Einzelbild herunterladen
 

u wahrer VaieMndsliebe, Mornl l»id Religion erzogen werden; würde aber der Lehrer verjuche», dort in Chemie und Physik herum- ziiexperimenttre», so sei die Sache gesährlich mit anderen Worten, die Fortbildungsschulen sollen zur Verdummung der Jugend, nicht aber zur Bildung diene». Seitens der Regierung wurve i» Aussicht gestellt eine Vorlage betreffend die Reform des Verkehrs auf den Viehmärkte», betreffend den Verkehr mit Dünger und eine Um- g, staltung des Landes-Oekonomiekollcgiums. Die Debatte, an der sich noch die Abgeordneten v. Sander(»atl.), S z in u l a(Z.) und Hansen(fk.) betheiligten, wird morgen fortgesetzt. Der griechische Zwischenfall kann als erledigt gelten. Wer immer hinter der Regierung von Athen gestanden haben mag, so viel ist jetzt offenbar geworden, daß keine Macht im gegenwärtigen Augenblick einen Krieg zu beginnen wagt. Griechenland wird sich, sobald es Ernst steht, zur Zurück- ziehung seiner Truppen entschließen, gerade wie es dies 1868 that, wo schon ein ganz ähnlicher Miniatur-Staatsstreich gespielt worden ist. Auch damals hatten die Griechen auch in Abwesenheit türkischer Truppen, die von der europäischen Diplomatie zurückgehalten wurden die Insel durch feierliche Proklamation an Griechenland angegliedert. Daß die Türkei ernsthafte Schwierigkeiten bereiten werde, kann niemand im Ernst glauben. Ebenso wenig ist aber an- zunehmen, daß sie ihre Rüstungen nun auf einmal einstellt. Das wäre mehr als unvorsichtig. Nach einer Meldung desStandard" auS Athen vom gestrigen Tage ist dort eine Kollektivnote der Mächte ein» gegangen, welche heute der griechischen Regierung offiziell über- reicht werden soll. Bis Montag muß sich die griechische Regierung entscheiden, ob sie ihre Truppen aus Kreta zurück- ziehen oder die Zwangsmaßregeln der Großmächte abwarten will. Die Vereinigten Staaten scheinen im wesentlichen den Standpunkt der europäischen Großmächte zu theilen, denn nach demStandard" soll sich Staatssekretär Olney geweigert haben, Griechenland den Beschlnßantrag des Senats mitzutheilen, in dem der Senat Griechenland seine Sympathie ausdrückt und die griechische Einmischung auf Kreta billigt. Ucber die Lage auf Kreta liegen die folgenden Mel- düngen vor: Nachdem die vor Kanea lagernden Türken daS Feuer gegen die Christen eröffnet hatten, hißte» letzkere eine weiße Flagge, um den Admiralen zu zeigen, daß sie nichl die Herausforderer geivesen seien. Die Blokade der Insel Kreta wird jetzt auf das schärfste durch- !«führt. Es beginnt bereits Mangel a» Lebensmitteln auf Kreta ühlbar zu werde». Ei» englisches Torpedoboot hat die Vermittlung des Verkehrs zwischen dem griechischen Hauplquartier an der Küste der Insel und der Regierung in Athen übernommen. »* Deutsches Reich. Zur Revision des preußischen Vereins- ge setz es schreiben dieBerk. Pol. Nachr.", die die nicht schwere Ausgabe verbinden, gleichzeitig für die Interessen der Großindustriellen und der Regierung einzutreten: ....... Wenn die preußische Regierung gleichwohl an der Absicht festhält, noch in der laufende» Laudtags-Session mit einein bezüglichen Gesetzesvorschlag vor den Landlag zu treten, so behält sie sich doch andererseits nach den wiederholten Erklärungen des Herrn Ministers des Innern völlig die Entscheidung darüber vor, ob und in