quälerei werde schon darin gefunden werden müssen, daß an der Operation Aergerniß genommen wurde. Sei das Ver­fahren des Coupirens" unumgänglich, so müsse es wie alle Operationen nicht vor den Augen des Publikums vorgenommen werden. Die Strafe wurde indessen auf 3 M., event. 1 Tag Haft herabgesetzt.

Sieben Termine in ein und derselben Beleidigungsfache ftanden gestern vor dem Schöffengericht am Amtsgericht II und der Straffammer am Landgericht II an. Es handelte sich dabei um einen ebenso seltsamen mie feltenen Vor­gang, der in den südlich um Berlin gelegenen Ortschaften feinerzeit außerordentliches Auffehen erregt hat. Der Handels­mann Welsch zu Glasom bei Mahlom lag zu Ende des vorigen Jahres im Hause seiner Mutter frank darnieder. Am 1. De­zember sandte er seine Schwester zu dem Altfizer Friedrich Liesegang zu Glasom und ließ denselben um einen Besuch bitten. Als Liesegang am Krankenbette erschien, fand er dort den Ortsvorsteher Lehmann und den Gendarmen Röniger, anscheinend mit einer Vernehmung beschäftigt. Nach deren Weggange erzählte der Kranke, daß er nicht sterben könne, ohne sein Gewiffen zu erleichtern und von einem Morde Kennt niß zu geben. Vor einigen Jahren fei ein wohlhabender Mann, der Reisende einer Großhandlung, in der Gegend spurlos ver­schwunden. Der Altfißer Friedrich Hansche zu Selchom und fein( des Wilsch) Schwager, der Gastwirth Dommisch hätten den Fremden todtgeschlagen und auf der Blankenfelder Feldmark verscharrt. Er habe die Geschichte von seiner Schwieger­mutter, der Wittwe Fehlhuber, erfahren. Noch an demselben Tage starb Welsch. Während der Weihnachtsfeiertage fam Liesegang zu feinem Schwiegersohne, dem Bauergutsbefizer Ruble II in Deutsch- Wusterhausen. Dort erzählte er in Gegen­wart seines Schwiegerfohnes und des Altfigers Mielis, was Welsch ihm auf dem Sterbebette von dem Todtschlage erzählt hatte. Nun sprach sich die Sache in allen Ortschaften weit und breit herum. Der alte Hansche ist in Ehren 73 Jahr alt geworden, troßdem wurde die Mär geglaubt und wo er hin kam, da liefen die Kinder vor ihm davon mit dem Rufe: Der hat Einen todtgeschlagen!" oder dort tommt der Mörbrr!" Genau ebenso erging es dem Gastwirth Dommisch und schließlich auch dem Bauergutsbefizer Hansche, dem Sohne des vorerwähnten Altsizers. Dommisch machte furzen Prozeß; er beantragte bei der Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wider sich und Hansche. Dieselbe murde eingeleitet und ergab zunächst, daß auf der Blankenfelder Feld­mart vor Jahren menschliche Knochenreste aus dem Acker ge­pflügt worden waren, die aber nach dem Gutachten Sachver ständiger mindestens 50 Jahre in der Erde gelegen haben mußten und wahrscheinlich aus den Freiheits" friegen stamm­ten. Die Schwiegermutter des verstorbenen Welsch, Frau Fehlhuber, wurde in der Untersuchungssache vernommen. Sie gab an, die Mordgeschichte vom Bahnwärter Reschke erfahren zu haben; Reschke dagegen wollte durch eine Frau Zimmermann davon Kenntniß erlangt haben. Frau Zimmermann aber bezeichnete wiederum den Reschke als thren Gewährsmann und so bewegten sich die Zeugenaussagen in einem Zirkel. Reschte gab nur zu, daß er einmal davon ge­sprochen habe, Hansche hätte Einen todtgeschlagen und ver­fcharrt", aber es sei nur die Rede von einem Hunde gewesen. Die Staatsanwaltschaft stellte darauf die Untersuchung wider Dommisch und Hansche ein, weil sich absolut kein Moment für die Begründung eines Verdachtes ergeben habe. Die Be nachrichtigung, welche die Verdächtigten von der Einstellung der Untersuchung erhielten, glich einer amtlichen Ehrenerklärung. Aber nun zogen die letteren die männlichen und weiblichen Klatschmäuler zur Rechenschaft. Hansche Vater und Sohn und Dommisch strengten zusammen 18 Beleidigungsprozesse gegen ebensoviele Personen an. Zuerst tam der alte Liesegang baran. Derselbe wurde vom Schöffengericht zu Königs. Wuster­Haufen zu 5 M. Geldbuße verurtheilt. In der Verhandlung ftellte sich heraus, daß der sterbende Welsch die Geschichte nur deshalb auf dem Todtenbette erzählt hatte, um seinem Schwager Dommisch, mit dem er in Feindschaft lebte, zu schaden. Er hatte schon früher wiederholt geäußert, er werde sich an seinem Schwager rächen und diesem noch Eins auswischen. Da er seinen Tod vor Augen fah, wußte er, daß ihm die Verbreitung der Verdächtigung nicht mehr schaden konnte. Daß Liesegang mit einer so geringen Strafe davon tam, hatte er lediglich dem Umstande zu danken, daß ihm der sterbende Welsch die Mittheilung auf dem Sterbe­bette und mit einer gewiffen Feierlichkeit machte. Troßbem legte Liesegang Berufung ein, die aber von der Straffammer ver­worfen wurde. Sechs weitere Termine fanden in der ersten Instanz vor dem Schöffengerichte statt. Zwei endeten davon durch Vergleich, zwei wurden vertagt und in zwei Fällen wurde auf Geldstrafen von 15 und 20 M. erkannt. Außer­dem schweben noch drei Prozesse beim Amtsgericht in Röpnick und acht beim Amtsgericht in Mittenwalde .

