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Ballade vom sonderbaren Fischzug

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Als es geschah, da war die Welt noch klein Und durch die Völker ging der Menschensohn, Der wollte aus dem Elend sie befrei'n, Wie alles endete, das wist Ihr leider schon: Das Volk blieb arm, die Pharisäer reich, Und die Kamele kommen in das Himmelreich.

Im See Genefareth, da fischten sie zur Nacht Und fuhren morgens leer zurück zum Strand; Sie hatten nicht ein Fischlein eingebracht.

Da rief der Herr: ,, Fischt doch zur rechten Hand!" Nun warfen sie das Netz zur rechten Seite aus Und brachten überreichen Fang nach Haus.

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Da staunten die Jünger und priesen des Göttlichen Ehre, Doch gibt es kein Wunder, das heute noch dankenswert wäre.

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Zwei Jahrtausende später, in   Amerika, Geschah ein ähnlich wunderbarer Fang. Da fuhren Fischkutter von Kanada Hinüber zur Neufundlandbank.

Kaum tauchten die Netze ins Meer hinein Zog zum Berften gefüllt man sie wieder ein.

Vielleicht könnt Ihr, was kommt, nun nicht verstehn: Wer sehr viel fängt, der hat noch nichts gewonnen, Entscheidend ist, wie hoch die Preise stehn,

Und steigt das Angebot

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ist der Gewinn zerronnen.

Das Motto dieser Welt, von jeder Phrase entkleidet,

Es heißt: Nicht der Bedarf, nur der Profit entscheidet!

Drum jauchzten die Fischer nicht, sie sahen schweigend darein. Und fuhren mit vollen Kammern in den Heimathafen ein.

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Der Fang war reich, doch mager der Gewinn, Als Dung tat man die Fische drum verwenden. Die Erde nahm die Gabe dankbar hin

Und gab als Weizen sie zurück mit vollen Händen. Doch schreckerfüllt fah man den neuen Segen, Auch dies Geschenk, es tam sehr ungelegen. Der Preis für Weizen fiel um zwölf Prozent. Die Händler rauften sich die dünnen Haare. Schon überlastet war der Markt am Kontinent. ,, Werft in das Meer die überschüssige Ware!" Und tausend Tonnen floffen in das Meer. Die Schieber wurden reich, die Speicher leer.

Beim Fischen endet, was beim Fisch begann; Das Narrenspiel, es fängt von vorne an.

Lachen im Orient...

Fünf Schwänke aus dem Morgenland

Der Befehl des Kalifen. Eines Tages ließ der Kalif von   Bagdad an die Großen feines Reiches die Botschaft er­gehen, daß zu der nächsten Sizung des Staats­rates jeder Geladene ein Ei mitzubringen habe. Als bald darauf der erlauchte Kreis sich bersammelt hatte, erhob sich der   Kalif: ,, Meine Freunde! Gleich wird der Dichter Achmed in unserer Mitte erscheinen. Wir wollen seinen Wiz und die Schlagfertigkeit seines Geistes er­

proben. Verberge ein jeder von Euch das mit­

gebrachte Ei!"

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mitgeteilt von Friedrich Steiner sein", schloß der Kalif diese eigenartige Staats­ratsibung.

Der Urteilsspruch des Kadi.

man einen Kadi. Da das Gesetz für dieses Ver­In den Haremsgärten des Kalifen ertappte gehen die Todesstrafe vorsieht, verkündete der  Kalif dieses harte Urteil dem unglücklichen Täter. Der warf sich dem Herrscher zu Füßen und bat: Gewährt mir noch eine Lebensfrist von drei Tagen. Dann will ich vor Euch hin­treten und nur einen Satz sprechen. Rede ich die Wahrheit, so laßt mich durch das Schwert töten, spreche ich eine Lüge aus, so laßt mich durch den Strid sterben!"

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So sonderbar dem Kalifen diese Bitte dünkte, willfahrte er ihr: Beim Barte des Propheten schwöre ich, daß Dir so geschehen soll, wie Du es verlangst!"

