Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 231.
Lokales.
Der Himmel im Monat Oktober. Die Zeit der Acquinoftialwinde ist merkbar über uns gekommen. Aber in der durch Sturm und Regen gereinigten Atmosphäre können wir uns auch noch mehr als im Eommer, wo die Luft durch Staub und Dunst fast anhaltend getrübt ist, in klaren Nächten am Anblick des geftirnten Himmels erfreuen. Und dazu findet Fich immer gutes Wetter vorausgesetzt nun auch reichlich Gelegenheit. Denn immer kürzer wird der Bogen, den das Ieuchtende Gestirn des Tages über unserem Horizont beschreibt, immer länger die Nacht. Am 1. Oftober geht die Sonne noch um 6 Uhr 3 Minuten auf und um 5 Uhr 35 Minuten unter, die Tageslänge beträgt also 11 Stunden: am 31. Oftober aber ift fie schon um zwei Stunden geringer geworden. Von den Planeten ist Merkur nur in günstigen Fällen in den ersten Tagen des Monats furz nach Sonnenuntergang im Westfüdwesten auf einige Minuten sichtbar. Er gelangt am 16. Oftober in untere Konjunktion mit der Sonne und ift am 24. Oft. in seiner Sonnennähe, so daß er also nahezu den ganzen Monat uns durch die Sonnenstrahlen verdrakt ist. Die Venus , in rechtläufiger Bewegung aus dem Eternbilde der Jungfrau in jenes der Waage übertretend, ist noch den ganzen Monat über Morgenstern. Sie geht im Anfang des Monats furz vor 3 Uhr Morgens am ostnordöstlichen Hmmel auf; gegen Ende des Monats aber erst nach 4 Uhr Morgens. Sie steht dann ziemlich genau im Osten. Am 1. Oftober, leider zu einer Zeit, wo sie in Berlin mit freiem Auge nicht gesehen werden kann, kommt sie mit dem Planeten Mars in Konjunktion, zwar werden beide Planeten sich dann ganz außerordentlich, bis auf 22 Bogenminuten, einander Tähern. Der Mars durchzieht rechtläufig das Sternbild der Junafrau. Er geht im Anfang des Monats um 2 Uhr 47 Minuten Morgens im Oftnordosten auf. Gegen Ende des Monats geht er um 2 Uhr 38 Minuten Morgens auf und steht dann ziemlich genau im Often. Er erlangt am 8. d. M. seine größte nördliche heliozentrische Breite und ist am 21. in Konjunktion mit dem Monde. In diefelbe Stellung zum Monde kommt der Planet Jupiter zweimal in biefem Monat, nämlich am 1. und am 29. Oftober, und beide Male werden fich dabei Bedeckungen des Planeten durch den Mond ereignen, die aber beide in unserer Breite nicht wahrzunehmen find. Dieser Planet durcheilt rechtläufig das Sternbild des Steinbocks und ist für uns in diesem Monat in den Abendstunden am westlichen und südwestlichen Simmel zu sehen. Er geht im Anfange des Monats um 9 Uhr 8 Minuten, später un 7 Uhr 31 Minuten des Abends unter. Der Planet Saturn plänzt im Oftober am östlichen Morgenhimmel. Er geht im Ditnordosten auf, und zwar im Anfange des Monats um 2 Uhr 12 Minuten Morgens, gegen Ende eine halbe Stunde nach Mitternacht . Er wandert rechtläufig durch das Sternbild der Jungfrau. Der Uranus muß im Anfang des Monats am Abendhimmel im Südsüdwesten gesucht werden, wo er nach 6 Uhr Nachmittags untergeht. Später geht er etwa um 16 Uhr Morgens im Südfüdosten auf. Der Planet Neptun bleibt in diesem Monate während der ganzen Nacht über dem Horizonte. Er geht am Nordosthimmel auf, und zwar im Anfange des Monats um 18 Uhr Abends, gegen Ende des Monats um 5 1hr 40 Minuten Abends. Er befindet sich im Sternbilde Der Zwillinge und gelangt am 12. Oftober um 9 Uhr Abends in Konjunktion mit dem Monde, wobei indessen beide Gestirne einander nicht sehr nahe kommen.
