und ihren süßen traurigen Augen. Ich sah sie zum erstenmal wieder, in einem Kabarett auf dem Montmartre, dorf tanzte sie. Für sensa­tionslüsterne Amerikaner und einige Pariser  Snobs. Sie tanzte nicht gut. Ihre schlechten hilflosen Betvegungen hatten etwas Rührendes. Manchmal holte ich sie nach dem Auftreten aus der Garderobe ab. Wir aßen dann irgendwo auf der Ile de la Cité. Tranfen später einen Gin in der Closerie de Lilas am Montparnasse  . Nah men manchmal zusammen Rauschgift. Um zu vergessen. Doch es geschah selten, daß wir solche Abende verbrachten, Abende quälenden und be täubenden Glücks. Dann gab es diesen James Brown  . Ein Tier, ein Vieh. Weiß der Teufel, wie sie zu ihm gekommen war. Olga sprach nie darüber. Und ich ich fragte nicht. Seht, um Vertrauen darf man nicht bitten. Man muß es geschenkt bekommen. Menschen, die nicht von selbst reden, wollen nicht gefragt werden. Olga mußte schließlich als Tänzerin abdanken; ihr Name war feine Sensation mehr. Und tanzen fonnte sie ja nicht. Da machte dieser James Brown   aus ihr eine Tierbändigerin. Eine Zir fusdomptense. Einer anderen Art von Publikum wurde sie jetzt vorgeführt. Zog von neuem. Nun ging es durch die ganze Welt. Geht es immer noch. Ich begleite fie. Warum? Ich weiß es nicht. Stellt feine Fragen. Verschont mich. Sel­ten sprechen wir zusammen. Olga Rasputina und ich. Aber ich weiß es beruhigt sie, wenn ich in ihrer Nähe bin. Sie arbeitet dann sicherer. Es ist ein gefährlicher Beruf. Besonders, wenn man nichts davon versteht. Hier, betrachtet diese Zeichnungen. Ist fie nicht noch immer schön"? Und Fedor Kalganoff, längst betrunken, zeigt müßigen Gaffern, neugierigen Dummföpfen feine Stizzen, die er von Olga Rasputina ent worfen hat, wenn sie in der Manege ihre dres­fierten Bären vorführte.

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Heute ist Fedor Ralganoff nüchtern. Seine Augen folgen gelangweilt jenen Attraktionen, die er bis zum Ueberdruß fennt. Endlich! Stall­meister in vergismeinnichtblauen Uniformen, goldverschnürt, tragen Käfige in die Arena. In jedem Käfig sitt ein Bär. Ein wilder himalaji­scher Bär. Zur Beit gezähmt mit Fleisch und Kokain.( Was das Publikum nicht weiß.) Es. hat gezahlt und verlangt für sein Geld die echte ungeschmälerte Sensation. Trompetentusch! Der fnallgrüne Samtvorhang, der die Manege ab­schließt, und damit zwei Welten trennt, wird aufgerissen. Da steht Olga Rasputina... Im roten Trikot, fast nackt, das weltende Fleisch be­deckt von glitzernden Steinen. In der einen Hand hält sie die Peitsche. In der anderen den Revol­ber. Ihre großen Augen glühen.( Von Bella­donna.) Ihre Haltung ist straff.( Von der Mor­phiumsprize.) Der Glanz des vielen Lichts und der vielen funkelnden falschen Juwelen verjüngt und verschönt sie. Das furchtbare Spiel beginnt. Olga Rasputinas berühmte Nummer.

Es fängt jo an: die Dompteuse öffnet ihren feche Bären die Käfige. Sie hilft ihnen aus dem vergitterten Gefängnis, reicht ihnen ihre schwarz­behandschuhte Hand, streichelt sie, wirft ihnen Bälle, schnalzt mit der Zunge, dazu Worte mur­melnd, lockend, werbend, ermunternd. Die ren fangen die Bälle geschickt auf, geben sic

ebenso geschickt zurück, zeigen sich willig, anstellig, gutmütig, tapfig. Das Publikum flatscht Bei­fall, es findet dies großartig und ist gespannt auf den Höhepunkt der Vorführung, der da heißt:

Olga Rasputina umarmt einen Bären.

