bireTt tbre Steuer entrichten, find nun nach dem Reformgesetz von 1885 auch diejenigen Einmohner mahlfühig, für welche der Hausherr die Steuern bezahlt. Ob diese kleinen Leute auf der Wählerliste stehen oder nicht, hängt gänzlich von der Laune des Hausbefitzers ab, welcher in der Ausstellung der Listen wo möglich noch sorgloser ist als die Gemeindebeamten. Für ihn itt die Aufstellung von Listen eine profitlose Plackerei. That- sächlich kommen die Wähler zu Tausenden jedes Jahr um ihr Stimmrecht; John Morley theilte dieser Tage in einem Brief mit, daß in Jarro letztes Jahr 1700 Arbeiter durch ein solches Versehen von den Wahllisten ausgeschlossen wurden. In Newcastle betrug die Zahl derjenigen, welche auf das Stimm- recht Ansvruch erhoben, aber nicht auf den Listen standen, 5000(!) o. h. etwa ein Siebentel der Stimmberechtigten. John Morley kennzeichnet das bestehende RegistrirungSsystem als eine Farce: es giebt theoretisch allen Miethern von Häusern und Wohnungen das Stimmrecht, stellt dann aber der Ausübung desselben olle möglichen Hindernisse in den Weg. Wenn es schon in Provinzialstädten wie Newcastle große Schwierigkeiten macht, ein zuoerläsfigeS Stimmenregister aufzustellen, so ist es in London geradezu unmöglich. Der Grund, weswegen London mit seinen 62 Sitzen nur 11 liberale Abgeordnete ins Unter- haus schickt, ist zum Theil wenigstens in diesem sinnlosen System zu suchen. London hat die größte Arbeiterbeoölkerung des Landes, aber das Geletz ist so eingerichtet, daß viele Arbeiter und kleine Leute nie zur Abstimmung kommen. Die Arbeiter find eine Wanderbevölkerung', sie müssen ihrer Arbeit nachfolgen; bevor ein Arbeiter aber stimmberechtigt ist, muß er ein Jahr lang dieselbe Wohnung inne gehabt haben: zieht er während diese« Jahres um, so verliert er seine Stimme; zieht er nach dem vollendeten Jahr in ein an- deres Quartier, vielleicht nur in ein gegenüberliegendes Hau«, so wird er von der Liste gestrichen. In den hauptsächlich von Arbeitern bewohnten Quartieren wechselt oft die halbe Bevölke- rung ihre Wohnungen. Daß eine Vereinfachung der Methode nöthig ist, sehen alle ein. Sie ist um so dringender geboten, als der begüterte Bürger auf Kosten des unbemittelten Manne« vom Gesetz begünstigt wird. Während das Gesetz von 1885 das Recht des Begüterten, sein Stimmrecht an mehreren Orten auszuüben, auf's Eifersüchtigste wahrt, hat es dem kleinen Mann, dessen Gewohnheiten nothwendiger Weise wandernder Natur sind, die Stimmabgabe erschwert. Die politischen Vereine haben nun die Aufgabe übernommen, die Wahllisten zu prüfen und ihre Sekretäre sind es, welche vor den RegistrationShöfen thalsächlich die Wahlschlachten ausfechten. Frankreich . Ucber die französischen Wahlen wird uns(je- schrieben: Außer Guesde, Thivrier und Bau bin befinden sich noch mehrere Mitglieder der sozialdemokratischen Partei in der Stichwahl, jedoch ohne Auesicht auf Erfolg. Ziemlich oder ganz sicher ist die Wahl C l u s e r e t' s, Basly's, Hovelacque'S, Millerand'S, Ferroul's und Lachize's, die auf dem Boden des sozial- demokratischen Programms stehen, ohne der Partei formell anzugehören, Cluserot ist der bekannte Kommunegeneral; F e r r o u l war einer der Tages« Präsidenten des Internationalen Kongresses. Auch Basly ist in Deutschland bekannt. Die Possibilisten haben zwei Kandidaten in der