Verzeihen Sie die Störung, meine Herren. Im Nachlaß des Herrn Direktors Brud wurde die ser Brief gefunden. Er ist an Herrn Landa adressiert. Wenn Sie so freundlich sein wollten, ihn zu öffnen; es könnte immerhin ſein, daß eln für die Behörde wichtger Fingerzeig

Lande nahm den Brief zaudernd ent gegen. Es blieb ihm keine Wahl, er mußte ihn öffnen. Langsam schnitt er ihn auf. Die bei den anderen sahen, wie ein Ausdruck vollfom­mener Verblüfftheit über seine Züge lief. Ehret war es einen Moment, als jänten seine Schultern zusammen. Dann wandte er sich dem Inspektor zu: ,, Hier."

Der Inspektor sah verdußt das Hänfchen fchwarze Afche in dem Briefumschlag. Kurios. Was soll das?"

der

Landa, beherrscht wie immer, zudte die Achfel: Keine Ahnung. Muß wohl einen Spleen gehabt Los von mir, night?" Ct. griff in die Weiſten taſche, holte ein Monokel heraus und Klemmte es ein. Das war eine seiner Marotten, die er in manchen Augenblicken zur Unterstreichung ſeiner üblichen zynisch- ſchnoddrigen Art be­tätigte. Er sah hochnäsig auf die Asche in der Hand des Beamten hinab und murmelte kopfs schüttelnd: Kuriose Idee. Sollte womöglich

Die Juden von Kaifungfo

Im Jahre 1779 schrieb der damals welt­berühmte, jezt aber gänzlich vergessene dänische Gelehrte Klaus Gerhard Tychsen einen Brief nach China  , worin er um Aufklärung bat, wie es sich mit der alten jüdischen Siedlung ver­hielte, die dort angeblich noch bestünde. Er wie­derholte den Versuch im Jahre 1798, aber auch diesmal erfolglos. Die chinesischen Juden blie ben noch einige Menschenalter lang ein unge löstes Geheimnis, von dem man nur durch einige Berichte von Jesuitenmissionären und sehr alte hebräische Dokumente erfahren hatte, die diese Jesuiten   mit nach Europa   gebracht hatten. Tychsen, der berühmteste Orientalist sei­ner Zeit, hatte diese Dokumente zur Ueber febung vorgelegt erhalten.