Der Bär heißt King. Er ist noch sehr jung, aber kräftiger und wilder als die anderen. Sein

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Appetit ist unstillbar. Kokain wirkt faum auf diese Bären- Nerven. Er hat ein schönes glän­zendes graubraunes Fell und die wilden Augen des unzähmbaren Raubtiers. Wenn Olga an ihn denkt nüchtern, ohne Kognat, ohne Mor­phium so zittert sie. Berauscht von Alkohol und Gift, überwindet sie die lähmende Angst. Und wie so oft schon, tritt sie auch jetzt auf den Bären King zu, breitet ihre schönen welfenden Arme aus, um den zottigen Tierkopf an sich zu drücken. King erividert die Umarmung stürmisch. Das Bild die Frau in der Umschlingung des erweckt atavistisch erotische Ge­Raubtiers fühle in den Zuschauern, die, auf äußerste ge spannt, den sensationellen Nervenfißel wollüstig unter schiveren Atemzügen ausfosten. King zieht Olga Rasputina immer fester an sich. Zu fest denkt die Frau. Und sucht sich zu wehren. Der Bär läßt nicht los. Olga nimmt die Peitsche. Der Bär knurrt wütend. Er hält seine Beute. Er will sie nicht hergeben. Zornig schlägt die Dompteuse zu. King hebt die Taße. Innerhalb von Sekunden entspinnt sich ein Kampf, zäh, in lautloser Grausamkeit. Das ist nicht mehr Spiel. Das ist nicht mehr die berühmte Nummer. Das gehört nicht mehr dazu. Entsetzt sind die Zu­schauer aufgesprungen. Entsetzt starrt Fedor Kals ganoff auf das furchtbare Bild. Ein Schuß fällt. Er ist von einem Stallmeister abgegeben worden. King fällt getroffen zu Boden. Die Frau reißt er mit sich. Auf dem Bären hingestreckt, blutet sie aus zahllosen Wunden. Die Vorstellung wird abgebrochen. Die Leute gehen fort.

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Olga Rasputina liegt im Bett des Zirkus wagens. Man hat einen Arzt gerufen. Der fagt hoffnungslos" und verbindet dennoch pflicht

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gemäß die tödlich Verletzte. Olga Rasputina ist bei Besinnung. Sie versucht sogar zu lächeln, als der Maler Fedor Kalganoff an ihr Bett tritt. Doch es reicht nur zu einer gequälten Grimasse. Er setzt sich zu ihr. Schweigend. Zuerst. Dann: Möchten Sie nichts trinken, Olga?" Sie schüt telt den Kopf. Wo ist James Brown  ?" Nebenan. Wollen Sie ihn sprechen?" ,, Nein". Nach Sie wehrt ab, Angst in den Augen. einer Weile." Fedor, ich muß Ihnen etwas ge­stehen." Er beugt sich über sie. Sprechen Sie - Die nicht, Olga, es strengt Sie zu sehr an." Frau schüttelt den Kopf. Nein. Ist auch gleich jetzt. Ist sowieso zu Ende. Fedor, denken Sie, drei Jahre stand ich so wie heute abend in der Manege und und habe überhaupt keine Ahnung von Zähmung gehabt. Nur James Brown   ist schuld an allem, dieser Schuft ohne Gewissen. Weißt du, meinen Namen, den bes rühmten Namen meines unglücklichen Vaters hat er ausgenutzt, um damit Geschäfte zu ma chen. Zufall, daß in der ganzen Zeit noch nichts geschah. Nur Zufall, Niemals habe ich die Tiere gebändigt. Umgekehrt war es: jie jagten mir ftets fürchterliche Angst ein, und ich war jedes­mal froh, wenn ich heil aus dem Ring fam." Olga Rasputina schweigt. Erschöpft. Ich ahnie es", sagte Fedor Kalganoff leise, darum habe ich dich ja auch die ganze Zeit begleitet, weil ich hoffte, ich würde das Unglück, das ich kommen sah, verhindern können. Ich konnte es nicht." Er sah auf. Olga Rasputina lag still. Sie war tot. Die Tür wurde aufgerissen. James Brown   kam herein. Er sah die Tote. Goddam", Inurrte er 3ivischen den Zähnen, wo nehme ich jetzt schnell eine neue Sensation her?"