Stichwahl: D u m a y und C h u b e r t; und Joffrin ist bereits, infolge UngittigkeitSerktärung der für Boulanger abgegebenen Stimmen, als gewählt proklamirt worden. So wenig wir auch die possibilistischen Führer »ur Sozialdemokratie zählen können, so gehören ihr doch die Arbeiter, welche für possibilistische Kandidaten gestimmt haben, unzweifelhaft an. Holland. Rotterdam , 1. Okt. Gestern Abend wurde im„Ver- kooplokaal" wieder eine Arbeiter-Versammlung abgehalten. Ilngesähr 1000—1200 Arbeiter waren anwesend. Der Prä- fident des Komitees, van der Kolk, eröffnete die Versammlung mit der Frage, ob einige von den Anwesenden während der letzten Tage gearbeitet hätten. Die Antwort war verneinend. Der Präsident theilte darauf mit, daß sich auch aus den Arbeit- gebern ein Komitee gebildet hätte, das morgen mit den Ab- geordneten der Streikenden verhandeln wolle. Da man nun wissen müsse, wie das Komitee der Arbeiter sich diesen Herren gegenüber verhalten wolle, habe er diese Versammlung ein- berufen. Er stelle darum die Frage, ob wirklich die Arbeiter fest entschlossen seien, den Streik auszuhalten, oder ob sie zu Konzessionen geneigt wären. Darauf wurde mit beinahe allen Stimmen beschlossen, nichts an den gestellten Forderungen zu ändern. Sodann bewies van der Kolk die Rechtmäßigkeit der Forderungen. Für Erz, sagte er, sei der Lohn, obgleich nicht so hoch, wie vielfach geglaubt werde, beim ersten Anblick aller- dingS nicht gering, doch wenn man bedenke, daß die außer- ordentliche Kraftanspannung die Arbeiter schon im 40. Jahre zu alten Männern mache, müsse man zugeben, daß die Löhne zu gering seien. Der Erzarbeitec solle so viel verdienen, daß er etwas für später, wenn er nicht mehr arbeiten könne, zu sparen im Stande sei. Daß man für einige Stunden nächtliche Ar-
beit die ganze Nacht berechnet haben wolle, sei auch keire über- tricbene Forderung. Jetzt komme eS oft vor, daß man d e Leute bis 12 oder 1 Uhr Nachts arbeiten lasse, und sie dann entlasse, mit der Weisung am folgenden Mm gen 5 Uhr zurück- zukommen. Das sei keine freie Zeit; man könne nämlich nicht zu Bette gehen, aus Furcht, sich zu verschlafen. Den Sozial- demokraten wolle er sich nicht anschließen, jedoch gern hier öffentlich erklären, daß diese die einzigen waren, welche Ge d »ur Linberung der Roth der Arbeiter angeboten hätten. Einer der Streikenden erklärte darauf, kein Sozialdemokrat zu sein, allein das Betragen dieser Partei sei viel lobenSwerlhec als das Betragen vieler großer Herren. Das„Vakerland"(ein liberales Blatt aus dem Haag) zum Beispiel nenne die Arbeiter „Schlampamper". Ein anderer Arbeiter führte aus, daß die Arbeiter sich nicht fürchten sollten vor den Maßregeln, welche einige Schiffseigner treffen, um ihre Schiff? irgendwo ande-s löschen zu lassen. Er rechnete vor, daß die Spesen und Löhne in der Umgegend von Rotterdam so hoch seien, daß solche Maßregeln niemals für längere Zeit genommen werden könnten. Als darauf nochmals gefragt wurde, ob die Arbeiter einmüthig den Streik durchführen wollten unb darauf mit einem allac- meinen„Ja" geantwortet wurde, erklärte der Präsident van der Kolk, diesen Beschluß den Arbeitgebern übermitteln zu wollen und weiter, daß dosKomitö dieMittel bekommen hätte, um die Arbeiter, wenn Roth eintrete, zu unterstützen. Er schloß:„Tausend Brote stehen von Morgen