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Ltnteryaltunasveilage

1939

Demaskierung...r

Das Fest war in vollem Gange. Die Zimmer strahlten in feenhaftem Licht. Ammer neue AutoS rollten vor der Billa Heymann vor. Damen und Herren in eleganter Abend» Ileidung betraten der Bedingung der Ein­ladung gemäß bereits mit der MaSke vor dem Gesicht die Halle. ES war wirklich sehr amüsant und die Gastgeber konnten nur die wenigsten Personen erkennen. Es gab auch zahlreiche originelle Ko- stinne. Frau Kommerzialrat Felsenburg kam als«Czibi, der Fratz". Leider verriet sie der Umfang ihrer Beinchen. Trotzdem fragten alle:Wer kann das nur sein?... Der Fran­ ziska Gaal direkt aus dem Gesicht geschnit­ten...!" Dann spitzte Frau Kommerzialrat der Fratz neckisch da- Mündchen und tänzelte glücklich mit ihren 80 Kilogramm zur nächsten Gruppe. Wie immer bei solchen Hausbällen überwogen die PierrotS.(Fast jedermann hat schließlich einen Pyjama, an den Ouasteln angenäht werden konnten.) Sie tanzten zumeistmitSpanierinnen, deren Fran­sen sich leicht und angenehm in! den Schnüren der Husaren verfingen, wodurch die Anknüp­fung ungemein erleichtert wurde. Douglas Fairbanks hatte drei Doppelgänger, Chaplin nur mehr einen.(Sic transit gloria mundi..) Dagegen schwenkten unzählige Wallace Bee­rys ihre breitrandigen Sombreros. Sie um­lagerten die Tische mit den vorzüglichen Sandwichs, stürmten die Flaschenbatterien und schrien zwischendurch: Viva Billa l... Sehr beklatscht wurde der kugelrunde, aber steinreiche Dr. Heinrich Semmelmann von der Semmelmann-Stahlwaren A.-G. An jedem seiner Arme hingen vier entzückende Mädchen und quer über der Frackbrust ein großes Schild mit der Aufschrift: Das Pri­vatleben Heinrich Semmelmanns. 50 Prozent alltr Besucherinnen streckten die Locken hinters Ohr und die Hüften so weit vor, daß man der wirklichen Greta wahr­scheinlich nicht die geringste Aufmerksamkest gezollt hätte, wäre die Göttliche unter ihren Schwestern in Christine" aufgetaucht. Den Bogel aber schoß«in verhuzeltes Männchen in einem schäbigen Gehrock ab. Ein verbeulter altmodischer Zylinder thronte ulkig auf dem spärlichen Hagrkranz. Die lan­gen Hosen glichen verschrumpelten Ofenröh­ren, bei den Schuhen wußte man nicht, waren sie mehr ab- oder ausgetreten. Die Maske vor dem Gesicht des Allen wurde als mühelos primitiv zugestutzte KrampuSlarve agnosziert. Das Komischeste aber war das kleine weiße Holzpferd, das er an einem Strick hinter sich drein zog. Die vollgefüllte Aktentasche war eigentlich überflüssig der allegorische Aktenschimmel wurde mit verständnisvollem Hallo begrüßt! «Wer ist denn dec mit dem Pferd?", fragte Direktor Heymann ebenfalls als mexikanischer Räuberhauptmann kostümiert seine Gattin.

Bo« Ha«« Le« Reich Keine Ahnung! Ich habe schon die Ein­ladungsliste durchgesehen, ohne auch nur auf die Spur einer Vermutung zu gelangen. Na, egal er sieht köstlich aus, nicht wahr?!" Gewiß. Ueberhaupt ein gelungener Abend! Das hast du prüchkg arrangiert, Liebste!" Und er küßte ihre Hand. Eine vorbildliche Ehe1", sagte eine Stimme neben ihnen. Es war der Akten­schimmel. HhmannS lachten. Der Alte zog einen Akt aus seiner Tasche, befeuchtete mit der Zunge den spärlichen Rest eines Bleistiftes und fragte:Wie oft haben Sie Ihre Frau betrogen, Herr Direktor?" z Nie!" Heymann hob den Schwur­finger. Lüg nicht1", legte drollig seine Frau ihre schimmernden Finger auf seinen Mund. Die Umstehenden freuten sich königlich. Ich lüge prinzipiell nur bei der Steuer!", antwortete der Direllor und alle lachten, indem sie sich vielsagend zunickten. Wie gesagt, es war ein ausnehmend vergnüg­licher Abend. Der Alte wanderte mit seinem Gaul herum, zog stets neue Formulare hervor, stellte Fragen an die Masken, machte sich No­tizen und erwies sich als ein vielseitig gebil­deter und anregend plaudernder Gesellschaf­ter, der in diesen Kreisen gut Bescheid wußte. Interessiert blieb er vor den kostbaren Ge­mälden stehen und überzeugte sich von ihrer Echtheit. Stolz machte ihn der Hausherr auf die werwollen Möbel aufmerksam, öffnete sogar Geheimfächer, um dem Gast allerlei

