Es war nichts geschehen

Eine melancholische Geschichte aus dem Seemannsleben

Von Heinz Liebmann

In dieſen füßen Hafen kamen wir so ge­gen sechs Uhr abends dürr und ausgehungert das kann ſich nur jemand vorstellen, der einmal fieben Monate lang an der Ostküste dieses verdammten Kontinents Apfelsinen und Salpeter gefahren hat. Ausgehungert nach Land, nach Menſchen, nach Geruch der Straßen und dem Staub der Neder. Man arbeitet vor glühenden Rosten, alle Finger springen auf voll Blasen, und alle fühlende Luft, die man schnappt, fächelt man sich zu aus den Wind­fängen, die auf Ded ihre breiten Mäuler dem Wind entgegenhalten. Dann ſadi man in ſeine Koje in der Back, aber schlafen kann man nicht vor Schweiß und Dürre und Sehnsucht, man starri vor sich hin geradeaus acht Mann in einer Kammer, die Lampe schwankt hin und her; man stellt es sich vor: wenn wir in San­tiago oder in Lima find man blinzelt sich gelvissermaßen selbst zu, man redt sich und sehnt sich in den träumerischen Wünschen und über einem in der Koje seufzt Kuddl, der ist zwei Zentner schwer und hat eine Braut in Marseille .

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Nun kommen wir also in den guten Hafen.

Der Hafen ist eine ganz fleine, leise Bucht im Pazifik , man kann sagen, er liegt am offnen Meer, und wer befahren ist an der Ostküste, Der weiß jetzt schon, um welchen Hafen es sich

handelt. Die weißen Felsen leuchten hinter der Stadt des Nachts wie Milch, und immer sind Segler im Hafen, auf denen die Neger nachta Ananas laden und dazu singen. Wir machen fest im Strom an den Düddalben; am Quai festzumachen lohnt sich nicht für uns mit unse rem bißchen Salpeter und den paar Apfelfinen. Wir machen also fest, donnernd saust das Fall­reep langſeit, und es kommen an Bord die Be­hörden, der Agent, der Konsul und was sonst noch dazu gehört. Wir stehen an der Reeling und schauen hinüber in die gute Stadt, da rau­chen die Schornsteine, da leuchten die fleinen weißen Häuser in der Sonne, und da tanzen die Mädels am Cuai herum mit so süßen flei­nen Schritten, Krüge auf den Schultern und mit bunten Tüchern um den Kopf. Und: Land riecht es, Land flüstert es, Erde, Land! Und wir stehen hinten am Hed, schnalzen und stoßen uns an, und der eine denft: ich geh' dahin, und der andere: ich gehe hierhin, und einer sagt, ich kaufe mir fünfhundert Zigaretten, und Kudbi, Studdl mit seinen zwei Zentnern, will seiner Braut ein Kopftuch schiden. Und der will zum Zahnarzt, und jener möchte sich eine Matrage faufen, dieser gern einmal in einem richtigen weißen Bett schlafen: so stehen wir alle am Heď und sehen hinaus über das Wasser auf die muie Stadt.

Da passiert ettvas. Der Maat stürzt her­bei, macht ein ganz dummes Gesicht, kommt eben aus der Kajüte vom Kapitän. Jungens", feucht er, und ist vollkommen verdattert, Landurlaub gibts nicht, Quarantäne, Gelbes Fieber oder son Mist, ja Jungens, da ist nichts zu wollen, morgen Abend gehts weiter. Ihr friegt jeder zwei Flaschen Vier vom Kapitän und es tut ihm leid, läßt er fagen."

Da standen wir nun, es war uns allen ganz einfach zum Heulen zu Mut, ganz einfach zum Heulen, und sonst nichts.

Einer nach dem andern verschwindet langsam vom Deck und dann finden wir acht

uns wieder in der Kammer. Da liegen wir herum, und als der Smutse seinen Kopf durch die Tür steckt und zum Eſſen ruft, ob es glaſt oder nicht glast, uns ist alles egal.

Plöglich geht etwas vor. Wir spüren es irgendwie in den Knochen, wir stügen den Kopf auf die Ellbogen und ſehen uns an. Mensch" sagt Kuddl endlich, das geht doch nicht!"

Pause, Schweigen. Wir sehen uns an. ,, Warum soll es denn nicht gehen, Jun­lich einer. gens, stellt euch das doch mal vor", sagt blöß­

Wieder Pause. Und da halte ich es nicht mehr aus, ich springe aus der Koje und ich schreie: Jungens!" schreie ich also denn loa und fein langes Gerede!"- Und schon sind wir drin im Badeanzug und ein paar Moneien wideln wir uns um den Hals und dann schlei­chen wir vorsichtig zum Fallreep wie die In­dianer. Am Fallreep stehen die von der andern Bache und warten mur darauf, daß der Mond ein wenig unterſadt und hören auf die schwer­Taden; da ist der erste über Bord, lantios fol­mütigen Lieder der Neger, die drüben Ananas

gen wir andern.