wieweit das Vereins- und Versammlungsgesetz vom II. März ISSO noch in anderen Punkten als betreffs des Verbots der Verbindung politischer Vereine zu ändern oder zu ergänzen sei» möchte. Daß es nichl lediglich mit der Aushebung jenes Verbots sein Bewende» haben wird, darf schon jetzt als sicher angenommen werden. Einige andere Bestimmungen des geltenden Rechtes sind so vollkommen veraltet und unhaltbar, daß, wenn einmal die bessernde Hand an das Vereins- und Versammlungsgesetz gelegt werden soll, daran gar nicht vorbeigegangen werden kann. Schon deshalb erscheint es auch ausgeschlossen, daß ein etwaiger Vorschlag, sich lediglich aus die Aufhebung des Verbindungsverbotes zu beschränken, die Zu- stimniung der gesetzgebenden Faktoren finden würde. Wie weit in der Aenderung des bestehende» Vereins-undBersammlungsrechts zu gehen sein wird, hängt von verschiedenen Umständen ab. Das, was vom Standpunkt der Staatsraison wünschenswerth ist, bildet de» einen, die Erreichbarkeit den anderen Pol. Auch sprechen Rück- sichten der allgemeinen Politik des Reiches, wie Preußens, ein gewichtiges Wort mit. Alle diese Momente bedingen «ine überaus sorgsame Abwägung im ganzen wie in, einzelnen und es liegt bei der jetzigen geschäftlichen Lage des Landtages, welche jeder neuen Belastung für die Zeit bis Ostern ividerrälh, gar kein Anlaß vor. diese Abwägung nicht in aller Ruhe und mit größler Sorgsalt vorzunehmen. Im Landtage selbst ist man durchaus damit einverstanden, wenn die Novelle zum Vereinsgesetz erst nach Ostern eingebracht wird." Wenn der Entwurf vorliegen wird, soll es an unserer Kritik nicht fehlen. Das Gerede derBerl. Pol. Nachr." registriren wir der Vollständigkeit wegen; ein Eingehen darauf erübrigt sich aber Als ein sonderbarer Heiliger erweist sich im neuesten Heft der Preuß. Jahrbücher Prof. Hans Delbrück . Aus dem Ausgang des Hamburger Streiks beweist er klipp und klar, daß die Arbeiter sich nunmehr definitiv von der Sozialdemokratie trennen werden. Er schreibt: Die große Aufgabe, voridu unsere heutige Sozialpolitik gestellt ist, ist die Identität von Arbeiterschaft und Sozialdemo- kratie aufzulösen. Sowohl die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer haben heut» kein Juteresse an dieser Trennung; im Gegentheil, beide Parteien wünschen die möglichste Verschmelzung: die Ar- beiter, weil sie durch die Sozialdemokratie noch die Erlangung irgend welcher Utopien erhoffen; die Arbeitgeber, weil sie hoffe», gegen eine sozialdemokratische Arbeiterschaf» aus dieHilfe derRegierung rechnen zu dürfen. Ei« wollen keinen nationalgestnnten, patrio- tischen Arbeiter st and. Jede Arbeiterbewegung soll und »nuß sozialdemokratisch sein; jeder Unpatriotische, also namentlich jeder Professor oder Pastor, der irgend eine Arbeiterforderung für berechtigt erklärt, ist deshalb ebenfall» ein Sozialdemokrat. Im Interesse des Staats, im Interesse der Regierung liegt da? Eni- gegengesetzte: wir müssen alles daransetzen.daß die Arbeiterbestrebungen sich von der Sozialdemokratie trennen und sich strenge auf ihre Gewerkschaft und Berusssphäre beschränken. Die Hamburger Niederlage muß die Arbeiter logischerweise auf diesen Weg führen." Di« Arbeiter sollen also derjenigen Partei den Rücken kehren, die die einzige>var. die sich ihrer Interessen angenommen hat? Diese