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Dienstag, den 9. Dezember 1890. 184

# 0717. Jahrg.

Berliner Volksblatt

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Postabonnement 3,30 Mart pro Quartal ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1890 unter Nr. 892, V. Nachtrag.) Unter Kreuzband, täglich durch die Expedition, für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mark, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat.

der

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Expedition: Beuthffrahe 3.

mehr Stühle als früher zur Besorgung übergiebt." Die noch fort, theils weil man die Erfahrung machte, daß die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Maschinerie wie der Kinderarbeit nicht so viele Vortheile besitzt und leichter zu

Der ausgezeichnete schweizerische Fabrikinspektor Arbeitskräfte ermöglicht den Unternehmern die heißerfehnte ersetzen ist, als man früher meinte, theils weil die ein­Dr. Schuler, eine anerkannte Autorität auf dem Ge- Ersparniß an Händen, führt der Schaar der Beschäf- geführten Aenderungen in der Betriebsweise die reichliche biete der Fabritgesetzgebung, wie überhaupt der sozialen tigungslosen neue Mannschaften zu und fördert die Verwendung der Kinder immer weniger wünschenswerth Hygiene, veröffentlicht im letzten Heft der Zeitschrift für Schmußkonkurrenz unter den Arbeitern. Die Ansprüche erscheinen lassen." Der gemüthstiefe Apostel der krassesten schweizerische Statistit" einen sehr instruktiven Aufsatz über an die Arbeitsfähigkeit sind, wie oben gezeigt wurde, er- Kinderausbeutung, Herr Hartmann, mag sich diese golde die Ergebnisse derda schweizerischen Fabrik- heblich gestiegen, und so geschieht es, daß die Fabrikanten, nen Worte zu Herzen nehmen. Aber er schwärmt ja in statistik für 1888. Die darin mitgetheilten und er- um ihre Betriebe auf der Höhe zu halten und ungestört erster Linie für die Kinderarbeit in der Hausindustrie, die örterten Thatsachen sind auch für uns, die wir im Zeichen durch ungenügendes Menschenmaterial, die Ausbeutung der noch viel verwerflicher ist, als die Einreihung der Pro­Sozialreform von Oben" stehen, von Bedeutung. jugendlichen Arbeiter bezw. der Kinder einschränken. Diese letariersprößlinge in die Zahl der Fabrikarbeiter. Wie Von größter Bedeutung für ein großes Gebiet der Beobachtung, was die Kinder arbeit betrifft, ist auch in rentirlich, wie billig sind doch diese Kinder für die Eidgenossenschaft ist bekanntlich die Baumwoll- Spinnerei. Deutschland gemacht und zu Gunsten des angeblich Berleger, welche Reichthümer aufhäufen, an denen An diesem Gewerbe, daß der Technik die ersten Triumphe humanen Unternehmerthums ausgeschlachtet worden. Die veritables Kinderblut flebt. Thut nichts, der Jude wird verschaffte und das den Großbetrieb am frühesten zur Schuler'schen Angaben erweisen flipp und klar, daß im verbrannt, das Kind wird weiter ausgebeutet, und im Plenum Entfaltung brachte, lassen sich die Wirkungen der wirth- Großen und Ganzen die Kapitalistentlasse als solche durch des Reichstages wird das Bischen Arbeiterschutz, das die schaftlichen Entwickelung mit sinnenfälliger Klarheit beob- Beweggründe ethischer" Art sich nie und nimmer be- Verschwörer der Subkommission noch in der Gewerbe­achten. Vergleicht man die Spindelzahl mit den Betriebs- stimmen läßt, sondern einzig und allein durch die Rück- novelle gelassen, mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Herr fräften, so findet man, daß in der Schweiz im Jahre 1883 ficht auf den Profit. Es ist unter den bestehenden Ver- Hartmann und Herr Möller machen Alles dem Erdboden auf 100 Spindeln 11,04 Pferdekräfte, 1888 aber hältnissen, bei der Entwickelungshöhe des Maschinenwesens gleich, und die Zierde der volksparteilichen Knöpfliſchwaben, 12,78 Pferdekräfte trafen. Schuler bemerkt hierzu: Diese vortheilhafter, weniger Kinder, als die kräftigeren Erwachse- der Auch- Demokrat Hähnle, bei dem die Profitwuth in Beschaffung vermehrter Betriebskräfte wurde veranlaßt nen in den Textilgewerben anzuwenden, und deshalb die sich der Brust die Spannkraft übt", streut Salz auf die öde theils durch die schlimmen Erfahrungen in den letzten in einem gewissen, zwar nicht allzu erheblichen, aber bemerk Stätte. Sie sei verwünscht! wasserarmen Wintern, die auf die Anschaffung von Dampf- baren Umfange vollziehende Abstoßung kindlicher Arbeits- Eine andere wichtige Schweizer Industrie ist die maschinen hindrängten, noch mehr aber durch die sich kräfte aus dem bezüglichen Produktionsprozesse. Daß die Seidenindustrie. Dieselbe hat in den letzten Jahren ge­dollziehende Aenderung im Betrieb, die Ansprüche der Erwachsenen der Industrie, d. h. den auf blüht, der Geschäftsgang war äußerst befriedigend. Die Erweiterung der Hand- Spinnstühle durch andere, das ihren Entbehrungslohn bedachten Kapitalisten nicht zu be- Bahl der Etablissements hat sich statt vermehrt um eins Spinnen gröberer Nummern, das schnellere Laufen schwerlich falle, dafür sorgt u. a. das Vorhandensein einer vermindert, aber trotzdem ist die Arbeiterzahl um 7 pCt. Maschinen u. s. w." Die neuen Spinnstühle durch die technischen Fortschritte in der Textilindustrie sich gestiegen und in noch stärkerem Maße, um 9,1 pct., die enenieferten mehr Geſpinnst als die alten, sie erforderten also stetig mehrende industrielle Reservearmee. Dies voraus- Bahl der verwendeten Pferdekräfte. Diese Industrie zeigt mehr Vorbereitungsmaschinen. Nun hätte man viel- geschickt, wird man die folgende Uebersicht richtig beurtheilen. also die Tendenz zur Konzentration in recht großen Eta­leicht meinen können, eine relative Vermehrung der Ar- Die Arbeiterschaft in der schweizerischen Textilindustrie setzte blissements." sei eingetreten. Aber im Gegentheil herrschte sich wie folgt zusammen:

