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Filme verändern die Welt

Von Frik Rosenfeld.

oder dramatisierte Berichte aus der Vergangen­heit ,, montiert", wäre ohne dem Film zicht dentbar. Die Montage wurde zum Sichtigsten dramaturgischen Hilfsmittel de jozialen Dramas: die flare genüberstellung zweier Filme werden nicht, wie Werke der bildenden| Drei Jahrzehnte war der Film stumm, war widersprechender Tatsachen, zweier Welten, des Kunst, der Dichtung, der Musik von einem er auf das Spiel der Mienen und auf die Ge- Gegensatzes zwischen Theorie und Realität, Künstler für eine engere oder weitere Gemein- ftit angewiesen; in dieſen drei Jahrzehnten hat fonnte ungerechtigkeiten anprangern, Lügen fchaft gleichgesinnter Menschen geschaffen, sie er an einer Generation von Schauspielern eine enthüllen, die Unerträglichkeit von Zuständen werden von einer Industrie als Ware für den Erziehungsarbeit geleistet, die mehrere Jahr aufzeigen mit einer propagandistischen Wucht, ungeheuren Abſazmarkt erzeugt, den die tausende schauspielerischer Tradition nicht zu die das Theater vorher nicht erreichen konnte. sechzigtausend Kinotheater der Erde darstellen. leisten vermochten. Der kuliffenerschütternde Des Gelviß ist der Film hier der Bühe noch weit Sie haben nicht die zeitlose Tiefenwirkung eines flamator, der pathetiſche Komödiant, der voraus; eine geniale Montage- Idee, wie etwa großen Romans, eines gewaltigen Dramas, augenrollend und händeringend, mit Schaum die dramatische Gegenüberstellung einer Schlacht einer gigantischen Sinfonie, aber sie haben vor den Lippen, wortgewaltig feinem Publikum des Weltkrieges und einer Börsenschlacht, die .eine unvergleichlich bedeutendere Breiten- etwas vormachte, statt mit den sparsamsten udowkin in seinem Film ,, Das Ende wirkung in der Zeit, in der sie entstehen. Ihr Mitteln der Mimit ein Erlebnis auf sie zu von St. Petersburg  " durchgeführt hat, läßt sich Leben durchmißt nur eine furze Spanne von übertragen, ist, seit es Filme gibt, auf die Bret- auf der Bühne kaum verwirklichen; das Theater Jahren, manchmal nur einige Monate; aber in ter provinzieller Liebhaberbühnen verbannt mag sich aber damit trösten, daß der Film, seit dieser knappen Zeit erfassen, beeinflussen sie worden; seit Asta Nielsen   dem Publikum er sprechen, und, was schlimmer ist, fingen ge­Millionen von Menschen. Sie sind unmittel- der ganzen Welt bewies, daß eine wirkliche lernt hat, freiwillig auf dieses sein wichtigstes barer Ausdruck der Zeit, die sie hervorbringt, Schauspielerin mit einem Zuden der Mund- Kunstmittel verzichtet hat. aber fie üben auch die unmittelbarste Wirkung winkel, einem Blid, einem halben, verhaltenen auf die Beit; anschaulicher als Zeitungsberichte, Lächeln mehr sagen kann, als die großen Tra­Nicht geringer war die formende Wirkung des lebendiger und wuchtiger als das gesprochene gödinnen verflossener Epochen mit ihrer Ge- Films auf den Roman: auch der Roman be­Wort, überragen sie an Verbreitung Bücher und bärdenraserei und ihrem Sprachfurioso aus- dient sich nun der Montage", er rüdt, wie die Theaterstücke; selbst der Rundfunk, auf die zudrücken vermochten, gehört die pathetiſche, tra- den Helden in den Vordergrund, er gibt einen großen Ruffenfilme, ein Kollektiv als handeln engeren akustischen Mitteilungsmöglichkeiten be- gische Schauspielerin dem Reich der Parodie an. Querschnitt durch eine Welt, wo er früher alle schränkt, kann mit ihnen nicht