ab Jhncn zur Verfügung, wen e« hungert, der melde sich morgen beim Komitee. Es wird geholfen wer- den. Darum behaltet Muth, seid einträchtia. und es muß ge- fingen, da« bis j-tzt so elende Leben der Quai- und Schiffs- arbeiter ein wenig erträglicher zu machen". Inzwischen aber scheint der Geldsack wieder einmal über den leeren Magen gesiegt zu haben. Es liegen folgende Meldungen des offiziösen Telearavhenbureaus vor: Rotterdam , 2. Oktober. In einer heute Nachmittag stattgehabten Konferenz theilte dasflKomitee der Rheder den Delegirten der Streikenden die Beschlüsse mit, welche von einer Versammlung der Rheder gefaßt wurdm und welche einige der Anforderungen der Ausständigen bewilligen, andere dagegen verwerfen. Nach kurzer Berathung nahmen die Delegirten der Streikenden die Vorschläge des Komitees an und versprachen die Arbeiter zur Annahme derselben zu bewegen. Man hofft, daß der Streik Morgen beendet sein werde. Rotterdam , 3. Oktober. Eine gestern Abend stattgc- habte Versammlung der Streikenden hat beschlossen, die Arbeit heute wieder aufzunehmen, auch auf den mit Mineralien be- ladenen Schiffen, für welche eine Lohnerhöhung nicht bewilligt ist, aber nur unter der Bedingung, daß auf diesen Sck'ff.-n keine Nachtarbeit gefordert wird. Hiernach kann der Streik also als beendet angesehen werden. Halkanlander. Die von der' Regentschaft im Einverständnisse mit dnn Exkönige Milan aufgestellten Bedingungen für den Aufeniholt der Königin Natalie in Serbien gingen dahin, daß sie zwrimak im Jährt, jedesmal auf zwei bis drei Wochen, nach Belgrad kommen und als Gast im-Konak des Königs absteigen könne, wo ihr alle ihr gebührenden Ehren erwiesen werden sollen. Die Zeit der Ankunft müßte jedesmal mit der Regentschaft vereinbart werden und König Mrlan würde in Zukunft dos Gleiche thun, daher die Parität zwischen den Eltern des Königs, insofern sie nicht bereits durch ein Gesetz stipulirt sei, völlig hergestellt wäre. Diese Vorschläge hat die Königin noch nicht angenommen.
VersÄmtnlttNgsn. Die Freie Uereinigung der Kartonarbeiter hatte sich am Montag, den 30. v. Mt«. bei Säger, Grüner Weg 29, versammelt, um folgende Tagesordnung zu erledigen: I. Ge. werkschaftlichcs. 2. ErgänzungSwahl e nes Vorstandsmitgliedes. 3. Verschiedenes und Fragekasten.— Ueber Gewerkschaftliches reserirte Kollege Thomm . Derselbe legte besonders die Ver- Hältnisse vor 10 Jahren und jetzt klar und bemerkte, daß man jetzt schon einen Theil weiter vorgeschritten sei. Gäbe es doch noch immer Kollegen, die schlafen und nicht wüßten, was»ine Vereinigung für guten Nutzen für sie hätte, denn eine Ver- einigung fei für die noch unaufgeklärten Kollegen belehrend und gewissermaßen eine Vorschule für ihre politische Bildung. An Stelle des bisherigen 1. Schriftführers Kollege Reut.r wurde Kollege Schüler fast einstimmig gewählt. Unter„Ver- schiedenes" wurde folgende Resolution gegen heftige Proteste einiger Mitglieder angenommen:„Die heutige, am 30. Sep. tcmber 1889 tagende Veisammlung der Freien Vereinigung der Kartonarbeiier beschließt und crkläit die am 26. August 1889 in der außerordentlichen Generalversammlung auf Grund eines nicht fachlichen und urparteilichen Berichts über die öffentliche Buchbinder- zc. Versammlung vom 20. August 1889 zu Ungunsten der Letzteren angenommene Resolution für zurück- gezogen.
