BU □tr. 12 UnteröQliung^dlaflt 1935 Lord Phipps sucht einen Spleen Lord Basil Phipps, 49 Jahre alt und ohne Beruf son stand es wenigstens in seinen Pa­pieren wohnte in London   SW 1, Rorth Street 18, gleich hinter Westminster Abbey  . Nachbar des Herzogs of Marlborough, waren die Häuser von ihren Vorfahren gleichzeitig er­baut worden, schmal niedrig und von außen recht unscheinbar. Innen gab es di« üblichen englischen zwei Stiegen und erstaunlich viele Zimmer.. Niemals hätte«in vorübergehender Fremder in jenen schmalen niedrigen Häusern solch« Zimmerflucht vermutet. Der 49jährige Lord war groß und schlank, seine Haut hatte di« Farbe hellen Leders und er erfreute sich bester Gesundheit. Dies war aller­dings auch das einzige, was ihm Freude machte, denn sonst vermochte ihn nichts zu erheitern. Mancher beneidete Sir Basil Phipps. Einge­weihte, denen bekannt war, daß der Lord   ein große» Vermögen hatte, angelegt in Plantagen britischer Kolonien und hinter den vermauerten Fenstern der Bank von England  . Was konnte man mit soviel ungezählten Pfunden beginnen? Jeder hätte«s gewußt. Rur   Lord Basil Phipps wußte es nicht. Die Welt war dreimal von ihm bereist worden. Selbstverständlich mit Cook und ebenso selbstverständlich streng nach dem Baedeker. Was mit drei Sternen darin bezeich­net war, das hatte Lord Phipps gesehen und gebühreiw bewundert. Auch wenn er nicht» da­von verstand. Oder wenn es ihm im Grunde gar nicht gefiel. Da» Ergebnis dieser dreimaligen Weltumkreisung war Lord Phipp» berühmte Pfeifensammlung. Shag-Pfeifen und Indianer- Pfeifen, holländische Tonpfeifen, arabisch« Haschisch- und chinesische Opium-Pfeifen, Pfeifen der Eskimo» und Wafferpfeifen der Orientalen wie» diese Sammlung auf. Doch wenn man sie immer wieder gesehen hatte so verlor da» mit der Zeit an Reiz. Auch«ine Bridge-Bibliothek besaß Lord Phipps. Sie war nicht weniger bekannt als seine Pfeifensamm- lung. Die Bridge-Bücher bildeten Basil Phipp» einzig« Lektüre. Sonst liebte er Gedrucktes nicht. In seinem Haus gab es außer der Köchin kein weibliches Wesen. Alle anderen Obliegenheiten wurden vom männlichen Personal besorgt. Der Lord   hatte etwa» gegen Frauen. Er fand si« unbequem und störend. Zu selbstsüchtig, um sich anpassen zu können, war er deshalb Junggeselle geblieben. Außer Bridge und Klub gab es für Phipp» nur noch da» Golfspiel. Aber auch da­betrieb er in der letzten Zeit nicht mehr mit der gleichen Leidenschaft. Stehen Sie früh auf, gehen Sie spazie­ren," meinte der Arzt, dem Phipp» sein Leid klagte. Sine Zeitlang fütterte der Lord   gehor­sam jeden Morgen di« Schwäne im Park von St. James. Dabei stellte er erstaunt fest, daß es L«ute gab, di« Mn diese Zeit schon an die Arbeit gingen. Sie musterten Sir Phipps manchmal mit geringschätzigen, manchmal mit belustigten, hin und wieder aber auch mit filteren Blicken, wenn er so vor dem großen Teich stand und den' Skizze von Tieren boll nachlässiger Langeweile Brotkrumen in das stille, glatte Waffer warf. Schön war die frühe Morgenstunde in St. Jame». Blätter und Mitten dufteten, milde Lust schmeckt« feucht nach frischem Tau, die Morgensonne wärmte, ohne zu brennen, und der Himmel erstrahltt in feurigem Röt. Doch der Reiz dieser Neuheit ging bald vorüber. Und gähnend erklärte Lord Phipps eine» Abends seinem Kammerdiener Henry,«r solle ihn morgen nicht wieder um sechs Uhr wecken; die Schwäne seien bereit» zu dick und er selber zu abgespannt. Bon jetzt an wolle er wieder so lange schlafen wie gewöhnlich. DaS hieß bis er von selbst erwach«. Der Diener verbeugte sich. Er kannte nur ein Amt: ge­horchen. Lord   Basil Phipps saß in seinem Mub in Pall Mall. Rings um ihn waren die Klub­gefährten versammelt. Der Lord kannte viele Menschen. Aber er hatte nicht«inen einzigen Freund. Es gab solche, die seinen Befehlen fol­gen mußten und solche, die ihn einluden, auf­suchten oder anhörten. Doch es gab niemanden, zu dem Basil