Nr. 3
Unterhaltungsbeilage
1936
Casanova unserer Zeit
Von Hilde Busch
Sergej hieß der ältere der Brüder. Mitja hatte man den Jüngeren genannt. Das Adelsgeschlecht, aus dem sie stammten, war alt. Uralt. Die Fürsten Mediarowitsch Warrn im Kau kasus zu Hause. Weitverzweigt über das große russische Land lebte die Familie. Sergej und Mitja kamen, der Tradition gemäß, als Knaben in das Kadettenkorps. Das vornehmste von Rußland . Nach St. Petersburg . Die Erziehung war streng. Das Leben freudlos. Wie eine dunkle Wolke schwebte über dem äußeren Glanz, der bvzantinischen Pracht des Zarenreiches das Gespenst der Revolution; die Furcht vor Attentaten. Reisten die Knaben in den Ferien heim in ein Schloß voll düsteren Prunks, so gab eS Helligkeit und Freude nurdutch die Umgebung: Fuchsjagden in undurchdringlichen Wäldern, Schwimmen im Fluß, Raufen und Balgen mit tierhafter Lust auf Wiesen und Rasenplätzen. Der Vater war streng und finster. Die Mutter lebte in einer Anstalt. Seit Jahren schon geistiger Umnachtung verfallen. Kamen die Söhne zu Besuch, so erkannte die Fürstin sie nicht. Sergej und Mitja aber erschraken vor dem Gebild einer aufgeschwemmten und blassen Frau, die verworren auf sie einredete und ihnen oft böse Blicke aus glanzlosen Augen zuwarf. Erst als sie bei Hofe vorgestellt wurden, änderte sich das Leben Sergejs und Mitjas. Mitja war ein Knabe von siebzehn, als er zum erstenmal die Lust der Umarmung spürte. Ei^e Hofdame der Zarin verführte ihn. Sie war neununddreißig, aber sie war noch schön genug, um den Jüngling zu entflammen. Sergej hatte ein phlegmatischeres Temperament. Bei dem Wort „Liebe" dachte er nicht an feurige Gefühle, ungehemmte Sinnesfreude. Er dachte an Ehe, Kinder und Behäbigkeit. Diesem Ideal, wohl kleinbürgerlich zu nennen, blieb er treu, bis es sich erfüllte. Fern von Rußland . Die Zeit der rauschenden Feste, des leichten Dienstes und der schimmernden Uniformen wurde jäh unterbrochen durch den Krieg. Er geschah, kurz bevor Sergej und Mitja in das Heer eintraten. So kamen sie nicht ins Feld. Beide waren untröstlich. Aber es gab manche, die das nicht so schlimm fanden. Eine Hofdame der Zarin zum Beispiel. Schon neununddreißig Jahre alt. Aber immer sehr schön. Die Schultern schneeweiß, der Mund wissend. Als die Revolution ausbrach, stürmte fie gegen alle Etikette in Mitjas Zimmer. Er war nicht allein. E'n Diener stand im Raum.„Fürst Mediarowitsch", erregter Atem hob ihre Brust,„fliehen Sie mit mir." Mitja lächelte. Leicht verächtlich.„Ein Mediarowitsch flieht
nicht." Aber es war nur Phrase. Zwar blieben Sergej und Mitja noch in Rußland , solange Ke renski herrschte, doch als die Bolschewiken zur Macht kamen, flohen sie auf der Stelle. Entkamen durch die Reihen der Roten nach Pakts. Gerettet hatten sie: das Leben und einige wertvolle Juwelen. Sergej spekulierte mit dem Erlös seines Anteils. Vorsichtig, überlegen, wie es seiner kleinbürgerlichen Art entsprach. Die das große Wagnis fürchtete. Nebenbei fuhr er als Chauffeur ein Taxi. Sprach französisch fast bester als russisch . Die Besitzerin einer Boulangerie verliebte sich in ihn. Sie war breit, fest und stattlich. Das Ersparte war schon heute imstande, eine auskömmliche Rente zu sichern. Auch sähen ihre ausladenden Hüften aus, als ob sie leicht gesunde Kinder gebären würde^ Sergej heiratete sie. Ein paar Jahre darauf war er beleibt und ehrenwert, ein Mann, in dem niemand den ehemaligen russischen Groß
fürsten uralten Adelsgeschlechts vermutet hätte. Nicht so Mitja. Die Stadt Paris berauschte ihn. Anders der Glanz, anders die Frauen als in Petersburg . Anders das Tempo, der Rhythmus. Heiterer, leichter, beschwingter. Gallischer Witz, lateinische Grazie. Den Frauen der Großbourgeoisie, schmalhüftigen, überzüchteten Wesen, dem Lasterhaften und Frivolen zugetan, Absinth trinkend, Opium rauchend, Kokain schnupfend, Morphium spritzend, schön und unfruchtbar, gefiel der 26jährige. Mitja war groß, schlank, seine Haut hatte eine matte Ambrafarbe, Haare und Augen dunkel. Der Blick dieser schwarzen, leicht geschlitzten Augen, wenn er diese schmalhüftigen Wesen betrachtete, war voll demütiger Inbrunst. Die reichen Pariserinnen delektierten sich an dem ruffischen Aristokraten wie im Krieg an den Negern. Er war ihnen ebenso fremd und geheimnisvoll. In Gesellschaft dieser Frauen brachte Mitja durch, was er für den Verkauf der Schmuckstücke erhalten hatte. Bei den Rennen von St. Cloud und Auteuil, in den Bars am Montmartre und Montparnaffe, in den boites der du klen Gaffen verwettete, vertrank und verspielte er jene paar hunderttausend Franken. Die Frau eines Großindustriellen hatte sich in ihn verliebt.„Bijou", sagte sie, mach dir keine Sorgen. Ich stell dir einen Scheck aus. Wie hoch soll er sein?" Mitja schoß das Blut in den Kopf. Er war ein leichtsinniger Junge. Ein schöner Junge, der gern von Bett zu Bett stieg, sich an weiße Leiber schmiegte, in geöffneten Armen ber- fank. Aber nur Bijou? Nur„Spiel zeug "? Er gab keine Antwort, ging. Mit lästiger, hochmütiger Gebärde. Noch einmal der Großfürst Mitja Mediarowitsch. Und nichts als das. An diesem Abend gewann er mit erborgtem Geld beim Trente et Qua- rante ein paar hundert Franken. Landete damit in der Bar„Mitsou" an der place Pigalle. Die Bc-„Mitsou" galt als Stammlokal der reichen, europabummelnden Amerikaner. Unter den Gästen war einer, den Mitja kannte. Aus dem Salon jenes Großindustriellen, besten Frau ihn zu ihrem„Bijou" hatte machen wollen. Mitja ließ sich einen Coctail mixen. Aus viel Gin und Wermut.„Misten Sie nicht", fragte er, den silbernen Pokal in schmaler, arbeitsungewohnter Hand,„was ein Mensch, wie ich, anfangen kann, Mr. Johnson? Ich muß nänilich— Geld verdienen." Mr. Johnson war trotz 'angem Bummeln nüchterner, amerikanischer Busineßman.„Well", meinte er,„da? ist nicht einfach. In Amerika braucht man derbe Fäuste und viel
Stahlblock In der Schmiede Die riesigen Stahlblöcke, wie sie von der modernen Technik benötigt werden, können nur mit Hilfe hydraulischer Pres- Pn geschmiedet werden. Durch den Kolben eines Druckwasserzylinders wird der gewaltige Preßstempel wie von Zauberhand bewegt und gleichmäßig vorgetrieben.