BUNTE WELT

Nr. 45

Enterhaltungsbeilage

1935

Aufstand am Denerera- See

Getrennt durch den Atlantischen Ozean , getrennt durch Berge und Flüsse, sind Abes­finien und der Denerera- See. Hier wie dort leben farbige Völker. Ein großer europäischer Staat, der das Henkerbeil in seinem Wappen führt, bedroht die nationale Selbständigkeit Aethiopiens . Jtalienische Flieger werfen Gifts und Gasbomben ab auf wehrlose Bewohner, Männer, Frauen, Kinder. Chlorkali äßt und zerfrißt schwarze Haut. Die Farbigen der gan­zen Erde sind von Unruhe erfaßt. Vor Non­sulaten und Gesandtschaften, in allen Staaten, melden sich Freiwillige. Teils, um der eigenen Not zu entgehen, teils aus Lust am Abenteuer, teils aus echter Empörung.

Bon Heinrich Martin

Big Jones? Sein Alter unbestimmbar, die Haut wie gegerbtes Leder, Falte an Falte. Augen, deren Blick sich nicht hebt und wenn, nur in finsterem Drohen. Alle Laster, alle Krankheiten haben diesen hageren Körper zer= rüttet. Der Tropenkoller und die Syphilis, der Alkohol und die Malaria. Den Alkohol und die Syphilis- daß Big Jones soviel trant, daß die Seuche ihn überfiel daran tragen die Hafendirnen von Georgetown schuld. Das an­dere machte das Klima. Heute ist Big Jones nicht mehr weit vom Delirium und der Paralyse. Trotzdem ist er ein mächtiger Mann, ein ge­fürchteter Mann.

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der achtete nicht auf diese Warnung, lachte ihrer mit überlegenem Hohn. Verwies auf die Milis tärstation. Bochte auf jene jahrzehntelange Un­terwürfigkeit. Nun hatte man die Geschichte.

Big Jones fluchte. Er muß die Sache in Ordnung bringen. Eine doppelte Portion Whisky zum Frühstück. Das stählt und stärkt. Verfluchte Hunde! Schwarzes und braunes Lumpenpack! Könnte man doch noch die Peitsche nehmen wie früher. Bing Jones reitet los. Auf ungesatteltem Pferd. Geht zu Indern und Negern in ihren schmutzigen Belten. Droht, schimpft, flucht. Fährt zuletzt die schwersten Ge­schüße auf: fündigt militärische Eingriffe an und Lohnkürzungen. Zu den Indern sagt er: Eure Feinde, die Neger, wollen euch nur los sein. Längst sind sie bei der Arbeit." Und umgekehrt dasselbe bei den Negern. Hebt, stichelt solange, bis beide zermürbt nachgeben: Inder und Neger. In getrennten Kolonnen läßt man sie antreten.

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Versteckt von den dichten Halmen des Buckers Doch es geschieht das Nochniedagewesene: rohres, das bei der Arbeit über ihren Köpfen zusammenschlägt, treffen sich Abgesandte aus allen Kolonnen: Inder und Neger! Man be­schließt, eine Versamlung abzuhalten, Posten aufzustellen, sie sollen wachen und melden, wenn Gefahr droht. Es wird nicht viel gesprochen bei dieser Versamlung, schnell verständigen sich die Abgesandten. Neger und Inder schämt, daß sie den Drohungen Big Jones nach­sie sind be gegeben haben. Helle Empörung lodert auf; als man erfährt, daß Jones sie gegeneinander aus­gespielt hat. Die farbigen Proleten einigen sich: die Arbeit wird vorläufig nicht wieder aufge nommen, aus Solidarität für ihre bedrohten Brüder jenseits des großen Meeres! Unerhört, was jetzt vor sich geht. Sie geben sich die Hände. Inder und Neger!

