Das Auge der Kamera erforscht den optischen Raum, das Filmbild hat uns schauen gelehrt, nicht nur in die Geheimnisse des Urwalds, in die indischen Tempeln, die Eishütten der Es­fimos, die Negerkrals Afrikas  , es hat uns ge= zeigt, daß es auch bei den Dingen unserer nächsten Umgebung auf die Blid- Einstel lung ankommt, scheinbar Häßliches schön,

fann, wenn man den richtigen Punkt findet, aus dem man es betrachtet. Der Tonfilm hätte uns ähnlich den akustischen Raum entdecken können; er tat es bisher nicht, er begnügte sich damit, die Stimme schmachtliederschmetternder Tenöre

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Drangfale eines Vaters in sechs Bildern

versteht der Film besser als die Bühne; auch dafür muß ein Preis gezahlt werden: die irr­finnige Vergottung des Stars. Sie er­schöpft sich nicht in den Autogrammbitten der Badfische männlichen und weiblichen Ge­schlechts, in dem lächerlichen Personenfult leicht begeisterungsfähiger Hysterifer und Shfterife­rinnen; Stars wirken in die Welt, fie schaffen Typen, die nachgebildet werden, Schönheits- scheinbar Bedeutungsloses gewaltig wirken ideale, denen sich hunderttausend Menschen an­zugleichen versuchen. Ein Bühnenschauspieler fonnte zwei, drei Länder auf den Kopf stellen, ein Filmstar prangt auf der Titelseite der illu­strierten Blätter der ganzen Welt, lacht von allen Zahncremeplakaten, läuft in hundert gu- wiederzugeben. ten oder schlechten Nachahmungen durch alle Menschen, Gefühle, Gedanken, die Beite der Filme, über alle Bühnen, und in Millionen Welt das gesamte Weltbild und Welt­mehr oder minder deutlichen erkennbaren Ko- bewußtsein unserer Zeit, wird vom Film mit­pien sogar durch die Wirklichkeit. Früher wa- geformt. Er ist der sachlichste Berichterstatter, ren es Asta Nielsen   oder Pola Negri  , heute der getreueste Reporter, der schärfste Kritiker, find es Greta Garbo  , Marlene Dietrich  ; und er vermag den flüchtigen Augenblick, Bild ja selbst die Kleinen und Kleinsten, die Möchte- und Klang einer Sekunde, für die Nachwelt gern- Divas und Fünffreuzergirls prägen ihr aufzubewahren: er könnte höchster Schiedss Geficht Millionen Menschen auf. Man trägt richter im Streit um Tatsachen, wahrhaftigster die Loden wie Lillian Harweh, man sett Chroniſt und vorurteilsfreiester Lehrer einer fich wie Liane said, man geht wie Lil Da tommenden Generation sein. All dies ist ihm gober, lächelt wie diese, tanzt wie jene, versagt. Er führt uns wohl nach Indien  , doch schmollt wie Fräulein X. und zappelt hysterisch er zeigt uns nur einen Ausschnitt; er gibt Be wie Fräulein 9. Wer sicht nicht die Dußend richt über Ereignisse des Tages, aber er schil Harry Piels, die unter uns herumlaufen, die dert uns nur Militärparaden, brüllende Dik­Willi Fritsch mit dem süßen Grinsen, die tatoren und die Begegnung von Königen; die Willy Forst   mit dem sieghaften Lächeln, die Aufgaben des Kulturfilms bleiben völlig un­Hans Albers mit der Draufgängermiene? erfüllt. Die unermeßliche Macht der Bewußts Sie alle find Geschöpfe des Films, seine Aus- feinsformung, der Vorstellungsbildung, über die Strahlung in die Wirklichkeit. In Hollywood   und das Kino verfügt, fämpft nicht im Dienste der gen, die nicht die Wahrheit reden, sondern Berlin  , Paris   und London   werden männliche Wahrheit und der Wirklichkeit, sie wird Propa- lügen. Hier wird die Kraft des Films, die Welt und weibliche Schönheitsideale erzeugt und auf gandamittel der Klasse oder der Clique, die den zu verändern, zu einer Gefahr für die Kultur, der Filmleinwand zur Nachahmung ausgestellt: Staat beherrscht und damit auch die Kontrolle zu einer Gefahr für die Menschheit: Der Film machte einst die Mätresse eines Königs die über die Filmerzeugung ausübt. So entstehen teilt das tragische Schicksal fast aller großer Mode, so wird sie heute von einem Filmstar ge- Filme, die die Welt verändern sollen, wie die Erfindungen: die Kraft zur Befreiung des macht, war früher der Prinz von Wales ,, ton Herren der Welt sie haben möchten: die nicht Menfchen in fich zu tragen, aber von den Macht angebend", so ist es heute ein Filmschauspieler;| Zusammenhänge aufhellen, sondern verdunkeln, habern der Welt als Instrument zur Erhaltung Filme verändern die Welt. die nicht aufrütteln, sondern mit billiger Pfeu- und Ertveiterung ihrer Herrschaft mißbraucht doromantik und falschen Märchentönen besänfti-| zu werden.

