BUNTE WELT

Nr. 5

Unterhaltungsbeilage

Die letzte Fahrt

Von Albert Daudistel

Nachdem der englische Frachtdampfer ,, Gal- schlechten Schiffen aus. Aber der Kommandant bestone" nahezu vierzehn Jahre dem Pendel- der ,, Galvestone " verstand es, sie durch seinen verkehr zivischen Australien und den Südsee- kameradschaftlichen Geist Jahre hindurch bej inseln gedient hatte, verließ er mit fünftausend sich zu halten... Der Belgier Jan Hoecke, der Tonnen Schafswolle den Hafen von Sidney zur zusammen mit Riklis die Heizraumivache von Reise nach London . Das Schiff sollte nach der acht bis zivölf Uhr zu gehen hatte, goß sich Tee Heimfahrt, zu der es durch die Konkurrenz der ein und murmelte versonnen: Schade neuen Schnelldampfer gezwungen wurde, abge- er schwieg. Nach einer Weile erwiderte sein Ne­wrackt und verschrottet werden. Es sah noch jung benmann: ,, Mir will es auch noch nicht in den aus, schmuck und gesund. Doch unter der Haut Kopf, daß sie unser Schiff außer Dienst stel­seiner Farbe zehrte der Rost am Mark der len!" Der Belgier schob seinen Teller zur Seite Wände. Es hatte ein fleines Promenadendeck und fragte den Neger: Sepp? Was denkst und einundzwanzig Kabinen für Passagiere. Du..." Der Schwarze lächelte: Es war schön Sieben blieben leer. Und die lepie, die sich als auf der Galvestone ", schön, sehr schön! Scha­Haft- oder Seuchenraum unter Deck de..." Er schaute ergriffen nach seinem Ban­mittelschiffs an Steuerbordseite bei den donium, das auf dem Spind stand. Sein Ne­Hellegats befand, war, so mit der Zeit, zur benmann nickte: ,, Ja, ja, wir haben nie an das Gerümpelkammer geworden. Niemand befüm- Ende gedacht. Arel Riklis kam. Er pfiff merte sich mehr um sie. Und auch der Boots- vergnügt und setzte sich hinzu. Da schylung der mann bemerkte nicht, daß ihr Schloß heimlich Nebenmann unwillig mit der Faust auf den berändert worden war. Tisch und schrie ihn an: ,, hör auf mit dem Quatsch! Wir haben was anderes im Kopf..."

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1936

stille war, atmete sie auf und schmeichelte: ,, Du bist ein lieber Kerl, Arel..."

,, Maly" flüsterte er ,,, es tut mir leid, daß ich Dich in diese elende Kammer verstecken mußte! Aber eine Schiffskarte für Dich hätte so viel gekostet, wie ich in einem halben Jahr verdiene. Und ich dachte, dafür können wir uns ein Häuschen kaufen. Aber es wird schön werden, wenn wir aushalten, zusammenhal­ten!"

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Sie streichelte seine Hand und fragte: Sind wir schon weit?"

,, Wir fahren sieben Meilen pro Stunde!" Ist das schnell?"

,, Für uns noch viel zu langsam! Aber wenn wir erst am Ziele sind..." Sie unter­brach ihn mit Begeisterung: Dann heiraten wir und kaufen uns zum Häuschen noch den Garien, den Du mir in Sidney immer abends so schön beschriebst. Du brauchst dann nicht mehr in die Welt zu fahren. Du wirst im Hafen Das Schiff fuhr mit äußerster Kraft. Wäh­schaffen als Schauermann..." Erschrocken hielt rend die Passagiere, zu denen ein Missionar, ein Laß ihn pfeifen", entgegnete der Neger, sie inne und fragte: Was ist das? Hörst du's Vergnügungsreisender, eine Studentin, zwei| ,, unsere Stimmung ist doch saumiserabel! Er Sie horchten gebannt in das Dunkel. Sie vers Ehepaare und ein deutscher Turbinenmonteur pfeift", stichelte er als sei er verliebt, in nahmen Schritte, die sich der Kabine näherten. gehörten, achtern an der Reeling beieinander die Studentin auf dem Promenadendeck. Er flüsterte: Hier kann uns niemand überra standen und schweigend nach der Küste schau- Der Belgier lachte verbittert: ,, Haha! In so schen; keiner hat den Schlüssel; dafür habe ich ten, von der sich das Schiff immer mehr ent- einen blöden Kerl! Nicht mal die dicke Wuhla gesorgt..." Sie stammelte: ,, Ich habe Angst... fernte, ging der Kapitän ungeduldig auf der aus der Sidneybar wollte etwas von ihm wis Wird's bald helle?".. ,, Ja", erwiderte er, Kommandobrücke hin und her. Er schaute nicht sen!" Arel deutete mit den Zinken seiner Gabel ,, ich muß jetzt schlafen gehen! Um drei Uhr nach dem Kompaß, nicht nach der Seekarte und nach dem Gesicht des Spötters und antwortete kommt bereits die Sonne..." nicht nach den Gästen. Er grübelte. Der Offi- spit: Ich habe ein Mädchen!" Und er zier der Wache und der Matrose am Steuer begann mit großem Eifer mit ihr zu prahlen. beobachteten ihn, betroffen von seinem Verhal- ,, Aufschneider!" schimpfte der Belgier , ten. ,, willst uns mit so einem Schmus noch ärgern?"

