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Die Glühlampe
Von Austriacus
ben zwischen 15 und 50 Jahren, die auf diese Art„ Revolution" machen.
Die elektrische Birne glomm weiter in die Febernacht; als wir uns wie zerschlagen auf die Strohsäcke hinstredten, uns aneinanderdrängten,
Man führte uns ab. Das Gewehr auf der„ Ein Vermögen!" sagte einer von uns Schulter des Polizisten, der uns eskortierte, ließ und aus seinen Worten flang der Schmerz des um nicht zu frieren. Wir schwiegen, aber jeder keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Hungernden, der hinter einer Spiegelscheibe die von uns blinzelte zur Dede hin, wo die Glühbirne hing. Stadt noch im Besize der Reaktion war, daß herrlichsten Schinken sieht. vorläufig noch die gottgewollte bürgerliche „ Ordnung“ herrschte, ihre Kanonen und Maschinengewehre, ihre Handgranaten und Bajonette vorläufig die Arbeiterſchaft noch niederzuhalten
bermochten.
Vorläufig. Denn es würde noch anders kommen, jagten wir uns. Wenn sich nämlich die Saumseligen, die Abseitsſtehenden endlich an ihre revolutionäre Pflicht erinnern, wenn auch die, die immer meinten, es ginge auch ohne fie, anpaden werden. Dann wird der Widerstand der Arbeiterklasse zu einer einzigen, unbezwingbaren Flamme auflodern, alle Hindernisse niederrei Bend, fieghaft wie eine Naturgewalt.
Schlüssel flirrten, man stieß uns in die Zelle 18. Ein böses Omen? Die 13 ist meine Glüdszahl lachte einer von uns, die Sache wird schon glimpflich abgehen. Als die eisenbeschlagene Tür hinter uns zufiel, begann wieder das große Fragen.
„ Genosse, wie sah es in eurem Bezirk aus?" „ Unsere Leute haben sich glänzend geschlagen! Wir hatten viele Toie. Und erst die Verwundeten! Wußten nicht wohin mit allen, mußten fie abschleppen, damit sie den Soldaren nichi in die Hände fallen. Ja, wenn die andern nicht Kanonen gehabt hätten! Aber was beginnen wir
gegen Artillerie?
„ Und ihr, wie stands in eurem Bezirf?" " Tote, Verwundete, Berrat und die Kanonen. Solche Löcher riß es in die Mauern!" „ Ist alles verloren?"
„ Ah, feine Spur! Der Kampf geht weiter. Jest tommen erst unsere Reserven dran und viele, die erst jest wissen, worum es geht? Verloren? Noch lange nicht! Jetzt fängt die Sache erst an, Genosse, icht entwidelt sich erst das Ganze. Glaubst du, bei uns in der Provinz wird alles entschieden?"
„ Wien ist richtunggebend. Und die Industrieorie! Wiener Neustadt , Neunkirchen, Brud an der Mur , Leoben ! Wien ist natürlich ent
scheidend.
„ Die Wiener werdens schon machen! Habi ihr keine Nachricht von Wien erhalten?"
„ Einzelheiten nicht. Nur: daß wild gekämpft wird. Sie schießen mit Kanonen auf die Ge
meindehäuſer."
Durch das kleine, hochgelegene Bellenfenster stieß der Wind. Uns fröstelte im abendlichen Dämmern, wir fauerten uns auf das Bettgestell, das einzige, das für vier Personen da war, hin.
„ vait du eine Zigarette Genosse?" „ Ja, aber nur eine. Die anderen haben sie
mir abgenommen, wie euch. Die eine hab ich rasch in den Schuh geſtedt. Da iſt ſie! Die rauthen wir gemeinsam."
Bier Männer und eine einzige Zigarette! Bier nikotinhungrige Lungen und nur ein Saug Stummel! Wie wird das werden?
Jeder durfte fünf Züge aus der Gemeinschaftszigarette machen, jeder bemühte sich, den Genuß zu verlängern. Dann fauerten wir uns wieder in den Beitwinkel. Die Glühbirne flammie auf, erfüllte den engen, stidigen Raum mit einem fahlen Licht.
„ Es wird nicht lange dauern, Genoſſen, ſo sind wir draußen. Man wird uns hier herausholen, einer wird eine Ansprache halten. Rote Fahnen, Frauen, Kinder, Händedrücken und vielleicht sogar Freudenfüsse. Es dauert nicht lange."
„ Wie es draußen ausschen mag! Wenn man etwas erführe!"
Man hörte im Hof das Rattern von Benzinmotoren.„ Die Bereitschaftsauto fahren aus, sie, brauchen Erſatzmannschaften. Es wird also noch gefämpft? O, so rasch wird die Sache nicht aus sein, so bald lassen wir uns nicht unterfriegen!"
,, Die Eisenbahner sind ausgefahren! Das wird uns umbringen! Die Eisenbahner, unser Stolz, haben der Streifparole nicht gefolgt!" rief einer. ,, Wißt ihr, was das bedeutet? Verrat, feiger, unerhörter Verrat!"
,, So mancher hat Kinder, fürchtet die Arbeitslosigkeit. Sie werden sie mit Bajonett auf
zum Dienſt treiben!"
„ Und die Fabriken?" Die Straßenbahner, die städtischen Arbeiter? Wenn das Radio nicht funktioniert und diese Lügen auspoſaunt hätte! Das hätten wir gleich übernehmen sollen!"
