BUNTE WELT
r. 30
Ein Erlebnis:
Enterhaltungsbeilage
Takis Bambutis
Im Frühjahr 1922 bereitete ich mich in Freiburg im Breisgau auf das Dottoregamen vor. Es war eine anstrengende, aber schöne Zeit. Hatte man im Bücherstudium sich den Kopf heiß gelesen, so erfrischte man sich durch einen Spa ziergang in dem fühlen Tannenwald, der auf den Schwarzwaldhöhen hinter dem mittelalterlichen freundlichen Städtchen in dichtem dunklen Grün emporstieg. Die Abende verbrachte man im heiteren Geplauder mit guten Freunden, die bitteren Jahre des Krieges waren vorbei und die Ungewißheit der Inflationstage kümmerte den jungen Menschen nicht, dessen Sorglosigkeit eher die Leichtigkeit, mit der man damals von einem Tag in den anderen lebte, anzusprechen vermochte. Bei solcher Stimmung war es fein Wunder, daß ich auch kurz entschlossen der Einladung eines Freundes folgte, der in dem nahegelegenen St. Blasien seine etwas beschädigte Lunge durch eine ausgiebige Kur zu fliden trach tete und das nur recht leichte Leiden wohl auch zur Ausrede nahm, um in dem eleganten Sanatorium eine Reihe angenehmer und vergnüg
licher Monate zu verbringen.
Mein Freund hatte, wie ich gleich bei meiner Ankunft feststellen konnte, einen Kreis nicht minder lebenslustiger Gefährten gefunden, unter ihnen befanden sich verschiedene griechische Offiziere, die nach dem soeben beendeten fleinasiatis schen Feldzug es sich auf Regierungsfosten in der Geborgenheit eines deutschen Sanatoriums wohl sein ließen, nachdem ein gütiger Stabsarzt ihnen die Kur in der Schwarzwaldoase verordnet hatte. Ein besonders heiterer Abend führte uns in der kleinen einzigen Bar des Ortes zusammen, wo die Griechen bemüht waren, uns bon den Vorzügen des von ihnen dort entdeckten Schwedenpunsches ausgiebig zu überzeugen. Wir saßen, diskutierten und tranken bis zum Morgengrauen, und wie es nach solch ausgiebigen Sizungen zu sein pflegt, am Schluß waren wir alle Duzfreunde fürs Leben oder wenigstens bis zum hereinbrechenden Kazenjammer. Einer der Lustigsten von allen waren Takis Bambukis, ein junger eleganter Offizier, angeblich aus großem griechischen Hause und jedenfalls mit den dafür zeugenden Allüren. Er war das Zentrum des ganzen Kreises, seine fast überlebhafte Lustig keit steckte die anderen an, er intonierte griechische Volksweisen und Soldatenlieder, und als er, mit blizenden schwarzen Augen in dem feingeformten Gesicht, voll Uebermut irgendeinen alten Tanz zum besten gab, so lebte in ihm der Geist des Dionysus , herbeigezaubert durch die Gabe des Bacchus aus Schweden . Kein Wunber, daß ich Lust bekam, die Bekanntschaft mit dem interessanten, von Geist und Wib über sprudelnden Griechen fortzusehen und ihn einlud, mich doch auch einmal in meiner ArbeitsHause in Freiburg aufzusuchen.
in Haltung und Kleidung, aber das feine Gesicht mastenartig gespannt und die lebhaften unruhigen Augen tief in die Höhlen gesunken. Er sprach furz und stoßweise. Seine mangelhafte Beherrschung des Deutschen war merkbarer, obwohl oder gerade weil er rascher sprach als sonst.
,, Kommen Sie mit mir, zeigen Sie mir Freiburg ein wenig."- Wir gingen zum alten Münster, für dessen beschaulichen Ernst er nur einige zerstreute Blicke übrig hatte. Wir stiegen den Schloßberg hinauf und erst als wir bei einer Maibowle saßen, die er extra ansezen ließ, wurde er sichtlich entspannter und gewann seine frühere Lustigkeit wieder. Mein Studentenwechsel war nicht so hoch bemessen, daß ich nicht mit Freuden seiner Einladung zu einem reichlichen Nachtmahl in einer guten alten Weinstube gefolgt wäre. Auch sparte er nicht an gutem Wein und einigen kräftigen französischen Cognacs. In vorgerückter Stunde gingen wir noch in ein kleines Café, wo ich verschiedene Studien freunde zu treffen pflegte. Tatis Bambutis bestellte einen fräftigen türkischen Kaffee, der von all dem schweren Glottertaler angenehm ernüchterte. Es war gegen Mitternacht, die Domuhr hob gerade feierlich mit mahnendem Ernst an zu schlagen, als wir die Straße betraten. Die Gassen waren um diese Zeit menschenleer, ein weicher, ganz frühlingshafter Mondschein ergoß sich mitten über den Fahrdamm und ließ die schiveren mittelalterlichen Häuserfronten noch strenger, würdiger und geheimnisvoller aus sehen als sonst. Wir waren kaum einige Schritte gegangen, als mich plötzlich Tatis Bambutis mit Zeichen der höchsten Erregung am Arm packte und rief: ,, Da, sehen Sie nur, sehen Sie nur!" Ich schaute hin und gewahrte nichts anderes als ein harmloses fleines weißes Hünd chen, das sich zu später Nacht verlaufen haben mochte und winselnd vor einem versperrten Hauseingang saß.