Versammlungen.

Eine öffentliche Tischlerversammlung tagte am Montag Abend im Konzerthause Sanssouci", Kottbuferstr. 4a, unter Vorsiz des Herrn Millarg. Leider war die Versamm Lung äußerst schwach besucht, ein Umstand, der wohl auf den 1. Oftober, den Biehtag", zurückzuführen ist. Herr F. Zubeil hielt ein beifällig aufgenommenes Referat über das Thema; Die diesjährigen auswärtigen Streits im Tischlergewerbe und thre Rüdwirtung auf die Verhältnisse der Tischler Berlins ." Es müsse Jedermann, so führte Referent aus, in Erstaunen feßen und es sei zugleich ein erfreuliches Zeichen, daß überall, mo die Tischlergesellen augenblicklich im Streit liegen, die Verkürzung der Arbeitszeit als Hauptforderung aufgestellt wor den sei. Diefen sei es sehr zu danken, daß fie endlich die Bresche geschlagen hätten in der richtigen Erkenntniß, daß alle Lohnfämpfe, die diese Forderung nicht zur Grundlage haben, nuglos find, insofern, als eine Verkürzung der Arbeitszeit

und

der damit erlangten Verminderung der Referve armee die errungenen Lohnvortheile bald wieder zu Wasser werden. Redner geht nach einer kurzen Betrachtung über die Nothwendigkeit einer Arbeitsverkürzung auf den Braunschweiger Streit ein, der außer wegen einer fürzeren Arbeitszeit auch um Abschaffung der Arbeitsbücher entbrannt ist. Recht eigenthüm­lich müsse es dem gegenüber berühren, daß der Hamburger Tischlertag( Innung) nach einem Referate des hiesigen Ober­meisters Brandes einstimmig beschloß, die Arbeitsbücher in ganz Deutschland einzuführen.( Gelächter.) Referent fortfah­rend: Dieses Gelächter sei durchaus nicht so angebracht; diese Arbeitsbücher bedeuteten eine ernste Gefahr, welche die Ar­beiterschaft bedrohe. Die Arbeitsbücher einzuführen, sei eine Leichtigkeit, wenn die Berliner Tischlergesellen noch weiter der Organisation ferne bleiben wie bisher.( Rufe: Sehr richtig.)