wetteifern. Tau- Was bei Asta Nielſen   noch Anfang und Anſatz Eigenschaften und Eigenheiten an ein paar fende von Filmen verlaſſen alljährlich die Ate- war, ist bei Greta Garbo  , bei Katherine Vordergrundfiguren mühsam zu, charakterisie­liers der großen Produktionsländer und treten Hepburn  , bei Silvia Sidney Vollendung ren" versucht hat. Romane ohne Helden, Ro­eine Reise an, die zumeist rund um die ganze geworden; man schreitet" nicht mehr, man Welt führt. Sie spiegeln die Welt, die Wirklich geht, man rezitiert nicht mehr, man spricht, man- Berichte, hat es vor den Chronik- Filmen keit und das Weltbild phantasiereicher Regis- man, spielt" nicht mehr, man lebt die Figur, der Ruſſen kaum gegeben. Dem Chriſchen Ge­seure; diese Widerspiegelung mag nun richtig für deren Schidsal man das Publikum inter  - dicht hat der Film in ſeinen Bildgedichten, die oder falsch, unzulänglich oder bewußt verzerrt effieren will. Wie die Mimik aufgelockert, dem mit allen Zaubern künstlerischer, filmrhythmi fein- in jedem Fall ſtrahlt sie Wirkung in die natürlichen Mienenspiel genähert wurde, wur- scher Photographie zum Auge und mit Muſik Welt, formt sie das Bewußtsein der Menschen, den auch die Bewegungen des Schauspielerz von aunt Ohr sprechen, gleichwertige neuartige fchafft fie Vorstellungen, regt sie Gedanken an, Krampf und erzwungener Stiliſierung be- Schöpfungen zur Seite gestellt; er kann Ge­löft fie Wunſchträume aus; nicht durch ein- freit; theatralische Poſe iſt lächerlich geworden, fühle ausdrücken, ohne einer Handlung zu malige, überragende Werke, wie die Küste, die theatralische Gesten werden nur noch von Dit bedürfen, er kann Stimmungen ausmalen, ohne es vor der Erfindung des Kinematographen tatoren, aber nicht mehr von guten Schau- sie mit Worten zu beschreiben. Von diesen gab und von denen der Film vieles übernommen spielern angewendet. Der Film holt heute seinen Bildgedichten, wie von den Montagen, ging auch hat, sondern durch unausgesezte Wiederholung, darstellerischen Nachwuchs wieder vom Theater; Wirkung auf die Malerei aus, vor allem aber durch oftmaliges Variieren eines Themas, einer nicht nur wegen der Routine, die der Schau auf die fünstlerische Photographie; der Figur in einer endlosen Serienproduktion. In Film hat entdeckt, daß die Kamera mehr fein einer Fabrik werden am laufenden Band ähn­kann als ein Apparat zur Herſtellung von Paß­liche und gleiche wertvollere oder wertlosere bildern oder Erinnerungsphotos für Hochzeits­Gebilde hergestellt, die dazu beitragen, das paare, daß fie in der Hand eines Künstlers ein Denken und Fühlen breitester Massen ähnlich nicht minder feinempfindliches Instrument ist zu machen und in gleiche Richtung zu lenken. Der Film hat dem Theater aber viel mehr als die Feder des Zeichners oder der Pinsel des Die Wirkung, die von Filmen ausgeht, hat geschenkt als einen neuen schauspielerischen Malers. mehr in der Welt verändert, als jemals die Stil. Die moderne Theatertechnik ist Der Film hat dem Theater viel geschenkt; Wirkung von Büchern, von musikalischen ohne Film nicht denkbar; sie verwendet ihn und aber er fordert auch seinen Preis. Er fordert Schöpfungen, von Bildern oder Statuen ver- fie ahmt ihn nach. Kaum eine große Insze- das kleine Provinztheater, das keine Eristenz­ändern konnte. Filme haben überlebte Tradi- nierung, sei es nun ein Klassisches Schauspiel berechtigung mehr hat, seit es Tonkinos gibt; tionen zerbrochen, vermoderte Vorstellungen oder eine