"
Was haben Sie nur, was bringt Sie so zum Erschrecken?"
,, Das ist er. Das ist er."
"
Wer ist das? Kennen Sie denn das verbummelte Vieh?", spottete ich. Aber Tatis Bam butis schaute mich so groß und erschreckt an, daß ich alle Lust zu scherzhaften Rückfragen verlor. ,, Das ist das Teufelchen", sagte er. So kommt es immer wieder und meldet sich."
"
,, Was für ein Teufelchen?" Jch blickte ihn an, um festzustellen, wie weit der Alkohol trok des Kaffees ihn noch in seinem Bann haben mochte.
,, Haben Sie etivas Zeit, dann begleiten Sie mich bitte. Ich kann sowieso nicht schlafen und will Ihnen erzählen, was es mit dem Teufelchen auf sich hat."
Er faßte meinen Arm und ging mit raschen Einige Wochen verstrichen und ich hatte die Schritten, so daß wir kreuz und quer durch die an dem feuchtfröhlichen Abend ausgesprochene alten Gassen eilten, die in ihrer nächtlichen Einladung schon fast vergessen, als Takis Bam- Phantastik die Sinne erregten und so ein pasbutis bei mir erschien. Er sah verändert aus, sendes Folio für die merkwürdige Geschichte äußerlich dieselbe Eleganz nachlässiger Noblesse| boten, die er mir erzählte.
1935
Von Otto Friedrich
Mein Großvater war ein armer Mann, ein Biegenhirt in einem kleinen Orte Mittel griechenlands . Eines Tages trieb er seine Herbe über einen schmalen Steg, der Steg drohte zu bersten, und er fürchtete, die ihm anvertraute Herde werde der reißende Gebirgsbach wegschwemmen. In seiner Verzweiflung betete er rasch zu Gott und den Heiligen. Aber es half nichts, schon brachen einige Balfen und eines
der Tiere strauchelte und stürzte hinunter. Da rief der arme unwissende Mann in seiner Verzweiflung den Teufel an. Sie müssen wissen, bet uns leben die Menschen noch in einem merk würdigen Verein mit Geistern, Teufeln und Kobolden. Irgend etwas von den alten griechischen Göttern ist noch heute in jedem Hirten lebendig, wenn er die Flöte spielt oder wenn ihn die Verzweiflung packt. Mein Großvater rief zum Teufel. Und plötzlich war es, als höre er ein Rauschen hinter sich und eine Stimme:„ Ich werde dir schon helfen, aber du wirst mir folgen Großvater eine bisher ungekannte Straft. Mit Sicherheit ging er auf dem schwankenden Steg weiter, trieb die Tiere und packte mit der einen Hand die Ziege, die herabzustürzen drohte, hob sie empor, daß sie jämmerlich mederte und gelangte mit den Tieren glücklich ans andere Ufer.
"
Im gleichen Augenblick gewann mein
Er hatte das Vorkommnis schon fast vers gessen, als ein zweites Geschehnis ihn wieder in eine ähnliche Lage brachte. Meine Großeltern waren arme Leute, und es drohte ihnen eine Pfändung. Mein Großvater war allein mit seiner Herde in den Bergen. Es war schon Abend, und er traute sich nicht nach Hause, weil er das Janern der Frau, das Klagen der Kinder und das falsche Mitleid der Nachbarn fürchtete. Er warf sich auf die Erde und während er schluchzend mit den Händen das Gras riß, tönte in ihm wieder die Stimme: ,, Nuf doch den an, der bir geholfen hat." Er spannte all seine Sinne an und stieß ganz innerlich, nicht so, daß er ges sprochen hätte, aber so, daß es in ihm sprach, den Ruf aus: Teufel, hilf mir wieder." Da rauschte es, wie wenn der Wind von den Bergen herunterfegt zum Meere, die Stimme rief:„ Ich will es noch einmal tun. Aber jetzt bist du für immer mein."
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Der Hirte wanfte nach Hause und freudes strahlend tam ihm die Frau entgegen. Verwandte hatten aus Amerika Geld geschickt, eine Gabe, auf die man schon nicht mehr gerechnet hatte, und nun war die Not fürs erste behoben.
Wieder mochten einige Jahre verstrichen sein, als mein Großvater eines Tages hinter sich in einer einsamen Bergschlucht eine Stimme hörte: Jezt ist es soweit", teuchte es hinter ihm, einer pfiff und randalierte mordsmäßig wie ein Trunkener. Mein Großvater schaute sich um. Er sah niemanden, aber er erhielt einen Schlag, und als er nach Hause kam, brach seine Frau in Schreie aus. Die rechte Seite seines Gesichtes war gelähmt. Kurz darauf ist mein Großvater gestorben, und die Leute erzählen, daß man an seinem Grabe tags darauf abends einen kleinen