BUNTE WELT

Jr. 9

Unterhaltungsbeilage

1934

Der Zwölfſtundenmacich der Storiosdorfer Schußbündler

Wir kennen aus der Geschichte mehrere Beispiele fühner Märsche militärischer Abtei Jungen über univegfames Gebirge und durch fremdes Land. Am bekanntesten sind die Alpenüberquerungen Hannibals und Napoleons . In beiden Fällen war die damalige Welt über diese unerhörte Leiſtung ebenso erstaunt wie überrascht. Weniger be­fannt ist schon die tühne Tat des österreichi­schen Rebellen Gaismaier, der im 16. Jahrhundert mit seinem Bauernhauſen ſehr zum Entsezen des Fürſtbischofs von Salz­ burg über das Gebirge nach Venetien zog, als ſein weiterer militärischer Widerſtand gegen die Söldnerheere der Kirche sinn- und zivedlos geworden war.

Ort bejezt haltenden Gruppe von Gendarmen ereignete sich. Die Schutzbündler griffen mit unerhörter Bravour an, erschossen ohne daß in diesem Kampf erst die Maschinen­gewehre eingegriffen hatten einen Gen­darmen und zogen dann weiter.

schen Grenze durchzuschlagen. Mit 3 Mas schinengewehren, rund 40.000 Schuß Muni tion, wenig Verpflegung und schlecht geklei­det, machten sie sich auf den Weg. Da sie Karten nicht zur Verfügung hatten, mußten sie sich auf ihren natürlichen Orientierungs­jinn verlassen. Sie hielten sich, um die ein- Am meisten litten sie bei diesem Marsch geschlagene Richtung nicht zu verlieren, unter Wassermangel. Als sie etiva 50 Kilo­immer in einiger Entfernung von der Haupt- meter hinter sich gebracht hatten. lagerte die linie Wien - Lundenburg . Bald nach ihrem ganze Gruppe bei einem Strohschober. Man Wegmarsch merkten die Helden" von der fann jich vorstellen, wie erschöpft die Leute Heimwehr und der Bundespolizei, daß ein waren, wenn man erfährt, daß nach zweisiüin­geschlossener Abmarsch erfolgt war. Sofort diger Rast einige von ihnen absolut nicht aus wurden Polizeiträfte eingesetzt, um die Re- dem tiefen Schlaf, in den sie gefallen waren, bellen an der Durchführung ihres Vorhabens erweckt werden konnten. Es mußten erst zu hindern. Drei große Ueberfall sehr energische Versuche, sie wach zu bekom Nun, in diesen Tagen hat jich etwas autos fuhren den Schußbündlern nach. Als men, gemacht werden. Von einem Widerstand Aehnliches ereignet. Sechzig Florids aber die Söldner in die Nähe der in breiter durch die Polizei war jetzt feine Rede mehr. dorfer Schußbündler schlugen ſich. Schwarmlinie marschierenden Schußzvündler Aber unsere Schußzbündler waren vorſichtig. als ihr weiterer Widerstand gegen die Doll- gekommen waren und diese ihre Maschinen- Jede Baumgruppe wurde unter ſtrengen Vor­fußchriſten keinen Sinn mehr hatte und von gewehre in Stellung brachten, waren die ſichtsmaßregeln geradezu genommen. Jeder Julius Deutsch der Befehl erteilt worden Automobile mit den tapferen Streitern der Straßenübergang vollzog sich wie bei einer war, den weiteren Kampf einzustellen, be- Erefutive schnell weg. Doch auch das Land, fämpfenden Militärabteilung im Kriege. waffnet zur iſchechoſlowafischen Grenze durch, das zu durchqueren war, war im Besize des Doch nichts rührte sich mehr. Abends um ununterbrochen verfolgt von Feindes. In jedem Dorf lag eine Heimwehr - 10 Uhr erreichte man die March, die glück­den Ueberfallwagen der Poli- abteilung. An wichtigen Punkten waren licherweise zugefroren war. Die Schutzbünd­zei. In zwölfſtündigem Dauermarsch, Gendarmerieſtreitkräfte zusammengezogen. Ter rutschten umi", wie sie sagen, und waren immer in der Nähe der Hauptlinie Wien­in der Tschechoslowakei . Um eines tat es Lundenburg , legten die Wiener Schutzbund ihnen jetzt leid: Daß sie mit der Munition so Helden unter den typischen Erscheinungen gespart hatten! Das hätten ſie wiſſen ſollen, eines Rückzugsgefechtes den weiten Weg zu daß ihnen die anderen aus dem Wege gehen rid. Ihr Kampf, den sie für die Freiheit wie der Pest. Sie hätten es den Ueberfall­Wiens und Oesterreichs führten, fand damit autos gegeben! Aber sie mußten damit rech einen unerhört rnhmvollen Abschlußz. nen, daß sie an der Grenze starken Wider­stand finden, der nur mit großer Entschlossen­heit zu brechen war. Dann war Munition das Wichtigste.