Phippsdu" sagte. Der ihm ver­traut war. Formlos und ohne Worte.Ich lang­weile mich," klagte Sir Phipps, ich langweil« mich geradezu tödlich. Wer kann mir sagen, Wa­ich tun soll, damit die Zeit nicht mehr so träge dahin schleicht, sondern wieder den raschen Lauf meiner Jugendjahre annimmt?" Die Klubge- fährtrn hörten ihn amüsiert an. Ein weiß­haariger Herr mit jugendlichen Gesten und blitzendhellen Augen rief dem müde Dafitzenden zurLassen Sie Sich doch al» Kandidat der Die ihr gemordet.. Die ihr gemordet und vergraben wähnt ihr Mr immer stumm gemacht. Sie find nicht stumm, ihr hört sie schreien, wenn ihr, mit Angst im Herzen, lacht, Und wenn ihr singt, spürt an der Kehl  « ihr eine katte Knochenfaust. Drum überbrWt ihr jede Still«, und dunkle Furcht, die in euch haust. De» Nachts die Gräbernebel steigen empor au» ttefster, dunkler Gruft. Die unterdrückten Todesschreie verdicken euch die Atemlust. Ihr greift entsetzt nach jenen Schatten, die auf euch wuchten schwer und breit. Der Toten Schrei steht starr im Dunkelt O wartet nur's ist noch nicht Zeit! So ttef die Toten auch vergraben, Sie kommen zu euch, Nacht für Nacht. Und jede Nacht, bis ihr dann endlich zum Morgen des Gericht» erwacht, Hans K i r n e r. Tories aufstellen, im Parlament haben Sie Ab« Wechslung genug." Phipp» winkte ab.W«I- halb? Die soziale Frage intereffiert mich nichts Lord Gray. Für mich ist sie gelöst. Es müßt» schon irgend etwas Tolles sein, was mein« Lethargie erschüttern könnte. Krieg? Vielleicht auch Revolution? Aufstand in Indien  ? Sabo  « tage in Afrika  ? Was weiß ich!" Einer der Um­stehenden lachte laut. Es war Lord Cecil Vane, Herr im Dunkeln von unzähligen Zeitungen, di» die öffentliche Meinung Englands konservativ beeinflußten. Ich hab's, lieber Phipps. Geben Sie doch «in Inserat in den.Time»' auf. ,Aelterer Her» sucht Spleen' oder so ähnlich." Der Lord   über« legte. Rur   eine Sekunde. Dann sprang er auf, mit einer Elastizität, di« ihn» keiner mehr zu ge­traut hätte.Vane, old boy, das ist ein« Idee. Wonderful. Ich werde noch heute abend meinem guten Henry sagen, daß er mir ein paar Textentwürfe machen soll. Uebermorgen könne« Sie bestimmt das Inserat in den.Times' lesen." Phipps drückte Van« begeistert die Hand.Ich danke Ihnen. Ich geh« sofort nach Haus. Jede» Gefühl von Langeweile ist bereits verschwunden. Wie wird das werden, wenn e» schon so an­fängt?" Basil Phipps verabschiedete sich kur» von den anderen und stürzt« fort. Lord Vane bot Lord Gray eine Zigarre an und sagt«, währeich er sich vom Klubdiener Feuer reichen ließ, hohn­voll:Unser Phipp» sucht einen' Spleen und weiß nicht, daß er ihn schon längst hat. Sonder« bare» Volk, wir Engländer...!" » Times"-Leser find die aufmerksamste« Leser der Welt. Sie pflegen in ihrem Leivblatt keine Zeile auszulassen. Sie beginnen beim Leit« artikel und enden mit der letzten Annonce. Sg konnte denn halb London   am zwetten Tage, nachdem Sir Basil Phipp» den Ratschlag sein«» Klubkollegen Lord Bane erhalten hatte, folge«« de» Inserat lesen: Reicher Mann, tödlich gelangweilt, b«a . grüßt jede Anregung auf Spleen oder son­stigen amüsanten Zeitvertreib." Jack Hubbard, früher Kohleittrirnmer, jetzt Dockarbeiter, entdeckte die Anzeige, mit deren Seite sein jamgestrichene» Frühstücksbrot um­wickelt gewesen war, im Angesicht des rauch­grauen Themsehafens und inmitten der nebela zerrissenen stinkigschwarzen Londoner   Lust, Schwein von Nichtstuer," schimpfte er laut denn Jack Hubbard war nicht seinweiß nicht wohin mit seinem Geld. Dir würde schon der Spleen vergehen, du AaS  , wenn du hier all» Tage Miesmuscheln von der Bordwand kratzen müßtest wie ich." Bankbuchhaüer Robert Merton  , hinter den vermauerten Fenstern der Bank von England  « kaute an seinem Federhalter, schüttelte den Kopf. Komisch, auf solche Gedanken kommt unsereiner gar nicht. Wenn man di« ganze Woche Kolon­nen addiert, freut man sich auf den Sonntag«