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Ringe, die Tendenz, die Arbeiterzahl herabzusetzen. Das mächtige Konkurrenzland England kommt mit weniger Händen für

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le 1000 Spindeln auf, der Zwang, durch vervollkommnete 1883 Technik den Wettbewerb zu bestehen, war gegeben, und die 1888 billigen Reduktion der Arbeiterzahl ging denn auch folgerichtig vor

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unter 18 Jahren männl. 8,3 pct. 5,8

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Es treffen denn auch auf einen Betrieb 123 Personen. Aehnliches weiß Schuler aus der Baumwoll- Färberei 42,3 pct. und Baumwoll- Druckerei, aus der Wollindustrie und der immer mehr zum Fabrikgewerbe sich umgestaltenden Schuh­

über 18 Jahren männl.

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Daß die Weiberarbeit in diesen Branchen über- macherei zu berichten.

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fich. Man findet", schreibt unser sachkundiger Gewährs- wiegt, ist bekannt; sie hat den Ausfall der delikaten Kinder- Der Zug, der unverkennbar durch unser gesammtes mann ,,, in vielen Etablissements erheblich weniger Arbeiter fragen" auch vorzugsweise gedeckt. Den Sykophanten der Wirthschaftsleben geht, die Großproduktion zur herrschenden an den Spinnstühlen; ganz auffallend zeigt sich der Minder- Plusmacherei, die in der Arbeiterschutz- Gesetzgebung den Urquell Macht des ökonomischen Systems zu machen, drängt kon­bedarf an Arbeitern auch in manchen Karderien mit den alles Uebels erblicken, weist der eidgenössische Fabrikinspektor fequenter Weise zum Arbeiterschutz. Aber wir bedürfen neuesten Maschinen. Infolge dieses Umstandes sank die gar munter die Wege. Er schreibt:" Unmittelbar nach einer Schutzgesetzgebung, die nicht mit Brosamen die Arbeiter Gesammtzahl der Spinnerei- Arbeiter. An ihre Leistungs- dem Inkrafttreten des Fabrikgesetzes gab man diesem aus- abspeist, um desto reichlicher den Besitzenden den Tisch fähigkeit wurden höhere Ansprüche gestellt, denen nament- schließlich Schuld an der damaligen Abnahme der jugend- zu decken. Wir bedürfen einer Gesetzgebung, welche lich die Kinder oft nicht mehr zu genügen vermochten." lichen Arbeiterschaft in der gesammten Baumwoll- Industrie. Die soziale Hygiene und die Koalitionsfreiheit Dieselben Erscheinungen zeigen sich in der nächstverwandten und in der That bedingte dieselbe eine ganz bedeutende zum Angelpunkt ihrer Wirksamkeit macht. Gut, Induſtrie der Baumwollweberei, deren großgewerblicher Verminderung der jugendlichen Arbeiter; aber sie hätte wenn der Militarismus Soldaten braucht, so hat er Charakter immer schärfer sich ausbildet. Die Betriebsweise im Jahre 1883 längst beendigt sein müssen, wenn fein alle Ursache, die Reform nicht bei den höheren Schulen, ändert sich nach der Richtung, daß man dergleichen Arbeiterin anderer Grund mitgewirkt hätte. Sie dauert jedoch immer sondern bei der Arbeiterklasse zu inauguriren. Die

Feuilleton.

Machbruc verboten.]

Rothenburger Tage.

