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die Mandarine, die Diener, die Torwächter fort,| Klein werde ich sein in den Augen Chungs, ein er legte sein Kleid ab, er stellte sich vor den fil- furchtzitternder Mensch. Ich bin verwundbar bis bernen Spiegel und betrachtete sich. Leicht wie zu der Stunde, in der niemand mehr um meinen Seide war der Panzer aus Silberplatten, doch Panzer weiß. gab er seinem Schritt erhöhte Würde, und nie mand würde mehr daran zweifeln, daß er ein Tiger unter den Männern war, herrlicher als alle andern Kaiser des Reiches und unver­

wundbar.

Ich bin mit deiner Hände Werk zufrieden, Chung", sagte der Kaiser." Nimm diesen Beutel. Ich will deine Kunst rühmen bei den Man­darinen, es wird dir fünftighin an Aufträgen nicht mangeln."

Kaum aber hatte Chung den Palast Wu­Fengs verlassen, als dunkle Gedanken im Kopf des Kaisers aufstiegen. Stehe ich an der Spitze des Schiffes, ein Tiger unter den Männern, so mag er am Ufer stehen mit einem stummen Lachen; schreite ich an den Tagen der Feste durch die Straßen, der Sohn des Himmels, der zur Erde niedergestiegen, so mag er hinter seinem Fenster hocken, mit einem stummen Lachen. Er weiß, daß ich unter dem silberweißen Kleid aus Seide einen falten, funkelnden Panzer trage, und es Tann geschehen, daß er wähnt, ich trage ihn nicht des Friedens willen, ich trage ihn aus Angst.

Da gab der Kaiser einem Bogenschüßen aus seiner Leibgarde den Befehl, zu der Hütte Chungs zu gehen und den Silberschmied durch das Fenster zu erschießen; denn es sei dem Kai­ser zu Ohren gekommen, Chung habe sein Ge­bot verletzt und laut gelacht, als er hörte, daß die Elster noch nicht heimgekehrt sei aus der Dämmerung an die Ufer des Yang- Tie- Kiang. Der buntgefiederte Pfeil traf Chung in den Rücken, als er sich über seine Arbeit beugte. Ohne Schrei, ohne Zuden sant er um, mit glasigen Augen starrte er den Vater an. Das Herz Si- Nans stand still in dieser Stunde, kein Wort sprach er, er hüllte den Leib seines Sohnes in die weißen Gewänder der Toten, er ent­zündete Räucherwerk vor seinem Hausaltar, er verrichtete die Gebete, er begrub seinen Sohn und verbrannte Dämonen aus Papier an seinem Grab. Als er aber die letzte Schaufel Erde   auf das Grab geworfen, begann er zu lachen, so schrill, so gellend, daß die Menschen zurück­wichen und sagten: Si- Nan ist vor Schmerz irr geworden.

( Schluß folgt.)

Božena Němcová  

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Vor 115 Jahren am 4. Feber leisten, wurden von einer Frau erdichtet, die als 1820- ist Božena Němcová   geboren, vor Siebzehnjährige, den Ratschlägen ihrer Eltern 80 Jahren ist ihre ,, Babička  " erschienen.

Als im Jahre 1856, zur Zeit der drückend­Sten Bachschen Reaktion der revolutionäre Jour­nalist K. Havlíček Borovský   zu Grabe getragen wurde, schmückte seinen Sarg ein Kranz, dessen Bestandteile sowohl für das Schicksal des Toten als auch für das der Spenderin symbolisch was ren: Dornen mit Lorbeeren ineinander gee flochten. Das Schicksal Havlíčeks, seine aufsehen­erregenden Prozesse, die an jene Lassalles erin nern, und seine Internierung sind allgemein be­kannt; das Leiden der Božena Němcová  , ihr tapferer Kampf mit Krankheit und materieller Not, wurde im Stillen ausgefochten.