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Der stille Teilhaber

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Von P. Amrhein

Aber Herr Berghäuser!", hatte der Bank­bote gelacht. Da habe ich schon ganz andere Beträge nach auswärts gebracht! Und außerdem steht mirs auch nicht auf der Nasenspitze geschrie­ben, daß ich zweihunderttausend Franken bei mir habe. Und für alle Fälle habe ich meinen Revol­ver dabei!"

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Wollen Sie doch nicht lieber einen Beglei=| die Leute immer vom bösen Gewissen reden, es ter mitnehmen?" hatte der Kassierer den Bank- gibt ja gar nichts Einfacheres als Klauen. Gar boten gefragt. Sie müssen durch den Eichwald nichts beißt einem dabei. Schlau und gerissen ,. und zweihunderttausend Franken sind immerhin das beste Ruhekissen." Vergnügt entnahm ein Sümmchen!" er seiner Brusttasche die Tausendfrankenscheine, barg sie in seinem Rodfutter, holte Nähzeug her­vor, das Futter wieder kunstgerecht zu verschlies Bßen. Oh, er hatte alles gut vorbereitet!... Auf den Gedanken, daß das vermißte Geld in dem Rockfutter des Hebergefallenen eingenäht fein könne, würde selbst Sherlock Holmes   nicht fom­men! Und überhaupt, wer würde ihn, das alte Bankfattotum Anton Lechler, verdächtigen. Er hörte schon den Herrn Berghäuser deflamieren: Unser alter treuer Lechner? Ausgeschlossen! Für den lege ich meine Hand ins Feuer!" Ein Ochse ersten Ranges, der Berghäuser," lachte Lechler vergnügt vor sich hin.

Also gut, dann gehen Sie! Und vergessen Sie nicht, sich doppelte Quittung geben zu lassen!"

Als der Bankbote in der Mitte des Waldes angelangt war, sagte er sich: Jetzt oder nie! Ich bin Tange genug der Bote dieser Bank gewe sen, jetzt werde ich mal ihr stiller Teilhaber sein!... weihunderttausend der Kassierer

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hat recht: ein nettes Sümmchen! Man hat etwas für seine alten Tage!" Er setzte sich auf einen Baumstumpf, zog die Jacke aus und begann, mit seinem Taschenmesser das Rodfutter aufzu trennen.

zu hoch hinaus.

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Zweihunderttausend nun ja, dreihundert­tausend wären mehr, aber man muß nicht gleich Noch drei, vier Jahre werde ich ruhig meinen Dienst in der Bant machen, dann... ein kleines Häuschen irgendwo, weit meg, mir bauen lassen... und kein Mensch

wird mehr daran denken, daß der Bankbote Anton Lechler eines Tages während einer Besor­gung von dem großen Räuber Unbekannt" überfallen, ausgeplündert und gefnebelt wurde." Er schmunzelte vor sich hin. Dummes Zeug, was

Jetzt galt es noch, den Ueberfall vorzutäu­schen. Lechler holte aus seiner Hosentasche einen Strid und versuchte, sich zu seffeln. Erst mal den Strick um die rechte Hand, dann um den Leib, dann einen Knoten- nein, so geht's nicht! Also dann zuerst um den Bauch, dann unter ben Achseln durch, dann hols der Teufel, so geht es auch nicht! Lechler betrachtete den

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Strick, frakte sich hinter den Ohren, wischte den Schweiß von der Stirn, versuchte es von neuem, zuerst um die linke Hand, dann zwischen den Beinen durch, dann über den Rücken aber so ging's erst recht nicht!

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Er nahm die unmöglichsten Stellungen ein, führte Bewegungen aus, um die ihn jede Gro­testtänzerin beneidet hätte, aber wie er es auch anstellte, es ging nicht.

Ein helles Lachen ließ Anton Lechter zufams