BUNTE WELT

Mr. 29

Unterhaltungsbeilage

1934

Als Vagabund in Indien  

Gtatt Penang: Gabang

Die Sache begann mit einer sehr unan­genehmen Ueberraschung: mit dem kläglichen Fazit des Rubber- Boom...

-

Bon Ernst Machet

Sinn gehabt, darum widmete ich meine Ge-| Bett ein eigenartiges Tier ſizen. Es glich dankentätigkeit einer weit wichtigeren Sache, nämlich der Beantwortung der Frage: was werde ich in Sabang eigentlich beginnen?

Wir durchfuhren die Malaktastraße bei recht ungünstiger Witterung, die aber nicht Wissen Sie, was ein Boom" iſt? lange anbielt. Als wir uns Sabang   näher­Das ist eine Erscheinung, von der behauptet ten, war der Himmel wieder klar, und das wird, daß sie eine Auswirkung volkswirtschaft- Spielglatte Meer strahlte in einer Bläue, als licher Sensationen sei. Meiner bescheidenen Meinung nach, ist der Boom aber nichts wei­ter als ein Rauſchgift. Auf gut deutsch  " sagt man anstatt..Boom" für gewöhnlich: Hauſſe. Das Wort ,, Nubber wird Ihnen schon eher geläufig ſein; jedenfalls werden Sie es fer nengelernt haben, wenn Sie als Interessent für Galoschen oder Schneeschuhe gelegentlich die Schaufenster vornehmer Fußbefleidungs­häuser inspizierten. Unter ,, Rubber" verstehi man bekanntlich: Gummi.

Bulo Weh hat einen reizenden Süße

einer Eidechie und hatte einen durchscheinen­den, blaßgelben Körper. Ich betrachtete das fleine Biest und überlegte, wie ich es ent= fernen könnte. Es fiel mir schwver, ihm etwas zuleide zu tun, doch da Reptile   sicherlich nicht in eine Wohnung gehören und man anderer= seits nie wiſſen kann, wie es um die Gefähr lichkeit unbekannter Tiere steht, griff ich ob es die Farbenkünfte eines Ansichtskarten- fachte nach meinem Hosenriemen. Da fami bemalers ehrlich übertreffen wollte. In dem zu meinem Entfeßen, ehe ich noch mit dem friſtallreinen Waſſer tummelten sich übermü-| einen Eindringling fertig geworden, ein zwei­tige Delphine, allerhand Vögel und fliegende ter aus der Ecke hinter meinem Bett hervors Fische flitten durch die frische, würzige See- gekrochen. Glücklicherweise erwachte in diesem luft. Der Anblick, der sich mir bei der Ein- Augenblick Mr. Friend. Er jab meine Ber­fahr in den Hafen vom Schiff aus bot, war legenheit und begann herzhaft zu lachen. einer der köstlichsten meines Lebens. Das ul- Dann sagte er, daß man diese Tiere Tschits tramarinfarbene Meer, die weißen Häuschen, schate" nenne und daß sie sehr nüßlich feien, das üppig wuchernde Grün, die malerischen da sie auf die lästigen Moskitos Jagd mas Silhouetten verschiedenartiger Palmen,... chen und auch sonstigem Ungeziefer nicht ge= Die Sache begann also mit dem ernüch- Bildes auf den Beschauer( selbst auf den, die bezaubernde Wirkung dieses märchenhaften rade friedliebend gegenüberstehen... ternden Austlang der Gummi- Hausse. Leute, die Wochen hindurch in Gold gewühlt hatten, den kurz vorher But und Zerknirſchung gefan- waſſerſee, auf dem Lotosblumen ihre herr erwachten eines Tages als arme Teufel, denen gen hielten) ist nicht wiederzugeben! Man die jammernde Staße im Genid jaß. Zu dies lagt, daß Sabange in dieser Hinsicht Nio de lichen Kelche öffnen, umgaukelt von Schmets sen Leuten zählte auch ich, wenngleich es mir Janeiro oder Sidney keineswegs nachstehe. ferlingen; von Schmetterlingen, gegen deren feltene samtene Farbenpracht die schillernden geglückt war. einige Tausende Singapore  : Ohne auf die Frage was werde ich in Reize der auserwähltesten Seifenblasen arms Dollar hinüberzuretten. Ich hatte von Chi- Sabang eigentlich beginnen?" eine Antwort feliger Kitsch sind. Neben diesen Trägern nejen Optionen auf Gummiplantagen ge- gefunden zu haben( wie hatte ich mir auch paradiesischer Pracht und Schönheit gab es kauft und mit fettem Gewinn an eng nur eine so unsinnige Frage vorlegen fön- auf der Insel aber auch Träger kulturellen lische und australische Konsortien weiterge- nen!), erreichte ich den mir von einem unbe­Fortschrittes, so zum Beispiel drei Brannt­geben. Für das, was mir geblieben war, rechenbaren Schicksal und einem wohlberech= weinschenken. Eine von ihnen war ein recht sollte sich jedoch auch noch ein redlicher Ab- nenden Gauner zugedachten Bestimmungsort. primitiver Pfahlbau außerhalb des Ortes nehmer finden: in Gestalt des Schweizer   Sabang auf Pulo Weh, einer der Nord- und gehörte einem russischen Juden. In dies Guldener. Guldener- ich lernte dieses spiße von Sumatra   vorgelagerten Insel, ist fer Kneipe verkehrten hauptsächlich hollän Exemplar in einer Hafentneipe fennen- gab die Hauptfohlenstation der holländisch- indi- dische Legionäre, die viel Geld hatten, das in fich mir gegenüber als Besizer einer Pro- schen Gewässer. Das Leben und Treiben im Klaare( Gin) und Pajie( Mischung von Gin duften- Handelsgesellschaft in Penang   aus Hafen nahm meine Aufmerksamkeit einige und einem andern Schnaps) umgesetzt were und stellte mir den Antrag, in seine Firma Stunden hindurch in Anspruch, dann trabte den mußte. Die Kinder des Russen trochen als Kompagnon einzutreten. Ich willigte ein allmorgentlich unter die Hütte und klaubten und zählte ihm mein Geld auf den Tisch. Am die Reichsthaler zusammen, die ihren leicht darauffolgenden Tag gingen wir in Singa­fertigen Besizern entschlüpft und durch die pore an Bord eines Schiffes, das uns nach Rißen des Bodens gefallen waren. Benang bringen sollte. Kurz vor Abgang des Dampfers entfernte sich mein zufünftiger Ge­schäftsteilhaber, um etwas zu holen, und weg war er.

