Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 297.

Lokales.

-

es

Weihnachtsfreude für die Kinder der streikenden Luckenwalder   Hutarbeiter. Wie in weitesten Kreifen be tannt sein dürfte, befinden sich in Luckenwalde   ca. 800 Hut­arbeiter im Ausstand, der infolge von Lohndifferenzen mit den Fabrikanten entstanden ist. Alljährlich wird nun dort von bem Wohlthätigkeitsverein eine Weihnachtsbescheerung armer Rinder veranstaltet. Bisher fam diese Einrichtung allen armen Rindern zu Gate, dieses Mal soll jedoch eine Ausnahme gemacht werden und zwar ift faum zu glauben sollen die armen Kleinen ber streitenden Hutarbeiter von dieser Wohlthat" ausgeschlossen sein. Um nun diesen Rieinen nicht die Weihnachtsfreude zu verderben, bitten wir alle edelbenkenden Menschen, ein Scherflein beizu tragen, um den Haß denn dieser leuchtet aus dieser Maß­nahme hervor den Kindern weniger fühlbar zu machen und ihnen auf diesem Wege dieses schöne Feft zu einem wahren Feft der Liebe zu machen. Jede auch noch so fleine Gabe nimmt mit größtem Dank entgegen: Adolf Bey, Pallisaden­# traße 95 vorn 4 Tr. r.

-

Schon die kurzen Erfahrungen, welche mit der neuen Brliner Straßenpoft gemacht sind, laffen, nach dem Post­archio" erkennen, daß ein neues wichtiges Verkehrsmittel ge­fanden ist, welches berufen erscheint, den eigentlichen Stadt­poft bienft großer Städte zu erleichtern und die Briefbestellung wesentlich zu beschleunigen. Ja Berlin   wird die Einsammlung und Beförderung der Berliner   Stadtbriefe durch 47 Bostämter besorgt, welche über das 60 Quadratkilometer große Stadtgebiet vertheilt find. Die tägliche Durchschnittszahl der Berliner  Stabibriefe beträgt rund 150 000 Stüd, zu ihrer Einlieferung find 750 Briefkästen aufgestellt. Die neuen Straßen poften haben den 3ved, die 47 Poftanstalten auf die schnellste Weise mit einander in Berbindung zu bringen. Sie furfiren auf 11 Linien und befördern neben den Berliner   Stadtbriefen die

aus den Brieffäften einfammelten, nach anderen Drten beftimmten Briefe in gefchloffenen Beutein. Der Straßen­poftdienst erfordert große Gewandtheit der darin be­häftigten Beamten, ba das schnelle Auffortiren der zwischen ben einzelnen Poftanstalten auszutauschenden Briefbunde während der Fahrt große Schwierigkeiten macht. In Berlin  Fab 840 Straßen und Pläge vorhanden, von denen mehr als bundert zu verschiedenen, oft 3, 4, 5 felbft 6 und 7 Bestell­Boltämtern geboren. Auf das Sortirgefchäft, welches von Boftanstalt zu Boftanstalt been det sein muß, fönnen nur wenige Minuten verwendet werden. Aehnlich lautende Straßennamen B. Koch, Roch, Hoch-, Rauch- und Roßstraße geben zu Verwechselungen leicht Anlaß. Dennoch ist es gelungen, die Beamten so einzuüben, daß fie die ihnen geft Ute Aufgabe pünktlich erledig n; fie fortiren in der Stunde 1500 Briefe mit höchstens 3 Febileitungen, einzelne besonders geübie Sortirer bringen es auf tündlich 2000 Briefe. Die Straßenposten haben während der furgen Zeit ihres Bestehens im Durchschnitt täg lich 70 000 Briefe ordnungsmäßig bearbeitet. Davon find 4700 cegen früher um 1 Stunde schneller befördert worden, bei 15 000 Briefen beträgt die Beschleunigung zwei Stunden and 8000 Briefe find fogar um 12 Stunden eher, wie bei den früheren Betriebseinrichtungen beftellt worden. Diese erheb liche Beschleunigung hat ihren Grund darin, daß die Schluß­zeit zur zten Bestellung bei allen Potanstalten infolge der neuen Einrichtung um etwa eine Stunde hat hinausgeschoben merden fönnen. Die in der Hauptgeschäftszeit von 5-6 Uhr Radmittags eingelieferten Briefe gelangen mithin noch an demselben Tage zur Abtragung, während fie früher eft am onbern Morgen bestellt werden konnten. Durch die an den Straßer pften angebrachten Brieffäften find im Durchschnitt alich 1000 eilige Briefe von dem Publikum eingeliefert wor ben. Die Mehrkosten des Straßen postdienstes belaufen sich im Banzen auf rund 50 000 m. jährlich.