Dem gegenüber müßten Schritte gethan mer den! Die Kollegen Kollegen in Freiberg in Schlesien hätten die Sachlage vollkommen begriffen. Sie erklärten fich einmüthig gegen diese Maßnahmen und zwangen die Uhrenfabrikanten Edler und Schumann, die die Arbeitsbücher eir zuführen beabsichtigten, durch die Macht ihrer geschlossenen Organisation, ohne jeben Streit hiervon abzulaffen. Dieses sei vielleicht der größte Sieg, der in diesem Jahre im Tischler­gewerbe errungen wurde. Die Lage sei eine ernste. Ueberall fänden die Meister Unterstügung. Die Arbeiterkolonien in Sachsen gewährten reisenden Tischlergesellen nur dann Nacht­quartier, wenn die Gesellen sich verpflichteten, nach Braun­fchweig zu gehen und als Streifbrecher aufzutreten. Doch nicht genug damit, auch das Koalitionsrecht werde zu beschneiden verfucht. Schon genüge die rigorose Anwendung des§ 153

der Gewerbeordnung, der doch nur die Arbeiter treffe, während die Unternehmer Konventionalstrafen einführen, schwarze Listen herausgeben können, schon genüge der§ 153 nicht mehr; Bestrafung des Kontrafibruches werde verlangt. Daß mit der Einführung dieser Bestimmung ins Strafrecht jeder Streit von vornherein vereitelt wäre, sei klar. Wohl fönne ein solcher Paragraph für Berlin nicht besonders schwer ins Gewicht fallen, denn es sei füglich unmöglich, Tausende von Arbeitern auf ein Mal ins Gefängniß zu legen; für kleine Städte, wo vielleicht 50 Gesellen in den Streit eintreten, sei er aber von nicht ab­fehbarer, unheilvollee Bedeutung. Hiergegen müsse ebenso Front gemacht werden, wie seiner Zeit gegen die Arbeitsbücher. Sollte gegenüber solchen Thatsachen und solchen Aussichten der Ruf: Organisirt euch!" immer und immer wieder ungehört verhallen? Reiner fönne leugnen, daß eine Befferung eintreten müsse; jeder fühle es stündlich, täglich! Man müsse sich orga= Könne man auch nifiren. für sich nichts erringen, so müsse man doch dafür sorgen, daß unsere Nach­fommen nicht in derselben ökonomischen Abhängig leben feit vom Kapital aufwachsen und müssen. Eine Aufbesserung sei unbedingt nöthig; felbst die Krone habe dies anerkannt dadurch, daß sie 3%, Millionen mehr forderte und erhielt. Dem Arbeiter fönne aber eine Besserstellung in der heutigen Wirthschaftsordnung nur winken, wenn er sich or­ganisire. Darum: Beitritt zum Fachverein der Tischler!( Bei­fall.) Die Diskussion drehte sich weniger um das gehörte Re­ferat, sondern verflachte sich ganz und gar in Streitigkeiten, welcher Verein der maßgebendste fei. Herr Weber meinte, man solle nicht warten, bis die Organisation fich bis zu zwei Dritteln der Gesellen gestärkt habe, sondern man solle bald in einen Streif eintreten; es sei unbedingt nöthig, in Kürze For­derungen zu stellen. Herr Glode wendet sich gegen diese Ansicht, indem er ausführt, dak ein Streit stets scheitern müsse, menn die große Maffe nicht über ihre Klaffenlage aufgeklärt sei, wenn sie nicht genau wisse, warum sie streite, und daß sie aushalten müsse. Dies habe man bei dem diesjährigen Streit der Maurer und Zimmerer gesehen. Wohl seien große Massen damals den Organisationen beige­treten. Dieser Beitritt sei nur scheinbar gewesen. Mit einem folchen plöglichen Beitritt sei nichts errungen, der erfolge nur, um zu streifen; die Betreffenden wußten nicht, warum sie es thaten, fie fonnten nicht die Tragweite ihrer Handlungsweise ermessen. Die Folgen haben sich auch gezeigt. Nicht nur, daß Viele nach einigen Tagen abfielen, nein, nachher habe sich gar ein Affordarbeiterverein gegründet. Langsam müsse gearbeitet und Aufklärung verbreitet werden; seien zwei Drittel der Gesellen organisirt, dann sei auch ein Streit unnöthig, weil Jeder in seinem Kollegen einen Rückhalt finde. Jeder möge für den Fachverein agitiren, denn in dem angedeuteten Sinne werde derfelbe arbeiten.( Lebhafter Beifall.) Nachdem noch eine ganze Reihe von Rednern gesprochen, hält Herr Zubeil sein Schlußwort, in welchem er der Hoffnung Aus­bruck giebt, daß im Falle eines Kampfes sich die kleinen Branchenvereine zu Gunsten des Fachvereins auflösen werden. Es wurde hierauf beschlossen, die heutige Tagesordnung wegen ihrer Wichtigkeit nochmals in einer neuen Versammlung zu be­fprechen. Unter Verschiedenes" macht Herr Weber auf die Betitionsliften der Spirituskommiffion aufmerksam und bittet, dieselben zu verbreiten und für Aufbringung der Mittel Sorge tragen zu wollen.