Oper, eine Revue oder ein Detektiv- denn das Kino bietet billiger und beffer, was zertrümmert, Irrtümer berichtigt, aber fie stid, fommt ohne filmische" Regie- Einfälle das Theater nur teurer und unzulänglicher haben auch neue falsche Vorstellungen, neue aus. Von den Beleuchtungseffekten ganz ab- bieten kann. Er verhalf einer neuen natürlichen Irrtümer, neue verhängnisvolle Traditionen gesehen der Film hat das Theater die Kunst Schauspielkunst zum Durchbruch und forderte entiveder aus dem schöpferischen Unvermögen des Ueberganges zwischen den einzelnen Sze- vom Publikum dafür die Preisgabe der An­ihrer fünstlerischen oder aus einer politischen nen, das ,, Ueberblenden", gelehrt, auf dem der fprüche, die es früher an den Geist des Theaters Abficht ihrer finanziellen Urheber in die Welt Erfolg so mancher Inszenierung beruht; wie er gestellt hat. Kitschigere Stoffe, schablonenhaf gefeßt. Wenn man die positiven und die negas die Starrheit des Schauspielers gelöst hat, die tere Behandlung des Inhaltes bei reiferer tiben Einflüsse des Films auf Hirn und Herz von der Filmkamera unbarmherzig als seelische schauspielerischer Gestaltung und reicherer Aus­der Menschen unserer Zeit abzuwägen versucht, Leere, als Ausdrudslosigkeit entlarbt würde, stattung dies ist der Hauptpunkt des Fries wenn man vergleicht, was der Film verbeffert löfte er die dramatische Form des Nebeneinan- densvertrages, den der Sieger Film nach Un­und was er verdorben hat, so wird sich trob ders einzelner Bilder auf, zugunsten eines terwerfung des Theaters mit dem Publikum, alledem ein Plus für den Film ergeben: Mit rhythmischen Ineinanderübergehens, einer op- das nun ihm gehört, schließen will. Man kann allen feinen Fehlern und Unzulänglichkeiten hat tischen oder akustischen Brüde zwischen den nun in einem entlegenen Dorfe drei große er den Horizont von Millionen Menschen er Szenen. Daß die Revue mit ihrer Buntheit und Schauspieler, die man früher faum dem Namen weitert, die Gefühlswelt von Millionen be ihrem Wechsel an farbigen Eindrüden beson­reichert, den Blick von Millionen geschärft; und ders stark vom Film beeinflußt wurde, ist klar. darüber hinaus auf Gebieten, die mit der Filmkunft an fich gar nichts zu schaffen haben, befruchtend und fördernd gewirkt.

spieler sich auf der Bühne erworben hat, son­dern weil der moderne schauspielerische Stil des Theaters vom Film bereits so weit be­einflußt ist, daß die Bühne als Schule für den Filmkünstler dienen kann.

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Aber nicht nur das Theater, auch die dra matische Dichtung verdankt dem Film neue Anregungen. Der stumme Film hat das Der Film begann als eine Kunst des Ausdrudsmittel der Montage entwidelt, das Schauspielera; er hat die schauspiele- die Bühne fich zunube macht; bas dokumen rischen Ausbrudsmittel, die er vorfand, als er tarische" Drama, das Szenen aus der Wirklich in die Welt trat, von Grund auf verändert. Keit, Augenblidsaufnahmen aus der Gegenwart

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nach fannte, in einem Film sehen- aber der Film ist zumeist geistig dürftiger, als selbst die Stüde   waren, mit denen die Stars auf Gast­fpielreisen gingen.

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Der Star- tennt das Theater ihn noch? Gibt es noch mehr als ein halbes Dußend Bühnenschauspieler, die Starruhm erlangten, ohne je in einem Film aufgetreten zu sein? Die Kunst des Schauspielers populär zu machen