17

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und ein rascher kräftiger Schritt auf den Kieswegen wurde" Redet!" bat Herr Florian abermals. Warum seid vernehmbar. Er kam näher, Agnes wandte sich um und Ihr verlassen in Eurer eigenen Eltern Haus?" Florian Geyer stand vor ihr. Agnes nahm all ihre Staudhaftigkeit zusammen. " Ich will noch vor Mittag reiten," begann er, aber" Ihr kennet ja den Vater," sprach sie, er ist besorgt Euren Vater hab' ich nimmer angetroffen; man hat ihn so- um das Wohl und Wehe der Seinen, aber er ist ein strenger eben in den Rath berufen. Die Herren haben jetzt viel zu Mann. Daß Ihr gestern beim Abendimbiß waret, hat

Roman aus der Zeit des großen Bauernkrieges von 1525. berathen," fügte er mit feinem Lächeln hinzu, da nahmen besänftigend gewirkt und beim Wein ist er oft ein gar

Von Wilhelm Blo3.

Als sie das Kloster verlassen hatte, war ihr gleich der alte Lindenbaum eingefallen und he hoffte nun wieder in

feinem

Schatten träumen zu können von einem glücklichen Leben und von einer sonnigen Zukunft. Was sollte auch

seine Züge den Ausdruck des Erstaunens an:

er

Aber was ist Euch, edles Fräulein, Ihr vergießet Thränen? Wer hat Euch wehe gethan? Nennt ihn mir; hat es mit Florian Geyer von Geyersberg zu thun!" Sie sah ihn innig und flehend an und die Thränen Agnes schwieg noch immer.

ein junges, schönes und reiches Mädchen anders träumen? rannen von Neuem über ihr Antlitz. Aber Agnes schien, kaum aus dem Kloster geschieden,| Lebens Bitterniß schon verschmeckt zu haben, denn

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Aber so redet doch!" rief er bittend und schmeichelnd;

während goldene Sonnenstrahlen zwischen den düstern Mauern schier zärtlich klang der Wohllaut seiner Stimme. spielten, lehnte das schöne Kind an dem Stamm der Linde Ihr mich foltern? Redet, was ist Euch zugestoßen?"

und

weinte

bitterlich. Sie hatte ihr Haupt dicht an

"

Wollt

fröhlicher Herr. Aber heute, des Morgens, ist der Groll wieder aufgestiegen, den Ihr kaum verscheucht. Mein Bater mag es nicht verwinden, daß ich das Kloster verlassen, weil

er seinem Vater, als dieser aus schwerer Gefahr glücklich errettet war, das Gelübde ablegte, sein ältestes Kind dem Himmel zu weihen."

Diese Väter, die Vorsehung spielen," murmelte Herr Florian. " Ich aber bin sein einzig Kind und so mußt' ich den Schleier nehmen, trotz aller Bitten und Thränen meiner Aber Ihr seid doch frei," meinte der Nitter.

Ach," sagte Agnes schmerzlich, Ihr seid ein stolzer Mutter." die Rinde des Baumes gedrückt, gleich als hoffte sie, eine Rittersmann und Führer eines großen Heeres. Bald tröstliche Stimme aus dem Stamme zu erlauſchen. Die werden in ganz Franken und drüber hinaus. Eure Fähnlein fchönen großen dunklen Augen starrten trostlos in den fliegen. Was fümmert Euch der Schmerz eines verlassenen Vater sagt, ich müsse mun so schnell als möglich unter die blauen Märzenhimmel empor, von dem ihnen die Mauern Mädchens?"

nur ein viereckig ausgeschnittenes Stück vergönnten.

Nun kommt das Schlimme," sagte Agnes. Mein Haube kommen, denn eine entlaufene Nonne dürfe nicht " Agnes", sagte Florian Geyer zutraulich, wenn ich allein bleiben, wenn sich nicht alsbald ein böser Leumund das Haus gegangen, Die alte Lisbeth war soeben topfschüttelnd wieder in Euch helfen kann, so wird es geschehen. Wer einmal einer an ihre Fersen heften solle." denn das Fräulein hatte auf Dame ritterliche Dienste geleistet und mit an ihres Vaters ,, Und dann?" frug Herr Florian gespannt. Mein Frage, was denn sei, feine Antwort gegeben. Tisch gesessen, der müßte ein schlechter Ritter sein, sollte Vater," fuhr Agnes fort, hat schon auf dem Rathhause, schmerzte die treue Dienerin tief, die einst das ihn die Bekümmerniß dieser Dame gleichmüthig lassen. Ver gleich nachdem Ihr den Rath verlassen, um nach dem Kloster zu reiten, mit dem alten Spelt, dem Raths­Es sei!" sagte Agnes. Aber da stürmten wieder ihre herrn, seinem Jugendfreund, über meine Zukunft Berathung gepflogen, und was mit mir zu beginnen, Ach nein, Ihr könnet mir nicht helfen!" wenn ich nicht ausharren wolle im Kloster. Und da

die Frage,

Das

Kind Agnes auf, den Armen getragen, und sie murmelte trauet Euch mir an!" etwas von Mädchenlaunen in sich heinein.

Weile aber tnarrte das Pförtlein, das zum Garten führte f

Aanes stand unbeweglich an der Linde. Nach einer Thränen und schmerzlich rief fie:

"