"

jenigen Kollegen, welche heute in Afford arbeiten, fein einziger Innungsbruder zu finden ist, sondern daß alle auf dem Stand­punkt stehen, daß sie als ersten Punkt ihrer Agitation die 9 stündige Arbeitszeit festhalten, und daß fie alle diejenigen, melche mühselig und beladen sind, erquicken wollen, sei es materiell oder geistig oder politisch.( Beifall.) Zum zweiten Punkt der Tagesordnung wurde der provi forische Vorstand durch Attlamation einstimmig gewählt. Im Punkt Verschiedenes" rügten einige Kollegen das Ver­halten der Kolonnenführer, die sich aber durch Beweise ver theidigten. Der Kollege Peters spricht den Wunsch aus, die Gehässigkeiten zu vermeiden, und den Vorstand der Freien Vereinigung zur nächsten Mitgliederversammlung als Säfte einzuladen. Nach einigen Ausführungen des Vo fißenden, daß diesem Wunsche auf Grund des preußischen Vereinsgefeßes nicht nachgekommen werden fönne, erhob Kollege Peters feinen Wunsch zum Antrag. Derselbe wurde aber einstimmig ab= gelehnt.

Wir haben diesem Bericht Aufnahme gewährt, weil wir es für unsere Pflicht halten, von allen Vorkommnissen in der Ar­beiterbewegung unseren Lefern Kenntniß zu geben. Wir dürfen jedoch keinen Anstand nehmen, auszusprechen, daß wir uns feineswegs mit dem Prinzip der Affordarbeit einverstanden erklären fönnen. Red.

