BUNTE WELT

Nr. 19

Enterhaltungsbeilage

1935

Der Bankier und das Abgeordnetenmandat

I.

Der Buchhalter wartete, bis sämtliche Bes amten in dem mit hohen Teppichen belegten Bimmer waren, dann begann er:

"

Gnädiger Herr Direfor! Sie sehen vor fich sämtliche Beamten der Bant, sowohl die Verheirateten wie auch die Ledigen. Wir wen­ben uns an das bekannte väterliche Herz des Herrn Direktors mit der Bitte, unsere materielle Lage zu verbessern. Das Leben in der Groß­stadt wird immer teurer und die Gehalte der Be­amten haben mit dieser Teuerung nicht Schritt gehalten...

Der Direktor flopfte nervös auf den Mars mor seines Schreibtisches, auf welchem die Akten­fassifel von vergoldeten Adlerklauen zusammen­gehalten wurden.

Gnädiger Herr Direktor", setzte der Buch­Halter fort. Der Direktor, welcher der Beamtens schaft bisher nur sein geierähnliches Profil ge­zeigt hatte, wendete sich ihnen jetzt plötzlich

ganz zu.

Sehen Sie nicht fort! Ich weiß, was Sie

fagen wollen; es ist das alte Lied. Die Privats beamten sind alle Anhänger des Sozialismus. Ich weiß ganz gut, daß Sie unter sich über den Kapitalismus schimpfen und daß Sie mit den Ausdrücken der Verachtung Ihrer Brotgeber ge­denken. Ich kümmere mich aber nicht darum! Ein viel wichtigeres und entscheidenderes Mo­ment ist jedoch die schlechte Geschäftslage. Sie wissen ganz gut, daß unsere Dividende gefallen ist, daß wir stark an der Waldegger Kohlengrube beteiligt sind..."

Das Tischtelephon flingelte.

Novelle von Diktor Rakosi

Der eine von ihnen nahm ein Zwanzig Frank- Goldstück.

Kopf oder Adler?" fragte jener, welcher soeben die Beamten abgeschüttelt hatte.

Zuerst losten zivei untereinander, dann der Sieger mit dem Dritten. Das Schicksal entschied für Dr. Bela Wechsler, um im ungarischen Par­lament ein Vertreter des Rechtsblocks zu sein. Und die Kosten?" fragte Wechsler nach­

denklich.

Wir geben noch zehntausend Pengö, das übrige gibst du selbst."

..Aber sage wenigstens dem Abgeordneten, daß man dir einen sicheren Bezirk zuteile."

III.

Tief unten, an der äußersten Grenze Ungarns , wo morsche Ruinen traurig in das neblige Tal und auf dunkle Wälder blicken, in einem netten kleinen Städtchen, fand schon eine Woche später die Sigung statt, in welcher der Bürgermeister, seinen in Ehren ergrauten Bart streichelnd, folgendermaßen sprach:

Ich habe den verehrten Mitbürgern voller Freude die Mitteilung zu machen, daß es uns gelungen ist, einen Kandidaten zu finden, der so­wohl ein erprobter Vorkämpfer des Liberalismus ist, wie auch ein Vertrauensmann der Regierung, und dem die Interessen des Bezirkes ebenso auf dem Herzen liegen wie die heiligen Intereffen unseres Vaterlandes!"

"

Wer ist das?" fragte eine Stimme. Niemand anders als Dr. Bela Wechsler, Advokat und Bankdirektor."

Hoch Wechsler!" riefen einige. Das waren

Verzeihung, die Direktorenfibung beginnt. iene, die alle hochleben ließen, die die Macht

Guten Taa."

Damit ließ er die Beamten stehen, welche stumm in ihre Gefängnisse zurüdkehrten. II.

Die drei Direktoren waren allein. Es waren gutgenährte, gutgefleidete, von Bufriedenheit strahlende, durch das Gelingen ihrer getvagten Geschäfte von sich eingenommene Gestalten.

Run?" fragien die zwei den Dritten. Ich habe mit dem Abgeordneten ge­sprochen."

Wieviel?"

" Fünfzigtausend Pengöl" Das ist sehr viel Geld!"

Auch ich halte es für viel, aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist für die Bank ein Mandat sehr viel wert. Bedenkt nur die Angelegenheit mit der Waldegger Kohlengrubel Wenn wir dorthin feine Bahn bekommen, gehen wir mit dem Geschäft zugrunde. Alles andre aber, was wir haben, ist kein Geschäft!"

Das ist wahr. Aber der Wahlfonds ist unersättlich!"