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Als bald darauf der Dichter eintrat, hörte er die zornige Stimme des   Kalifen: Ihr seid alle dumme Hennen und schon längst beleidigt Ihr mit Eurem Gegader mein Ohr. Wenn Ihr jetzt nicht sofort meinem Befehl Folge leistet und jeder von Euch rasch ein Ei legt, habt Ihr Euer Leben verwirkt!" Und sich an den Groß­As die Gnadenfrist abgelaufen war, wesir wendend, sprach er: Und Du sollst den Anfang machen!" Der Vertraute des Kalifen führte man den verurteilten Kadi vor den erhob sich, machte seltsame Bewegungen und Kalifen. Der Delinquent warf sich dem Herr­brachte schließlich ein Ei zum Vorschein. Esscher zu Füßen, indem er nur den einen Satz tamen die anderen an die Reihe und unter sprach: Ich werde gehenkt!" merkwürdigen Zudungen und Ausrufen legte jeder der Geladenen sein Ei zu Füßen des Ka­lifen. Verwundert hatte der Dichter Achmed dem seltsamen Vorgang zugesehen, als ihm der Befehl auteil wurde, ebenfalls dem Gebot des  Kalifen Folge zu leisten. Achmed erschrat. Er fah die erwartungsvollen Blicke auf sich gerich tet. Da durchzuckte ihn ein Gedanke. Sein Mund öffnete fich: ein schrilles Kikerifi ertönte aus so wirst Du eben geföpft wer­dem Mund des Dichters, das noch durch eine den!" ordnete der Kalif an. dem Flügelschlagen ähnliche Bewegung unter­ftützt wurde. Erhabener Herrscher", wandte sich jetzt Achmed an den Kalifen ,,, tvo so viele Hennen sind, darf ein Hahn nicht fehlen. So laßt mich der Hahn an diesem Hofe sein."

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Der   Kalif und feine Würdenträger bras chen in herzliches Gelächter aus, ob dieser schlauen Redewendung: ,, Weil Du Dich auf so Fluge Weise aus dieser üblen Situation gezogen baft, sei Dir Deine Bitte gewährt. Du wirst fünftighin an meinem Hofe der Hahn im Korbe

So ist es!" bestätigte der   Kalif. Der Kadi erhob sein Haupt: ,, Bedenkt Ihr auch, Beherrscher der Gläubigen, daß Ihr dann Eueren Schwur brecht. Denn wenn Ihr mich hängen laßt, habe ich doch eben die Wahrheit gesprochen. Wenn ich aber die Wahrheit spreche, so sollte ich geföpft werden, lautete unsere Ab­machung..."

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Gut

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,, Verzeiht, o Herr auch das widers spricht unserer Vereinbarung. Wenn Ihr mich föpfen laßt, so habe ich mit meinem ersten Saz gelogen, denn ich sagte: Ich werde gehenft! Und wenn ich gelogen habe, so müßt Ihr mich durch den Strick hinrichten lassen!"

Jetzt erst erkannte der   Kalif, daß der schlaue Kadi ihm eine Schlinge gelegt hatte. Er berief die Weisen seines Hofes und erbat ihren Rat. Aber da feiner von ihnen einen Aus­weg wußte, wandte der Kalif sich wieder an den

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Martin Grill

Verurteilten: Du hast als Richter oft gute Proben Deines Scharfsinnes abgelegt. So sei es jetzt Dir überlassen, das Urteil über Dich zu sprechen!"

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· Der Kadi verbeugte sich tief und erwiderte in ehrfurchtsvollem Ton: Großer Kalif, auch ich vermag der Gerechtigkeit nicht sofort aus der Not zu helfen. Jedoch dem Geseze muß Ge Todesurteil bestehen bleiben. Darum rate ich nüge geschehen und das über mich verhängte Euch: gewährt mir einen Urlaub von 99 Jah­ren. In dieser Zeit will ich eifrig über meinen Fall nachdenken und ich hoffe, bestimmt nach Ablauf dieser Frist im Klaren zu sein; andern­falls mögen die Henker ihr Wert vollziehen falls mich   Allah noch am Leben gelassen hat." Der Kalif flatschte in die Hände und bedeutete dem Kadi, sich zu erheben:., Gehe hin, mein Sohn und   Allah möge Deinen Geist noch lange frisch erhalten!"

Der Derwisch und das Gastrecht.

Bei einem wohlhabenden Muselmann weilte schon geraume Zeit ein frommer Der wisch zu Gaste, der es sich bei der nahrhaften Küche recht wohl sein ließ. Die Frau des Mus selmanns wollte aber den gefräßigen Gast log­werden und drängte ihren Mann, den Derwisch zum Aufbruch zu mahnen. Maa es wohl so sein, wie Du fagst", erwiderte der Ebenatte, so würde ich mich doch ewig der Sünde zeihen, wollte ich dem frommen Mann unsere Tür weisen." Und wieder verging eine Woche, ohne daß der Mönch Miene gemacht hätte, aufzu brechen. Das Weib des Muselmanns tourde ungeduldiger: ,, Schaff uns endlich den Derwisch bom Halse. Unsere Schränke und Krüge find leer!" Diesem wiederholten Drängen konnte der Hausherr sich nicht länger entziehen und so ging er zu dem anhänglichen Gast, der scheinbar im Gebet verfunken, auf seiner Matte saß. ,, Vers zeiht, ehrwürdiger Bruder, wenn ich Euere An­dacht störe, doch komme ich nicht ohne Not zu Euch. Denn feht, unser letter Hammel ist ge schlachtet, unsere lezte Grüße ist verbraucht, ebenso Pflaumen und Datteln. Nur noch ein wenig Brot ist im Kasten, womit Euch sichere lich nicht gedient ist, Nehmt daher unseren Dank für Enere beglückende Gegenwart und folgt dem