Untertmltnngd&eilogeorr. 4S1934Das Land GottesKultur und Stttenvttbrr ans den« alten SpantenSpanien war seit jeher das katholischeLand kat exochen, das Land der Kirchen, derfeierlichen Prozessionen, der goldenen Altäre;deshalb auch das Land des düsteren Aberglaubens, der blutigsten Ketzer- und Hexenprozesse,dec Hinschlachtung andersgläubiger, der Unterwerfung selbst der Mächtigsten unter das Diktatder Kirche. Seit dem 17. Jahrhundert erkanntendi« Könige die Bischöfe regelmäßig als«ine überihnen stehende Autorität an und warfen sich vorihnen zu Boden. Die Könige erklärten offen, dieKirche sei es, der sie ihren Thron verdanken.Nirgends in der Welt ist um bloßer Religionsmeinungen so viel Blut geflossen wie inSpanien, wo die Kirche gezeigt hat, wie mandie Lehre des Zimmermannsohnes in schrankenlose Machtideologie umzuwerten vermag.Nach der. Eroberung von Granada erließen König Ferdinand und Königin Isabellaein Dekret zur Vertreibung der Juden. Diesewurden hingeuiordet und zu Tode gequält, wennsie sich weigerten, Katholiken zu werden. Manberaubte die Juden aller ihrer Güter und nahmihnen mit Gewalt ihre Kinder ab, die zwangsweise getauft wurden.Karl Vi, ein Habsburger, der auch überSpanien herrschte, empfahl in einem Kodizill,.Ketzer" nie zu begnadigen, sondern diese Menschen immer hinzurichten. Sein Sohn, Philipp II., huldigte dem Prinzip: Lieber garnicht, als über Ketzer zu herrschen." Sein Feldherr Herzog Alba konnte sich rühmen, er habeinnerhalb von 6 Jahren in der Niederlandemehr als 18.000 protestantische Ketzer hinrichten lasten, abgesehen von jenen vielen Tausenden, die auf dem Schlachtfeld blieben. Wes Geisteskind König Philipp II war, beweist die Tatsache, daß man ihm nur kniend nahen durfte.Die Servilität gegenüber Kirche und Könignahm ekelerregende Formen an und fand selbst inden Dichtungen eines Lope de Vega und einesCalderon ihren Ausdruck. Ein spanisches Sprichwort dieser Zeit lautet:„Mas pesa el reh quela sangre".(Erst der König, dann ich selbst.)Ein Weib, das der König berührt hatte, mußteins Kloster, sie war durch ihn„geheiligt".Im Jahre 1626 gab es in Spanien 9000Männerklöster. 1632 zählen die Ardender Dominikaner und Franziskaner allein 32.000 Mitglieder. In der Diözese von Sevilla gab es umdiese Zeit 14.000, in der von Calahorra 18.000Kapläne. Die Orden sammelten ungeheureSchätze an, gewannen immer größere Boden-reichtiimer.Damals zählten es hohe Adelige zur höchsten Ehre, dem Priester beim Anlegen der Meßkleider dienlich zu seist und seine Hände zuListen. Seist die großen Geister Spaniensbeugten demütig ihr Haupt vor der Macht desKlerus. Lope wurde Familiär der Inquisition,Cervantes, der Dichter des„Don Quichote"drei Jahre vor seinem Tode Franziskaner, Tirsode Molina, Moreto, Solis, Mariana, Minana,Gracian, Dichter, Historiker, Philosophen wurden Priester.Im ersten Drittel des 16. Jahrhundertswurden die seit Jahchunderten in Spanien an-sästigen Mohammedaner(Mauren)„bekehrt".Sie mußten alles Nationale ablegen, durftennicht arabisch lesen, ja dursten nicht einmal ihreBäder besuchen, die niedergeristen wurden. Diefrommen Eiferer zerstörten selbst ihre Wohnhäuser. Als sich die Unterdrückten 1568 zurWehr setzten, entbrannte ein blutiger Kampf, derdrei Jahre währte und tausende Blutopfer erforderte. Die Mohammedaner unterlagen undnun begann erst recht ein grausamer Ausrottungsfeldzug gegen sie. 1602 überreichte derErzbischof von Valencia Philipp III. zwei Denkschriften, worin die Mauren(Morisken) als dieUrheber allen Hebels angeprangert wurden.Man müsse sie ausrotten. Dieser