Logik wird den Arbeitern wohl zu hoch sein. UebrigenS würde Herr Delbrück dadurch, daß er die Arbeiter der Sozialdemokratie abspenstig macht, sein Ziel: eine anständige, arbeiterfreundlich« Sozialpolitik, noch lange nicht erreichen. Möge» sich die Arbeiter Sozialdemokraten nennen oder sonstwie: sie werden in dem Augenblick nicht nur von den Unternehmern, sondern auch von der Polizei und dem ganzen Staatsapparat be- kämpft werden, wo sie dem Kapital mit Forderungen und Ansprüchen auf den Leib rücken. Die Hilfe der Regierung steht den Unternehmern nicht nur gegen sozialdemokratische Arbeiter »ur Bersügung, sondern bei jeder Arbeiterbewegung, die darauf ab- zielt, die Arbeiterklaff« zu hebe», zu emanzipiren und aus der alt- angestammten Abhängigkeit zu befreien, wie ja daS Professor Delbrück nicht unbekannte Vorgehen deS Königs Stumm gegen jede Organisation der Arbeiter beweist. Der Reichstags- Abgeordnet«, Rektor a. D. A b l w a r d t beabsichtigt in den nächsten Tagen seinen Wahlkreis Friedeberg-Arnswald« zu bereisen und in demselben«ersammlungen abzuhalten. In Friedeberg soll der Anfang gemacht werden. So- dann sind noch Versammlungen in Driesen, Woldenbera, Arnswalde , Reetz, Nenwedell u. s. w. geplant. Demnach scheint festzustehen, daß Ahlwardt die bestimmte Absicht hegt, im dortigen Wahlkreis bei den nächsten Wahle» wieder zu kandidiren. Im Anschluß an obige Notiz bringt dieFriedeberger Zeitung" folgendesEin- gesandt": Der Reichstags-Nbgeordnete Ahlwardt soll die Absicht haben, in diesen Tagen hier in Friedeberg einen öffentlichen Vortrag zu halten. Auf diese Nachricht hin hat der Vorstand des hiesigen konservativ-aiitiseinitischeii Wahlvereins für Friedeberg und Um- gegend beschlossen, sich Ahlivardt gegenüber völlig ablehnend zu verhalten und ihn in keiner Weise zu unterstützen. Dagegen bringt der Wahlverein der Absicht des Abgeordneten Liebermann v. Sonuenberg, welcher in nächster Zeit hier sprechen will, seine Sympathien entgegen. Feine Unterschiede verstehen die Konservativm des Wahlkreises Arnswalde-Friedeberg zu machen. Die Ausdehnung der Verantwortlichkeit für die Presse ist das neueste Problem, das sich die Staats- anwaltschaft in Halle a. S. gestellt hat. Morgen findet dort ein Prozeß gegen dasVolksblatt für Halle und den Saalkreis " statt, bei dem der leitende Redakteur Thiele, der nicht als verantwort- sicher zeichnet, als Angeklagter auf dem Armensünderbänkchen sitzen wird. ZI» sich und als Präzedenzfall ist der Prozeß überhaupt be- deutungsvoll. DieHatz gegen dieProfessoren hat gewirkt, sie ziehe» sich, wre Köing Stumm«Z wünscht, in ihre Studierstuben zurück, das geht aus der folgenden Meldung hervor: Rektor und Senat der Berliner Universität haben denM.-P. C." zufolge den von öS Mitgliedern des akademischen Lehrkörpers ge- stellten Antrag auf Errichtung populärer Hochschulkurse mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt. Die Redaktion derZeit" theilt gegenüber der Notiz derPost" über bevorstehende Veränderungen in dem Blatt mit, daß Redakteur Oberwinder allerdings ausscheiden wird. Damaschke ist zwar nicht als neuer Redakteur«ingetreten, aber seine dauernde Mitarbeit ist i» Aussicht genommen. Die Stellung Naumann's und v. Gcrlach's zur Zeitung bleibt die bisherige. 5ti«l, 25. Februar.