sang eingeräumt werden. Es soll darüber berathen werden, an Stelle des Generalkonsulais in Sansibar eine Minister- residentlchast»u errichten, und zwar soll die Angelegenheit ihren NuSgangSvunkt in der Absicht des türkischen Sultans haben, «ine ständige Gesandtschaft in Sansibar zu unterholten. Selbst- -verständlich würden Deutschland und England auch hierm ge- memsam handeln und die Rangerhöhung ihrer Vertreter gleich- zeitig vornehmen. �,,._„,., Von dem deutschen Geschwader vor Ostasrrka schreibt ein auf demselben dienender Breslauer der„Schlef. „Es giebt bei der Wißmannstuppe den Arabern gegenüber keinen Pardon. Alles wird niederaemacht. was vor die Klmge kommt.... Wir bekommen an Bord ein leidlich gutes Essen und jeden Mittag Rothwein. Limonaden und an mehreren Tagen auch Chokolade. alles Liebesgaben vom deutschen Frauen- verein kür da« ostnfrikanische Blokadegeschwader gestlstet. Fre,. lich drücken wir dabei manches Auge zu, denn der Wein z. B. könnte eh-r verdünnte Schwefelsäure genannt werden als Wem. Warum man das einmal für solche Zwecke gesammelte Geld nicht nach Kapstadt sendet und dort die billigen und doch so guten Kapweine für uns kauft,'st mir unverständlich." Lieutenant Filcher. ein Frankfurter , geht am nächsten Sonn- abend mit zwei Batterieen von Hamburg aus zur Wißmann« fchen Trupve nach Afrika . Eine Ueminiscen?. In dem Dorfe Linderode bei Sorau wurden im Laufe des Sommers vorigen Jahres bei mehreren dortigen Einwohnern eine Reihe von Haussuchungen nach ver- botenen sozialdemokratischen Schriften vorgenommen; das Ge- fammtresultat war ein negatives. Verhaftet wurden jedoch die Heiden Webergesellen Schultz und Pfuhl. Es geschah dies Alles auf Grund vorhergegangener Denunziation, und man war im Allgemeinen der Üeberzeugung. daß der Denunziant kein anderer, a's der dortige Pastor Schultze fei. Derselbe war bekannt als Anhänger Stöckers und eifriger antisemitischer Agi- tator. Die dieser Denunziation»um Opfer Gefallenen haben acht volle Wochen unschuldig in Untersuchungshaft zugebracht, ohne daß denselben das geringste Vergehen gegen irgend einen Paragraphen des Straf- oder Sozialistengesetzes hätte nachge- wstsen werden können. Der fromme Seelsorger aber verfehlte nicht, nachdem er ein solches Unglück über die betreffenden Leute heraufbeschworen hatte, seiner Gemeinde von der Kanzel herab das noch fehlende Gruseln vor der Sozialdemokratie beizubringen, indem er mit tiefstem Bedauern seinem Abscheu Ausdruck gab, daß auch in seiner Gemeinde sich solch' räudiae Schafe befänden. Am 25. Oktober vorigen Jahres wurde dieser Biedermann selbst verhaftet, kurz nachdem die beiden Weber aus der Untersuchungshaft entlassen worden waren, weil man keine Schuld an ihnen fand. Dem biederen Seefiorger wurde der Prozeß wegen Unterschlagung von Kirchengeldern gemacht und er am 11. März d. I.)u 1t Jahr Gefängniß verurlheilt. Die Schafe waren nicht räudig, wohl aber der Hirte. Die deutsch «,»..Knlturtrirger" in Afrika . Ueber die Grunde der Zerstörung SaadaniS durch den Reichshauptmann Wißmann am 6. Juni d. I. theilt die offiziöse„Straßb. Post" aus dem Tagebuche eines Offiziers der Wißmann -Truppe folgendes mit:„Saadani wurde wegen des fortgesetzt feindlichen Verhaltens seiner Bewohner, sowie wegen der störrigen Widersetzlichkeit seines ehemaligen Wali '(ooin Sultan eingesetzter Bezirkschef). Bona Heri, zerstört. Da- zu kamen handelspolitische Gründe. Die große von den Seen kommende Karawanenstraße theilt sich nahe der Westgrenze des deutschm Schutzgebietes; ein Weg mündet bei Baga- moyo, der andere bei Saadani. Diese Trennung brachte mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich, vor Allem wurde