BUNTE WELT

tr. 33

Unterhaltungsbeilage

Junger Mann in Budapeſt

Die Sterne leuchteten über Budapest . Am Fenster ihres Schlafzimmers in der italienischen Botschaft stand die Marchesa Antinori und sagte zu ihrem Gatten, der eben eingetreten war: Was für ein herrlicher Abend. Es wird ein gelungenes Fest werden. Welch ausgezeichnete Idee von Mack Kenjon, heute Eeine Nacht auf der Donau zu veranstalten."

Dasselbe sagten in diesem Augenblid, höch­stens um Sekunden früher oder später, die Gat­tinnen der gesamten in Budapest stationierten Diplomaten. Es sagte es die schöne Juana de la Tores auf spanisch, die schmale, zarte, blonde Mabel Mefferson auf englisch , Madame Rogane Billet- Neuf lächelte es im lieblichsten Fran­zösisch; portugiesisch, türkisch, rumänisch, in allen Lauten und in allen Nuancen durchflutete es die blausamtene Nacht: Welch herrlicher Abend! Was für eine ausgezeichnete Idee."

Stizze von Ratja

1934

Landungssteg direkt auf den Dampfer führte. taz. Dänemart bot seinen scharfen, appetitans Vom Ufer bis zum Schiff zogen sich wie Riesen- regenden Aquavit im Verein mit der Erlesenheit schlangen große weinrote Läufer, über den jetzt seiner Hors d'oeuvres. Graublau schimmerten in prozessionsartiger Geschlossenheit die Reihe Forellen in Aspit, rubinrote Hummern breiteten der Gäste schritt. Die Herren trugen Frad, die sich gemächlich in grünem Beinlaub, umrankt Damen wetteiferten im Funkeln ihrer Ge- von Muscheln, die die verschiedensten kalten schmeide und blizenden Toiletten mit dem Saucen enthielten. Portugal hatte riesenhafte Glanze des nächtlichen, sternenbestickten Som- Sardinen ,, Holland in Eis gebettete Austern, merhimmels. Diener in weißer Livree und weiß- der Garten Frankreichs " die unerschöpfliche behandschuht nahmen die Einladungskarten in Auswahl seiner Gemüse, England dampfende Empfang, Offiziere, ebenfalls im strahlenden und kalte Braten, Spanien Trauben und Kalis Weiß ihrer Lucusuniformen, an denen das Gold fornien Früchte von unvorstellbarem Ausmaß der Epauletten schimmerte, begrüßten im Ver- geliefert. Und jedes Land den besten Wein. ein mit dem Gastgeber und der Gastgeberin die Vom mattesten bis zum tiefsten Gold des Rhein­Erschienenen. Eine Bordkapelle intonierte dis- und Ungarteins, vom bräunlichen Rot der spas fret die verschiedenen Nationalhymnen. Streng nischen Trauben bis zum purpurfarbenen But der Etikette entsprechend, erfolgten sie je nach Burgunds funkelte es in den zarten Gläsern und Größe und Wichtigkeit des betreffenden Staates, Schalen. Man sah Träumer des Genusses ent wobei mit der ungarischen Hymne begonnen und zückt vor all den Herrlichkeiten stehen, man sah mit den Klängen des Yankee Dudle" geschlos: Frauen, wie sie das Glas hoben und tranken, sen wurde. und wie der Glanz des Weines sich in der Liefe ihrer Augen entzündete.