«led Du haft die Nacht geweiaet bis an den Margen, Frau! Di« Rasen vor deinem Fenster glitzern dar Tränen»nd Ta«. Ei« kleiner grauer Bogel in deinem Garte«, Fran» trinkt jede« lieben Marge« die Träne« und den Ta«. Nun find in seiner Kehl « di« Tränen und d«r Ta» zu einem Lied geworden, zu deinem Liede, Fra «! Er schmettert deine Schmerze» als Jubel hell inö Bla«. Du Pressest die Hand z«m Herzen, fühlst dich verrate«, Frau! O du, verrat'nr Schöne, verbirg nicht dein Gesicht! Die Welt hört nur dir Töne, die Träne» ficht fie nicht! OSkar Wöhrle.

Schätze zu zeigen, die die Bewunderung des Betrachters hervorriefen. Sie waren mir als wohlhabend be­kannt, Herr Direktor", sie standen in Hey« mannS Schlafzimmer vor zwei wundervollen Gobelins,aber das übertrifft alle meine Vorstellungen! Sie find ein reicher Mann!" Der Direttor schmunzelte geschmeichelt. Ich lege keinen Wert darauf, daß es die breite Oeffentlichkeit erfährt! Es kostet nur Geld Sie verstehen! Freunde und vor allem der Staat verlangen ihren-Tribut von jedem Verdienst und ich ziehe es vor, um meiner selbst willen geliebt zu werden! Zu Ahnen, als einem Fremden, darf ich ja offen sprechen..." Dann suchten sie Arm in Arm die reizende Hausbar auf und tranken etliche herb-süße Cocktails. Um Mitternacht ertönte ein Gong- daS Zeichen für die Demaskierung. Ein un« geheurer Trubel entstand, unter Lachen, Quietschen und Kreischen riß man einander die Maske vom Gesicht. Die Stimmung hatte zweifellos ihren Höhepuntt erreicht. Wo ist der Aktenschimmel?" rief Plötz« sich einer und alle brüllten:Ja, der Akten« schimmel muß her!!!" Aber das Männlein war nirgends zu sehen. Endlich erwischte ihn Dr. Semmelmann, als der Alte eben aus der Tür schlüpfen wollte.Drückeberger gibt eS hier nicht!", schrie der runde Heinrich und schleifte den sich aus Leibeskräften Wehrenden wieder in die Mitte des SaaleS, dort wurde er auf einen Tisch gehoben, der Hausherr stellte sich auf einen Stuhl und hielt folgende kurze Ansprache:Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiemit stelle ich Ihnen einen illustren Gast vor! Es ist dies der all« seitS beliebte und gefürchtete Amtsschimmel, dem ein Schnippchen zu schlagen die Daseins« freude beträchtlich erhöht!" Gelächter und stürmischer Applaus. Beery-Heymann fl'rach gutgelaunt weiter:Ich glaube im Sinne aller zu handeln, wenn ich dem fremden und doch wohlbekannten Gast, der uns dieses Fest durch seinen Humor verschönte, für seine vor­zügliche Maske den ersten Preis zuerkenne!" , Bravol", schrien alle.Und zwar eine Gold« Füllfeder!", schloß der Direktor,^ochl Bravo! Hoch!!!" Die Gäste Katschten in die Hände.Und jetzt die Maske runter!" Heymann, überreichte dem Alten daS Geschenk und nahm ihm die Maske ab. Ein kurzer Ruf des Schreckens und des Erstaunens wich einer lautlosen Sttlle. Das Männchen trippelte etwas unsicher auf dem Tisch umher und sagte dann verlegen! Leopold Eipeldauer, mein Name.. Steuer­kommissär... Sie verzeih« schon den Keinen Scherz aber die Ausgleiche nahmen in der letzten Zeit so überhand, daß ich mich etwas eingehender übers Privatleben einiger Herr­schaften informieren mußte... Wo fände man dazu bessere Gelegenheit, als auf einem Hausball, sozusagen im ganz intimen Kreis?