die Zollerhebung dadurch erschwert. Da ferner Bagamoyo . das Hauptquartier, durch Saadani in seinem Handel wesentlich be- «inträchtigt wurde. Hauptmann Wißmann aber den Handel des Schutzgebietes möglichst in Bagamoyo vereinigen wollte, so be- schloß er, Saadani zu zerstören, seinen Wiederaufbau nach Möglichkeit zu verhindern, es also aus der Reihe der wichtigen Handelsplätze zu streichen." In einer nachträglichen Bemer- kung wird alsdann noch folgendes hinzugefügt:„In kurzer Zeit waren die niedergebrannten Lehmhütten wieder errichtet, ein zweiter Angriff wurde nothwendig, Saadani wurde zum zweiten Male zerstört. Aber die Bevölkerung Ost- Afrikas »st zäh, in diesen Tagen steht die dritte Erstürmung bevor."— Großbritannien . London , 1. Oktober. In allen LandeStheilen finden um diese Jahreszeit die Sitzungen der sog. Registrationshöfe statt, d. h. von der Regierung angestellte Beamte(Juristen) reisen im Lande umher und stellen für das Jahr die parlamentarischen Wahllisten auf. Das ist eine aar geschäftige Zeit für die politischen Verbindungen und die Sekretäre derselben. Thatsächlich sind es die letzteren, welche nach den Wahllisten sehen. DaS englische Gesetz nimmt als Grundlage für die Wahllisten die Steuerrolle an, und diese werden von den Ge- nreindebeamten aufgestellt, welche nicht verantwortlich sind und unregelmäßig verfahren. Außer denjenigen Bürgern, welche
Almira, liegt in der Hütte in den letzten Zügen. Die Kugel hatte einen edlen Theil getroffen, da ist keine Rettung. Es ist Abend. Noemi zündet das Windlicht an, holt ihr Spinnrad hervor und fängt zu spinnen an. Der kleine Dodi hat sich zu ihr gesetzt, und spielt, einen Strohhalm an das Rad haltend, Klappermühle." Almira liegt in -einem Winkel und stöhnt wie ein Mensch.„Mutter," sagte plötzlich der Knabe,„bück' Dich ein wenig zu mir herab, ich will Dir etwas ins Ohr sagen, damit Almira es nicht hört."„Sag' es nur laut, sie versteht eS nicht, Dodi." „O ja, sie versteht, was man spricht. Sie versteht Alles. Also sag' mir, wird Almira sterben?"„Jawohl mein Kleiner" „Und wer wird uns beschützen, wenn Almira todt ist?" „Gott ."„Ist Gott stark?"„Stärker als Alle."„Auch als der Vater?"„Auch Dein Vater hat seine Kraft von Gott ."„Und der böse Mann mit dem verbundenen Auge, auch der? Warum giebt dem der liebe Gott Kraft? Ich fürchte mich davor, daß dieser Mann wiederkommt. Er will mich wegführen."„Fürchte Dich nicht, ich lasse Dich nicht wegführen."„Wenn er uns aber Beide todtschläat?" „Dann kommen wir Beide inS Himmelreich."„Auch Almira?"„Nein, Almira nicht."..Warum nicht?" „Weil sie ein Thier ist."„Und meine kleine Louise?"„Auch die nicht."„O, rede nicht so, die kann ja besser in den Himmel hinaufstiegen als wir.'„So hoch kann sie nicht fliegen, wie der Himmel ist." Also giebt bort keine Thier e, keine Vögel? Ei, bann bleibe tch Keber hier unten beim Papa und bei meiner kleinen Louise." „Ja, bleibe mein Herz, bleibe!"„Nicht wahr, wenn der Papa hier wäre, würde er den bösen Mann schlagen?" "„Der böse Mann würde vor ihm davonlaufen."„Aber wann kommt der Vater zurück?" Noch im Winter. "„Wo- her weißt Du das?"„Er hat es gesagt."„Ist AlleS wahr, was der Vater sagt? Lügt der Papa nie?"„Nein, mein Sohn, was er sagt, ist Alles wahr."„Aber es ist 'ja schon Winter." Er wird auch bald kommen."„Wenn nur bis dahin Almira nicht sterben möchte!" Der Knabe stand von seinem Schemel auf und ging zum ächzenden Hund.„Liebe Almira , stirb nicht! Laß'