Als im sechsten Jahrhundert unserer Zeits rechnung der Seidenwurm nach Europa   bers pflanzt wurde( angeblich von Jesuiten   in hoh len Stöcken hergeschmuggelt) und mit der Zeit die europäische   Seidenweberei entstand, ging die Verbindung mit den chinesischen Juden verloren. Nur von dem Heimatort jenes Studenten, Kais fungfo, ist ein Bericht vorhanden, da hundert Jahre nach seinem Besuch in Peking   eine Je suitenmission dahinkam, der wir u. a. auch Beichnungen des dortigen Tempels verdanken. Man sieht da Juden in alt- chinesischer Tracht, also auch lang bezopft. Die Mission studierte das Leben der Juden und nahm Abschriften von den Worten auf verschiedenen Baudenkmälern, besonders der drei Gedenktafeln aus den Jahren An einem Sommertag des Jahres 1605 1489, 1512 und 1663. Die älteste dieser Tafeln­erſchien bei dem Bater Mattes Nicci in bon beginnt: ,, Abraham ſtaminte im 19. Glted bon Hauptquartier der Jesuiten   zu Peking   ein chine- Adam. Abraham   grübelte über die Probleme. sischer Student, der in die Hauptstadt gekom- der Natur und kam zu dem Glauben an Einen men war, um das Beamteneramen abzulegen. Gott  . Er wurde der Stifter unserer Religion." Der zukünftige Mandarin erklärte, seine Glau- 3 folgt eine Beschreibung ihrer Sitten und bensgenossen fennenlernen zu wollen, da er Gebräuche. Wir beten dreimal des Tages" gehört hätte, daß auch sie einen unsichtbaren heißt es da, morgens, mittags und abends. Gott  , des Himmels und der Erde Herrn, ver- Der Betende kniet nieder und betet enttveder in und doch keine Mohammedaner seien. stummer. Andacht oder mit lauter Stimme, in­Bater zeitig fremd und bekannt dünkenden Gesichts- Zum Schluß geht er drei Schritte zurück und züge des Chinesen und führte ihn in sein fünf nach vorn, wendet sich nach rechts und nach Sprechzimmer. Dort an den Wänden hingen links, blidt nach oben und unten, um darzus Bildnisse der Jungfrau Maria, Jesus und Jo- tun, daß Gott allgegenwärtig ist. Die Juden hannes des Täufers, wie auch der vier Evan- find verpflichtet, ihre Vorfahren zu ehren und gelisten. Der Fremde verbeugte sich vor ihnen opfern ihnen zweimal im Jahr. Im Frühjahr und sagte, obwohl er Bilder nicht anbete, und Herbſt werden ihnen Ochsen und anderes empfinde er große Ehrfurcht vor den Vor- Bich und die Früchte des Jahre3 geopfert. vätern. Das ist Rebekka   mit ihren Söhnen Efau und Jakob, sprach der Student, abe: warum sind hier nur vier von den zwölf Söhnen Jakobs?" Er war wohlbewandert im Alten Te­ stament  , aber er ahnte nichts von der Eristenz des Neuen. Er kam von Kaifungfo, der alten Hauptstadt der Probiz Honan  , 400 Meilen von Peking  . Er berichtete, daß sich dort eine jüdiſche Gemeinde befände mit 500 bis 600 Mitglie­dern, einer Synagoge, die erst vor kurzem wie­der instand gesetzt worden wäre und eine über 400 Jahre alte Gesezesnobelle enthielte. Der Student nannte noch mehrere Städte Chinas  , in denen gleichfalls jüdische Gemeinden lebten, so Kanton, Nanting, Hankau  , Amoy   u. a. m.

ein Wiß ſein: vielleicht hat er mir das als chrten Ricci hunderte ſich über die ihm gleich- dem er nach vorn und wieder zurüd ſich beugt,

Erbe zugedacht."-

Der Beamte hatte sich noch nicht von feinem Staunen erholt, als er das Bimmer berließ.

Landa steckte das Monokel ein. Nun?" Der Wechsel?"

,, Natürlich der Wechsel; gar kein Zweifel. So war Brud. So haben Sie ihn nicht ge­kannt, was, Ehret? Ein Schwein. Ein hündi­ſcher as isbold. prit dieſem Gäuſchen Aſche hat er mich viele Jahre lang in tödlicher Angst ge­halten und mich zu seinem Sklaven gemacht, zu feinen schmußigen Diensten gezwungen. So.

Und jetzt, was werden Sie tun?"-

-

Ehret zündete seine ausgegangene Pfeife an. Dann sagte er ruhig: Ich bin weder ein Polizist noch ein Richter. Wenn etwas zu tun ist, ist es Ihre Sache."

Schön. Ich werde überlegen. Sie fön nen sich denken, daß ich all diese Tage her schon nachdenke, was ich machen soll. Aber nun würde mich noch eines interessieren: Wie sind Sie auf mich verfallen.

Ehret ging zum Schreibtisch und nahm das Manuskript auf: Daß ein Seber Fehler macht, ist nichts Tragisches. Aber daß ein Autor fich in so sinnvoller Weise verschreibt, macht stupig: Lesen Sie. Sie haben geschrie­ben: ,,... irgendeiner, dem er Schlimmes zuge­fügt hat, muß sich an

Na­

( Man sieht hier die Verquidung mit dem chines.. Gabba to end Thug), Wier Tage im Monat, die Sabbathe, sind der Reinigung und Werken der Barmherzigkeit gewidmet. In jedem 3. Viertels jahr fastet der Jude fieben Tage, an einem von ihnen enthält er sich des Essens vollständig und berbringt ihn mit Gebet und Reue".