Für die Entnahme von Feuerungsmaterial aus den von ihrer Dienstbehörde angekauften Beständen haben die erlaffenen preußischen Unterbeamten nach einer fürzlich Berfügung, im Reffort der Finanzverwaltung, 3 Prozent thres Jahreseinfommens zu entrichten. Auch für die übrigen Refforts br preußischen Staatsverwaltung scheint diese Verfügung in Kraft treten zu sollen, w nigftens ift dieselbe soeben auch vom Juftyminifter für sein Reffort erlaffen und zwar mit der Maß gobe, daß diese Verfügung zuerst für das Etatsjahr 1890/91 in Wirksamteit tritt. In den betheiligten Beamten freisen haben

biese Berfügungen mehrfach den Wunsch rege gemacht, auf das Recht ihren Feuerungsbedarf aus den behördlichen Vorräthen au entnehmen, verzichten zu dürfen. Für einen Beamten, mit bem Jahreseinkommen von 1000 M. beträgt die Zahlung für Feuerung 35 M.; eine Summe, in der sich bei guten Heiz­and Rochanlagen und bei freier Wahl des Feuerungsmaterials wohl etwas ersparen läßt.

Die Influenza und die Riedorfer Zeitung". Bela namenlofes Unheil die Influenza über unseren Vorort gborf gebracht hat, ersehen wir aus folgender Notiz in r. 296 tes gemeinnüßigen Anzeigers dafelbft, welche lautet: Die gegenwärtig überall herrschende Influenza hat auch die Reiben unseres Personals ganz bedeutend gelichtet, so daß wir für heute die übliche Beilage fortfallen laffen müffen, was unfere geehrten Abonnenten unter diesen Umständen f eundlichst enfchuldigen wollen." Das ist aber bitter für die Leser der Rigdorfer 3 itung!"

Der kleine Hafen an der Moabiter Büde, welcher seit vielen Jahren als Lösch- und Ladebeffin für die Borfig'schen fenwerte gedient bat und in lekterer Zeit namentlich auch Steinfähnen zum Ausladeplatz diente, dürfte demnächst zu tuen aufgehört haben. Während er an der Difante burch 01: Spenerstraße hart begrenzt wird, fchidt man fich feit einigen Tagen an, die Calvinstraße durch Auffchüttung quer durch Line Waffe flache bis zum Stabibahn- Biadukt refp. bis zum Ufer der Spree weiterzuführen. Die Trodenlegung ber übrigen Theile ergiebt sich dann ganz von selbst, sobald mit der Be bauung der noch freien Straßenseiten begonnen wird. Mit mals ein Stüd rom alten Moabit  ". Gebüsch idyllisch umstandenen Miniaturbafen schwindet aber Es wird dann auch talo bie Reihe an den Roloffalfomplex fommen, welder Eigen thum der Borfig'ichen Erben ist und sich von der Straße Alt­Moabit bis haunter zur Spree ausdehnt. Die Fabrikanlagen werden modernen Miethepaläften weichen müffen.