(Eig. Ber.) Am 1. April tritt der Ober- Präsident von Schleswig-Holstein v. Steinmann in de» Ruhestand und da ist unter seine» Nachfolgern auch verschiedentlich der frühere Minister v. Köller genannt worden. Ergötzlich ist es nun zu sehe», daß die Nationalliberalen unserer Provinz bei dem Gedanken an diesen Oberpräsidenten anfangen kleinlaut zu werden. Das hiesige »ationalliberale Organ, dieNord-Ostsee-Ztg.", entnimmt derNat.- Ztg." einen Artikel, in welchem besondere in der Person des früheren Ministers(mit dessen Umsturzbekämpfung man so sehr zufrieden war) beruhende Umstände ihn als wenig für diesen Posten geeignet er- scheinen lassen. Die Sinnesart vom allpreußischen Konfervatismus, wie er sich iiamentlich in dem ostelbischen Junkerthum darstellt und als deffe» Typus gerade Herr v. Köller gilt, vertrage sich nicht mit de» Anschauungen der Bewohner unserer Provinz. Zum Schluß wird dann betont, daß einFehlgriff in der Besetzung des Postens zweifellos zu einer Stärkung der radikalen Elemente bei- tragen würde, deren Vorhandensein bisher nicht auf eine Entwickelung im Lande, sondern auf Einwanderung aus andere» Landeslheilen zurückzuführen war." Auf den Unsinn der Be- Häuptling, daß alle die vielen taufende von Sozialdemokraten und Dänen in unserer Provinz(damit sind ja unbedingt die radikalen Elemente gemeint) ans alideren Landeslheilen eingewandert seien, verlohnt es sich nicht einzugehen, aber wenn durch Herrn v. Köller dies«Elemente" gestärkt werden, könnten wir uns gar keinen bessere» Oberpräsidenten wünschen. Der Donaueschinger Erfolg der National- liberalen bleibt nicht unbestritten. Sozialdemokraten und Zen- trums-Lente wollen diese Nachwahl für den Reichstag anfechten. Soldat««selb st mord. Die.Münchener Post" sckreibt: Ein junges, hoffnungsvolles Menschenleben ging ans Verzweiflung in den Tod. Früh 34 Uhr ertönte in der Nähe der Brndermühl- straße ein Schuß und morgens 8 Uhr wurde ein Soldat des 3. Feld- Artillerie-Regiments mit durchschossener Schläfe todt aufgefunden. Der Anblick des tobten jungen Mannes ist nicht zu beschreiben. Von anderer Seite wird über den sensationellen Soldatenselbst- mord berichtet: Die Leiche lag mit eingebogenem Knie auf dem Rücken, der rechte Arm war ziemlich ausgestreckt, die rechte Hand zeigte deutlich in der Fingerstellung. daß sie den Schuß abdrückte und nebenan lag ein Revolver. Am Rockfutter der Uniform stand der Name: Paul Scheubeuzuber. Die Knöpse und Achselklappen wiesen aus. daß der Man» dem III. Artillerie-Regiment. ö. Batterie, angehörte. In den Taschen des Tobten fanden sich 50 Pfennige i» Geld vor, isowie«ine Nota über einen Revolver mit. 60 scharfen Patronen. Die Leiche wurde in die Todtenkammer des Mililärlazarethi überführt. Um 8 Uhr morgens brachte der Briefträger einen Brief zu Händen der Eltern des junge» Selbst- mörders, die in der Baldestraße wohnhaft sind. Der Bater ist Zimmermeister, die Mutter betreibt ein Spezereigeschäst. Dieser Brief lautet wörtlich: Allerliebste, schwergeprüfte Eltern! Es ist dies der letzte Brief, den ich mit Zittern und Weinen an Ench richte. Der ganz(folgt ein sehr scharfer Ausdruck) Sergeant Zent- maier und Unteroffizier Müller sind eS, die mich gezwungen haben, meinem qualvollen Leben«in Ende zu machen. Dieselbe» haben mich derart mit Schimpfworten und Drohungen traktirt, daß es