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Nr. 15.

Sonnabend, den 18. Januar 1890.

7. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

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۵۵

Das Berliner   Boltsblatt" beerfcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin   frei in's Saus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer hung hinpedition Zimmerstraße 44 1 Mart pro Monat. Poftabonnemeni 4 Mart pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892) en auf die das Ausland: Täglich unter Kreuzband durch unsere Expedition 8 Mart pro Monat.

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Redaktion: Beuthstraße 2.

Trau, schau, wem!

Bir haben niemals den sächsischen Fortschritt ernft genommen, wir haben öfters barauf hingewiesen, daß in dem industriellsten Lande des Deutschen Reichs die Bourgeoisie zum Glück für die Arbeiterbewegung sich bereits hat, aber trotzdem ist es der Mühe werth, die Vorgänge in Chemnit einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Die schlug

schen Fortschrittler sich in zwei Gruppen spalteten, in solche, bie wie der Starte offene und in solche, die ver

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Insertionsgebühr

beträgt für die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs­Anzeigen 20 Pf. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin   SW., Simmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3-7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 10 Uhr Vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt VI. Mr. 4106.

Expedition: Bimmerftraße 44.

und Rornzöllen, tros des Milliardenbudgets und der Reichs­armee. Alle freiheitlichen Redensarten waren wieder einmal faule Finten, der Philister warf die Maske ab und zeigte sich als Urbild eines Schacherers und Hasenfußzes.

Der Pferdehandel von Chemnitz   sollte diese Tragis tomödie von Rechtswegen heißen. Aber man sei dessen ver­sichert, daß bei dem Geschäft das Landtagsmandat nur

Was der glückliche Zufall und die politische Ron junktur uns in den Schooß wirft, es sei willkommen.

Aber unsere Sache führt nur die zielbewußte Arbeiter schaft zum Siege, und mit dem Lächeln des Bufalls zu rechnen, das überlassen wir den deutsch   freisinnigen Lotteriepatrioten.

eine untergeordnete Rolle spielte. Die treibende Kraft war die schnöde Furcht vor dem Sozialismus, welcher dem Bürgerthum schlaflose Nächte und ungemüthliche Früh­schoppen bereitet. Wo er geht und steht, im Wurfiblatt Politische Uebersicht.

und in der Fabrik, im Kasino und in der Familie, überall sputt diese Sozialdemokratie. Sie ist da, zäh, derbknochig, tappte Rückwärtser waren. Diese maskirten, modisch mit breitspurig, die Augen fest auf Bliemchen gerichtet, die

Idem Eugen Richter'schen Flittersand aufgeputzten Sächser muskulösen Arme und die massive Stirn kühn und offen denselben eine allzu hohe Bedeutung beizulegen; grüßt, während die sog. Scammerforschrittler als Startell- Raufmann, als Industrieller, als Rentner, als Grundbesiger, bevorstehe und daß eine mibe Brazig as Sozialistengejet

" Es geht ein frischer Luftzug durch das sächsische Bür­

Freude geschlagen hatte.

als Agent des Rapitals einfact. Was will man von ihm? Er soll durch selbstständiges Eintreten in die Wahlbewegung, durch deutschfreifinnige

nach dem Bittauer Wahlsteg Purzelbäume vor ausgelaffener Stimmzettel der Arbeiterpartei den Sieg sichern? Nimmer­

Wir sagten und wir dachten: Aber, aber! Denn wir

mehr!

Nun, trotzdem oder gerade weil die Spießer unter

Undankbarkeit, oder Aehnliches, wird uns in Kartell blättern vorgeworfen, weil wir bei Besprechung der jüngsten Entscheidungen der Reichs- Beschwerdekommission davor warnten,

mung für die Berewigung" des Sosialistengefeßes zu machen. Das ist unsere ganze Sünde.

Wir hatten wohl die Hand küffen sollen, die unsere Partei so oft gefchlagen? Der Vorwurf läßt uns sehr falt. Dankbar feit und Politik find zwei Dinge, die nichts miteinander gemein haben. Wenn die Reichs Beschwerdekommission ungerechte

tennen den Philister im Allgemeinen, den deutschen Philister einem Banner marschiren, wird die Chemnitzer   Arbeiterschaft aufhebt, so thut fie einfach ihre Schuldigkeit, wofür im Besondern, und ganz speziell der sächsische Bruder Spieß- ihre Kraftprobe am 20. Februar zu bestehen wissen, allen bürger galt uns von je als ein Musterbild politischer Impotenz. Roßtäuschern zum Troz.

Aber der Deutschfreifinn mag in Leipzig   und in Berlin  

Mann, wird er gestoßen, getriezt, so thut das nichts. So fich noch so sehr über die treulofen Genossen entrüften, man lange er seinen Kohl bauen, so lange er Geld machen kann, vergesse nicht, daß er im gegebenen Falle es anderswo ge ift er zufrieden und die Junker und die Bureaukraten mögen rade so macht, es gerade so gemacht hat. das Volk zwiebeln nach Herzensluft. Er fühlt sich am glück- berg, so in Magdeburg  , so in Braunschweig   und so weiter!

