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Vorn Giern am Strom
Am Ufer des Bergstroms, der gen Mittag rann, stand ein schwarzer Stein, dessen breite Fläche in den Strahlen der Abendsonne unheim­lich funkelte und blitzte. Ein Feuerkrater der Urzeit hatte ihn hier versenkt und eingekeilt im Geröll, und darum war er den Menschen, die am Strome siedelten, heilig und die Priester schlachteten auf ihm die Kriegsgefangenen, weil man von dem schwarzen Stein aus über den Fluh hin dem aufsteigenden Sonnengott so schön in das strahlende Antlitz schauen konnte und weil der allmorgendlich neu belebte Sonnengott vom Osten über das Wasser her so bequem auf den. schwarzen Opferstein schauen konnte. Und die Priester tanzten um den heiligen Stein und sangen: Glutheißer, leuchtender Strahlenpfeilsender, Freu dich, freu dich am dampfenden Blut, Weil du die fetten Weiden   gemacht Hast Und den Himmel darüber gestülpt. Und den Brausestrom, der die Wiesen nährt Und das Bieh tränkt, ausgegossen hast Und ihn festhälst in seinem Gleis, Damit er uns nie und nimmer entrinnt. Glutheißer, leuchtender, Strahlenpfeilsender, Freu dich: der Urstein dampft dir vom Blut. Am Ufer des Bergstroms, der gen Mittag rann, saß der Fronbauer Holtingar auf dem schwarzen Stein, sah hinüber über den Fluß und erwartete das Aufgehen der Sonne, denn er mußte früh anfangen mit dem Fronwerk seines LageS und konnte doch nie zu Rande kommen. .Weh", seufzte er,.so geht» jahraus, jahr­ein." Dar ganze Leben Plag' und Not und Pein. Und so gingS in meines Paters und Großvaters Tagen, und so wirdS meinen Kindern ergehen und meinen KindeSkindern in alle Ewigkeit. Denn so hat es Gott gefügt, daß es Herren und Knechte gibt; und wie der sinnende Fluß da nicht sagen kann:.Ich will mich aufmachen und wan­dern und anderswo wallen", so ist auch kein Weg von der Knechtschaft zur Freiheit bis an der Welt Ende." Und während der Fronbauer Holtingar so sprach im Morgengrau am Bergstrom sitzend auf dem schwarzen Stein, da hüpfte eine Welle auf aus dem Flutgekräusel und netzte ihm den nack­ten Fuß. Und Holtingar zog den Fuß zurück und brummte:Hät? nit gedacht, daß ich höher ge­schossen bin als mein Vater und meine Beine länger gewachsen sind als meines Vaters Beine Der saß weiland oft genug auf dem alten Stein da, und der Fluß hat ihn niemals erleckt; und ich kann's nicht verstehen, wie er'S jetzt ver­mag." Da ging die Sonn? auf und Holtingar trot­tete mit krummgebeugtem Rücken der Arbeit zu. * Auf dem Bergstrom, der gen Mittag rann, fuhr ein Königsschiff. Mit purpurnen Decken war es auSgelegt um und um; innen und außen, daß die roten Wellen des Stoffes hineintauchten'in die grünen deS Wassers. Drinnen aber im Boote, unter goldenem Baldachin auf weichem Pfuhl lag der jung« König in den Armen seiner schönen, jungen Königin, die der.fromme Erz­bischof ihm angetraut hatte am selbigen Tag. Und der junge König war sehr glücklich und lag da und dachte den süßesten und größten Gedan­ken, den ein König überhaupt zu denken vermag, den Gedanken:.Ich bin der König!" Da stößt's, da kracht'S, da schmettert'S, da splittert Holz, da wälzt sich Gischt hin über des
Königspaares üppiges Lager: Des Königs Hoch« zeitschiff war auf eine Klippe gefahren, auf eine schwarze, heimtückische Klippe. Als König und Königin triefend und zit­ternd in ihren klebenden Prunkkleidern am Ufer standen und bleichen Gesicht- den Ruderknechten nachblickten, die dort im Wirbel des Bergstromes vergebens mit gellenden Stimmen Rettung er­flehend dem Tod entgegentrieben, da warf sich der Schiffmeister, der alteHolzingäre, mit angst­verzerrtem Antlitz vor dein jungen Fürsten nie­der in den Sand und schwer, daß jene Klippe, die er wohl kannte aus seines Vaters Tagen her, ehedem, in den Jahren seiner Jugend, da er des Königs hohen Vater hier vorbeifuhr, noch fünf gute Ellen westwärts von jener Stelle, da man sie jetzt traf, gesessen hätte..Gewiß, bei meiner Seele Seligkeit", so schwur der Holzingäre, fünf gute Ellen westwärts; und der Böse müsse seine Hand dabei im Spiel haben." Der König