Die Kammerzofen der mehr oder weniger schönen Diplomatenfrauen hatten teine Zeit für derartige Betrachtungen. Seit Tagen waren sie bereits fieberhaft damit beschäftigt, Schmua und Gewänder für ihre Gebieterinnen zusam­menzustellen, die diese auf dem Ball tragen soll­ten, den der amerikanische Botschafter unter der Devise Sommernachtsfest auf der Donau " an Bord seines Lurusdampfers gab. Dieser Ball be­deutete mehr als irgendeine andere Veranstal­tung. War er doch zugleich ein Abschiedsfest, Doch heute langweilte sich kein Mensch auf eine Huldigung an die Hauptstadt, die der Ge­Mad Kensons zauberhaftem Lurusdampfer sandie Mack Kenson damit zum Ausdruck brin­ Bunny". Zu originell war die Art des Festes gen wollte. Das Weiße Haus" in Washington und seine Ausführung. Zu interessant war es, hatte seinen Botschafter aus Ungarn abberufen. was die Herren der Schöpfung zwischen Coctail Ein Diplomatenivechsel erfolgte. Kenson sollte und Havanna zu besprechen und zu flüstern hats das amerikanische Volt vom Herbst an im Fer- Da gab es zarie Rokokosalons, in matten ten. Gab es doch in der internationalen Lage nen Osten vertreten. Es war eine ehrenvolle rosigen und bläulichen Pastellfarben. Schivere, die aufregendsten Verwicklungen. Zu wichtig Verseßung. Denn dort, an dem zur Zeit heitel- dunkelbraune Lederkabinetts, deren Wände, mit war es für die Damen der Diplomatie, ihre sten und verwickeltsten Punkt der Welt, harrten tiefbronzenem Holze getäfelt, die Aufgabe hat- Toiletten untereinander zu mustern, zu betoun­schnverwiegende verantwortungsvolle Aufgaben. ten, den violetten Dampf des Havannarauchs dern oder zu kritisieren. Das Abendkleid der Troydem schied Kenson mit großem Bedauern und diplomatische Gespräche, nur für diesen zarten, schmalen, blonden Mabel Mefferson, der von Budapest . Er war es zwar von Berufs Raum bestimmt, aufzunehmen. Das Schönste Gattin des englischen Gesandten, erregte Auf­wegen geivohnt, die ganze Welt als seine Heimat aber auf dem Bunny" war der Ballsaal. Ganz sehen. Sie trug nilgrünen Chiffon und als ein­zu betrachten. Doch Budapest hatte er besonders in Weiß und Silber gehalten, trug sein Pla­geliebt. Und so wollte er auch auf besondere, fond die Lichter des Himmels in Form von nicht gewöhnliche Art von der Donaustadt Ab- zahllosen elektrischen Kristallsternen, die den un­schied nehmen. Seine Frau Marina, eine phan- endlichen Schimmer der tropischen Nacht ver­tasievolle, lebhafte Südamerikanerin, hatte die breiteten und sich in dem funkelnden Parkeit Idee eines nächtlichen Bordfestes angeregt. In widerspiegelten. diesem Sommer, meinte sie, fönne man sich auf die Beständigkeit der warmen Witterung ver­laſſen. Und so waren vor vierzehn Tagen Ein­ladungen an alle diplomatischen Kollegen, einige Regierungsvertreter, hohe Beamte und sonstige Spitzen der Gesellschaft" ergangen, in denen sie gebeten wurden, mit ihren Frauen auf dem Abschiedsballe zu erscheinen, den der amerika­nische Botschafter und Frau Marina Renson am 12. Juli auf ihrem Dampfer Bunny" veran­stalten würden. Niemand hatte abgesagt.

Hände, die zaubern konnten und doch jetzt nichts von ihrem Werk mitgenießen durften, Es war eine illustre Gesellschaft. Jeder hatten den Bunny" in ein feenhaftes Eiland tannte jeden. Von unzähligen Lees" und verwandelt. Da gab es Palmenhaine und Or- Empfängen", von Lunch" und Dinner­chideengärten. Lurusbars mit übereinanderge- Party3", von Souper3" und Festen, die sie türmten Gin-, Whisky-, Kognat- und Likör- alle veranstalteten angeblich im Interesse ihrer flaschen, silberne Eiskübel und Pokale. Hinter Vaterländer und bei denen man hohe Politik den Bartischen standen Miger, weißgekleidete zu machen vorgab oder sich herzhaft langweilte. und mit den ernsthaften Gesichtern von Chirur gen. Als sei es eine der wichtigsten Aufgaben, aus all diesen Flaschen und Kübeln unter Zu­hilfenahme von Zitronen, Eis, goldenen Ei­dottern und scharfen, bitteren Essenzen köstliche Getränke und Coctails zu brauen.

zigen Schmud die berühmten Rubinen ihrer Fas milie: taubeneigroße Boutons in den kleinen rosigen Ohren. Wer aber vermochte Juana de la Tores zu überstrahlen, die zu ihrer dunklen Schönheit schneeweiße, schwer fließende Seide und schneeweiße Diamanten angelegt hatte? Musit mit ihrem Silberklang" tönte un- Höchstens die Französin Madame Rogane Vils ermüdlich, doch niemals lärmend und störend. let- Neuf, die hoch und schlank, zu marmors An Backbord und Steuerbord, in Bars und fühler Haut, braunem Haar und Nigenaugen Tanzjälen waren Kapellen untergebracht. In im tiefen Schwarz des Ebenholzes einherschritt dem Sternenraum aber saß eine weißbefradte und keinerlei Schmuck an sich duldete als eine argentinische Jazzband und ließ, wenn alle Musit schwieg, einen süßen schwermütigen Tango erklingen.

Schnur grauer Perlen, sechsfach um den Hals­geschlungen und jede Perle ein Kleinod für sich. Zwischen all dem Flimmern der Juwellen, dem Rauschen, Wogen und Duften der Seiden-, Tüll-, Chiffon- und Paillettengewebe, zwischen den lieblichen, strahlenden und sanften Farben war sie, die Französin, Herrlichste von allen".

Vom feierlichen supper" hatte man Ab­stand genommen. Statt dessen war eine Fülle von Bufetts errichtet, hinter denen Köche in der Na­Der Dunny" lag, von weithin strahlen- tionaltracht des jeweiligen Landes die Delita­den Lichtreflektoren taghell erleuchtet, mitten im teffen und Spezialitäten ihrer Heimat servier- Neidlos gestand es sich auch Marina Kenson, breiten Bett des Flusses. Geschickte Arbeiter hatten. Zu Kaviar und geräuchertem Wolgalachs daß sie troß ihres südamerikanischen Tempera­ten eine Brücke gebaut, die vom eigentlichen trant man leine Gläser voll eisgekühlten Wod- ments, der Eleganz ihrer Formen und Gesten,