Schweinehandel.

Obrigkeit Alles reguliren läßt, Steuerzahlen, Militär- geset vergessen. dienst, Tugend und Wohlgesinntheit, die Presse und den

mit allen Idealen.

Nie werden wir außer Augen lassen, wie das sanft lebende Fleisch von Danzig  , Herr Ridert, für die große liberale Partei" schmelzende Töne zu finden weiß, daß der

tein Dant beansprucht werden fann. Eine Rechtsgarantie und das ist der Buntt, um welchen es fich handelt bieten diese Entscheidungen der Reichs- Beschwerdefommiffion uns nicht. Das Ermessen hat entschieden, und für das Ermessen giebt es teine feften Normen. Nichts bürgt uns dafür, daß es morgen anders entscheide als gestern.

Die Mitglieder der Reichs- Beschwerdekommission mögen

wird es ihnen gelingen, für die Handhabung des Gozialisten­

Er will nicht denken, weil er nicht denken kann, weil feine theoretische Fähigkeit, sein Bischen Spiritus, das ihm deutsche Freifinn einen Lobhudler des Junkerthums und heit bei der Reichs- Beschwerbefommiſsion ebenso gut wie bei ben

Und sollte die höchste Steigerung der Pfahlbürger­Ohnmacht, sollte Herr Bliemchen, der Sächser etwa eine

Ausnahme machen?

Die Furcht vor der Arbeiterbewegung ist international, ift überall zu ihr Angstphilister und alté Weiber giebt. Und wo giebt es diese nicht?

Reihen gelassen hat.

Schon im vorigen Jahre haben wir es ausgesprochen, daß man günstige Chanzen benüßt, sich aber nicht mit einer bürgerlichen Partei alliirt, deren Charakteristikum die Unzu­verlässigkeit ist, mag auch Herr Dr. Stein von der Frank­furter Seitung" den wir als einen ehrlichen Demokraten zu schäzen wissen, noch so schulmeisterlich die Sozialdemokratie

gefeßes eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Das ist ein Wider Stechtsgrundlage find Begriffe, die einander ausschließen. fpruch in fich, eine unmögliche Aufgabe. Ausnahmegesetz und Will man ernstlich eine Rechtsgrundlage, dann schaffe man das Sozialistengefe ab. So lange diefes in Rraft ist, berricht das persönliche Ermessen

Polizeiorganen, in deren Hände die Ausführung des Sozialisten gefeßes gelegt ist.

Wir find weder dankbar, noch undankbar, aber wir ver­langen unser Recht.

Wind das Dings schon wieder aus. Ein Landtagsmandat hat und selbstständig geworden ist. In diesen Dingen, war für einen armen Fortschrittler auf zwei Jahre zu er gattern, und für dies Linsengericht verkauften die Herren Magifter! das Recht ihrer politischen Erstgeburt, fie verzichteten auf

Deutschfreisinns mühsam angezündet, da wehte ein leichter sich rechtzeitig von der Nabelschnur der Bourgeoifte gelöft griffe Bana- Heri's und über den Unfall Emin Pascha's  

warfen

einen eigenen Kandidaten zur

Reichstagswahl und

Herr Doktor, hands off, Hände weg! Wir brauchen feine

Also, Arbeiter, haltet die Augen auf, seht den Fortschrittlern auf die Finger, daß nicht gemanischt und gemogelt wird.

lich den Kartellbrüdern in die Arme. Trotz fünfjähriger| fich feige, jammerfelig, ächt spießbürger­Legislaturperiode, trotz Sozialistengeseh, trotz Schnapssteuer Ihr vertrauen.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Der Winterabend.

Augen.

Novelle von Elise Orzeschko.

[ 4

Nur auf Eure Kraft, auf Euer Klaffenbewußtsein dürft

Gläschen bis zum Rand, leerte es auf einen Bug und kehrte an den Herd zurück.

Gerecht!" begann er abermals, immer dem Alten zu­gewandt. Ihr sagt: Gerecht! Und wißt Ihr denn, wie diefer Bonk, den man wie eine wilde Bestie hetzt und jagt, das erste Mal ins Verderben gerathen ist? Vielleicht einer Kleinigkeit wegen, die der Erwähnung nicht verlohnt. Das Elend behandelt den Menschen, den es erhascht, erbarmungs­los. Es schüttelt und rüttelt ihm furchtbar, Herr Wirth, und wühlt wie ein Alles fressendes Gift in seiner und wühlt wie ein Alles fressendes Gift in seiner Es giebt starke Naturen, denen dieses Gift nichts anzuhaben vermag, es giebt auch schwache, wehrlose, die nicht gepanzert sind und der Versuchung er.

