberg in einem Reiseberichte lebhaft geklagt hatte, war mit dem Kriegsministeriums einen Vertrag eingegangen, von welchem das lettere aber zurücktrat, da der Betreffende inzwischen Konturfifer geworden war und sich nicht als zuverläffig für die Behörde erwiesen hatte. Für diesen Mann hat nun Herr Scharffenberg als Vorsteher der Berufsgenossenschaft ein Empfehlungsschreiben bei dem Kriegsministerium eingereicht, in welchem plößlich die vielen guten und zeitraubenden Dienste des Konkursifer für die Sache der Berufsgenossenschaften gerühmt wurden. Vor Ge richt erklärte Herr Scharffenberg gestern, daß dieses Schreiben ans Kriegsministerium nicht abgehen sollte und nur aus Irrthum abgegangen ist; der Angeklagte berief sich aber auf die Aften des Kriegsministeriums, nach welchem Herr Sch. das Schreiben perfönlich abgegeben habe. Der Angeklagte hatte durch feinen Bertheidiger Rechtsanwalt Dr. Flatau einen umfangreichen Wahrheitsbeweis angetreten und verwies auf die Thatsache, daß, nach Kenntniß diefes Beweismaterials die Staatsanwalt fchaft ursprünglich die Erhebung der Anklage abgelehnt hatte. Die gestrige Beweisaufnahme hatte das Ergebniß, daß ein Theil der in den polemischen Artikeln vorgeführten thatsäch lichen Vorfommnisse von Herrn Sch. nicht bestritten werden konnte, und derselbe sich nur gegen die persönlichen Angriffe und beleidi genden Schlußfolgerungen wehrte. Den Gipfelpunkt fanden alle diese Angriffe in dem Artikel„ Eine Neujahrsepiftel", in welchem Herrn Scharffenberg ein langes Sündenregifter vorgehalten und mit dürren Worten behauptet wurde, daß derselbe die berufsgenossenschaftlichen Gelder zu eigenen Zwecken benutzt, Entschädigungsgelder in ungebührlicher Höhe erhoben, fetne Amisehrenstellung gemißbraucht habe 2c. 2c.
Da der Angeklagte ferner eine Berichtigung des Vorstandes der Berufsgenossenschaft in dem Fuhrhalter" nicht aufgenommen, fo ist er auch dieser Uebertretung des Preßgefeges be schuldigt. Der Staatsanwalt hielt den Angeklagten sowohl der einfachen wie der schweren Beleidigung für schuldig, wofür er eine Gesammtstrafe von 400 M. event. 40 Tage Gefängniß beantragte. Wegen der Uebertretung beantragte er 50 M. Geldstrafe oder 5 Tage Haft. Der Vertheidiger wies in Betreff des legten Punktes darauf hin, daß die Berichtigung geradezu Beleidi gungen des Angeklagten enthalte, und fein Redakteur fönne gezwungen werden, eine derartige Berichtigung aufzunehmen. Was nun die Beleidigungen anbelange, fo laffe fich allerdings nicht leugnen, daß die beanstandeten Artikel der Form nach einen beleidigenden Charakter trugen. Aber dennoch habe der Angeklagte fich verdient gemacht, daß er die Artikel verfaßte. Die Beweisaufnahme habe Dinge zu Tage gefördert, worüber jedem preußischen Beamten die Haare zu Berge stehen würden. Es sei jedenfalls erwiesen, daß der Vorstand der Berufsgenossenschaft fich so grober Disziplinor überschreitungen schuldig gemacht, daß dadurch Bedenken gegen das ganze Institut der Selbstverwaltungen und befonders gegen die Berufsgenossenschaften entstehen könnten, und wenn dem Anceklagten der Wahrheitsbeweis nicht in allen Punkten ge glückt sei, so theile er hierdurch das Schicksal jeden Privatmannes, der es fich zur Aufgabe mache, im allgemeinen Inter esse Mißstände, die bei einer öffentlichen Behörde bestehen, aufzudecken. Bei der Strafabmessung fei ferner zu be rücksichtigen, daß der Vorstand der Berufsgenossenschaft den Angeklagten in einem Flugblatte einen infamen Ehr abschne der genannt. Nach längerer Berathung erkannte der Geridtshof dahin, daß die fortg sekten Angriffe des Angeklagten nur als eine Handlung anzusehen sei. Die behaupteten Thatsachen seien zum Theil als erwiesen zu betrachten, wo dies nicht der Fall sei, fönne eine verleumderische Absicht nicht angenommen werden. Es sei deshalb auf eine Geldstrafe vou 200 M. ertannt worden. Wegen Nichtaufnahme der Berichti gung erfolgte ein freisprechendes Urtheil.