mir als Mensch mit Ehre ich mich von solchen z. B. als Halbmensch und sonstige schöne Namen nicht gefallen lassen kann. Heute, morgeuS. war ich im Stall und mußte die Pferde mit Stroh abreiben. Da kam der Sergeant Zenlmaier zu mir in den Stand hinein und nahm mir beide Stroh- wische aus der Hand, rieb mir dieselben im Gesichte herum und sagte, da kann man nicht einmal mich abreiben damit, weil die Strohwische zu klein seien. Allerliebste Eltern! Verzeihet mir den bösen Schritt, den ich gemacht habe. Alles waS mir gehört, das Aufreitzeug, das Werk- zeug, die Schnarrbrücke überhaupt alles, das schenke ich der liebsten Mutter und der Babcttl, meiner lieben Schwester. Ich bitte Euch um Verzeihung, lebet wohl auf Wiedersehen im Jenseit». Euer dankbarer Sohn Paul Scheubeuzuber geschrieben abends 7 Uhr im Gasthause Fendt Goldener Storch in der Göthestraße. Lebet wohl, lebet wohl! Aufs Wiedersehen." Ueber die Person des Unglückliche» erfährt dasN. M. Tagebl.": Der Unglückliche ist der Sohn deS Zimmermeisters Jakob Scheuben- zuber dahier. Er ist geboren am 26. Dezember 1877, steht also im 20. Lebensjahre. Er besuchte die Bürgerschule, später die Bau- schule, bildete sich nachher im Geschäfte seines Vaters ans, war auch einige Zeit als Zeichner bei Zimmermeister Gg. Leib thätig. Am 16. November v. I. trat er freiwillig ins 3. Artillerie-Regiment ein. Der junge Mann diente freudig und gern, war stets guter Laune, wen» er Besuch bei seilten Eltern oder Verwandle» abstattete, und lobte stets die freundliche, humane Behandlung seitens seiner Bor - gesetzten. Dies änderte sich wie mit einem Schlage seit dem 6. Februar dieses Jahres, als fein bisheriger Sergeant aus der Batterie aus- und Sergeant Zehntmaier dafür«intrat. Seit dieser Zeit war der junge Mann traurig und verschloffen, wa» die Angehöngen besorgt machte. Auf Befragen gab er auslveichende Antworten, nur einer Tante gegenüber äußerte er aus Befragen, wie es ihm ginge:Ich kau» und will es gar nicht sagen, wie es mir jetzt geht; schrecklich ist es mir noch, daß ich di«S Leben fast»och zwei Jahre aushalten soll. Mülhausen . Bon pinzipieller Wichtigkeit für die Entwicklung de» Semeindewesen» im ReichSland ist«in Antrag, de» die beiden sozialdemokratischen Vertreter ini Mül- hauser Stadtrath demnächst einzubringen gedenke». Derselbe lautet: Der Gemeinderath wolle Ibeschließen: Der Herr Bürgermeister wird beauftragt, mit sämmtlichen Gemeindeverwaltniigen der Orte von 2500 und mehr Einivohnern, sowie der diesen gleichgestellten Orte Elsaß > Lothringens in Verhandlungen darüber«inzutreten, ob und welche Orte zur Theilnahme an einem g e m e i n s amen S t ä d t e t a g e gewillt sind, dessen Tagesordnung noch näher fest- gestellt werde» kann, für die aber der Geineinderath Mülhausen bereits die beiden folgenden Punkte vorschlägt: 1. Die Frage der obligatorischen Anstellung von Militäran wärlern im Gemeindedienste und Stellung- nähme zu derselben. 