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Soll man auf die Figur Charlie Chap Iins hinweisen, die tausendfach nachgeahmt wurde, von armen Zirkusclowns, die die Maste Chaplins übernahmen, und von reichen Industriellen, die mit der Gestalt des schwer­mütigen Weltvagabundes für ihre Erzeugnisfe werben wollten. Schuhe, Hosenträger, Kragen­Inöpfe? Wie schnell hat die Midh Maus die Welt erobert, nachgebildet in Glas und Metall, in Holz und Schokolade; neue Kinder­bücher entstehen, in denen sie die Hauptrolle spielt, auf den Barietébühnen treibt sie ihre Scherze, in den Schießbuden könnt ihr sie sehen; Schattenfiguren geben dem Reklamefachmann Ideen, werden von der weißen Leinwand, die ihre Heimat ist, losgelöst und beginnen in der Wirklichkeit ein zweites Leben.

Die Strolche |

Pferdemag gähnte. Gähnte wie ein Wolf. Buffte Holzguftab liebevoll in die Flanke und gähnte nochmals.

Gustav Hartmann  , Tischlergeselle" stand" Bolente" hat schließlich kein Walzengänger in den Papieren des einen, Mar Lader, Aut- gern zu schaffen, selbst wenn er ausnahmsweise fcher" in denen des anderen. Unter ihren Tip-| einmal faubere" Papiere hat! pelbrüdern hießen diese beiden würdigen Ritter von der Landstraße, die im Chauffeegraben lagen, " Holagustab und Pferdemar". Pferdemar wurde früher auch Gardinenmag" genannt, aber das hörte er nicht gern; es erinnerte ihn immer an eine 8eit, in der er drei lange Monate Muße gehabt hatte, sich über die Idiotie eines Fuhrherrn zu erboſen, der ihm übelgenom­men hatte, daß ihm bei einer Lohndifferens das Meffer einmal etwas zu loder in der Scheide ge­feffen hatte.

die Auch Holzgustav hatte kein ganz reines Ge­wiffen; er hatte die Herberge zur schmerzhaf­ten Mutter" mit etlichen Monaten Anast" noch vor sich, wenn es herauskam, daß er es gewesen war, dem vor einigen Tagen in einem Dorfe die Kaffe des Gemeindevorstehers gar zu gut gefüllt und gar zu schlecht verſchloſſen erschienen war.

Ein eigener Stil der Phantastit nimmt bom Film ihren Ausgang: die Grote& te. Sie er­öffnete die Quelle einer neuen Komit; Unsinn, Hinter dem das Schicksal steht, Lächerlichkeit, die das Grauen überschattet, die Todesangst, Berzweiflung über lebenslanges Ungefchid. Hat der Film feine Romantik und seinen Wirklich­Teitssinn vom Theater und von der Literatur Sibernommen, ist er sonst sentimental wie alte Familien- Roman oder spannend wie Kriminal­geschichten, heroisch wie schwerterklappernde Schauerdramen oder wirklichkeitsnah wie ein realistisches Epos Zolas, so enitidelt er in der Groteske ganz neue psychologische und philos fophische Erkenntnisse; in der Geschichte der Filmkunft, die einmal geschrieben werden wird, dürfte die Groteske den weitesten Raum ein nehmen.

Pferdemar und Holzgustav waren moderne Tippelfunden! Sie walzten nicht mehr zu Fuß von Ort zu Ort, sondern fuhren per Rad. Im Augenblick sonnten sie sich im Chausseegraben; ihre Räder standen in Greifweite an einem Baum gelehnt. Man konnte ja nie wissen, wie plöglich ein Landjäger auftauchte, und mit der

nur

Pfui Teufel, war er herrlich faul! Benn der verfluchte Magen nicht wäre! Guftab!"

Keine Antwort.

dampf! Haft du noch was? Gustav! Himmelhund! Ich schiebe Kohl

Solagustab erkundigte fich teilnehmend, wie alt sein Freund sei, und gab dann unverhohlen feinem Erstaunen Ausdruck, daß es für einen Menschen möglich sei, vierundzwanzig Jahre ohne Gehirn zu leben.

Während dieses freundschaftlichen Geplän fels zeigte Holzgustab plößlich die Straße hinab.

Sich mal, Mag, da tommt jemand. Los! Ran! Vielleicht tönnen wir' nen Groschen fechten."

Die angekündigte Gestalt war inzwischen näher gekommen und entpuppte sich als ein altes Beib, das einen Tragekorb mit Nepfeln auf dem Rüden trug. Als sie herangekommen war, erhob sich Pferdemar aus dem Graben und wollte eben seine übliche Litanei beginnen, da