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Sie erzählen sich: Big Jones habe das Die Unruhe, die sich ausbreitet über der englische Mutterland verlassen müssen wegen Erde, ist auch in Britisch- Guayana zu spüren. einer bösen Rauferei. Sein Gegner bezahlte Kolonialland in Aequator - Nähe. Gluthölle. den Händel mit zerborstener Hirnschale. Vor Das Klima subtropisch. Bis zu fünfzig, sechzig vielen Jahren sei das geschehen. Doch Genaues Grad im Schatten. Tagsüber brennende Feuer- weiß man nicht. Nur sieht man, wie Big Jones sonne, nachts eistühle Sterne. Sümpfe, Urwäl- über die Plantagen reitet, die farbigen Lohn­der, unerforscht, unergründbar. Geheimnisvoll flaven antreibend mit schamlos- bösen Worten, dahindämmernde Dschungel, erfüllt vom Gift dann glaubt man, es müsse etwas daran ge­der Pfanzen und der Kreatur. Mitten in diesem wesen sein. Brutkessel liegt der Denerera- See. Heiß, still, Jahrelang schon leiden Inder und die Tiefe nicht zu ermessen. Rings um den sich Neger unter der Herrschaft Big Jones. Ertra­weit dehnenden See Zucker-, Kaffee und gen zähneknirschend, in ohnmächtiger Wut, sei Vanille- Plantagen. Die Besizer Weiße, die nen Terror. Alle Vorstellungen bei Mr. Scott, Arbeiter Farbige. Neger und Inder schaffen sie von dem Grausamen zu befreien, bleiben hier am Reichtum der Welt. Die Neger sind erfolglos. Im Gegenteil: immer schwerer wird Eingeborene, die Inder hat man hergebracht. ihr Los. Denn William Scott, Herr über zehn­Trotzdem sie unter den gleichen unmenschlichen tausend Farbige, versucht, die Auswirkungen Arbeitsbedingungen leben müssen, hassen sie der Weltfrise, welche den Zucker- Export lahm­einander. Der Haß wird künstlich geschürt von legt, auf seine Plantagen- Stlaven abzuwälzen. den weißen Herren, die getren sind dem alten und die Uneinigen, gegeneinander Fanatisier­Cäsaren- Spruch: divide et impera.( Teile und ten, mit doppeltem Fluch beladen Farbige herrsche.) Rassen-, Kasten- und Religions= zu sein und Kolonialvolk helfen ihm dabei, kämpfe verhindern es, daß sich die farbigen unbewußt. Keine Abwehrfront kommt zustande. Lohnsklaven einigen. Zerlumpte Gestalten, schlimmer daran als ihre Vorfahren, die wirk­Doch plötzlich ist das anders. Die Unruhe lichen Sklaven, Leibeigene waren. Kein Inter - die über die ganze Erde geht, ergreift auch esse der Weißen besteht heute noch, diese Arm- Britisch- Guayana. Von Georgetown , der Ha­feligen gut zu nähren. Welten sie dahin, vor- fenstadt, nimmt sie ihren Anfang, überfällt das Wachen. Zu spät die Warnungsrufe. Schon zeitig, Opfer der Ausbeutung, so treten genug ganze Land mit seinen Seen, Flüſſen und Ur- reitet Big Jones heran, den geladenen Revol­andere für sie nach Sonnenaufgang in die wäldern. Dringt bis in die Einsamkeit des ver in der Hand, hinter ihm die Aufseher, eben­Kolonnen, still, unterwürfig, die Lippen zusam- Denerera- Sees, in der Neger und Inder elende falls bewaffnet. Vorläufig sind es noch Schreck­mengepreßt, leidgewohnt. Männer und Frauen Hütten, die Sklaven des Mr. Milliam Scott schüsse, die in den blutroten Tag knallen.. arbeiten fast nackt. Mitunter schleicht sich ein sind zehntausend an der Zahl. Kommandos werden gegeben, die Arbeiter auf­farbiges Weib ins Gebüsch. Schreie tönen. Die Sonne geht auf über den Zuckerrohr gefordert, an ihren Platz zu gehen. Laute der Qual. Dann ist es wieder ruhig. Feldern, ein glühend- roter Ball. Der tropische Später sieht man die Frau von neuem beim Schneiden des Zuckerrohres, von Blut und Blässe bedeckt. Sie hat geboren. Doch sie hat keine Zeit zu ruhen. Sie muß weiter arbeiten. Das ist das Leben der farbigen Proletarier.

Siebzehn Kilometer östlich vom Denerera­See liegen die Buckerplantagen des Mr. Wil­liam Scott. Mr. Scott hat den größten Besit von Britisch- Guayana. Zehntausend Neger und Inder arbeiten auf seinen Plantagen. Die Auf­sehen der farbigen Arbeiter sind Weiße; auch ohne Peitsche ist ihr Kommando noch brutal genug. Der Oberaufseher: Big Jones.

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Tag sieht nicht wie sonst zerlumpte Gestalten, zu Kolonnen gereiht, über die Plantagen schreiten, Lippen zusammengepreßt, Blicke ge­senkt. Stille Herrscht. Ungewohnte Stille.

Weniger überrascht diese Stille Big Jones

und seine Aufseher. Sie haben die Unruhe kom­men sehen, die Hafendirnen in Georgetown flüsterten schon lange davon, sie kroch heran, aus Bischeln und Tuscheln, aus zusammenge­steckten Köpfen, die sich mit einemmal troßig hoben, aus nicht mehr gesenkten Blicken Strah­len des Hasses und der Empörung schleudernd. Big Jones hatte William Scott gewarnt. Aber

Revolverschüsse. Schreie der aufgestellten

Sie weigern sich. Ihre Lippen sind noch immer zusammengepreßt, doch der Blick, sonst gesenkt, um schamvoll die Qual des entwür­digten Menschen zu verbergen, hebt sich zu offener Empörung. Stumm, in wortloser Vers

abredung, rücken sie zusammen von den Feldern. Zehntausend stehen zueinander.

Big Jones erkennt flar die Situation. Den Entschluß der Farbigen zum Aufstand. Gibt mit unnachgiebiger Stimme den Befehl: Feuer!" Jetzt sind es keine Schreckschüsse mehr in den blutroten Tag. Jetzt richten sich die Mündun gen der Pistolen auf braune und schwarze Leis