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BUNTE WELT Str. 14 HnterQaltunflOBeilofle 1935
Äwei BervreGer Erzählung non P.
Die Lust war dämmerich-weich von Ziga-^ rettendunst... Halblautes Gespräch- umflutete den Tisch. Dr, Roberts hatte sich etwas zurück« gezogen und spielte mit den bleichen, schmalen Fingern auf der Tischplatte.„Da» Gesetz, meine Herren" sagte er und lächelte«in wenig, „ist gewiß gut gemeint——. Aber«S kann ver« teufelt hilflos werden, wenn die richtig« Psycho« logie fehlt". Er schwieg und sog nachdenk« lich an seiner Zigarette. An der Decke summte der Ventilator, ein Helles, monotoner Geräusch, das schläfrig machte... „Ich kenne zwei Fälle aus früherer Zeit," begann der Doktor wieder.„In beiden hab« ich verteidigt und bin daher ein wenig sachverstän- dig. Wenn«S Sie interessiert... „Aber bitte, bitte——" klang«S ihm gespannt entgegen. Stellen Sie sich einen Schriftsteller vor— der Name tut ja nichts zur Sache— feinnervig, lebensgierig, kindlich aufgeweckt und. doch beängstigend dekadent, ein Wrack im Lebenskampf und ein Großer in der Meisterung, in der Zergliederung des Lebens— soweit es Theorie ist. Der Typ ist seltsam, aber häufig in dieser Menschlichkeit... Da ist irgendwie ein Bruch, für den nur der Psychiater zuständig ist. Ich glaube, es liegt daran, daß der Geist dem Körper um Jahrzehnte, um Jahrhundert« Vorau » ist... Daraus ergeben^ich Spannungen, die manchmal harmlos— in Schrullenhaftigkeit — enden. Manchmal mich— wie in unserem Falle— mit dem abschließen, was das Gesetz, da» ja nur das Schema und nicht die psychologische Nuance kennt, als Verbrechen bezeichnet.. I. Schon im Untersuchungsgefängnis stand ich einem Rätsel gegenüber. Nofieren Sie, bitte: Ein geachteter Schriffiteller,«in Mensch über fünfzig, ohne Vorstrafen, sackt plötzlich ab, rangiert sich in die sogenannte Unterwelt ein» fälscht Geld, verschleudert es sinnlos, sumpft in den versnobten Bars der Halbseidenen herum, hält sich-Mätressen... Lin Mensch, der früher höchst wählerisch lebte, in geisfiger Askas« aufging und mit einer Hellhörigkeit des guten Geschmacks begabt war, di« den Bruch zwischen gestern und heute nur noch katastrophaler, nur noch unverständlicher macht«... Ich suchte mich in ihn hineinzuleben, deutete diskret auf diesen«rschütternden Widerspruch hin, bat um Aufklärung... Er lachte mich nur aus, schien gänzlich unbewegt...„Geben Sie sich kein« Mühe, Doktor—-—" sagte er lächelnd,„ich bereue nicht mit einem Herzschlag I 50 geadelte Jahre und an» Schluß das große Nichts—. Da muß man eben die Konsequenzen ziehen—— „Bei denen Sie auf halbem Wege stehengeblieben sind_■" entgegnete ich und sah ihn forschend an,„sind Sie nicht hingegangen und haben der Polizei Ihre ganze Geldfabrik frei
willig ausgeliefert, obwohl noch nicht der leiseste Verdacht gegen('ne bestand—— „Es war ja eine Demonstration——* sagte er plötzlich grübelnd,„ein Protest gegen die fünfzig sinnlos geopferten Jahr«". Er brach kurz ab.„Das verstehen Sie nicht——" sagte er mit heller, fliegender Sttmme,„bemühen Sie sich nicht weiter. Auf HerauSpauken lege ich nicht den mindesten Wert. Was auch kommen mag, ich stehe nur dabei. Mit den Händen in den Hosentaschen... Guten Abend!" Schon war ich draußen. Fluchte und ging. Und dann kam die Gerichtsverhandlung.., Die Geschworenen, Männer aus dem Mittelstand... Ein untersetzter Bäckermeister mit runden, erschrockenen Augen, der sich gar nicht darum bemühte, richterliche Autorität zu wahren... Er wehrte sich nur gegen das Einschlafen,.. Und wirklich mit Erfolg—l Der zweite war«in Versicherungsagent.,. Kein angenehmer Typ. Mann mit schrägem, stechendem Blick... Steil aufftrebendes Borstenhaar. Ein Untertan, aber einer mit sadistischen Komplexen. Typ: nach oben