aber schrie:Schweig, Narr! Willst du mit blöder Kindermär mein Hirn um­spinnen? Schweig!" Und er pönte den Holzin- gäre mit schwerer Buße an Leib und Habe. Auf der dunklen, heimtückischen Klippe Äber ließ der Fürst die Bildsäule eines Heiligen errichten, des Heiligen, der ihn und sein königliches Weib aus Wassernot errettet hatte. Und der Heilige stand lange Zeit auf seiner schwarzen Klippe und war ein Wahrzeichen den Schiffern auf dem Berg­strom, der gen Mitternacht   rann. Sie sagten aber von dem Heiligenbild, daß eS alle Jahre an dem Tage, da er den König hier aus dem Schiff­bruch gerettet hatte, ein Stück nach Osten weiche. Das war aber wohl nur abergläubisches Gerede, aufgebracht in späterer Zeit, da das alte Heiltum längst in den Strom gesunken.., Am Ostufer des Flusses, der nach Süden läuft, auf der schönen Promenade, die von der Stadt her an das Ufer führt, damit sich die bra­ven Bürger dort ergehen können, trägt der wohl­angesehene Herr Laver Holzinger seine Würde auf und nieder und guckt über den Strom hin­über nach Westen, wo di« Sonne so herrlich zu- frieden mit ihrem Tagwerk unterging. Und der wohlhäbige Lader Holzinger wen­dete sein von Zufriedenheit und Abendröte strah­lendes Gesicht nach dem jungen Menschen an seiner Seite und sprach in belehrendem Tone: Das ist alles Unsinn und Schwärmerei, mein Lieber, was Sie da faseln von sozialer Gesell­schaftsordnung und wie die guten Dinge alle heißen, di« sie sich sehr gefährlicher Weise in Ihren jungen Brausekopf haben setzen lassen. Hören Sie auf mich! Reich und arm, vornehm und gering, mächtig und ohnmächtig wird es im­mer geben, wie Tag und Nacht, denn das ist ein­mal die Weltordnung. Sie können auch nicht gegen den Strom schwimmen. Und ebenso wenig als dieser Fluß seinen Lauf verändert und ebenso sicher als dieser, schwarze, erdgewachsene Stein hier von aller Ewigkeit her an diesem lin­ken Ufer von den Wellen bespült wurde, und nie­mals am rechten war, so sicher bleibt alles, gott­lob, wie es war und ist, und kann sich niemand von der einen auf die andere Seite legen." So sagte der wohlhäbige und würdige Bürger Lader Holzinger und klopfte mit seiner Gummi­sohle an die schwarze Schrunde eines fest im Geröll versenkten und verkeilten Felsblockes, dessen breite Fläche in den Strahlen der Abend­sonne unheimlich funkelte und blitzt«. Julius Martin,
Skifahrt der Plätterin
Die kleine Prophetin Abend ist's und der Wind weht messer­scharf über die breite Großstadtstraße. Wie ein böses Bieh springt er einen an und beißt. Die kleine Pepi muß ordentlich acht geben, daß sie nicht umfällt. Sie geht einfach schief und tut so wie di« Hausdächer find. Das ist praktisch und geschickt. Und ganz und gar ist sie in Mutter- Tuch eingewickclt. Nur die kleine Nase schaut heraus und neugierigen Augen. In der Linken trägt die Pepi ein Greißlerpackerl. Da ist Wohl Brot und Wurst darin oder so was Aehnliche- fürS Nachtmahl. Mit der Rechten hält sie da­große Tuch fest. Jetzt biegt sie in die schmal« Borstadtftraße ein; der Wind weht weiter, aber der Lärm verhallt; und auf einmal hört das Pflaster, daß die Pepi singt! AlleS neu macht der Mai!" singt die kleine Pepi laut und unbekümmert in die windige winterliche Borstadtstraße hinein. Der Wind wirst ihr Sand in di« Augen, der Wind macht ihr die Nase rot, der Wind zaust an ihrem Röckchen. Macht nichts, macht alles nichts! ES wiü> gesungen:Alles neu macht der Mai, macht die Seelen frisch und frei!" Das hat man be­stimmt erst heute oder gestern in der Schule ge­lernt, wo eS jetzt wieder nicht nach Jahreszeiten, sondern nach Lehrplan-ugeht. Also muß man eS singen, daß man eS das nächste Mal recht gut kann. Knapp, ehe die Pepi in einem dunklen Hausflur verschwindet, höre ich sie immer noch ihr Liedchen zwitschern... Und freue mich dann den ganzen Abend, daß so eine kleine Prophetin wirklich lebt... Denn durch diese diesjährige Wiener Winterwelt zu schreiten mit einem Maienlied auf den Lippen, ist daS nicht eine resolute Weltweisheit, ist daS nicht eine müviderle glich ursprüngliche Weissagung?,,,