2. Die Einführung periodisch statthabender Städtetage. Oesterreich. DaS Wachsthum der Sozialdemokratie. Die Reichenberger Zeitung " bespricht das Anschwellen der sozialdemo- kratischen Bewegung in Böhmen und meint darüber:In den Wahlmännerwahlen für die fünfte Kurie wurden bisher nahezu auS- schließlich die sozialistischen Kandidaten gewählt. Dieses Ergebniß war zwar von vornherein in dichtbevölkerten, von der arbeitenden Klasse bewohnten Bezirken Nordböhmens, in industriellen Gegenden Mährens und anderer Länder nicht anders zu erwarten, doch müssen die riesigen Majoritäten, mit welchen die Sozialisten ge- wählt werde», berechtigtes Staunen erregen. Wie rapid muß die Sozialdeniokratie au Ausdehnung gewonnen haben, wenn in einem Bezirke wie Teplitz , wo ihr kompaktes Auftreten i»«ine ziemlich junge Zeit fällt, in der allgemeinen Wählerklasse jedes andere Element als das sozialistische so gut wie verschwunden ist und unter achtundachtzig Wahlniänneru vierundachtzig Sozialisten gewählt werden konnten. In anderen Bezirken war es nicht viel besser und schon heute kann man sagen, daß der Sieg der Sozialdemokratie in der sünften Kurie mehr Verluste bedeute» wird für die bürgerlichen Parteien, als die Optimisten derselben früher herausrechneten. Dieses Wachsthnm wäre immer»och nicht gefahrdrohend, wenn nicht Hand i» Hand damit eine zunehmende Lethargie der bürgerlichen Parteien ginge. Man braucht beispielsweise in Jndustrie-Orten nur die Ausnutzung des Versammlungsrechtes durch die Arbeiter und durch die Bürger- schast zu vergleiche», um sofort den gewaltigen Unterschied z» er- kenne», welch' großen Antheil heute der Arbeiter und welch' ge- ringen der Bürger am politischen Leben nimmt. Was Rührigkeit i» der Agitation und Zielbewußtsein in der Organisation anlangt, so können die bürgerlichen Parteien von der Sozialdemokratie be- kanntlich sehr vieles lernen. Die Einheit des Strebens, die Festig- keit des Zusammenhaltens ist die Haupteigenschast der Arbeiter« partei, während die Bürger einander nach Nationalität, Rae«, Bekeniiiniß, Beruf aufs bitterste befehden. Mit der Indolenz der Wählerschaft geht bei ihnen häufig Hand in Hand die Lauheit der Volksvertreter. Diese haben wenig oder jjar keine Berührung mit ihren Wählern, kennen deren Bedürfnisse nicht, hören ihre Wünsche nicht. Kommt tS zur Wahl, so reden sie den reinsten Honjgseiiii, werden schmiegsam und biegsam, versprechen das Blaue vom Himmel herunter, ja Manche entblöden sich nicht, ihre politisch« Gesinnung wie eine» alten Rock z» ivechseln, um auf dem Rücken des Volkes wieder i»s Parlament zu gelangen. Es ist nur zu begreiflich, daß bei einer derartigen Deroute des öffentliche» Lebens, bei einer solchen Verflachiiiig der politischen Gruiidsätze und einem solchen Mangel au politisch ernsten, pflichtgetreuen Männern sich ein großer Thcil, vor allem der gemäßigte und besonnen« Theil der bürgerlichen Bc- völkerung von der Wahl und damit von der Politik überhaupt ab- wendet, während die vorwärtsslürmende Sozialdemokratie alles, was unzufrieden ist, mit sich fortreißt. In Oesterreich ist es schwieriger denn anderswo, die Staatsbürger nach großen Grundsätzen zu gruppire», ja gegenwärtig ist eine förmliche Paralyse der ehemalige» großen Parteien im Zuge. Jedenfalls wird die Sozial- demokratie bei den Wahlen hieraus den größten Vortheil ziehen, während es sehr fraglich ist, ob die bürgerlichen Parteien ihrerseits aus dem Siege der Umsturzpartei die nothivendigcn Folgerungen ziehen werden." Daß diese Darstellung des führenden liberalen Blattes Nord- böhmens nicht eine gleichgiltige Meinung einer Zeitung ist, be- weist der merkwürdige Umstand, daß das leitende