8- * achterauS in feine Kajüte. Unterwegs schnauzte er den wachhabenden zweiten Steuermann an: »Herr Wittstockl Lassen Eie gefälligst die Eteuerbordbraffen steif holen. Das schlackert ja Herum wie ein leerer Sack!" Und mit dem letzteren Wort beschloß er in seltsamer Jdeenverbindung, dem kranken Leicht­matrosen Magenkrebs   zu verordnen und ihm die dafür vorgesehene Medizin zu geben. Wer heute war schon ein Pechtagl Im Buch de? Herrn Dr. Rohlf stand, man solle in solchem Falle zur Schmerzlinderung aus der Flasche Nr. 24 stündlich einen Esslöffel voll ver­abreichen. Und gerade die Flasche Nr. 24. war mit einigen andern beim letzten Kap Horn  » Wetter, als der ganze Medizinkasten über Stag gegangen war, zerbrochen I Wer wozu war man ein seebefahrener Bremer   Kapitän, wenn man sich nicht zu helfen wusste: Käpten Himme nahm die heil gebliebene Flasche Nr. 42 und einen blechernen Eßlöffel, begab sich nach vorn und" flößte dem armen Leichtmatrosen zwei Löffel von der grünen Flüssigkeit ein, die sich in der Flasche befand. Zweimal zwölf macht vierund­zwanzig em Löffel aus Nr. 24 und zwei Löffel aus Nr. 12, das ist doch gewiss und wahr, hafti" einerlei, nicht wahr? Eber ob Sie es nun glauben oder nicht: der ausverschämte Bengel von einem Leichtmatrosen fing nach einer knappen halben Stunde an zu stöhnen wie ein harpunierter Walfisch, verdrehte ein paarmal schrecklich die Augen und dann war er mausetot.' »Gott   soll mich bewahren", sagte Käpten Himme, als ihm der Bootsmann die Nachrichr brachte,»nicht mal auf dem Dr. Rohlf sein Buch ist heutzutage mehr Lerlaß.7 Er wollte den dicken Band im ersten.Zorn über Bord schmei­ssen, aber noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass das verdammte Ding zum Inventar des Schiffes gehöre- So packte er" es wieder zwischen Segel­handbücher' und Nautische Tabellen aufs Bücher­brett. Wer benutzt hat er es nie wieder. Son­dern von damals an verließ er sich, nur auf seine eigene Erfahrung in der medizinischen Wissenschaft. And wenn er glaubte, einem kran­ken Matrosen eine Medizin verordnen zu müs­sen, so klappte er den Deckel der grossen Arznei­kiste auf, schloss die Augen, fuhr mit der Hand mitten zwischen Flaschen und Schachteln, mur- Joael Egerert Aus einem Sonntag. Trommelschlag wirbelt durch das Dorf. Fein säuberlich geordnet kommen erst die Kinderlein, dann die Jungschar, anschliessend die Grossen des nationalen Turnvereins und zum Schluss die gleichgeschalteten Demokraten, die in regellosem Haufen die ganze Strassen­breite füllen. Auf dem Feftplatze gibt's Würstchen, Bier und Politik. Auch turnerische Hebungen. Am fünf Ahr   wird zurückmarschiert durch das Dorf, nun beginnt die inoffizielle Demon­stration vor der bis heute noch marxistisch ver­seucht gebliebenen Bevölkerung des Ortes zum zweitenmal. Nebenbei, aber das ist ganz geheim, geht die Demonstration auch gegen den tschechischen Bendarmerieposten, der mitten im Dorfe sta­tioniert ist. Endlich sinkt die Nacht über das Dorf. Musik spielt in den rauchgeschwängerten Saal hinein zum Tanze... Der Montag Morgen eröffnet einen nüch­ternen Alltag mit schmerzender Erkenntnis der Vergänglichkeit. Die nationalen Männer von gestern gehen zum nationalen Fabriksherrn und schuften, schuften ohne Organisation, ohne Tarif. Schän­den den Achtstundentag, die grösste soziale Er­rungenschaft der Rachkriegsjahre. ' Sie schuften, um nur annähernd den all­gemeinen tariflichen Lohn zu erreichen. Wer das macht nichts. Dafür ist der Chefs melte beschwörend:»Gott   segne den Griff" und packte zu. And alle auf die Weise behandelren kranken Schiffsmänner wurden wieder gesund. Kein einziger ist dem braven Dokwrkapitän mehr gestorben, wie der dummerhaftige Leicht­matrose Fritz. Maes. Grenzdorf national bis in die Knochen und seht hin und wieder einen arbeitslosen Henlein- oder Krebs» !kameraden im Dorfe in den Betrieb, die nun ihrerseits alles daransetzen, die Vorzüge der nationalen Beiriebsherrschast zu stärken, die be­stehenden sozialen Mängel und Schmerzen mit Sieg-Heil! abzutun. Sieg-Heil! Von gestern her spielt ihnen noch die Marschmusik im SchädL.Ganz deutlich schlägt die Trommel durch daS Geklapper der Aebstühle, schnalzt der Antriebsriemen die. Melodie des Hohenfriedberger Marsches. Da brummt die Dampfmaschine in tiefem Bass Mittag. Aus dem-Tore kommen die natio­nalen Sklaven. Drüben am Straßenrand steht ein Drehorgelspieler. Ein grosses.Plakat an sei­nem Musikkasten kündet:»Kriegsinvalid vom 6. Landsturmregiment". Fleissig leiert der abgehärmte Mann. Fast zu laut fällt die Melodie in den stillen Herbst-- tag hinein. Einige wenige nur haben eine. Kleinigkeit für heu Kameraden