buckeln, nach unten treten... Immer, wenn sein Blick auf den angeklagten Schriffiteller fiel, zuckte ein bitteres, verächtliche» Grinsen um seine scharfen Mundwinkel... Bon Schriftstellern hielt er wohl schon an sich sehr wenig. Und daß sie Geld fälschen, schien ihm nur eine Bestätigung seiner dunkel geahnten Theorie. Der dritte war ein Kaufmann... Mit einer schreiend bunten Krawatte und einem so hohen Stehkragen, daß der kleine, eckige Kopf fast unter ihm versank... • Dieser Dritte schüttelte ständig sein Haupt. Er kam aus dem verlegenen Staunen überhaupt nicht heraus—. Und vor ihnen stand— klein, linkisch, trotzig und doch mit verhaltener Heiterkeit in der Stimme der Dichter. Man wußte nicht— machte er sich über das Gericht lustig, über sich selbst? Der Staatsanwalt sprach. Ein Anfänger, der ganz rot vor Eifer war. Dies war sein erster großer Prozeß und er sollte der Beginn seiner Karriere sein... Wie er so dastand und sich mit drohend erhobenem Zeigefinger in Schwung redete, lauschte ihm der Schriftsteller, den Kopf vorgeneigt, einer guten Pointe hie und da unhörbar Beifall klatschend... Der Ankläger sprach viel und mit starken Akzenten. Er zitierte die gesellschaftliche Moral, wütete gegen die nihilistische Einstellung gewisser Poeten,„denen die Ideale unserer Ordnung gerade gut genug sind, um als Schuhreiniger Verwendung zu finden"— dies Bon mot gefiel ihm so gut, daß er es noch zweimal wiederholte
— und verlangte schließlich«ine exemplarisch« Bestrafung„jenes Mannes dort,, der Vorbild und Lehrer seine» Volke» werden sollte und nun endet— als trauriges Objekt der Gerechtigkeit, di« nicht hoch und niedrig, sondern nur Sünder und Unschuldige kennt—-— „Bravo—l" rief der Schriftsteller ganj laut. „Wie, bitte——?" meinte der Vorsitzen!» indigniert. „Angeklagter, wir spielen hier kein Theater! Es geht um Ihren Kragen". „Ich weiß, ich weiß" sagte der klein» Mann auf der Anklagebank leicht,„und des« halb bin ich so gut gelaunt". „Haben Sie sonst nichts zu sagen?“ bemerkte bet Vorsitzende kopfschüttelnd und«in« dringlich—. „Doch——" rief der Schriftsteller,„nur dies: Wenn ich Ihnen etwas wünschen darf—< ein so reincS-Gewissen, wie ich es habe Die Sache endete seinerzeit eigentümlich. Der gerichtliche Sachverständige erbat sich den Angeklagten noch zur weiteren Beobachtung. Ihm schien der Fall, trotz sechs Wochen! psychiatrischer Klinik, noch nicht recht geklärt. DaS Gericht beriet, vertagte den Prozeß untz übergab das Opfer nochmals den Psychiatern..,
Und nun— ohne Umschweife— zum zwei« ten Fall. Einer von jenen unentwegten Mt« Menschen, deren Skandale von Zeit zu Zeit di« Oeffentlichkeit erregen und die— nicht totzukriegen— doch immer wieder an di« Oberfläche kommen. Sr bat mich, seine Verteidigung zu über« nehmen. Man ist schließlich Anwalt und kann sich seine Ehrenmänner nicht aussuchen. Sa nahm ich an. Als ich zu ihm in die Zelle trat« war er im Handumdrehen„in großer Form"« Optimistisch, voller Projekte, strotzend von Vitalität... Was er angestellt hatte, genügte, um ihn für Jahre hinter die Gitter zu bringen..« Aber er gab sein Spiel nicht verloren, trotzdem die Beweise erdrückend und das Vorstrafenregister lang wie eine Winternacht war. Er kannte das Strafgesetzbuch, wie kaum ein. zweiter und er kannte auch die Maschen des Gesetzes, durch di« er schlüpfen wollte. Ein sehr unromantischer Typ, aber kein an« genehmer. Einer von den strammbeinigen Knaben, di« mit Leiden Füßen auf dem Boden der kriminellen Tafiachen stehen—. Was er gemacht hatte? Einen„Brusttee für Schwindfüchfige" und ein„Kindernähr« mittel", die sich bei näherem Zusehen als billig« ster Tee-Ersatz und als gefärbtes, stockig gewordenes Mehl entpuppten. Hunderttausende hatte er an diesem gemeingefährlichen Schwindel ver-