deffen
In dem Berliner Bauwesen hat sich bereits seit längerer Zeit das Bedürfniß nach der Verwendung des sogenannten Beton- Mörtels fühlbar gemacht. Es ist dies eine aus Port land - Bement und Kies hergestellte Maffe, aus welcher größere Bautheile, so namentlich Treppen und Decken geformt werden Tönnen. Solche Treppen haben den Vorzug, daß fie absolut feuerficher find, während mit den Decken die seit Jahren schwebende Frage nach dem besten Füllmaterial gelöst würde, weil für solche Zement- Beton- Decken ein Füllmaterial nicht gebraucht wirb. Gleichwohl hat sich die hiesige Bau- Polizeibehörde gegen die Verwendung solchen Zement- Beton- Materials ausgesprochen und aussprechen müssen, weil deffen Tragfähigkeit nur durch Belastung geprüft werden kann, was sich nicht immer als praktisch durchführbar erweist, während die Tragfähigkeit bei Holz- und Eisenkonstruktionen leicht zu brechnen ist. Daß troßdem dauerhafte und haltbare Bauwerke in Zementbeton geliefert werden können, hat die städtische Bauverwaltung bei ihren vielfachen Kanalisationsarbeiten bewiesen. Neuerdings ist man nun in den Kreisen der Baukundigen auf den Gedanken gekommen, die Herstellung des Zemenimörtels nter Beaufsichtigung baupolizeilicher Beamten vorzunehmen; dern lediglich die schwer nachweisbare Sicherheit des Mörtels, die ausschließlich von der Art der Bearbeitung reffelben abhängt, ist die Ursache der baupolizeilichen Bedenken gegen die Verwendung von Bautheilen aus Betonmörtel. Andererseits sind die Vortheile in gesundheitlicher und fcuerpolizeilicher Hinsicht, welche durch Treppen und Decken aus Beton- Bement für die Hausbewohner geschaffen werden, Don Wichtigkeit. Für die mit der Herstellung von Mörtelmaterial beschäftigten Techniker böte sich hier eine günstige Gelegenheit, Normativ- Bestimmungen aufzustellen, nach denen bei der Herstellung eines den polizeilichen Anforderungen genügenten Zement- Betons zu verfahren wäre. Dieses Verfahren müsse zugleich in seinen verschiedenen Stadien nachgeprüft werden können.
Zur Richtigstellung. In unserer Nr. 134 vom 12. Juni 1689 hatten wir unter der Spigmarle Ein schlagfertiger Bahnhofsinspektor" einen Artikel gebracht, der, wie wir nachträglich festgestellt haben, auf unwahren Thatsachen beruhte. Sir find in gröblicher Weise von einer Person mystifizirt worden, die in feiner Weise Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen kann und darf. Der Weichensteller Herr Schmidt batte zu iner Beit die Obliegenheiten eines Stationsvorstehers auf der Station Treptom wahrzunehmen. Dieser Beamte foll den Schloffer Edant bei Gelegenheit eines Auflaufs auf dem Bahnsteig genannter Station mit Gewalt in das Dienstzimmer ezogen, die zum Bahnsteig führende Thür verschlossen und den G. durch eine Ohrfeige mißhandelt haben. An diesen Vorcangen ist nur das wahr, daß E. durch den Stationsvorsteher Shmidt, da er der Aufforderung dieses Beamten, fich ruhig zu verhalten und den Bahnsteig zu verlaffen, teine Folge leiftete, zur Feststellung seiner Persönlichkeit in das Dienstzimmer fiftirt wurde. Da Edant sich gegen diese Maßnahme fträubte, mußte Schmidt die Hilfe eines Gendarmen in Anspruch nehmen. Der Schloffer Edant ist weder förperlich mißhandelt noch ist die Thür des Dienstsimmers verfchloffen worden.
Wir geben dieser wahrheitsgemäßen Darstellung um so lieber Raum, als es uns gänzlich fern liegt, Beamten, die fchwere und verantwortungsreiche Pflichten zu erfüllen haben, die Ausübung ihres Dienstes zu erschweren.