Im nächsten Jahre werden, wie die N. A.   8." be ichtet, bier in Berun meteorologische Beobachtungen mittelst eines Feffelballons ausgeführt werden. Der Deutsche Verein Bar Förderung der Lufischifffahrt hatte, wie f. 3. mitgetheilt, angeregt durch Borträge, welche fein Mitglied, Premier- Lieute hant Moedebed von der Luftschiffer- Abtheilung des Eisenbahn­regiments, über die Luftschifffahrt in der Praxis hielt, be­Bu erbauen und 500 M. zu diesem Zwede bestimmt. Weitere

Donnerstag den 19. Dezember 1889.

300 Mart wurden durch eine Sammlunp unter den Mit­gliebern des Vereins aufgebracht. Die Berechnung des Ballons hat Lieutenant Groß von der Luftfchifferabtheilung ausgeführt, welcher nunmehr auch, wie er in der Sigung des Vereins am 16. b. M. mitiheilte, zum Bau des Ballons schreiten wird. Um die meteorologischen Inftrumente mit einem Gewicht von 8 Rilogramm und das 800 Meter lange Rabel- man hofft, daß Herr Geh. Regierungsrath Werner Siemens   ein Stahl drahttabel bem Verein zur Benußung überlassen wird

zu tragen, muß der Ballon muß der Ballon einen Radius von 3,135 Metern und 121,52 Quadratmeter Oberfläche erhalten. Durch rationelles Buschneiden und und zweck entsprechende Vertheilung der Näthe, die zugleich als Verstär­fungstippen bienen, wird es möglich, einen Ballon von dieser Größe aus den zur Verfügung stehenden 141 Quadratmetern Seide au verfertigen. Ein Quadratmeter der Seide, der einen Werth von 8 Mart repräsentirt, wiegt 69,1 Gramm, zwedentsprechend, um die nöthige Gasdichtigkeit zu er halten, mit Firniß getränkt und beftrichen, 175 Gramm. Die Schwierigkeit, welche die Konstruktion eines selbstthätigen Ventils bot, um bas Plagen des Ballons in Folge der Expan fionstraft der Gase in den oberen Luftschichten zu verhindern, wurde durch eine weiche Gummiliberung deffelben überwunden. Die Wahl bes Rabels ist noch nicht definitiv entschieden; ein Drahttabel aus Wolframftabl, wie bas oben erwähnte, welches große Festigkeit mit großer Leichtigkeit verbindet, erfordert eine besonders forafältig gearbeitete Winde, deren Anschaffung mindestens 500 M. foften würde, während ein Hanffeil eine berartig forgfältige Aufwidelung nicht nöthig macht, die zum Handbetrieb eingerichtete Winde daher nur geringe Roften ver ursachen würde. Auch in dieser Sache soll die Entscheidung so rasch gefördert werden, daß schon in den ersten Monaten des fünftigen Jahres mit den meteorologischen Arbeiten mittelft des Ballons begonnen werden kann; wenn dann die Resultate derfelben vorliegen, hofft man von maßgebender Seite Unter füßung zur Fortführung der Beobachtungen zu erhalten.

Daß der Kaffee als Getränk antiseptische Eigenschaft be­fit, tft schon früher mehrfach vermuthet worden, jedoch erst neuerdings durch genaue Untersuchung, die Dr. Lüderik im Berliner   hygienischen Institut ausgeführt hat, in detaillirter Weise festgestellt worden. Sämmtliche darauf geprüften Batterienarten wurden schon burch relativ kleine Mengen des wäfferigen Raffeeauszuges( bei Bufos deffelben zu Nährgelatine) in ih er Entwickelung und Fortpflanzung gehemmt und gingen im reinen Raffeeaufquß tchnell au Grunde. Die Frage, welchem chemischen Bestandtheil des Kaffees die fäulnißwidrige Wirkung deffelben zukommt, ist noch nicht beftimmt zu beantworten. Das Koffein ist ficher dabei nur unwesentlich betheiligt, etwas mehr vielleicht die Gerbsäure, in erster Linie aber wahrscheinlich die beim Röften des Raffees entstehenden empyreumatischen( brenz­lichen) Stoffe mie das Roffeon. Intereffant ist es übrigens auch, daß in offenen Taffen stehen gelaffener Kaffee noch nach sechs Tagen fich als nahezu feimfrei erwies.