aus der. grossen glorreichen Zeit. Der dreht verwundert weiter, starrt den Menschen nach, die ihn zu fliehen scheinen. Am Spätnachmittag spielt er am anderen Ende des Dorfes. Er kommt vor meine HauStüre. Ich lese dar Plakat an seiner Drehorgel. Im Geiste mar», schiere ich wieder mit. dem alten Egerländer Sausregiment in-die schrecklichen Stellungen im. Karstland. Revolution um die Baumwolle Die technische Zivilisation von Amerika   hat uns die Schreibmaschine und das Laufende' Band geschenkt, und damit die industrielle Pro­duktion weitgehend revolutioniert, sie gab der Welt auch den Mähdrescher und hat damit we­sentlich zur Verschärfung der inneren Wider­spräche der Agrarproduktion beigetragen. Nun beschert uns Amerika  , den idealen Baumwoll- pflücker. Die Frage des maschinellen Baumwoll­pflückens ist gelöst. Voraussichtlich'wird schon die Ernte des Jahres 1987 in hohem Masse mit diesen neuen Maschinen eingesammelt, sie wer­den über die weiten Baumwollfelder der ameri­ kanischen   Südstaaten fahren und vielleicht mich bald in anderen- Baumwolländern auftau­chen. Mit einem sinnvoll konstruierten System von Greifzangen pflücken die»Cotton Pickers" die Baumwollwatte aus den reifen Kapseln und sie leisten in einer Stunde die Arbeit, für die bisher ein-fleissiger-Handpflücker Wochen benö- ttgte. Dies bedeutet den Vorstoß der technischen Revolution in em Gebiet,-das bislang pon ihr Verschont blieb. Millionen Dollar und jahrzehntelange Ar­beit ist auf die Herstellung eines brmichbaren BaumwollpfiückerS verwendet worden, bis zwei Außenseitern, den Brüdern John imd- Mark Rust, mit bescheidenen. Mitteln der große Schlag geglückt ist. Die beiden Erfinder waren in ihrer Jugend selbst Baumwollpflücker und arbeiteten seit vielen Jahren an ihrer Erfin­dung. Das Modell ihrer Maschine wurde vor kurzem neuerlich in Gegenwart des Leiters des amerikanischen   Baumwollpools geprüft und bei voller Anerkennung konnte nur bemängelt wer­den,-dass der Cotton Picker auch etwas Fremd­körper abpftücke und noch einen Beuchtest der Baumwolle am Sttauch zurücklasse. Dies find aber nur technische Kinderkrankheiten, sie werden in der praktischen Herstellung bestimmt leicht zu eliminieren sein. Die Maschine selbst, der»Cotton Picker" ist geboren. ' Der amerikanische   Baumwollfarmer wird mit grosser Freude sich die neue Maschine an­schaffen. Sie ermöglicht ihm ja, den niedrigen Bmmiwollpreisen, die seit Fahren seine Existenz bedrohen, durch Kostensenkung zu begegnen. Auch kostet die Maschine wahrscheinlich nicht mehr als 1990 Dollar, die gesamten Betriebskosten samt Verzinsung und dem Arbeitslohn werden sich nicht über einen Dollar je Acre stellen. Zu einem neuen Element der Unordnung muss gleichzeittg der»Cotton Picker" Nr den schon schwer zerrütteten Baumwollmartt werden, wie er die Arbeitsbedingungen vieler Hundert­tausenden von Arbeitern vernichten wird. Das Sinken-der Selbstkosten wird den Farmer zu einer Produkttonsvermehrung verleiten, damit das Missverhältnis zwischen Angebot und Rach- frage ausserordentlich verschärfen und die staat­liche- Anbaukonttngentterung der Baumwolle, dieses öeilmittel Roosevelts, auf eine harte Probe stellen, wenn nicht völlig illusorisch ma­chen. Der»Cotton Picker" wird seine revolutio» nierende Wirkung nicht nur-auf dem amerika­ nischen   Markt ausüben. Die rasch und gleich­mässig das»Weisse Gold" pflückende Maschine wird auch in andere Baumwolländer Eingang finden: Schon hat die amerikanische   Hersteller­firma die ersten Versuchsmodelle der Sowjet­ union   verkauft. Eine allmähliche EinNhrung des»Cotton Pickers" in den baumwollvflanzen» den Ländern der Erde kann eine starke Umstel­lung der internationalen Baumwollproduktion mit sich bringen, die ohne Erschütterungen, ohne .Geburtswehen" kaum ablaufen und auch au den mit der Baumwolle in Wettbewerb stehen­den Texttlfasern und Werkstoffen nicht spurlos vorübergehen könnte. And die menschlichen Baumwollpflücker? Sie werden arbeitslos, sie werden gewiss wenig Verständnis daNr zeigen, dass der letzte Sinn aller technischen Neuerung nur ist. den Men­schen die Mühe der Arbeit zu ersparen. Sie werden Opfer eines schmerzlichen Umftellungs» prozeffes, und wenn wir uns vergegenwärtigen, welche gesellschaftliche Bedeutung die Baumwoll­produktton in den Südstaaten der USA  , in Aegypten  "und anderswo hat, wissen wir, dass diese technische Neuerung einersettS direkt durch die Ausschaltung von Millionen Arbeiterhände, andererseits aber durch die aus ihr ausgehende krisenhafte Erschütterung der ganzen Tertilpro» duktton schwere Störungen der kaum und nur sehr langsam genesenden Weltwirtschatt ver» nrsachen wird.st3