Blatt der Alt- czechenpartet, die PragerPolitik", diese Auslassungen wörtlich, ohne«in Wort der Einschränkung abdruckt. Die Wiener Arbeiter-Zeitung " schreibt über die Wahlmänner- wählen: Die Wahlen in der Provinz erreichen dieser Tage den Höhe- punkt. Es wird immer sichtbarer, daß die Sozial- demokratie die stärkste Partei ist, und wenn die Zahl der abgegebenen Stimmen über die Mandate den Ausschlag geben wurde, so brauchten wir keine Sorge zu haben. Aber das in» direkte Wahlrecht fälscht dieWahlen in so entsetz- licher Weise, daß auS den Siegen bei den Urwahlen aus das Ergebniß der Wahl in keinem Augenblick geschlossen werden kann." Nun hat auch die erste größere Stadt gewählt, Reichenberg. der Hauptfitz der Deulsch-Nationalen in Böhmen . Die Niederlage der Deutsch -Nationalen ist fürchterlich, fie ist deshalb besonders be- deutuugsvoll, weil sie das ganze Stadlregiment mit Einschluß der Polizeiverwaltung in der Hand haben. Von 62 Wahlmännern sind 50 Sozialdemokraten gewählt worden, 12 kommen in die Stichwahl. Die vereinigten Gegner, Liberale, Klerikale und Deutsch-Nationale, haben in Reichenberg bisher keinen«inzioen Wahlmann durch- gebracht. Da auch die sonstigen Wahluachnchten aus dem Wahl- kreise Reichenberg außerordentlich günstig lauten, dürste hier ein Sieg sicher zu erwarten sein. Nach cliier Meldung desDziennik KrakowSki" sind die Wahl- männerwahlen in den Krakauer Landgemeinden zumeist zu gunsten der Sozialisten ausgefallen. Di« Wählerversammlungen tn Neu- Saudec- Limanow habe» einstimmig den Sozialisten Misiolek kandidirt. Eine von zweitausend Wählern der sünften Kurie besuchte Ver- ammlung in Biala erklärte sich einstimmig gegen den christlich- ozialen Mandatswerber Kubik und proklamatr den Sozialdemo­kraten Englisch zum Kandidaten. Wie aus Ezernowitz berichtet wird, ist dort bei den Wahl- männerwahlen die sozialistische Liste mit großer Majorität durch- gedrungen. Galizische Wahlbräuche. Wie die in Krakau erscheinendeNowa Reform»" berichtet, wurden in PrzemySl auf Verordnung der dortigen Bezirkshauptmannschaft am verflossene» Sonntage die der polnischen Bauernpartei angehörenden Landtags- Abgeordneten Stefan Nowakowski und Senko Wityk verhaftet und dem Gerichte eiugeliefert. Die für heute anberaumte Wahlmäuuer- wähl in Podwoloczyska , zu welcher mehrere hundert Wähler.r- schienen waren, wurde zum zweiten Male bis auf weitere» ver- schoben. Schweiz . Zürich , 24, Februar.(Eig. Ber.) Unsere schweizerischen Genosse» tagten vorgestern 600 Mann stark in Muterihur zur Besprechung des zweiten Wahlgangei für die Ersatzwahl in den Züricher Regierungsrath. Die«m 7. Febniiw erhaltene große Stimme», ahl von 15 000 hat auf unsere Genostei, erhebend und begeisternd gewirkt und einstimmig befchlaß die Versammlung, auf den zweiten Wahlgang hin eine«nergisw« Agitation zu entfalten, um die sozialdemokratisch-» SUminen uns 20 000 zu bringen. In Genf stellten unsere Genossen für d am nächsten Sonntag stattfindend« E r s a tz>v a h. in de.« Nationalrath den Genossen Lehrer Sigg als sozialdem»,- kratischen Kandidaten auf. Die Radikale»(Liberalen) überlassen dm Sitz ohne Kampf den Konservativen, welche den Advokaten O d i. r als ihren Kandidaten aufgestellt haben. Wahrscheinlich wird ei» Theil der Radikalen für den«ozialdemottaten stimmen; Aussicht