Durch Taschendiebe bestohlen wurden am Sonntag mehrere Besucher des Weihnachtsmarktes. So wurde einer in der Gartenstraße wohnenden Hausbefizerfrau, als dieselbe vor einer Bude am Luftgarten stand, das Portemonnaie aus der Manteltasche gestohlen, in welchem fich 50 M. befanden, ohne daß es gelang bes Diebes habhaft zu werden. Einen nicht minder geringen Verluft erlitt der Kaufmann R. daselbst am vorgeftrigen Abend; derselbe hatte größere Einfäufe auf dem Weihnachtsmarkt gemacht, und da er die vielen Packete nicht allein tragen fonnte, so übergab er einem halberwachsenen Burschen, der fich zum Tragen der Gegenstände gegen eine fleine Vergütigung angeboten hatte, dieselben. Herr R. traf an der Ede der König- und Neuen Friedrichstraße einen Bes fannten, mit welchem er einige Augenblide plaubernd stehen blieb; biefe geringe Frift benutte der jugendliche Begleiter, um fchleunigst fich zu entfernen, und obwohl Herr K. den diebischen Burschen alsbald vermißte, gelang es diesem doch, unter dem Schuße der Dunkelheit, zu entkommen. Dem Bestohlenen ist burch den Streich ein Verluft von 40 M. entstanden. Als ein wahrer Schrecken für Ladenbefizer der Königstadt erweist sich eine etwa 50jährige ziemlich elegant gekleidete Frau, welche, mit einem Radmantel bekleidet, größere Geschäfte auffucht, Kleinig feiten fauft, um sodann, sobald der Verkäufer( mit anderen Runden zu thun hat, unter Mitnahme werthvoller Gegenstände zu verschwinden. Leider ist es bisher noch immer nicht gelungen, die Ladendiebin, welche namentlich Weißwaaren- und Bijouterie geschäfte heimsucht, dingfeft zu machen.

Aus Anlak von Weihnachtseinkäufen, welche die Frau einer hiengen falermeisters am Montag in einem hiefigen chegeschäft besorgt hatte, dürfte fich bemnächst ein Injurienprozeß entfpinnen, der auch für den Berliner   Geschäfts­verkehr von Jatereffe ift. Als die Frau an dem erwähnten Abend das Gefchäft verließ, bemerkte fie einen jungen Mann, der, ohne Ueberzieher und eine Schreibfeder hinter dem Dhr, beftändig hinter ihr herlief; der junge Mensch beläftigte bie Frau gerade nicht, aber er ging ihr augenscheinlich nach, be bielt fie im Auge und als die Frau schließlich bei ihrer Wohnung in der Adalbertstr. angekommen, in das Haus trat, war auch ihr Berfolger zur Stelle. Sie bemerkte noch beim Hinaufgeh n von der Treppe aus, daß der junge Mensch in's Haus trat und fie glaubte in demselben einen Handlungsgehilfen wieder­zuerkennen, der in dem Wäschegeschäfte thätig war und den fie bort, allerdings nur sehr flüchtig, bemerkt hatte. In der Woh nung machte die Frau von dem Vorfalle ihrem anwesenden Manne Mittheilung und als dieser die Rorridorthür öffnete, um nach dem Verfolger seiner Frau zu sehen, fand er diesen vor der Thür, um das in der ungenügenden Beleuchtung etwas undeutiche Namensschild des Tischlers zu studiren. Der junge Mann wurde nunmehr von dem Tischlermeister nach dem Be weggrunde feines sonderbaren Verhaltens befragt und erklärte, daß er von seinem Prinzipal den Auftrag erhalten habe, der Dame, die hier eben eingetreten sei, nachzugehen und, wenn möglich, zu ermitteln, wer die Dame fei. Darüber, was den Prinzipal zu dieser Anordnung veranlaßt haben könnte, wollte ober fonnte der junge Mann feine Auskunft geben. Die also behandelte Frau aber fühlt sich durch dies Verfahren des Bring pals in ihrer Ehre gekränkt und der Tischlermeister hat einen Anwalt mit der Anstrengung eines Injurien- Prozeffes gegen jenen beauftragt.