Gegen einen hiesigen Rechtsanwalt, der, wie die Boff. Stg." bemerkt, in früherer Zeit während der Hotflah
Donnerstag, den 3. Oktober 1889.
der antisemitischen Bewegung öfter als Wortführer auftrat und genannt wurde, ist am letzten Sonnabend von der hiesigen Anwaltskammer auf Ausschließung aus dem Anwaltsstande erfannt worden. Die Thatsachen, welche dem bezüglichen Verfahren zu Grunde liegen, entziehen sich noch der öffentlichen Erwähnung, da der Betreffende gegen die Entscheidung die höhere Instanz anzurufen gedenkt.
Charakteristischy für unsere Tage find die Abbrüche ganz moderner Bauten. Ihren Höhepunkt hat diese Abbruchsmanie in der Niederlegung des Bazars Gerson am Werderschen Markt erreicht. Das palaftartige Gebäude ist aanz modern und konnte noch immer als eines der schönsten Waarenhäuser Berlins gelten. Heute läßt man ein solches Gebäude falten Blutes verschwinden.
Die unerschwingliche Höhe der Miethen treibt zahlreiche Handwerker und Kleingewerbetreibende aus Berlin . In feinem Jahre geschah dies in solcher Menge, wie in dem laufenden, und insbesondere hat man beim Oktoberumzuge viele solcher Fälle. Beispielsweise ziehen aus dem Theile der Sebastianstraße, welcher zwischen Alexandrinen- und Luckauerftraße liegt, 16- Handwerksmeister und kleine Fabrikanten verschiedener Branchen, weil die hohen Miethen ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen.
Ein Umzugs- Um- und Unfall, der sich am vorgestrigen Nachmittag gegen 2 Uhr in der Neuen Friedrichstraße ereignete, hat die Zeugen desselben in erklärliche Aufregung verfekt. Um die genannte Zeit wankte ein hoch mit Hausrath beladener Möbelwagen die bezeichnete Straße entlang; hoch oben auf einem Sopha thronte eine Frau mit ihren zwei Kindern. Vor dem Hause Nr. 42, in welchem sich das Bureau des 14. Polizeireviers befindet, brach plößlich ein Rad des Möbelwagens zufammens; das Sopha tam ins Gleiten, die Stricke, mit denen es am Gefährt befestigt war, rissen, und ehe man es verhindern konnte, lagen Frau und Kinder mitsammt dem Sopha auf dem Straßendamm, und zwar auf den Schienen der Pferdebahn. Die beiden Kinder sahen infolge des Umberwälzens im Straßenschmuß zwar übel aus, waren aber sonst mit heiler Haut davongekommen, ihre Mutter dagegen trug eine stark blutende Berlegung am Kopf davon. Man brachte fie zunächst auf die Polizeiwache, wo man ihr die nöthige Hilfe leistete, während der Kutscher ein anderes Rad herbeiholte, um baffelbe gegen das zusammengebrochene auszuwechseln. Nach dem der Schaden reparirt und auch das Sopha wieder auf seine Stelle gebracht worden war, nahm auch die Frau mit den beiden Kindern wieder Plaz auf dem Wagen, und fort ging's nach dem neuen Heim.
Wichtige Veränderungen in den Fahrzeiten, namentlich der Frühwagen, bringt der Winterfahrplan der Großen Berliner Pferdebahn Gesellschaft mit sich. Danach fährt der erste Frühwagen der Linie Gesundbrunnen - Moltenmarit um 6 Uhr früh vom Gesundbrunnen ab, trifft 6 Uhr 22 Min. am Rosenthaler Thor ein und langt 6 Uhr 33 Min. am Moltenmarkt an. Erfte Abfahrt Moltenmarkt 6 Uhr 40 Minuten; Rosenthaler Thor 6 Uhr 52 Min. Ankunft auf dem Gesund brunnen 7 Uhr 14 Min.; fämmtliche Stationen dieser Linie paffirt 15 Minuten später ein zweiter Wagen. Rosenthaler Thor Moabit ( Stromstraße). Dieser Wagen fährt durch die Elfaffer Straße- Oranienburger ThorChauffeestraße und nimmt von der Invalidenstraße seine aewöhnliche Fahrt auf; Abfahrt Rosenthalerstraße 5,20 früh, Oranienburger Thor 5,27, Invalidenstraßen, Ecke der Chauffeeftraße 5,30, Ankunft Moabit 5,49. Der zweite Wagen paffirt je 40 Minuten später dieselben Stationen.- Bahnhof Müllerstraße- Weidendammer- Brüde: Abfahrt Müllerstraße Bahnhof 6 Uhr, Weddingplak 6,17, Chauffee- und Ecke der Invalidenstraße 6,27, Ankunft Weidendammer Brücke 6,33 Minuten; der zweite Wagen fährt je 15 Minuten später. Nixdorf- Hallesches Thor: Abfahrt Rirdorf Endpunkt 6 Uhr, Herrmannplag 6 Uhr 16 Min. Ankunft am Halle'schen Thor 6 Uhr 32 Min. Rirdorf- Spittelmarkt Abfahrt Nixdorf Endpunkt 6 Uhr 20 Min., Herrmannplay 6 Uhr 36 min., Spittelmarkt Ankunft 6 Uhr 58 Min. Auf diesen beiden legten Linien fährt nur je ein Frühwagen. Auf sämmtliche oben angeführten Touren gelten die Tagespreise bei Einzel- Fahr farten. Wochen- Abonnementsbillets" find bei den fahrenden Schaffnern zum Preise von 60 Pfennigen erhältlich und berechtigen zu einer einmaligen Benugung an einem Tage der Kalender- Woche hindurch.