Ueber die Geschichte der Religion besagt. diese Inschrift: Unsere Religion fommt ura sprünglich von Tientiou( vielleicht Indien  ). Die Familien famen an Songs Hof   und boten Gas ben von Baumwolle aus den westlichen Ländern dar. Der Kaiser sagte: Ihr seid nach China  gekommen. Haltet Eurer Vorväter Geseze und laßt Euch in Kaifungfo nieder."

Nun hat schon Marco Polo  , der venetia 863 wurde die Synagoge erbaut, 1279 nische Kaufmann und Weltreisende, der tief wurde sie erneuert. 1421 erhielt ein Arzt die nach Asien   vorgedrungen ist, 1268 geschrieben, Erlaubnis, den Tempel wieder zu renovieren, daß die chinesischen Juden großen Einfluß in wobei eine große Ehrentafel für die Mings Handel und Politik hätten; er hätte mit ihnen Dynastie angebracht wurde. 1461 ging der selbst keine Verbindung erlangt, sie schienen Gelbe Fluß über seine Ufer und riß mit großen aber schon sehr lange dort zu leben, zumal der Teilen der Stadt auch die Synagoge fort, die Prophet Jesaias in Kapitel Vers be aber unmittelbar darnach aufgebaut

türlich hat hat das ſo feinen Sinn, dieſes de- reits fagt: Siebe, dieſe werden von ferne fom- wurde, und Mitglieder der Gemeinde fifteten

recht". Aber wenn man es als Fehlleistung be­trachtet, ist es höchst aufschlußreich. Ein klein wenig, ganz primitive. Psychoanalyse. Sie wollten schreiben ,, gerächt"; aber unbewußt empfanden Sie, die Tat sei in Wirklichkeit ge­recht gewesen, und so setzten Sie versehentlich dieses gerecht" hin, das dann der Setzer aus Unüberlegtheit abtippte. Vielleicht hat er selbst auch einmal eine schlechte Erfahrung mit Brud gemacht, und sein Unbewußtes hat auch seine Aufmerksamkeit besiegt. Das wäre dann eine alveite Fehlleistung."

Landa Holte sein Monokel hervor. Fa­belhaft!" sagte er näselnd. Aber als er die Tunde Scherbe abnehmen wollte, zitterten seine Finger, das Glas zersplitterte auf dem Boden. Landa sah alt und verfallen aus.

men, und siehe, jene von Mitternacht und diese vom Meer, und jene vom Lande Sinim."

Vasen und Leuchter in großer Zahl und aus edlem Material."

Sobiel ist festgestellt, daß die Juden in Die Inschrift von 1663 gibt zunächst eine Persien schon zu Christis Zeiten in lebhaften Beschreibung der Gemeinde. Die diese Reli Handelsbeziehungen zu den chinesischen Sei- gion bekennen, sind auch an anderen Orten. denmännern" standen. Der Seidenhandel von Aber wo immer sie sich befinden, halten sie ihre dem damals einzigen Herstellungsland China  hatte zur Glanzzeit des alten Rom   und im frü­hen Mittelalter solchen Umfang angenommen, daß längst der Karawanenwege und in Han­delszentren Kolonien der Kaufleute und Fräch ter entstanden, in denen sie nach ihren Volks­und Glaubensbräuchen lebten. So kann es wohl sein, daß persische Juden vor den Verfolgungen des Nebukadnezar   weiter oftwärts gewandert und auch Juden aus dem Heere Alexanders des Großen von Indien   dahingelangt sind.

Geseze und nähren Ehrfurcht vor der elvigen Gerechtigkeit. In Uebereinstimmung mit den Chinesen verabscheuen sie Aberglauben und Gößendienst. Ihre heiligen Bücher gehen nicht nur die Juden an, sondern alle Menschen, Krige wie Untertanen, Eltern und Kinder, Alte und Junge. Nur gering verschieden von unseren( chinesischen Gesetzen gipfeln sie in der Anbetung des Himmels und fordern zum Res spekt vor den Eltern und zur Ehrfurcht vor den Ahnen auf. Die Juden find tüchtig im Adera