Durch einen Stury vom Hängeboden zog sich Sonntag Nacht die Möckerntraße Nr. 122 bei N. im Dienst befindliche 42 jahrige D. v. Dschinska schwere innere Berlegungen und einen Bruch des Schlüffelbeins zu. Am genannten Abend war fie spät nach Hause gekommen, hatte beim Besteigen der Leiter

auf den Saum ihres Rieides getreten, war ausgeglitten und so herabgestürzt. Auf Anordnung eines hinzugezogenen Arztes wurde vorgestern Abend die Ueberführung der Berunglückten nach dem Katholischen Krankenhause bewirkt.

Einen Selbstmordversuch auf offener Straße unter­nahm vorgestern Abend ein unbekannter Handlungsgehilfe. Vor dem Hause Röniggrößerstraße Nr. 138 zog derselbe einen

6. Jahrg.

Revolver und fchoß ihn gegen fich ab. Er traf fich in die linke Schulter und fiel bewußtlos um. Auf Requisition der Polizei wurde der U- bekannte in die Charitee befördert.

"

Viel Glück hat der Klempnermeister Adolf D. gehabt, welcher, wie die Poft" erzählt, am Montag Vormittag von einem Dach in der Marienburgerstraße aus einer Höhe von 66 Fuß auf den Hof des Grundstücks herabstürzte. D. hatte Sinkleiften anzubringen und hatte sich etwas weit vornüber gebeugt, als er infolge des Glatteises den Halt verlor; er fiel aber glücklicher Weise auf einen weichen Schutthaufen, so daß er von dem fürchterlichen Sturz nur eine leichte Kopfwunde davongetragen hat.

Grober Unfug. Seit einigen Tagen werden beschäf tigungslose Arbeiter, namentlich Sausdiener, nach fast fämmt­lichen Stadtgegenden durch fingirte Annoncen in einem hiesigen Blatte gelockt, Inhalts welcher in irgend einem Geschäft eine oder mehrere Hausbienerftellen zu befeßen find. Kommen die Beschäftigung fuchenden Personen nach dem Geschäft, so stellt fich heraus, daß der Inhaber die Annonce nicht aufgegeben hat und daß überhaupt eine freie Stellung dafelbst nicht vor­handen ist. Am Montag Abend find abermals ca. 100 Per fonen vergeblich nach dem Sehrndt'schen Drogengeschäft, Dres denerstraße 115, burch eine gleiche fingirte Annonce gelockt worden. Die Arbeitsuchenden machten hier fast alle die Mit­theilung, daß sie in gleicher Weise in den jüngsten Tagen nach den verschiedensten Geschäften gelaufen waren und überall fich genarrt sahen. In einem Fabrikgeschäft in der Prinzenstraße, wohin in Folge einer solden Annonce Hausbiener" bestellt worden waren, tam es durch die genarrten Stellensuchenden, die den Geschäfts- Inhaber für den Unfug verantwortlich machen wollten, zu einem berartigen Standal, daß die Polizei ein greifen mußte. Die Kriminal- Polizei hat jezt Maßregeln er griffen, um den Thäter zu ermitteln und der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Nach den vorgefundenen Manuskripten, die fämmtlich von einer Hand herrühren, scheint man es mit nur einem Patron zu thun zu haben.