stamme Wunschwurde 1606 zum Gesetz. Wie wilde Tiere jagteman die gewerbefleißigen Mauren aus demLande, viele wurden erschlagen und auSgeplün-dert, ehe sie nach Afrika auswandern konnten.Weit über 100.000 kamen auf diese Weise um.Nach der blutigen Verfolgung der begabten, geistig hochstehenden maurischen Bevölkerungwurde Spanien kulturell eine Art Kolonie desbenachbarten Frankreich, Künste und Gewerbeverfielen, eine Stagnation trat im öffentlichenLeben ein. Fremde muhten berufen werden, umdie eingeborene, geistig sehr tiefstehende Bevölkerung zu belehren. Die Städte verödeten.Madrid, das zu Anfang des 17. Jahrhunderts400.000 Einwohner zählte, war 100 Jahrespäter eine Stadt mit weniger als 200.000 Einwohner, Sevilla hatte im 16. Jahrhundert über16.000 Webstühle, welche 130.000 Menschenbeschäftigten. Nach der Morisken-Verfolgungwaren es nur mehr 300 Webstühle, wobei dieBevölkerungsziffer um drei Viertel fiel. Dieunbesoldete Polizei von Madrid löste sich auf undGOGOOGOGGOOOOOOUPTON SINCLAIR:Briefean einen Arbeitermit Zeichnungen von Lili Rdthi KC 20.—Zu beziehen durch alle KolporteureBildimrawesenPragJOTj^lezsk^SGOOGGGGGGGGOGOGbildete sich zu einer Räuberbande um. Und dennoch gab die spanische Akademie 1847(achtzehn«hundertfiebenundvierzig) einer historischen Arbeit den Preis, in der ein Verfasser nachzuweisenversuchte, die Moriskenmetzelei habe'dem Landeerheblich genützt.Noch im 18. Jahrhundert war es verboten, an der Universität von Salamanca überdie Werke des englffchen Physikers Newton zulesen, weil sie mit der Lehre der Kirche nicht sogut übereinstimmten als die Lehren des Aristoteles.1760 erklärte die von Klerikern stark beeinflußte medizinische Fakultät einer spanischenUniversität, die Reinigung der durch Kot starkverunreinigten Straßen sei gesundheitsschädlich.Ungeziefer galt nicht als schimpflich und ineinem Drama Calderons diskutiert ein Kavaliervom Hofe mit einer Dame über die Läuse, die ergerade in seinen Haaren gefunden und zerdrückthatte.Kastilien hatte schon 1169, also 100 Jahrevor England, eine Volksvertretung, Leon schon1020 eine Stadtverfaffuug, durch die Herrschaft,die Alleinherrschaft des Klerus aber, verlor dasspanische Volk seine Mündigkeit.Nirgends hat die Inquisition(das Glaubensgericht) so gewütet wie in Spanien, wosie unter der Führung des Dominikaners To r-q u e m a d a stand, eines Mannes, dessenName mit Blut tut Buch der Geschichte geschrieben steht. Er hat die kirchlich« Blutjustizzu einem System ausgebaut, das sich 300 Jahr«lang behaupten konnte. Nach einem durchausauthentischen Bericht sittd in den 18 Jcchren derAmtsführung Torquemadas in Spanien 16.220Menschen lebendig, 6860 als Leichen verbranntworden. 97.321 wurden gefoltert, lebenslänglich eingekerkert und ihrer Güter verlustig erklärt. Im ganzen find 185.828 Menschen verurteilt worden. So sicherte fich der Klerus inSpanien durch unglaublichen Terror eine Macht,die er viele Jahrhunderte, bis ins 20. Jahr-| hundert bewahren konnte.1767 wurden di« allmächtigen Jesuitenauch aus Spanien vertrieben, aber unterKarl IV.(1788—1808) kehrten sie wieder zurück und mit ihnen die alte klerikale„Kultur".Erst 1837 wurde die Inquisition in ganz Spanien beseitigt. Aber ihr Geist blieb bestehen, be-steht bis zum heutigen Tage. 60 ProzentAnalphabeten sind die Frucht dieser Geistesknechtschaft, die niederzuzwingen Hauptziel derspanischen Revolution ist, und wenn sich die Erbitterung der Revolutionäre in erster Lini«gegen den Klerus richtet, so hat dies seine Ur»sahen in der geschichtlichen Entwicklung deOLandes. Ludwig,