Auch im Logis der Heizer nistete bedrük­kende Unruhe. Die Freiwachen lagen in den Kojen. und rauchten, statt zu schlafen. Und an dem vereinfamten Tisch hockte der Finne Arel Riklis und löste, so im Nachdenken, aus einer Packschnur die Knoten. Manchmal seufte

er.

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B

,, Es ist schlimm", sagte der Neger ,,, wenn er liebt und fort muß von ihr für immer!" Arel pfiff, als habe er die Worte des Negers nicht gehört. Er füllte noch einmal seinen Tel­ler und stellte ihn in seinen Spind. Auch die anderen erhoben sich und legten sich in ihre Kojen. Und sie rauchten wieder, statt zu schla fen.

Manchmal knarrte leise ein Spant oder eine Niete. Ab und zu warf der eine oder der andere seine Zigarettenstummel aus der Koje. Um Mitternacht kam Riflis von der Ar­Sie glimmten auf dem Fußboden weiter. Und beit aus dem Heizraum. Sein Partner legte wenn sich Riflis betwegte, zitterten die Rauch- sich zur Ruhe. Riflis aber kramte in seinem säulen, die ihnen entstiegen. Plöblich er- Spind. Er schaute verstohlen nach den Kojen. hob er sich und entnahm, kaum hörbar, sei- Und als er hörte, daß alle im tiefen Schlafe nem Spind ein blechernes Flaschenkännchen. Da ausschnauften, verließ er mit seinem Napf voll schimpfte der Kamerunneger Sepp flüsternd aus Essen und mit einer Flasche Tee das Logis und seiner Koje: ,, Hör auf mit dem Krach! Man Huschte nach der Kabine... Sie war schwarz kann nicht schlafen!" Schweigend stieg der vor Nacht. An ihrem Bullauge zitterten wie Finne ein paar Stufen des Niedergangs hoch, kleine Punkte die fernen Sterne. Als er ein­Tugte über Deck und stuzte, da er den Kapi - trat, wurde das Gerümpel wach. Papier ra­tän noch immer auf der Kommandobrücke hinschelte auf dem Fußboden. Eine Eisenstange und hergehen sah. Verstohlen belauerte er ihn. Dann jedoch hastete er mit dem Kännchen an die vergessene Kabine.

Als die beiden Heizer, die von zwölf bis vier Uhr die Kesselfeuer bedient hatten, ab­gelöst wurden, war Arel Riklis noch nicht zu rückgekommen. Die Freiwachen setzten sich an den Tisch zum Abendessen. Leise bewegte sich das Schiff. Sie waren tüchtige Seeleute, grob und wortfarg zueinander. Sie rissen von

fiel um. Die Wand knisterte. Eine Mädchenstim­me flüsterte: Arel, ich komme um! Ich ver­durste! Gib mir zu trinken..." Die Luft in der Kabine war schivül und stank nach dem Schweiß der heißen Schiffsmaschine und nach den Ausdünstungen der Fracht. Der Finne ant­wortete: Ich kann Dich nicht sehen, Maly! hier ist der Tee, hier, hier..." Sie tastete durch das Dunkel nach der Flasche. Die Gier gluckste, mit der sie trant. Und als es wieder

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Zivei Wochen war die Galvestone" schon unterwegs. Wieder brach ein neuer Tag an. Riklis und Jan Hoeke begannen, während das Meer im Glanze der Frühsonne erstrahlte, ihre Arbeit im Heizraum. Sie öffneten die Feuertü­ren. Dreißig Bentner weiße Glut bestrahlte ihre nackten Oberkörper. Sie setzten die Schleu­sen auf das Gerippe des Rostes und stießen sie durch die breiige Schlacke nach hinten. Der Schweiß drang ihnen aus allen Boren. Und die Anstrengung verzerrte ihre Gesichter zu Grimas­sen. Sie fütterten die Feuer mit Kohle. Dann schmissen sie die Türen zu und wischten sich den Schweiß aus dem Gesicht. Du", sagte Riflis zu dem Belgier, Jhr braucht Euch keine Sor gen um das alte Schiff zu machen! Nehmt einen Ostasiendampfer für Munition! Heut nacht be gegneten uns drei, gestern vier! Im Osten wird Bündstoff gebraucht! Da habt Ihr doch Aus­sicht!"

,, Wieso, wir", fragte der Belgier ,..zählst Du Dich nicht mehr zu uns?" Riflis eiferte: Ich hab's Euch doch gesagt im Logis, am er sten Tag... Das ist meine letzte Fahrt! Ich heirate in London !" Jan Hoeke lachte: ,, Das Mädchen möchte ich sehen, daß sich in Dich Orang Utan verliebt!"

Da kam der Maschinist: Los, Kohlen drauf! Kräftig gefeuert! Das Schiff muß zit­tern, daß die Kakerlats von den Spanten fal­Ten! Arbeiten! Arbeiten! Der Manometer braucht Druck!" Sie rissen die Feuertüren auf und stießen mit den schiveren eisernen Stan­gen in die grelle Glut. ,, Kohlen drauf! Kohlen