Ein Geschäfts kniff, welcher vom Gerichtshofe zwar als höchst verwerflich und unmoralisch bezeichnet wurde, aber den noch im vorliegenden Falle durch Bestrafung des Thäters nicht geahndet werden fonnte, unterlag gestern der Prüfung der zweiten Straffammer des Landgerichts 1. Der Handelsmann Heimann Ebenstein befand sich wegen Urkundenfälschung und Betruges auf der Anklagebant. Am 30. Mai wollte der Auktionator Löffler in einem Lokale in der Waffergaffe zwei Kisten Majolifamaaren en bloc verfteigern. Zwei Tage vorher traf der Angeklagte mit dem Händler Samuel Stern zusammen und bei dieser Gelegenheit äußerte der lettere, daß auch er bei der Auktion als Bieter erscheinen werde. Ebenstein wollte sich gerne des Konkurrenten entledigen und griff zu einem Mittel, das ihn auf die Anklagebant führte. Am Morgen des Auktionstages erhielt Stern eine Bofitarte, monach ein gewiffer Möhling, Kolonieftraße 8, ihm anzeigte, daß er einen Posten Schuhzeug billig zu verkaufen habe, Stern möge ihn zu diesem Behufe zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags besuchen. Stern hoffte ein gutes Geschäft zu machen und fand sich schon vor 10 Uhr in dem bezeichneten Hause ein. Ein Mann Nomens Möhling war aber ebensowenig hier wie in den Nebenhäusern zu finden, und als Stern endlich die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß er getäuscht worden, mar es halb elf Uhr geworden. Die weite Tour von der Koloniestraße bis zur Wassergasse nahm auch längere Zeit in Anspruch, und als Stern endlich vor dem Auktionslokale an langte, war die Auftion längst vorüber. Ebenstein hatte die Majolikawaaren für insgesammt 86 M. erstanden. Derselbe machte gar fein Hehl daraus, daß er die falsche Pofitarte ge schrieben habe, um den unbequemen Mitbieter am Erscheinen zu verhindern. Stern faßte die Sache aber übel auf und e ftattete Anzeige. Der Staatsanwalt bedauerte, daß dem Angeflagten nicht beizukommen sei. Die Anklage wegen schwerer Urkundenfälschung fönne er nicht aufrecht erhalten, weil die vorliegende Poftfarte nicht als eine Urkunde angesehen werden fönne, die zum Beweise von Rechten und Rechtsverhältniffen erheblich sei und die Verurtheilung wegen Betruges laffe fich nicht rechtfertigen, weil der Nachweis sich nicht erbringen laffe, daß der Zeuge durch sein Nichterscheinen bei der Auktion einen Vermögensnachtheil erlitten habe. Allerdings fei Stern unt die Wenigkeit gefchädigt worden, die er der Pferdebahn ge opfert, es laffe sich aber nicht annehmen, daß dem Angeklagten diese schädigende Absicht inne gewohnt habe. Der Gerichtshof theilte die Anschauungen des Staatsanwalts und sprach den Angeklagten frei, der mit einem energischen Denkzettel feitens des Berigenden entlassen wurde.
„ Das„ Coupiren" der Schweife bei Pferden muß an einem dem Bublifum nicht zugängigen Orte vorgenommen merden, widrigenfalls die Vornahme dieser Handlung als eine Thierquälerei aufgefaßt wird." So entschied gestern die 94. Ab theilung des Schöffengerichts. Der Koppelfnecht Friedrich Brandt hatte am 30. Mai im Auftrage seines Herrn die oben genannte Brozedur an einem Pferde vorzunehmen. Er that bies auf dem Hofe eines Grundstücke in der Köpnickerstraße, auf dem sich eine Schmiede befand, und verfuhr dabei in der Weise, daß er dem Pferde den Schweif in der Nähe der Wurzel abschnitt und sodann die blutende Wunde mit einent glühenden Eisen ausbrannte. Einer der Zuschauer hielt bies für eine grausame Quälerei und erstattete Anzeige, worauf Brandt von Polizeiwegen mit einem Strafmandat von 20 M. gemaßregelt wurde. Er beantragte hiergegen richterliche Ents fcheidung und stellte im gestrigen Termine unter Beweis, daß tgl. Thierarzneischule ebenso gehandhabt werde und den Thieren das bezeichnete Verfahren ein allgemein übliches sei, auf der fast feine, oder faum nennenswerthe Schmerzen bereite. Der Gerichtshof lehnte alle diese Beweisanträge ab. Die Thier