Der Gypsabban in Sperenberg . Zu den ergiebigen mineralischen Schäßen, welche unsere Mark bietet, gehören neben den Rüdersdorfer Kaltbergen, den zahlreichen Braunfohlengruben auch die Gypsberge bei Sperenberg im Kreise Teltow . Der Touristenklub der Mark Brandenburg in Berlin hat kürzlich dorthin einen Ausflug unternommen und giebt nun von dem dortigen Bergbau in der Kreuz- 3tg." nachstehende belehrende Schilderung: Das freundliche Pfarrdorf Sperenberg zieht sich vom Bahnhofe der Militär- Eisenbahn an ziemlich weit nach dem Neuendorfer See hin, die Häuser sind sauber gehalten, gewiffe Wohlhabenheit befundend, einzelne weiße Dächer und hohe Schornsteine verrathen den Betrieb der Gyps- Industrie, von welcher sich ein großer Theil der vorhandenen etwa 1000 Einwohner nährt. Das Dorf verlaffend, kommt man zum See, deffen westliches Ufer flach ist, während das östliche vom Wasser ab etwa 60 bis 80 Fuß fteil in die Höhe steigt. Diese Berge sind vom Gyps gebildet. Oben liegt wenig Abraum und unter ihm beginnt sofort das solide Gypsgebirge, welches in derselben Weise, wie der Kalf zu Rüdersdorf , durch Tagebau gewonnen wird. Die fenfrecht aufsteigende Felswand wird unten ausgehöhlt, indeffen bleiben Pfeiler genug stehen, um den Absturz zu verhüten. Nachdem eine genügende Strecke auf diese Weise unterhöhlt ist, werden die Pfeiler gleichzeitig durch Dynamit fortgesprengt und nun stürzt die der Stüße beraubte Wand mit mächtigem Krache herunter, in einzelne fleinere oder größere Stücke zerfallend. Sieben solcher Gypsbrüche werden zur Zeit betrieben und beschäftigen je 30-40 Arbeiter, während weitere hundert Mann bei den Gypsöfen und Mühlen thätig sind. Von diesen giebt es dreizehn mit Hand- und zwei mit Dampfbetrieb. Der Gyps wird in drei Gestalten verschickt, zunächst als rohes Gestein, wie ihn der Fels liefert; er sieht dann schwärzlich, grau, mit gelben Adern gligernd aus und wird mit etwa 5,50 M. für den Kubikmeter als Bruch bezahlt. Viele folcher Steine fommen nach Berlin und werden hier gebrannt. Ein anderer Theil fommt sofort in die Defen zu Sperenberg und wird als gebrannter Fels verschickt; und der lekte Theil nach dem Brennen zu feinem Mehle verarbeitet. 3wei mächtige Mühlräder laufen auf fefter Unterlage und drücken den gebrannten Fels zu fleinen und immer fleineren Stücken, bie dann gefiebt werden. Das feine Mehl fällt in Säcke, der Grus kommt nochmals unter die Steine. Von dem Gypsmehl kostet der Zentner etwa 80 Pfennige, das beffere brauchen die Stuckateure, das unreine kommt als Düngermehl auf die Felder. Unter dem grauen Gesteine findet sich hin und wieder auch das bekannte, in eisernen Defen u. f. w. ver