Was soll ich Ihnen weiter erzählen? Im Augenblid, wo wir im Wasser waren, hatten

| erfahren, daß wir in der Stadt gewesen sind, wo das Gelbe Fieber herrscht, lassen sie uns nicht wieder an Bord. Wenn wir aber hier bleiben, nadi, ohne Geld, ohne Kleider, ohne Papiere, dann können wir hier verreden, nie, wieder findet sich ein Schiff für uns, nie wie­der werden wir eine Planke unter unſern Füßen schwankend fühlen... Jungens! fagie ich laut rüber müſſen wir!

Ich ging langsam die Treppen hinunter, die vom Quai zum Waſſerſpiegel führen. Es waren achtzehn Stufen, ich vergeſſe das nie, die andern folgten mir nach. Wir gingen jede der achtzehn Stufen hinunter, die letzten ein wenig langsamer als die erſten. Schließlich zögerien wir ganz. Aber nun, als der erste Strahl der Sonne aufblikte, da mußte es sein, und es war Kuddl, glaube ich, der als erster ins Wasser glitt, totenblaß, und es folgte ihm ein Stöh nen. War das nicht ein Schrei? Pläischerte eine schwarze Flosse? Es folgte ihm einer nach dem andern, wir schwammen sozusagen auf Behensviken. Steinem von uns geschah etwas. wir langten alle am Hallreep an, das Wasser glänzte unbewegt und sanft, die Haie schliefen. Keiner fehlie.

Um sechs Uhr glaste es viermal, da ſchlie­fen wir sechzehn Mann der Vesazung des guten Schiffes traumlos und tief. Die Sonne ging schehen. auf, die Welt ging weiter. Es war nichts ge­

Deutschland baut unterirdische Flugzeughäfen

wir alles vergessen: daß hier waie segeln bis Heldenſage gleichgeschaltet in den Hafen des Nachts, wenns ſtill iſt, daß wir erſaufen könnten, und die Wache uns berpegen, das Gelbe Fieber vergaßen wir und die ganze Welt Land! dachten wir, ahnten wir, fühlten wir, rochen wir: Land!

Drüben am Quai erwarteten sie uns schon, und wie wir pudelnaß die Quaimauer hochkletterten, empfingen uns schon die süßen fleinen Mädchen mit großen Handtüchern, und fie rieben uns die Rüden troden mit ihren klei­nen Pfötchen, und, vorsorglich, damit wir uns nicht erfälten sollten, führten sie uns alsdann in eine fleine Beinkneipe, damit wir uns auch innerlich erwärmien. Und dann zogen wir durch die Stadt, sechzehn Seeleute in Badehosen, Handtüchern und den bunien Schals unserer Senoritas, singend und glücklich, so marschier ten wir über die feste Erde durch die nächtlich bewegten, mondscheinüberglänzten Straßen.

Plötzlich war die Nacht vorbei. Wo san­den wir uns wieder? Morgens ganz früh? Am Quai natürlich! In der Dämmerung, grau tvie ungewaschene Milch. Wir waren alle verfaiert. Die Mädchen hatten uns längst verlassen, und nun standen wir an dem einsamen Quai im Morgengrauen und starrten ins Wasser; jeden Augenblic glaubten wir dunkle Schatten aus dem Wasser auftauchen zu ſehen.

Erst taten wir, als warteten wir auf Kameraden, die noch in der Stadt waren, aber dann waren wir vollzählig, wir traten von einem Fuß auf den andern, wir froren, wir fahen zu Boden, und ab und zu hinüber in der Richtung auf unſer gutes Schiff. Hinüber müſ­sen wir!

,, Die Haie" fagte einer kommen meistens in den ersten Morgenstunden nahe an Land, weil es da still iſt-

,, Halts Maul!" sagte ein anderer und

feufzte.

Wir überlegten uns: Hinüber müssen wir! Wenn der Offizier oder die Hafenbehörde

Der alte Barbarossa, Der Kaiser Friederich, Im unterird'schen Schloſſe Hält er, verzaubert, sich.

Sein Bari ist jetzt von Flachse, Er bleicht ihn täglich frisch, Und läßt ihn nicht mehr wachsen Um Genfs Verhandlungstisch.

Von Stahl ift Helm und Krone, Der Reichsapfel brisant, Die Panzerplatten am Throne, Auch die sind allerhand.

Sein Speer ist dreizehnschüssig. Im Fliegeroverall Nährt er sein Schlachtrozz flüffig Mit Shell- Del und Benzol.

Sprich: bleibt der alte Kaiser Dort bis zum jüngsten Tag? Nein! Ihn hält im Kyffhäuſer Nur der Versailler Vertrag.

Er schidt einen Hitler - Knaben Wohl aus, auf daß er merk', Ob schon genügend Raben Umfreisen feinen Berg.

Und sind genügend Raben In Deutschland einft gebaut, Steigt er aus seinem Grabe Und bläft ins Sifthorn laut.

Wenn Barbaro- SA, dann marschiert Gen Ost oder zum Rhein , Heiho und horridoh, das wird Ein Hakenkreuzzug sein!

Jura.