-

-

-

Daß ich einem Betrüger aufgesessen war, fam mir zum Bewußtsein, als ich das Schiff befand sich bereits auf hoher See meinen Freund suchen ging, dabei mit einem Steward ins Gespräch tam und erfuhr, daß wir gar nicht nach Penang  , sondern nach Sa­ bang   dampften. Ich war zerknirscht und nannte mich im Geist einen verdammten Dummtopf. Im übrigen war mein Schwei­zer in Wirklichkeit Franzose und hieß nicht Guldener, sondern Pierre Noir. Ich traf den Stert später einmal in Upper- Perat und schenkte ihm einen Dollar. damit er seine Stiefel auslösen könnte. die er für Whisky verpfändet hatte.

Mich über den Verlust meines letzten Geldes zu ärgern oder zu tränken, hätte wenig

ich auf der sachte bergan führenden Haupt­straße den Häusern zu. Vor einem Toto( so heißt man dortzulande einen Geschäftsladen) war man gerade dabei, die Straße zu zemen tieren. Der Besizer des Kaufhauses lehnte auf der Veranda und rauchte eine Pfeife. Ich sprach ihn an, und als er mir eine Weile zu gehört hatte, sagte er: Bleib' nur da, alter Freund. es wird sich schon was finden," zog mich ins Haus und brachte Gin und Soda­

wasser.

Gastfreundliches Entgegenkommen fin­det man bei den in Indien   ansässigen Euro­päern fast durchwegs. Mr. D. Friend aber suchte seine Rassebrüder in dieser Beziehung noch zu übertreffen. Die Zeit, die ich bei ihm verbrachte es waren an die sechs Wochen

wird mir in angenehmer Erinnerung blei ben. Ich leistete ihm Arbeit, für die er mich bezahlte, und nebstbei war ich sein Gast, dem gegenüber er es an Aufmerksamkeit nicht fehlen ließ.

Alle ich nach der ersten im Hause meines Dienst, und Gastgebers verbrachten Nacht er­wachte, sah ich an der Wand neben meinem

In Sabang   bin ich holländischen Les gionären erstmalig begegnet. Als ich Mr. O. Friend die Hand zum Abschied reichte( was ich leider früher tat als notwendig) und nach Kota Radja ging, sollte meine Bekanntschaft mit Hollands Fremdenlegion eine innigere werden. Es war damals Hochkonjunktur im Krieg gegen die Atſchinesen.

Zotentanz auf Gumatra

Ich ging also nach Kota Radja. Und wenn ich gesagt habe.früher als notwendig", so hieß dies, daß ich das lieblichste aller mir bekannten Eiländer verließ, ohne daß ein zwingender Grund hiefür vorlag. Oder ist etwa das leise Erwachen jener gewissen Wans derlust, die den Antrieb zu der gemeiniglic als Bagabondage" bezeichneten Meiſetätig,