Eine alte Tatsache: je schwächer die Re­gierung ist, desto mehr Geld braucht sie!" Wen von uns sollen wir für das Parla­ment nominieren?"

Die drei Direktoren schauten einander an. ,, Das soll das Los entscheiden!"

bedeuteten.

" Abzug!" riefen mehrere Stimmen.

Wir können demnach die hiesige liberale Bartei für gegründet betrachten und ich ersuche, sofort einen Ausschuß zu wählen, welcher die nach Budapest zu schidende Deputation zusam menstellen wird..."

IV.

Es geht sehr gut", sprach zwei Tage spä­ter Wechsler zu den zwei Direttoren. Der Bür germeister verlangte bloß dreitausend Pengö da­für, damit die sechziggliedrige Abordnung nach Budapest kommen möge, um mich einzuladen, in den Wahlbezirk hinunterzufahren."

..Zwanzigtausend Pengö", sagten die Agis

tatoren.

Ja, für den Fall einer einstimmigen Wahl! Wenn aber ein Gegenkandidat nominiert wird?" fragte der Kandidat.

Das ist unberechenbar", antworteten alle. Die Sigung beginnt!" rief ein Schreiber zur Tür herein.

VI.

Aus der Rede des Bürgermeisters wollen wir nur folgende Stellen zitieren:

Die dichte Phalang unserer Wähler wird den Sieg des Liberalismus sichern, zu dessen Ideen sich die besten Namen des Jahrhunderts bekannt haben. Kossuth, Szechenyi und Deat waren Soldaten dieser Fahne, und wir wären undankbar diesen großen Männern gegenüber. wenn wir nicht ihr wieder zum Siege verhelfen würden. Wir geben sie in erprobte Hände, damit sie zum Wohl unseres Vaterlandes und unserer Nation lange hochgehalten werde, an der Spike der getreuen Bürgerschaft.( Bei diesen Worten fiel Wechsler der Rohrbacher Buchtstier ein.) Unsere Ueberzeugung ist rein, unser Programm ist grandios, darum vorwärts, das Volk wird Ihnen voller Freude folgen!"

Brausender Jubel! Der Bürgermeister drückte dem Kandidaten die Hand. Der Kandis dat blickte um sich, er fühlte sich so, als wäre er von hungrigen Wölfen umgeben, und er fnöpfte sich unbewußt den Rock zu. Er hatte sich gründlich vorbereitet und die Sache ging glatt bonstatten. Mit geschäftsmäßiger Trockenheit zählte er das übrige Regierungsprogramm auf: Reform des Strafgesebes, die Breßfreiheit, Ber

staatlichung der Verwaltung. Eine starke Unruhe machte sich unter den Zuhörern bemerkbar, als er die Reinheit der Wahlen besonders betonte. Desto größer war aber die Befriedigung, als er erklärte, daß er im Interesse seines Wahlkreises vor feinen Opfern zurückscheuen werde.

,, Hier wird es Geld genug geben", sagten die Zuhörer.

Er vergaß auch nicht die Armut des Volles und im Gegensatz dazu die Pflichten der befizen­den Klasse zu erwähnen!

Der Kapitalismus hat große Aufgaben gegenüber den Millionen der Armen; wer diese Pflicht nicht erfüllt, hat das Recht verspielt, ein Mensch genannt zu werden..."

VII.

Könnte denselben Dienst nicht auch ein Telegramm um zwei Pengö leisten?" Wenn wir schon angefangen haben, müf- auf." Es macht auf mich einen schlechten Ein­,, Aber ich bitte Sie, hören Sie mir damit fen wir es auch durchführen!"

V.

Wechsler beratschlagte mit seinen Agitatoren. Neudorf braucht eine Orgel, in Ansbach muß die Schule und Kirche repariert werden, Leesdorf soll ein staatliches Gestüt, Rohrbach einen Zuchtstier bekommen und sieben verschie­dene Dörfer wollen eigene Schulen haben. Da­aut kommen die Reisespesen und die Kosten der diversen Gelage. Wechsler wartete gespannt auf das Ergebnis.

druck, wenn ich sehe, daß unsere Beamten Pro­letarier sind, die sich von einem Vorschuß zum anderen durchhungern müssen!" sprach Direktor Wechsler drei Tage nach seiner Programmrede in seinem Büro zu einem Korrespondenten. Wenn meine Frau nicht...

"

"

,, Ich frage nicht darnach, ob Ihre Frait tatsächlich frank ist oder nicht... das würde so aussehen, als glaubte ich Ihnen nicht... aber prinzipiell... Sie verstehen... aus Prinzip Imuß ich Ihnen den Vorschuß verweigern...!"