uns nicht hier allein! Sieh, in den Himmel kannst Du mit uns nicht kommen, Du kannst nur hier mit uns sein. Bleib hier. Ich baue Dir im Sommer ein schönes Haus aus Nußholz, wie der Vater mir eins gebaut hat. Von jeder Speise, die ich bekomme, lasse ich Dir die Hälfte. Leg' Deinen Kopf her in meinen Schooß und sieh mich schön an, fürchte Dich nicht, ich lasse den bösen Mann nicht mehr herein, der auf Dich geschossen hat. Wenn ich ihn kommen höre, werde ich die Thürklinke mit einer Schnur anbinden; wenn er die Hand hereinsteckt, werde ich sie ihm abhauen mit meinem kleinen Beil. Ich werde Dich beschützen, Almira." DaS kluge Thier schlug seine schönen Augen zum Knaben auf und klopfte sachte mit dem Schwanz auf den Fußboden. Dann seufzte eS tief auf, als hätte eS Alles verstanden, was man zu ihm gesprochen. Noemi hörte auf zu spinnen, stützte den Kopf in die Hand und starrte in das stackernde Licht. Als jener schreckliche Mensch wüthend von hier fortgegangen war, hatte er noch die Worte durchs Fenster hineingerufen:„Ich kommme noch einmal zurück, und dann werde ich Dir sagen, wer jener Mensch ist, den Du liebst." Daß er wieder kommen will, ist schon Drohung O; was aber soll seine zweite Drohung bedeuten? Wer >enn Michael sein? Kann er etwas Anderes sein, als was er scheint? Was wird jenes schreckliche Gespenst über ihn sagen können, das von der anderen Seite der Welt auf- getaucht ist? Ach, warum hat Michael nicht gethan, wie Noemi gesagt: beffer es lägen drei Schuh Erde zwischen uns. Noemi ist kein schwachherziges Weib. Sie ist in der Wildniß aufgewachsen und hat gelernt, auf die eigene Kraft vertrauen. Die Verweichlichung der großen Welt hat nicht ihre Nerven ergriffen. Die Wölfin wird ihr Felsenlager zu vertheidigen wissen— gegen den Hund! Sie hat Klauen, hat Zähne dazu. Seit jener schrecklichen Begegnung trägt fie beständig unterm Busentuch Michaels Tischmesser— dies Messer ist scharf geschliffen. Bei Nacht aber pflegt sie die Thür mit einem Querbalken zu verriegeln; dieser Balken ist mit einem Strick an der Thürwand festgebunden. Wie das Schicksal will! Kommt der Eine früher, wird aus ihr ein glückliches, ein gesegnetes Weib;— kommt der
Andere früher, nun dann wird sie zur Mörderin, zu einem Kind der Verdammniß. „Almira, was stöhnst Du so?" DaS arme, mit dem Tode kämpfende Thier hob mühsam den Kopf vom Schooße des Kindes empor und sing mit vorgestrecktem Halse in der Luft zu schnüffeln an; unruhig winselnd und knurrend, aber die herausgebrachten Töne waren nur mehr ein heiseres Röcheln; ob es Töne der Freude oder des ZorneS waren ließ sich nicht entscheiden. Das Thier wittert einen sich Nähernden. Wer kommt? Ist'S der gute oder der böse Mann? Der Lebensspender oder der Mörder? Draußen in der nächtlichen Stille hört man den Schall von Tritten auf dem bereiften Nasen. Wer kommt? Almira röchelt schwer; sie will sich auf ihre Beine auf- richten, sinkt aber wieder zurück; sie will bellen, kann aber nicht; Noemi springt von der Bank auf, fährt mit ihrer Rechten unter das Busentuch und faßt den Messergriff mit der Hand. Wer kommt? Alle drei horchen stumm auf: Noemi, Dodi und der Hund. Jetzt nähern sich rasch die Schritte. Ah, jetzt er- kennen alle Drei den Schall dieser Tritte.„Papa!" ruft Dodi lachend. Noemi beeilte sich, mit dem scharfen Messer den Strick am Querbalken durchzuschneiden, und Almira richtet sich auf die Vorderfüße aus und läßt jetzt plötzlich ein Gebell vernehmen. Im nächsten Augenblick liegen sie sich in den Armen. Michael Noemi, Dodi. Almira kriecht zu dem geliebten Herrn hin, hebt noch einmal den Kopf zu ihm empor, leckt ihm die Hand, stürzt dann zusammen und stirbt. „Wirst Du unS nicht mehr verlassen?" stammelte Noemi. „Lass' uns hier nicht mehr allein!" flehte der kleiue Dodi. Michael drückte Beide an feine Brust und feine Thränen überströmten die Wangen seiner Lieben.„Nie... nie.._ nie!..." (Fortsetzung folgt.)