-

Oeffentliche Versammlung sämmtlicher in der Mühen­branche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen. Dic= selbe fand am Montag, Nachmittag 5 Uhr, im Deutschen Boltstheater", Schönhauser Allee 156 statt. Die Tagesord nung lautete: Die Lohnfrage. Diskussion und Verschiedenes; das Bureau bestand aus den Herren Hunder, Knappert und Niehl. Ueber den ersten Punkt der Tagesordnung referirte Herr Lichtenstein. Er fonnte, anknüpfend an das von ihm in der Versammlung der Selbst­ständigen, Gesellen, Stepperinnen und Mamsells, welche legtvergangenen Freitag am gleichen Ort stattgefunden, Gesagte, den außerordentlich günstigen Stand der Lohnbewegung for statiren. An den Vortrag knüpfte sich eine bis 9 Uhr dauernde außerordentlich eingehende Debatte. Herr R auch führt u. A. in derselben aus, daß es allerdings nicht geringe Mühe und Arbeit gekostet, den Ring der Fabrikanten zu durchbrechen. Man habe in dessen sehen können, daß die Müßenmacher dies dennoch geleistet haben und es glänzend zu Stande brachten. Redner tam auf die mythologischen 1000 M. zu sprechen, die bekanntlich diejenigen Fabrikanten als Konventionalstrafe zahlen müssen, welche sich von den Streifenden unterkriegen" ließ r. Er glaubt indeffen, wenn man einige Positionen der aufaeftellten Forderungen herabsehen würde, dies nur im direkten Intereffe der Arbeiter der Branche selbst geschähe. Redner hofft, daß man alsdann binnen zwei Tagen alle Fabrikanten zum Nach eben bewogen haben würde. Herr Grünwalb wendet sich in längeren, gut begründeten Ausführungen lebhaft dagegen. Rur wenn sich die Interessenten, diejenigen, welche speziell in dem durch die Preisherabsehung bedrohten Arbeitszweig beschäftigt find, für die geplante Reduktion erklären, da sie doch ganz allein fompetent seien, dann auch werde er dafür stimmen. Im andern Falle nicht. Man müsse den Lohntarif unter allon Umständen voll und ganz aufrecht erhalten und verwerflich sei die Diplomatie einiger Glieder der Lohnkommiffion. Rein Fabrikant werde sich durch den plump an die Wand gemalten Popanz der Zahlung von 1000 M. erschrecken lassen; nicht einer werde diese Summe bezahlen. Man fönne im schlimmsten Falle noch etwas warten. Habe man vier Wochen lang ge wartet, fönne man auch noch 14 Tage lang geduldig seir. Konzeffionen, die hier vorgeschlagen wurden, habe man ver Ausbruch des Streits machen können. So wenig aber wie dir Streit von den Arbeitern provozirt worden, so wenig folle man jegt freiwillig weichen. Die übermüthigen Fabrikanten, von deren Zynismus er eine Fülle von Beispielen wüßte, hätten vorher Zeit übergenug gehabt, fich mit den hart bedrängten Arbeitern zu verständigen. Jest ist der Streit da," schloß der Redner seine mit lebhaftem Beifall aufgenommene Rede, icht wollen wir den vollen und ganzen Lohntarif, und wir be tommen denselben auch!" Es betheiligen sich noch an der Diskussion die Herren Gemeinhard, Rauch, Lichten stein, Lemin, Bär u. a. Es wird endlich nach langem Debattiren für und gegen ganz speziell von den Intereffenten über drei Pofitionen abgestimmt, wobei es sich um Deckel, Jockeys und Arbeitermüßen und um Herabsehung von je 25 Pf. handelt. Ju einem Fall blieb die Sache unentschieden, in den beiden anderen ward für die Herabfegung geftimmt. Urtee Vermischtes" ward von mehreren Seiten lebhaft das Benehmen derjenigen Kollegen" getadelt, die aus der gegen wärtigen Bewegung Kapital zu schlagen suchen, indem sie die von den Selbstständigen an die Fabrikanten zurückgebrachte Arbeit fertia machten. Vornehmlich soll sich bei dieser schmierigen Thätigkeit ein ehemaliger Wursthändler hervorthun. Dem Ehrgefühl jedes Kollegen und jeder Mamsell müffe die Art des Verkehrs mit derlei Leuten überlassen bleiben, indeffen