6. Jahre.
wendete, durchsichtige Marienglas. Früher erfolgte der Versandt des Gypses nur zu Waffer, jezt auch mit der Bahn; viel ging weit bis Rußland hinein; jezt ist der Absaz dahin durch die dortigen hohen Zölle arg verfümmert. Die Gyps maffen fönnen als unerschöpflich betrachtet werden, denn abgesehen von den haushohen Bergen, die dastehen, haben Bohrungen ergeben, daß sich der gleiche Fels noch 800 Meter in die Tiefe erstreckt. Unmittelbar neben einem Bruche befindet sich nämlich das tiefste Bohrloch der Welt, welches in den Jahren 1871 und 1877 von der föniglich preußischen Bergver waltung zur Untersuchung der Tiefe gesenkt wurde. Es ergab, daß unter dem Gyps ein mächtiges Lager von Kalifalzen, wie folches in Staßfurt gewonnen wird, von über 89 Meter Mächtigkeit vorkommt. So lange die Regierung den ganzen Bedarf aus Staßfurt decken kann, wird dies neue Lager nicht in Angriff genommen, sondern bleibt als kostbare Reserve für die Zukunft.
Gefunden und in Verwahrung genommen wurde in der Deftillation von Martin Berndt, Dranienftr. 128, ein Portemonnaie, welches an baarem Gelde 360 M. 25 Pf. und eine Quittung über 38 000 m. internationale Banfattien und 5000 m. Reichsanleihe enthielt. Vielleicht gelangt der Verlierer auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege" in den Wiederbefiz feines Eigenthums.
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Karambolage mit einem Leichenwagen. Einen unliebsamen Aufenthalt eines Trauerkondukts verursachte gestern Mittag der Zusammenstoß des Leichenwagens mit einem die Königgrägerstraße passirenden Pferdebahnwagen der Ringbahn. Als der Kutscher des schwarzbehangenen Vehikels einem ihm entgegen kommenden Wagen ausbog, wurde die eine Seite des ersteren derart von dem hinter ihm herkommenden Pferdebahnwagen geftreift, daß der schwarze Behang des Leichenwagens, mitten durchgeriffen, in zwei langen Fezen herabhing. Bei dem Anprall war auch der Sarg in die Ecke des Wagens geschoben, dessen bloßgelegtes Leitergestell einen keineswegs feierlichen Anblick gewährte. Erst nach geraumer Zeit gelang es, den Sarg wieder in die richtige Lage zu bringen und ihn durch Zusammenstecken des schwarzen Behanges den Blicken der Außenwelt zu verbergen, worauf der Trauerkondukt seinen Weg nach dem Jakobikirchhof fortseßen fonnte.
Einer der bedeutendsten Wildhändler Berlins . L. in der Kr.- Straße, ist, was bisher nur in engeren Kreisen befannt wurde, im Monat August verhaftet worden und befindet sich heute noch im Untersuchungsgefängniß, obwohl er für seine vorläufige Entlaffung die Stellung einer bedeutenden Kaution angeboten hat. 2. war schon seit langer Zeit dringend verdächtig, sich der Hehlerei in großem Maßstabe dadurch schuldig gemacht zu haben, daß er den Wild dieben nicht blos aus der näheren und weiteren Umgebung Berlins , sondern auch solchen von weit her, die Beute regelmäßig abgenommen hat. Troßdem man mit Sicherheit vermuthete, daß K. dies Geschäft in ganz bedeutendem Umfange betreibe, so vermochte man doch feine Beweise hierfür zu erlangen, und erst in diesem Sommer ift es der Kriminalpolizei gelungen, ihn auf frischer That zu überraschen und zwar in einer Weise, die die Handhabe zur sofortigen Verhaftung bot. Auch in der Beit, in welcher K. fich in Untersuchung befindet, sollen Wildsendungen, die von Wilddieben bezw. aus jagdfrevlerischen Unternehmungen herrühren, von der Sicherheitsbehörde abgefangen und beschlagnahmt worden sein.