Němcová   wird oft als Beispiel für die Be­hauptung gebraucht, daß die Größe der mensch lichen Tat durch die Größe des vorangegange­nen Leidens gemessen werden soll. Es ist nicht der Zweck dieser Zeilen, die Richtigkeit dieser Behauptung zu prüfen, es soll jedoch auch hier betont werden, daß Leiden allein nicht ein Maße stab für den Wert der menschlichen Tat ist. Němcová   hat durch die Kranzlegung auf den Sarg eines vom Staate Berfolgten eine hel­denhafte Tat vollbracht; ob andere, die aus Vorsichtigkeit oder Feigheit am Begräbnis Ha­bifteks nicht teilnahmen, dadurch ihrem Volke nicht mehr genügt haben, müßte von Kennern ber damaligen Zeit entschieden werden. Unsere Anteilnahme jedoch gehört dem Hauptberufe Němcovás, der Schriftstellerei. Die Verfasserin der schönsten Hymnen auf das tschechische Land­bolt und die Natur, in der es lebt, tam vor 115 Jahren als uneheliches Kind eines fünf zehnjährigen Dienstmädchens in einer dunklen Straße Wiens zur Welt. Die große tschechische Schriftstellerin schrieb ihre Jugendgedichte deutsch  , erst als Erwachsene konnte sie sich mit dem Schrifttschechisch vertraut machen. Tapfere Frauen, die in allen ihren Märchen und Er­zählungen stets der Stimme ihrer Liebe Folge

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folgend, einen Mann geheiratet hat, der um fünfzehn Jahre älter war als sie und den sie nicht liebte. Und zu einer Zeit, da der kranten und mit höchster Not ringenden Frau der ge­liebte Sohn an Tuberkulose gestorben war, als sie in ihrer Liebe enttäuscht und von Freunden verlassen wurde, schuf sie in ihrer Babička" eine helle und glückliche Welt, wie sie nur selten in der Literatur geschaffen wurde. Die durch die Härte des Schicksals und die Schlechtigkeit der Menschen zu Boden gedrückte Frau wagte zu behaupten: Die Frau muß der Menschheit das verlorene Paradies zurückgeben, diese kostbare Perle; sie muß jedoch wissen, daß diese Perle auf dem Grunde ihres Herzens liegt, dorthin muß sie um sie tauchen." Němcová hatte noch soviel Lebenskraft, in dieser Beit ihre Kindheits­erinnerungen zu dem bis heute noch bekanntesten und meist übersetzten tschechischen Werke umzu­gestalten. Sie fam aus dem Volke hervor und sprach sum Volfe in seiner Sprache von einem Leben, das es führen könnte.

In achtzehn Kapiteln der Babička" lebt Der Leser ein idyllisches Landleben im Sinne Rousseaus mit. Die Menschen sind nur deshalb gut, weil sie in täglicher Fühlung mit der Nas tur leben. Und vom ersten Augenblick an, von der Ankunft der Großmutter im ,, Staré bělidlo" ( der alten Bleicherei  ), wo die bisher aus Va­ter, Mutter, vier Kindern und zwei Hausge­Hilfinnen bestehende Familie mit Hunden, Kazen und Geflügel hauste, gewinnt die" Babička" die Sympathien aller, die sie im Leben oder beim Lesen des Buches kennengelernt haben. Sei es zu Hause, in der Mühle, im Wald oder im Schloß bei der Fürstin, im Alltagsleben oder bei Festen, während die Sonne scheint, wenn Stürme toben oder der Fluß das ganze Tal überschwemmt- immer bleibt die weise Greisin ein fester Punkt, ein Halt für Junge und Alte. Sie hat Verständnis für alle Fragen der Kinder und antwortet ihnen ohne müde zu werden, sie versteht die Not und die Liebe, sie hilft der

Tochter des Gastwirtes, sowie der Komtesse vom Schlosse und der Familie des bettelnden Musikanten, die sich von Katzen, Eichhörnchen und Krähen nährt. Ihre Güte macht sie weit und breit bekannt, ihre einfache Weisheit stellt sogar die Bildung der Fürstin in den Schatten. Ihre Liebe einigte Elende, Leidende und im Ueberfluß Lebende. Ihre Anwesenheit verwischi Klassenunterschiede; alle, die in ihrer Umgebung leben wollen, müssen sich ihr unterordnen. Als sie stirbt, trauert die ganze Umgebung, ein har­ter Jäger geht hinaus, um weinen zu können, die Hunde lassen ihre Köpfe hängen, den Bienen ſieht man an, daß sie trauern; als der Be­gräbniszug am Schlosse vorbeizieht, schaut ihm die Fürstin nach und flüstert vor sich hin: Eine glückliche Frau...".