" 1

-

Begründete Beschwerde wegen Versammlungsanf­lösung. Am 16. Juli 1889 wurde die Versammlung des Ar­beiterbildungsvereins Berlin Nord" während eines Vortrages des Rechtsanwalts Arthur Stadthagen über das Thema Ans Vaterland, ans theure, schließ' Dich an" auf Grund des§ 9 des Sozialistengefeßes anfgelöst. Der Vortragende erhob gegen diese Auflösung Beschwerde und führte zur Begründung seiner Beschwerde aus: Er habe dargelegt, daß sich ans Vaterland anschließe, wer dem Wohle des Vaterlandes diene. Weiter habe er u. a. ausgeführt, daß dem Wohl des Vaterlandes diene, mer der Unwahrheit und Verleumdung entgegentrete. Ein praf­tisches Beispiel die Spikelaffären zeigen, daß die Sozialdemokraten durch Bekämpfung der verderblichen Umtriebe dieser Gentlemens " dem Vaterland eminent nüßen. Zu untersuchen sei, wie andere Parteien sich dieser widrigen Erscheinung gegenüber verhielten. Als er dann wörtlich aus­führie: Wenn also fonservative Blätter etwa nichts dagegen haben, daß von unseren Steuern bezahlte Menschen oder andere wohlgemuthe Leute unschuldige, ruhige Bürger zu Ver­brechen anftacheln", wurde die Versammlung aufgelöst. Be­schwerdeführer führte nun bie Verbreitung aus, daß der Wahrheitsliebe und der echten Vaterlandsliebe ja allerdings sozialdemokratische Bestrebungen seien, sie feien aber schwerlich als auf den Umsturz der bestehen­ben Staats- und Gesellschaftsordnung" gerichtet zu erachten. In der Verfaffung befinde fich trok des Sozialistengefeßes schwerlich das Vaterland, daß es Wahrheitsliebe und echte Baterlandsliebe nicht mehr vertrage. Der Polizeipräwerde man am Ende die Kenntnißlosigkeit dieser Thoren, hie fident wies aber die Beschwerde zurück, weil in dem Vor­trage fozialdemokratische und sozialistische auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Be strebungen zu Tage getreten" seien. Rechtsanwalt Stadthagen erhob hiergegen weitere Beschwerde beim Minister des Innern. Auf biese Beschwerde hin ist ihm nun felgenter Bescheid zugegangen: Im Auftrage des Herrn Miristers des Innern eröffne ich Euer Wohlgeboren ergebenst, daß derselbe Ihre Beschwerde vom 4. August, betreffend die polizeiliche Auflösung der am 16. Juni 1889 stattgehabten Versammlung des Arbeiter­Bildungsvereins Berlin Nord" nicht für unbegründet erachtet hat. Der betreffende Beamte, welcher die Auflösung der Versammlung seiner Zeit veranlaßte, ist von der Ent­scheidung des Herrn Ministers entsprechend in Kenntniß gefeßt worden." Die Beschwerde hat fomit Erfolg gehabt. Die Auf­lösung der Versammlung ist aber nicht mehr rückgängig zu machen.

Mitglieder- Versammlung der Akkord- Maurer Berlins und Umgegend. Mit dem Ersuchen um Auf­nahme geht uns folgender Bericht zu: Am Dienstag, den 24. v. M., fand im Lokal Rüdersdorferstr. 45 eine Verfamm­lung der Afford- Maurer von Berlin und Umgegend statt. Die Tagesordnung lautete: Bestrebungen des Vereins und Vers schiedenes. Herr Lehmann als Vorsitzender bedauert die Ge­häffigkeit, welche durch einzelne Kollegen hervorgerufen wird, da der Afford- Maurer- Verein auf ganz demfelben Standpunkt steht, wie alle gewerkschaftlichen Vereine. Er hätte es am liebsten gesehen, wenn die Frage in großen General­verfammlungen diskutirt worden wäre. Dies fei aber un­möglich geworden, und da auf Grund der Verhältnisse 2500 Maurer mindestens im Afford arbeiten( weil die Schattenseiten der Affordarbeit sich mit denjenigen der Lohn­arbeit decken), so ist es Pflicht aller derjenigen Kollegen, welche heute in Affordarbeit stehen, fich zusammen zu thun, um die Schäden зи beseitigen. Redner geht in seinen Ausführungen dahin, daß die Akkord­arbeit in unferem Berufe, sowie in allen andern Gewerkschaften, ein Brodukt unserer ganzen Zeitverhältniffe fei. Er widerlegt die Ansicht einzelner Mitglieder, daß diejenigen, welche heute im Afford stehen und morgen im Lohn arbeiten, keine Mit­glieder mehr find; er betonte, daß, wenn mir heute getrennt marschiren, doch am Ziele alle einig seien. Der Innung zum Troß, gegen deren Bestrebungen fich Redner entschieden ver­wahrt.( Beifall.) In der Diskussion sprach noch Kollege Peters. Auch er bedauert die große Gehässigkeit. Er kritisirte scharf die Ausführungen einzelner Kollegen der freien Ber scharf die Ausführungen einzelner Kollegen der freien Ber­einigung, die ihnen den Vorwurf machten, Innungsbrüder zu sein. Er beleuchtete das ganze Innungsprinzip in seiner heutigen Geftalt, tommt am Schluß seiner Ausführungen dahin, daß unter den­