Falsches Geld. Seit einiger Zeit furfirt in Berlin   unge­mein viel falsches Geld, vorwiegend Ein- und Zwei- Martftüde, welches gerade jegt während des Weihnachtsgeschäftes unterzu­brinaen gesucht wird. Bei einiger Aufmerksamkeit sind die Falfifitate leicht zu erkennen; dieselben, besonders die Mart stücke, befizen stumpfe Prägung, haben einen matten Glanz und fühlen fich fettig an, auch ist der Klang der Münzen ein unreiner. Ladenbefizern und Detailhändlern ist daher jest wäh­rend des Weihnachtsverkehrs doppelte Vorsicht bei Annahme von Gilbermünzen anzuempfehlen und bei Empfang oben ge­schilderten Geldes daffelbe einer genaueren Prüfung burch Klang und Griff zu unterziehen, auch bei Entdeckung der Falfifitate der Polizei Mittheilung zu machen, da es derselben sonst faft unmöglich gemacht wird, den Heerd der Fälschungen zu ent decken.

-

Polizeibericht. Am 17. d. M. Mittags wurde in der Schlachtgaffe hinter einem dort stehenden Steinhaufen die Leiche eines neugeborenen Rindes aufgefunden und nach dem Schaus hause geschafft. hause geschafft. Nachmittags explodirte in dem Arbeitsraum des Fabrikanten Naud, Michaelfirchftr. 6, eine mit Ligroine gefülte Lampe, wobei eine in der Nähe beschäftigte Frau so bedeutende Brandwunden an den Händen und im Geficht erlitt, daß fie nach dem Krankenhause Bethanien gebracht werden mußte.

Bewegung der Bevölkerung der Stadt Berlin  . In der Woche vom 24. bis 60 Movember 1889 fanden 824 Eheschließungen statt. Lebendge boren wurden 898 Kinder, darunter 97 außerehelich, todtgeboren waren 88 mit 5 außerehelichen. Die Lebendgeborenen find 30,7, ble Todtgeborenen 1,1 pro Mille der Bevölkerung, die außerehelich Geborenen find bei den Lebendgeborenen 10,8, bei den Tobtgeborenen 15,2 pet. Die Sahl der gemeldeten Sterbefälle be trug 587, die fich auf die Wochentage wie folgt vertheilen Sonntag 101, Montag 78, Dienstag 88, Mittwoch 78, Donnerstag 79, Freitag 85, Sonn abend 83. Von den Gestorbenen erlagen an Mafern 8, Scharlach 5, Rose 3, Diphtherie 35, Bräune 2, Reuchhuften 8, Rindbettfieber 1, Typhus 15, epidem. Genicftarre 0, Grippe 1, Syphilis 0. Altersschwäche 17, Gehirnschlag 9, Lungenentzündung 52, Lungenschwindsucht 97, Diarrhoe 11, Brechburchfall 7, Magendarmtatarrh 9. Durch Vergiftung tam 5 Personen um, hiervon 3 burd Selbstmord, 1 burch Alkoholvergiftung( Delirium tremens). Eines gewaltsamen Tobes starben Personen, und zwar durch Erhängen 2, Erftiden 2, Ueber. fabren 8, Sturz oder Schlag 1, Stich, Schnitt oder Bißwunde 1, Ertrinken 0, Ueberfahren O. Sterunter find 8 Todesfälle durch Selbstmord herbeigeführt Dem Alter nach find die Gestorbenen unter 1 Jahre alt 186( 31,7 pet. ber Gesammtsterblichkeit), 1-5 Jahre 82, 5-15 Jahre 80, 15-20 Jahre 9, 20-80 Jahre 40, 80--40 Jabre 56, 40-60 Jahre 103, 60-80 Jahre 71, über 80 Jahre 10 Personen. In hiesigen Krankenhäusern starben 187, ein schließlich 12 Auswärtige, welche zur Behandlung hierher gebracht waren. Auf die Standesämter vertheilen fich die Todesfälle folgendermaßen: Berlin­Kölln Dorotheenstadt( I.) 21, Friedrichstadt  ( II) 19, Friedrich- und Schöne berger Borstadt( III) 26, Friedrich- und Tempelhofer Vorstadt( IV.) 49, Loutsen ftadt jenseit, weftlich( Va.) 49, Luisenstadt jensett, öftlich( Vb.) 44, Luisenstadt dieffeit und Neu- Kölln( VI.) 88, Stralauer Biertel, weftlich( VIIa.) 50, Stralauer Viertel, öftlich( VIIb) 87, Rönigstadt( VIII) 84, Spandauer Biertel ( IX) 82, Rosenthaler Vorstadt, süblich( Xa.) 88, Rosenthaler Vorstadt, nördlich ( Xb.) 26, Dranienburger Borstadt( XI.) 44, Friedrich- Wilhelmstadt und Moabit  ( XII) 88, Wedding  ( XIII.) 47. Die Sterbefälle find 20,0 pro Mille der fort­geschriebenen Bevölkerungszahl( 1526 417). Die Sterblichkeitsziffer in folgenden Städten des Deutschen Reiches mit mehr als hunderttausend Einwohnern be­trug in Aachen   83,8, Altona   20,0, Barmen 15,9, Bremen   18,7, Breslau   24.1, Chemniz 13,5, Danzig   20,1, Dresden   18,5, Düsseldorf   20,1, Elberfeld   22,7, Frankfurt   a. M. 20,5, Samburg mit Vororten 19,4, Hannover   19,2, Röln 17,7, Königsberg   20,7, Krefeld   21,4, Leipzig   16,1, Magdeburg   22,2, München   82,5, Nürnberg   21,5, Stettin   25,7, Straßburg   i, G. 20,8, Stuttgart   22,2 auf Tausend. In anderen Großstädten Europas   mit mehr als dreihunderttausend Einwohnern betrug die Sterblichkeitsziffer in Amsterdam   20,4, Budapest  ( Vorwoche) 29,2, Dublin   28.7, Liverpool 22,1, London   17,4, Paris   00,0, Petersburg  ( Vorwoche) 82,1, Warschau  ( Vorwoche) 83,4, Wien  ( Vorwoche) 20,8 auf Tausend. Es wur ben 2608 Zugezogene, 1755 Weggezogene gemeldet, so daß fich die Bevölkerung mit Einrechnung der nachträglich gemeldeten Geborenen und des Zuschlages, der den Weggezogenen erfahrungsmäßig zugerechnet werden muß, um 1022 ver mehrt hat, die Einwohnerzahl beträgt fonach am Schluffe der Berichtswoche 1527 489. In der Woche vom 1.- 7. Dezember famen zur Meldung Infektions­Erkrankungsfälle an Typhus   48, Bocken, Masern 49, Scharlach 88, Diphtherie 117, Rindbettfieber 4.