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Der Leser dieses lebensbejahenden Buches soll zur Ueberzeugung gelangen, daß das Glück des Menschen von seinem guten Willen ab­hängt. Ein guter Mensch hat die Macht, sich eine Welt zu schaffen, wo Gutes zugleich Schös nes wird; in diese Welt wird, so wie in der Babička", nur der hineingelassen, der sich dem Prinzip der Menschenliebe unterordnet. Doch nicht einmal der Verleger richtet sich nach dem leuchtenden Beispiel der Babička", denn er bes zahlt der darbenden Frau mur 158 Gulden für das Buch. Als bereits nach dem Tode der Schriftstellerin, wegen des durchschlagenden Welterfolges die Quellen des Werkes bon Wissenschaftlern studiert werden, stellt man fest, daß selbst die Bewohner des bescheidenen Tales nicht immer im Sinne der Menschenliebe han delten: selbst die Mutter der Schriftstellerin wurde nach jedem neugeborenen Kind immer mürrischer, fie schlug ihre Kinder wegen jeder Kleinigkeit. Gegen ihre Mutter benahm sie sich so, daß die alte Frau zu ihrer zweiten Tochter nach Wien   übersiedeln mußte. Aber Němcová gibt nie zu, daß ihre ,, babička" nicht im Rati bořické údolí" geboren ist, sie läßt sich das in ihrer Phantasie lebendige Bild ihrer sonnigen Jugend nicht stören, sie nimmt unerwünschtes einfach nicht zur Kenntnis. Sie erzählt nicht davon, daß die Fürstin, die durch ihre Volks freundlichkeit von dem schwarzen Hintergrund des übrigen Adels sonderbar abstach, das ge­liebte Staré bělidlo niederreißen ließ, damit ihr Schloßpark vergrößert werden konnte. Něm cová nimmt von den dreizehn Kindern ihrer Mutter nur vier heraus, die ihr zur Charakteris fierung eines fast erwachsenen, eines Knabenhafts wilden und eines findhaft- naiven Kindertyps genügen. Sie erwähnt nicht die Cholera, die zu jener Zeit in der Gegend wütete; sie erwähnt fie nicht, weil gegen sie selbst die Weisheit einer Greifin aus dem Wolfe machtlos war. Sie übers geht viele Geschehnisse und erzählt ungeschehenes, fie legt die Aussprüche ihrer eigenen Kinder ihren Geschwistern in den Mund, sucht fich die guten Menschen für ihr Tal aus allen Gegen­den, die sie kennengelernt hat, zusammen.

Wir finden in anderen Werken einige Pers sonen aus der Babička" wieder, wir wissen aus der umfangreichen Korrespondenz der Schrifts stellerin und aus Memoiren ihrer Freunde, wie oft sie sich mit ihnen beraten hat. So entstand bei vielen der Eindruck, daß Němcová nicht allein schaffen konnte. Als Beweise hiezu dienen einige ihrer kurzen Erzählungen, die mehr erdichtet sind als erlebt. Man findet in ihnen viele Stel len, die lang, gefünftelt und rethorisch wirken. Denn Němcová   ist als wahrer Gefühlsmensch nur dort genial, wo sie ihre literarischen Paläste aus Steinen und Ziegeln ihrer Erinnerungen und Erlebnissen baut und diese mit dem Mörtel ihrer Phantasie verbindet. Dort, wo sich ihr Gehirn als Chefkonstrukteur betätigen muß,