nicht einsehen, daß sie durch solches Handeln Niemand mehr als sich selber schaben, verzeihen. Es ward allgemeine Genug thuung darüber ausgefprochen, daß die Mamsells so streng und fest zur Sache der Bewegung halten. Noch ward auf die auf Dienstag, den 1. Oktober, nach der Grenadierstr. 33 ein berufene Versammlung aller in der Pelz- und Müßenbranche beschäftigten Gesellen hingewiesen, die sich ebenfalls mit der Frage der Fortdauer des Streits beschäftigen wird. Donners tag Abend 6 Uhr findet sodann wiederum eine große allgemeine. Versammlung im Volks- Theater" statt. Es wird ferner von Müßenmachern mitgetheilt, daß am kommenden Sonnabend die einem in der Versammlung anwesenden Mitgliede derselben den ponibel seien und wird diese Nachricht mit lebhaftem Beifall von den Belzkürschnern aufgebrachten Unterstüßungsgelder dis aufgenommen. Herr Warned betont, ganz Deutschland in seiner Arbeiterschaft werde den Müßenmachern durch Unter ftüßung zum Siege verhelfen. Herr Stein hebt hervor, des es fich in dem vorliegenden Falle um einen Sieg für Jahrzehnte handele. Herr Rauch führt noch aus, daß, obgleich zwei zwei Drittel der Fabrikanten dafür gestimmt, diejenigen Leute, welche an der Spike gestanden haben, zu entlaffen, so fönnten sie dies doch selbst nicht halter. Bis jetzt habe noch Niemand von all den Streifenden um Unterstüßung nachgesucht. Er könne die Versicherung abgeber, daß Gelb genug da sei. Der Sieg sei errungen. Ja, man fönne gar wohl am Ende jedweder fremden Hilfe entrathen, fo groß sei die bewiesene Opferwilligkeit gewesen. Die Fabrikanten mögen sich stellen wie sie wollen, ihre Niederlage ist sicher. Nach einem dreifachen Hoch auf die Bewegung, in das die Anwesenden begeistert einstimmten, schloß die Versammlung.

-

In der Versammlung des sozialdemokrati­schen Wahlvereins für den VI. Reichstags= wahlkreis, die am Mittwoch im Restaurant Wedding Bart, Müllerstr. 178, unter Vorsiz des Herrn Börner statt fand, hielt Herr Rechtsanwalt Stadthagen einen mit Beifall aufgenommenen Vortrag über Ausnahmegefeße". Der Nedrer gab einen Rückblick auf die Geschichte des Sozialistengefeßes und gelangte zu dem Nachweis, daß Ausnahmegefeße mit der Wohlfahrt des Volfes nicht verträglich wären. Unter Be schiedenem" wurde folgende Resolution einstimmig angenom men: Die heutige Versammlung des sozialdemokratifden Wahlvereins des VI. Berliner Reichstagswahltreifes befchließt, das Bier der Norddeutschen Brauerei so lange nicht zu trinkere und auch alle Gastwirthschaften, in denen das Bier der Brauerei verzapft wird, so lange zu meiden, bis die Lokalitäten der Brauerei den Arbeitern zu Versammlungen freigegeben werden." Die Versammlung verfiel schließlich der polizei lichen Auflösung, als der Referent eine anscheinend von einem agent provocateur geftellte Frage beantwortete.

Y8