Einen Selbstmordversuch infolge eines ehelichen 3wiftes beging gestern die noch nicht 40jährige Ehefrau eines in der Zimmerstraße wohnhaften Böttchermeisters. Im Ver laufe eines Streites mit ihrem erheblich älteren Ehemann stieß die sich wie rasend geberdende Frau die Drohung aus, ihrem Leben ein jähes Ende bereiten zu wollen. Der Ehemann scheint bei dieser fürchterlichen Drohung vollständig den Kopf verloren zu haben; anstatt bei seiner eraltirten Frau zu bleiben und deren Vorhaben zu verhindern, eilte der entsegte Böttchermeister über die Straße und direkt in das Feuerwehrdepot, Lindenstraße, hinein. Dort wußte er nämlich seinen guten Freund, den Feuerwehrmann Hohensee, in der Wachtstube, der Rath schaffen follte. Der alfo Alarmirte" begab sich sofort in Begleitung des ängstlichen Böttchermeisters nach der Stätte des Nothstandes, und hier fanden die Beiden thatsächlich die Lebensmüde an einer Thürflinke aufgeknüpft vor. Der hilfsbereite Feuerwehrmann schnitt die Frau sogleich ab und rief die bereits Bewußtlose durch zweckentsprechende Behandlung ins Leben zurück.
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Der Polizeibericht hat am Connabend gemeldet, daß am Freitag Abend auf der Görlizer Bahn ein Mann von der Maschine erfaßt und fofort getödtet worden ist. Die näheren Umstände dieses beklagenswerthen Falles sind von solcher Art, daß das Resultat derselben für die Unternehmer noch von schwerwiegenden Folgen begleitet sein dürfte. Der Verstorbene, Namens Rothenburg , ist nämlich nicht auf der Görlizer Bahn getödtet worden, sondern er verunglückte auf einem jener bei der Bahn belegenen privaten Rohlenpläge, nach welchen die Bahn Nebengeleise entfendet. Auf einem solchen Kohlenplay, deffen Beleuchtung Alles zu wünschen übrig läßt, mußte St. noch bis in die späte Nacht die Kohlenwagen rangiren und hierbei war es, daß er am Freitag um 10 Uhr Abends zwischen die Puffer einer Lokomotive und eines Kohlenwagens gerieth und sogleich verendete. Am Sonnabend Nachmittag erschien an der Stätte des Unglücks eine aus Kriminalbeamten und Eisenbahntechnikern bestehende Kommission, welche an Drt und Stelle einen genauen Thatbestand aufnahmen. Rothenburg hinterläßt eine Wittwe mit neun unmündigen Kindern.
Eine tragische Familiensene war es, welche am geftrigen Tage die Bewohner eines Grundstücks in der Reichenbergerstraße in Aufregung verfekte. In dem betreffenden Hause wohnt ein gewiffer O., welcher mit feiner Frau, der zweiten Gattin, häufig in 3wist gerieth. Gestern Abend jedoch nahm dieser eheliche Konflikt einen so heftigen Charakter an, daß D. fein Messer zog, und mit demselben auf die unglückliche Gattin losging. Auf das Hilfegeschrei der Bedrohten stürzte ihr 17jähriger Sohn aus erfter Ehe, der Lehrbursche Gustav N., welcher bei Nachbarsleuten beim Kartenspiel geseffen, in das Zimmer und warf sich zwischen die Mutter und den S: iefvater. Der aber, von blinder Wuth ergriffen, stieß zu und traf seinen die Mutter beschüßenden Stiefsohn. Eine klaffende Wunde im rechten Oberarm hatte D. dem jungen Mann verfeßt; ehe er aber noch einmal zustoßen konnte, hatten die anberen auf den entstandenen Tumult in die O'sche Wohnung eingedrungenen Hausgenossen den edlen Gatten entwaffnet. Er ward zur Polizei gebracht, während N. nach der Charitee geschafft wurde.
Im Zirkus Busch werden heute wieder neue Künstler auftreten und verschiedene hier noch nie gesehene Produktionen vorgeführt werden. Der schneidige Direktor setzt eben Alles daran, um die Zuneigung seiner Berliner Landsleute", die er sich im höchsten Maße bisher durch seine ausgezeichneten Leistungen errungen hat, auch ferner zu bewahren.