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Man stelle sich vor, daß die Schußzbünd­fer ununterbrochen durch drei Tage im Kampfe ſtanden. Sie haben in dieser Zeit ganz ſelbſtändige militärische Attionen durch­geführt, obwohl sie eine oberste Führung nicht hatten. Sie stürmten den Florid3= dorfer Bahnhof und legten den Eisen­bahnverkehr nach Lundenburg lahm. Sie be­setzten ein Viadukt und verhinderten den Verkehr. Sie machten Gefangene und ließen sie, nachdem sie ihnen die Waffen abgenommen hatten, einfach laufen, während die Hängechristen die Schwerverivundeten zum Galgen ſchleppten. Sie besetzten das Postgebäude und vergriffen sich nicht an den staatlichen Geldmitteln, während die an­deren die Vermögensbestände der Pariei, des Schußbundes und der Gewerkschaften mit Ge­walt an sich brachten. Sie hungerten und dürsteten und doch fiel es ihnen nicht ein, sich Lebensmittel dort zu holen, wo welche waren.

Drei Tage und drei Nächte standen sie im Stampf. Auf einmal kam der Befehl, den Widerstand aufzugeben. Sie waren so flug einzusehen, daß es teinen Sinn habe, nur des Stampfes halber weiterzuschießen. Hatte die Partei, für die sie fämpften, einen Nutzen da bon, wenn sie aushielten, bis die lezie Pa­trone verschossen war? Nein, so durfte das Ende nicht aussehen. Die Verwegenſten be­schlossen, sich bewaffnet zur tschechoslowati­

Doch den Schutzbündlern stellie man sich nicht ein einzigesmal zu einem offenen Kampf. Lediglich ein Zusammenstoß mit einer einen

Amnestie

Bon Jenö Wallesz.

Der Herrscher eines Duodesstaates fam mit ſtrahlender Miene zu ſeiner Mutter ge­cilt. Die Königinmutter hatte ihren Sohn noch niemals ſolch froher Laune geſehen und sie fragte ihn:

Was ist denn los, mein Sohn, daß du so fröhlich bist?

Der Herrscher umarmte ſeine Mutter und erwiderte glücklich:

Anläßlich des fiebenten Jahrestages meis ner Thronbesteigung habe ich zehntausend po­litische Gefangene amnestiert.

Die Mutter wurde traurig. Ihr Sohn be­merkte die plösliche Veränderung, von deren Ursache er feine Ahnung hatte. Staunend wie­

derholte er:

,, Mutter, ich habe zehntausend politische Gefangene begnadigt... Ich hoffte dich mit dieser Nachricht zu erfreuen."

Mutter kaum hörbar: Mit ſchmerzlicher Stimme flüsterte die

,, Mein Sohn, wie soll ich mich über die Amnestie der zehntauſend Gefangenen freuen, wo mir doch eben diese große Amnestie besagt, daß du einmal ſehr grauſam geweſen biſt.

Deutsch von Maurus Mezei.

Die 60 Schutzbündler waren gerettet. Ihre Füße waren blutiq. Ihr Rücken war bom Tragen der schweren Maschinengewehre und Patronen jeder hatte deren einige hundert bei sich zerschunden. Aber sie waren nun wenigstens in Sicherheit. Einiges Kopfzerbrechen machte ihnen die Frage, wie sie von der hiesigen Bevölkerung aufgenom men würden. Nun, sie fonnten sich bald da= von überzeugen, daß die tschechischen Einwoh­ner von Uhersky v e 3 ihnen große Sym­pathie entgegenbringen. Am nächsten Tage kamen sie nach Malazzty und dann nach Brünn . Non dort kam eine Gruppe von 20 Mann nach Sternberg , wo sie im Flüchtlings­heim untergebracht sind. Von diesen zwanzig find zwölf verheiratet. Sie haben alles, was sonst dem Menschen teuer zu sein pflegt, aufs Spiel gesetzt. Die Bewegung war ihnen das Heiligste auf Erden, das sie unter Einſatz ihres Lebens verteidigien.

Die Geschichte erzählt, daß die Römer in Entsetzen flohen, als Hannibal mit seinen Truppen und Elefanten in die Poebene her­abgestiegen fam. In Rom selbst konnte man es nicht glauben, daß der Uebergang über die Allpen gelungen war. Als zweitausend Jahre später Napoleon über dasselbe Gebirge zog,