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Die erste Nacht
Die nahe Turmuhr zeigt jede Viertelstunde die Zeit an. Ungeduldig zähle ich die Glockenschläge. Träge schleichen die Stunden und dehnen sich zu Ewigkeiten. Eine schlaflose Nacht scheint endlos, besonders in solcher Lage.
Ich habe immer nur den einen Gedanken: Wie komme ich aus dem Eiſenkäfig heraus?
Felig Fechenbach, der Sekretär Meter hoch. Die oberen Querstangen kann ich Nuri Eisners, des bayrischen Ministerpräsi- bequem mit der Hand erreichen. Die Rüd denien, und später sozialdemokratischer Redak- und die linke Seitenwand werden von der BelBis Montag hat mich der Beamie vertröteur in Detmold , gehört wie tausend unbe- Tenmauer gebildet. Ganz unten, faſt am Fußstet. Dann soll ich in eine ordentliche Belle fannie sozialistische Soldaten, die„ auf der boden, ist ein eiserner Ring in die Mauer be- konumen. Also einen ganzen Tag und noch eine Flucht“ von vorn erschossen wurden, zu den festigt, eine Vorrichtung für Fußſeſſelung. Der volle Nacht hier zubringen. Ich nehme mir unsterblichen Opfern des deutschen Proleta- einzige Einrichtungsgegenstand ſteht in der Ede: vor, gleich am nächsten Morgen den Versuch zu riais. Felix Fechenbach war schon während ein Holzkübel mit Dedel ohne Handgriff, die machen, in einen andern Raum zu kommen. des republikaniſchen Beimarer Systems un obligaie Opferschale. Wenn man mich aber abweist? Dann bleibt's schuldig mehrere Jahre in bayrischen beim Käfig. Zuchthäusern eingesperrt. Schließlich wurde er amnestieri. Aus seiner Zuchthauszeit stammt das Büchlein„ Im Haus der Freudloſen", dem wir ein kurzes Kapitel„ Die erste
Nachi" entnehmen.
Dic
„ Der Transporischein liegi auf dem Tisch. Am obern Rand lese ich:„ Vorsicht!" Das Wort ist mit Rotstift start unterstrichen. Der Anstaltsdirektor wird durch die Wache verständigt, daß ein„ Bugang" eingetroffen. Gleich darauf werde ich abgeführt. Ein Beamter der Tonasche und ein Nachtwächter begleiten mich. großen Gittertüren, der geräumige Hof mit seinen mächtigen Arkadenbögen, die hohen, gewölbten Gänge, durch die wir kommen, das alles sieht so düster aus und wirkt in der Beleuchtung der mitgeführten Handlaternen faſt geſpenſtiſch und unwirklich. Und doch ist's bittere Wirklichfeit. Der Nachtwächter ist mit Karabiner und Pistole ausgerüstet. Neben ihm geht ein groHer Polizeihund, der mich mißtranisch anknurrt.
Wir stehen in einem hohen Kreuzbogen vor einer Bellentür, fie wird geöffnet. Wie der Beamte Licht macht, pralle ich entsezt zurüd. Ich hatte mir unter dem Begriff„ Zuchthaus " allerhand unangenehmes gedacht. Was ich aber in dieser Belle zu sehen bekomme, übersteigt meine schlimmsten Vorstellungen.
In die Zelle ist ein großer Käfig aus rotladierten Eisenstangen eingebaut.
Mich überläuft ein falter Schauer. Die Käfigiür wird geöffnet und mir bedentet, daß ich eintreten soll. Ich halte das für einen rohen Scherz, den man sich mir mir machen will. Aber es ist brutalster Ernst.
„ Da soll ich hinein?" fragte ich, noch immer ganz ungläubig. Der Beamte bejaht. Dabei dreht er seinen martialiſchen, schwarzen Sauer
bart.
„ Das ist ja der reinite Tierfäfig!"
„ Jetzt find's halt im Zuchthaus", Tommt es lafonisch zurück,„ aber ich bin doch kein Raubtier."
Ich gehe auf und ab.
Mit drei Schritten habe ich den kleinen Raum durchmessen und muß dann immer wieder tehri machen. Unwillkürlich denke ich an Raubtierfäfige in Menagerien, in denen gefangene Tiere ruhelos am Gitter hin- und hersiretchen.
Da geht die Zellentür wieder auf. Mairage, Kopfteil, zwei Schlafdecken und ein Leintuch werden gebracht und auf dem Boden des Käfigs zum Schlafen hergerichtet. Ich muß mich naďt ausziehen. Vor Kälte zitire ich.
Leibesvisitation.
Kein Winkel, keine Deffnung des Körpers bleibt undurchforscht. Dem Beamten ist das schon zum alltäglichen Handwerk geworden. Er fühlt nicht mehr, welche tiefe Demütigung der ganze Vorgang für den Gefangenen bedeutet.
Mein Hemd bekomme ich wieder zurück. Alles übrige an Wäsche und Kleidung wird mir abgenommen. Käfig und Zellentür werden verschlossen und verriegelt. Gleich darauf löscht das Lichi aus.
Es ist dunkel und kalt.