Die Glühbirne bestrahlte unsere Gesichter, auf denen sich der Zweifel spiegelte.„ So lange diese Glühbirne da im Arrest, in Belle 13 noch intakt ist, so lange ist die Stadt mit Sirom versorgt, so lange hat die Arbeiterschaft nicht gefiegt."
Wir begriffen, daß etwas daran wahr sei. Es streikten also die Arbeiter des Elektrizitätswerkes nicht. Wollten nicht oder wurden durch die technischen Truppen, die„ Nothilfe“ daran gehindert. Zum Teufel, wenn man eivas er
führe!
Der Generalstreif ist das wichtigste Kampfmittel der Arbeiterschaft. Wenn sich das Elektrizitätswerf dem Streif nicht angeſchloſſen hat, dann sieht es schlecht aus.
Warten, nur noch warten. Es wird nicht lange dauern, so verlöscht die Glühbirne und auch in der ganzen Stadt wird das Licht wie ausgeblasen sein. Dann können wir hoffen, daß unsere Leute die Führung an uns geriſſen haben, daß die Reaktion am Boden liegt.
Wenn das Lämpchen nur endlich erlöschen würde! Lange darf es nicht brennen, Bürgertriege find in wenigen Stunden entschieden. So war es wenigstens bisher immer.
Die Lampe wurde unser einziger Halt in diesen Zweifeln. Verlösche fleiner Glühdraht und fünde unsern Sieg!.
„ Weiß der Teufel, wie ich das aushalten werde, habe ich dem Polizisten gesagt, der meine Taschen durchsucht hat. Lassens mir die Draußen, in den Parkanlagen vor der Bigaretten, sonst werd ich tobsüchtig, ich bin ein Polizeidirektion frachte es plöglich. Wir fletStarter Raucher. Tobsüchtig? hat er gesagt, na das macht nir, dann friegens die Zwangsjade, wir ham ja genug da. Keine einzige Sport hat er mir gelaffen, 20 Stück hab ich gehabt.
terten zum Bellenfenster. Waren es Schüsse? Wird schon hier gekämpft? Einer von uns wußte Bescheid: es waren Böller, Naziböller, findtsches, läppisches Spielzeug einer Opposition von Bu
Hunderte haben sie in diesen Stunden ins Gefängnis gebracht, ständig rasselten die Schlüſſel, krachten die Türen. Man brachte Kriegsgefangene ein; brüllte. Wir fuhren auf. Hände hoooch! Hände hoooch, wenn ich sage! Wirds?" Klappen eines Gewehrverschlusses. „ Banditen! Ich schieße, wennst die Händ nicht oben läßt! Aha, das ist er schon!"
Wer? Man hat bei einem der Kämpfer einen Revolver gefunden. Der Genosse hat nichts zu lachen, er bekommt die ganze Wut der Schergen zu fühlen. Man hört dumpfe Schläge.
Es ist nach Mitternacht. Ein Schlüſſel dreht sich vorsichtig im Schloß, ein Polizist steht in der Zellentür, den Zeigefinger am Mund. Pifiiiit! Habt ihr Zigaretten? Nein? Da..." eine Schachtel Memphis fliegt in weitem Bogen auf die Strohsäde. 25 Stüd Memphis . Wir springen auf, als ob uns ein Heiland erschienen wäre. Einer von uns kennt den Beamien. Ser bus! ruft er ihm zu.
„ Viſit! Wenn sie mich dabei erwischen!" Wie stehts draußen?" „ Schlecht."
"
„ Gehts noch weiter?"
„ Ja. Aber es fann nicht mehr lange dauern, so ist der Schußbund niedergerungen,
Sie haben schon den Scharfrichter Lang bestellt, Graz... einige soll n aufgehängt werden. Der Stanek in
„ Stancf?!?"
„ Ja, er hat auf die Polizei geschossen! Das Standgericht verhandelt morgen."
„ Ist schon alles vorbei?" „ Noch nicht!"
Aufseher naht mit hallendem Schritt. Biissst! Die Tür fällt ins Schloß. Ein
„ Der Polizist war ein Genosse, ein Freis gewerfichafter: Er wäre in dieser Nacht beinahe felbit am Plage geblieben, von den eigenen Genoffen, die ihn nicht erkannten, beschossen. Das ist tragisch.
den verrinnen, im Hof ist ständiger Autoverkehr. Wir saugen an den Zigaretten. Die Stuns Man bringt neue Gefangene ein.
Noch ist nicht alles aus. Troßdem. Wenn sie es wagen sollten, Kämpfer der Arbeiterſchaft aufzufnüpfen, dann wird das nur die Energie der Massen aufpeitschen. Sollen sie es nur wagen!
Die Lampe brennt noch immer. Verdammund ein ganzer Stadtteil liegt im Dunkel. Geter Dred! Wie oft gibts wo einen Kabelbruch rade heute aber, heute, muß das Zeug intakt bleiben. Verlösche niederträchtiges Licht! Diesmal: Licht der Finsternis, böser blutiger Reats tion. Alle vier starren wir zur Dede, wutents brannt, dem Weinen nahe.
Auf dem Gang hört man das Klappern von Blechgeschirr. Man bringt die Morgenſuppe. Bleiern tagt es. Mutlos sehen wir in den Morgen. Alles verloren! Wir haben uns niederkriegen lassen, schreit es in uns auf, durchwühlt von Schmerz schlürfen wir das ckelhafte Gebräu.
Da ruft ein Polizist in die Zelle:„ Ist der Johann M. da? Ja? Zsammrichten! Sie gegan zur Einvernahme!“