Autorifirte Uebersetzung aus dem Polnischen von E. Ranemann. die Stirn schwoll ihm an und ein Blizz schoß aus seinen Seele Eine heiße Blutwelle übergoß sein graues Antlig, Gerecht!" wiederholte er mit einem kurzen, höhnischen Lachen. Fürwahr, Herr Wirth, Ihr habt gut reden. Leicht liegen." genug springt das gerecht" von Euren Lippen! Was der von dieser Gerechtigkeit denkt, welcher gleich einem wilden berühren. Die Hand, welche er mechanisch nach derselben Thiere bei jedem Schritt und Tritt gehegt, eingefangen, faft ausgestreckt, fiel schlaff zurück. Die aufgeblähten Nüftern nur er allein, der die Welt, die Menschen und seine Ges

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Er kam wieder zum Tisch, doch ohne die Flasche zu

burt verflucht. Jeden Sterblichen kann ein Fluch treffen heiße Gluth. Er lachte, aber sein Lachen klang schrecklich,

und verstummte.

Flüchtig blickte er auf Christine und Helene, hüftelte Pet Vlikula. Doch ber Gebärmute Kerl iſt, der Anbern

Befte.

abern schwollen an und aus seinen Augen ftrömte eine

den ber Greis hatte fallen lassen, eine kaum vernarbte Wunde seiner Seele aufreißen und auf's Neue bluten machen. Besäße nur jeder Arme die Macht, all diesen Dämonen, die in seiner Seele hauſen, ein Fort! ich will

den ber Greis hatte fallen lassen, eine kaum vernarbté

,, Der Erbärmlichste, der Erbärmlichste! Und wißt Ihr, Herr Wirth, daß das Erbärmlichste manchmal dicht beim schlummern diese Dämonen, beim Andern erwachen sie und

gefchid dazwischen, so wäre dieses Erbärmlichste vielleicht das

Er feuchte, seine Rehle schien trocken geworden zu sein. Mit großen Schritten näherte er sich dem Tisch, füllte das

gefecht sein!" zuzurufen, und würden dieselben schon vor dem bloßen Worte erbeben und flüchten! Im Einen

Herr Wirth, wenn die Teufel des Armen Seele der Hölle überantworten, glaubt Ihr vielleicht, es reiche vielleicht nur Einer der Gerechten   ihm den kleinen Finger, um ihn zu retten aus dem Pfuhle? Oho! Nicht einmal einen Strohhalm, geschweige

Dem Reichstage ist eine weitere Sammlung von Atten­stücken über Ditafrifa zugegangen. Die Erwartung, daß man in diesem neuen Weißbuche nähere Mittheilungen über die hauptsächlichsten Ereignisse der legten Beit, über die Ge und

über die An­ den  

Unfall Emin Pascha's   enthält das Weißbuch überhaupt nichts; über die Hinrichtung Buschiri's nur die kurze Drahtmeldung Wißmann's vom 16. Dezember 1889, daß Buschiri   standrechtlich mit dem Tode bestraft und fofort hin gerichtet sei.

In Bezug auf das Sozialistengeset glaubt der Hann. Kourter" fic nicht zu irren, daß eine, wenn auch schwache, Reichstags- Majorität dem Antrag Nobbe zustimmen würde.

denn ein herzliches Wort haben sie für ihn! Irrt der Mensch einmal vom rechten Pfade ab und stürzt sinnlos in die Mistpfüße, ha, was meint Ihr, findet sich da vielleicht auf der ganzen Welt Jemand, der mit ihm Mitleid hätte und ihm heraushelfen würde? Bei Gott, nein! und aber mals nein! Niemand thäte so was, und naht sich ihm doch Einer, dann geschieht es einzig, um ihn mit dem Fuß noch tiefer in den Roth zu stoßen. Gar manchmal empfindet auch der Arme Ekel vor dem Unrath, er lechzt nach Erlösung und sucht sie überall, aber die Welt verhindert fie, gestattet sie ihm nicht. Nitsch, ratsch, die Häscher sind wie die Hunde hinterdrein, fie greifen ihn, schleudern ihn zurück in die Sauche und martern ihn, bis er wüthend um sich beißt. Was soll er dann? Krieg ist Krieg! Geht er taput, so will er wenigftens vorher sich nochmals satt essen, noch einen Rausch sich trinken. Gilt's dabei einen Schädel einschlagen, nun, was ist denn weiter daran? Es geht ja doch der Hölle zu und die Todfeinde sollen wenigstens ein Andenken an ihn haben. Und wer sind diese Todfeinde? Die ganze Welt ist's, wenn Reiner sich seiner

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annimmt, ein Jeber ihn nur quält."

Wieder kam er zum Tische und blickte Mikula ins Ant­lig. Der Alte starrte schon seit einigen Minuten, den ganzen mächtigen Oberkörper über den Tilch gebeugt, den Gaft durchbringend und finster an und seine Hand fiel mit der Pfeife auf die Bank nieder. Das erste Mal trafen fich jeßt ihre Augen. Es war etwas Drohendes, Unheimliches, das dem Gaft aus diesen grauen Tiefen entgegenbligte. Der Alte war mit einem Ruck dicht an der Wand und mit dem

breiten Rücken an dieſe gelehnt, femmte er bie Arme an die Tischplatte. Der Gaft schwieg, seine Rede brach ab, wie der Ton einer zerrissenen Saite. Stumm und regungs­los schaute er einige Sekunden zur Erde nieder und näherte fich alsdann mit rascher Wendung dem Kamin. Sein Ge­