Ich bin müde von der langen Bahnfahrt, aber die neuen Eindrücke beschäftigen mich, und der Gedanke an den schauderhaften Eisenkäfig, worin ich liege, läßt mich keine Ruhe finden. Ich kann nicht ſchlafen.
So freisen meine Gedanken unaufhörlich um den einen Punkt. Der Nachtwächter kommt wiederholt, knipst das Licht an und schaut durch den kleinen Spion in der Tür. Er will sich vergewissern, daß alles in Ordnung ſei.
Auch in der nächsten Nacht rinnt eine Stunde nach der anderen ab und die letzte däm mert dem Morgen entgegen.
Es schlägt sechs Uhr.
Ich stehe auf, will mich ankleiden, um dann auf und ab zu gehen. Aber ich finde meine Kleider nicht. Da fällt mir ein, daß ich sie am Abend hatte abgeben müssen. Im Hemd spazie ren gehen, wäre doch etwas ungemütlich; es iſt auch zu kalt dazu.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich wieder auf die Mairake zu legen.
Biz halb achi Uhr bleibe ich unier den Schlafdeden verkrochen, dann wird's lebendig im Haus. Ich höre Schritte, Stimmen, Schlüſſel flirren, Türen auf- und zugehen.
Die Bellentür wird geöffnet.
Ein Machimeister bringt mir meine Kleis der und Wasser zum Waschen. Bald darauf kommt die Morgenkost, eine Blechschüffel voll Brennsuppe und ein Stückchen Brot. Ich habe Hunger und lasse nicht den fleinsten Reſt übrig.
Im Bankfafe
Kriminalnovelle von Werner Krueger
„ Nein, es ist mir umumöglich", jagie der ihn bei dem Gedanken, jezt mit dem Unbekann Direktor der Comunercebank Lid. zu St. Orleans ten und seiner Begleiterin in die dunklen Kellermit einem bedauernden Achselzuden. Ich kann räume hinuntersteigen zu müssen. die Depojiten nicht mehr in Verschluß nehmen! Das Personal hat bereits die Arbeitsräume verlassen. Es ist drei Stunden nach Geschäftsschluß. Außerdem sind die Safes schon geschlossen!"
Er spielic bei diesen Worten mit einem Bleistift, der an einer Spiralfeder auf den ZahlDer Beamte lächelt überlegen und raschelttiſch herabhing. Vor ihm, im bereits verdunkeldabei mit seinem großen Schlüffelburd. ten, nur durch eine Lampe erhellten Raum stan den ein hochgewachsener Mann und eine Dame. Beide im Autodreß.
„ Wenn's amal a Zeitlang da sin', na werns schon einschen, daß' s hier Leut' gibt, für die me so was braucht." Es war nichts zu der späte Bankkunde verärgert,„ ich trage in „ Das ist für mich recht gefährlich", sagte ändern, ich mußie hinter die roten Eiſenzitter. meiner Tasche Papiere mit mir, deren Verlust Jest ſcheint mir nichts mehr unmöglich, nicht nur mich, sondern auch einen ganzen Wirtselbst nicht die Ungeheuerlichkeit, längere Zeit schajistonzern empfindlich schädigen könnte." in diesem Raum bleiben zu müssen. Ich frage mechanisch danach. Meine Sorge wird nur zum Der noch sehr junge Bankvorsteher dachte Teil behoben.
„ Morgen ist Sonntag. Bis Montag müj ſen's also Geduld haben. Es is jo a nit o schlimm, wie's ausschaut." Mir ist's schlimm genug.
Ich werde allein gelassen. Der Beamte geht, um Matraße und Schlafdecken zu holen. Ich schaue mir den Käfig näher an. Er ist zwei
nach.
„ Es geht doch nichi!" meinte er dann refigniert,„ in meiner Wohnung wären die Papiere ebensowenig sicher wie in Ihrer Tasche. und die Depositenfeller sind geschlossen.“
„ Haben Sie keine Schlüssel?" fragic jest der Fremde sich schnell vorbeugend.
Dem Direktor schien diese Frage unwillfom uten zu sein. Ein unbehagliches Gefühl überfiel
„ Ich habe zwar die Schlüssel", entgegnete er darum, aber es ist gegen die Geschäfts= ordnung, wenn ich ohne einen zweiten Bankbeamten den Depofitenraum beirete."
Der Große schwieg. Dann meinte er: „ Und dagegen gibt es keine Ausnahmebestimmungen?"
fort:
Dann fuhr er, sich langsam verbeugend,
„ Was glauben Sie, lieber Direktor: Geschulden verloren und ich berufe mich darauf, sezt den Fall, die Papiere gehen ohne mein Verdaß ich sie vor dem Verluſt wohl noch hätte deponieren können, der Herr Direktor aber der
St. Louiser Filiale der Commercebank Ltd. es ablehnte, nach Geschäftsschluß Depositen anzunehmen. Was glauben Sie? Würde der Wirtschaftskonzern, den der Verlust der Dokumente sehr schädigen würde, nicht etwa einen beſtehenden Kredit kündigen? Was aber glauben Sie, würde Direktor Johnsten in Chicago dazu fagen?"
Der Bankvorsteher sah den Fremden bei Nennung dieses Namens mißtrauisch an. Er war vor kurzem erst mit der Leitung der Filiale