Gerichts- Beitung.

Mit der geftrigen Situng schloffen die diesjährigen Schwurgerichtsverhandlungen des Landgerichts 1. Der schweren intellektuellen Urkundenfälschung bezw. der Anstiftung dazu be­fanden sich der Bügler Eduard Toll und der Friseur Ernst Kaul auf der Anklagebant. Beide find vielfach vor­bestraft. Im Oftober flagte Raul seinem Freunde Toll, daß er wegen einer Uebertretung eine fünftägige Haftstrafe zu ver büßen habe, welches ihm um so unangenehmer sei, da er gerade eine gute Stellung befize. Toll ließ sich überreden, die Strafe für feinen Freund zu verbüßen, wofür ihm eine Belohnung von 10 M. in Aussicht gestellt wurde. Da Toll das genaue Nationale des Raul angab, so schöpfte die Gefängniß­inspektion feinen Verdacht und die Täuschung wäre gelungen, wenn nicht ein eigenthümlicher Zufall zum Verräther ge­worden wäre. Raul hatte nämlich noch mehr auf dem Kerbholz und wurde verhaftet, als sein Freund erft 4 Tage für ibn verbüßt hatte. Bei seiner Einlieferung stellte sich die Unterschiebung heraus. Die Angeklagten beftritten die Straf that nicht, Toll stellte aber in Abrede, daß das Versprechen der 10 M. ihn zur Leiftung des Freundschaftsdier ftes bewogen habe, er würde auch ohne Belohnung für Raul eingetreten fein.

Corsets u. Schürzen.