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Die Osterreiter der Lausitz
Slawische Ostersitten
In der Lausitz und im Spreewald, wo die Tetzten Reste des einst mächtigen Wendenvoltes wohnen, haben sich die religiösen Sitten und Traditionen der alten Slatven bis auf unsere Tage erhalten. Sie sind noch heute ebenso lebendig wie vor 3000 Jahren.
Jawohl, vor 3000 Jahren, denn das slawische Osterfest ist um viele Jahrhunderte älter als das Christentum und der religiöse Anlaß,
aus dem wir es heute feiern.
des Osterkusses sind geblieben. Die katholische Kirche , zu der sich der größere Teil des Restes des Wendenvoltes bekennt, hat sie ebenso tolerant übernommen, wie den altgermanischen, in seinem Ursprung gar nicht christlichen Weihnachtsbaum, ohne den wir uns heute ein richtiges Weihnachtsfest nur schwer vorstellen können.
Noch immer reiten in der Lausitz und im Spreewald, wie vor 3000 Jahren, in der Oster
Michail Sostschenko:
nacht die Osterreiter paartveise, in nach Döra fern getrennten Zügen, über die grünen Fluren. Sie singen nicht mehr das Sonnenlied der Göta tin Hertha, sondern christliche Litaneien. Sie reiten nicht mehr hinter dem Greifenbanner, sondern hinter dem Kruzifig und golddurchs wirkten Kirchenfahnen. Aber wie vor 3000 Jahren zünden sie immer noch nach dem Ums reiten der Flur ein großes Feuer an, um die bösen Geister des Winters und des Feldichadens zu bannen und beweisen so zu gleicher Zeit die Macht tausendjähriger Tradition und die felts fame Ehe altslawischer Tradition und christ lichen Gottesglaubens. Ernest Niesewetter.
Das Osterfest der alten Slawen war der Sieg des Lebens und der Sonne über den Tod und die Winternacht. Alljährlich um die gleiche Zeit unterlag Belbog, der Herr des Lebens, der Sonne und der Güte, dem tückischen Angriff des finsteren Vernichters Czernebog; alljährlich um die gleiche Stunde brach Belbog mit seinen Heifern Swantewit und Triglav die Macht des Bösen, trieb ihn in den fernen Norden und gab den Menschen Sonne, Wärme und Leben zurüd. Im Gefolge des großen Belbog fuhr in ihrem Strahlenwagen, den weiße Rosse zogen, die gütige Göttin Hertha , die Spenderin der Namen Puschkin hört, fährt er plöglich zusam- Hauſe. Die Damen fegen. Pußen das Geſchirr,
Vor neunzig Jahren wurde Alexander| Angaben für die späteren Geschlechter hier anzus Sergejewitsch Puschkin im Duell getötet. bringen.
Fruchtbarkeit. Sie warf den Segen auf die Felder, und aus dem von der Eisdecke befreiten Boden sproß start und voll Lebenskraft das erste leuchtende Grün.
Ganz Rußland , kann man sagen, trauert und vergießt heiße Tränen zu seinem Todestag. Aber am meisten trauert- Jwan Fjodorowitsch Golowkin.
Dieser gute Mann, sobald er nur den
men und sein Blick erstarrt.
Und Jwan Fjodorowitsch, sein Unglüd nicht ahnend, nahm auch regen Anteil an den Beſtre= bungen zur Anbringung dieser Tafel. Ach, hätte er geahnt!
Eines Tages ist große Aufregung im Kehren den Kohlenmist weg.
Eine Kommission, fünf Mann start, ist era Und wie, Brüder, soll er nicht zusammenzucken, wenn man im Leben des genialen Dich- schienen, die Wohnung zu betrachten. Als die Kommission allerlei häuslichen. ters Puschkin eine so traurige Seite entdeckt Kram herumliegen sah: Geschirr und Röcke hatte? da seufzte sie tief.
Wir beginnen natürlich unsere Erzählung von weit her, damit wir ja nicht das Andenken dieses berühmten Dichters beeinträchtigen. Also fangen wir mit dem Jahre 1921 an. Auf diese Weise wird alles anschaulicher werden.
Im Jahre 1921, im Dezember, kehrte Swan Fiodorowitsch Golowkin aus dem Heere in sein Heimatstädichen zurück.
So fuhr die Göttin Hertha- die von den benachbarten Germanen„ Ostara" genannt wurde, und so dem alten Passahfest seinen heutigen, uns so urchriftlich anmutenden Namen gab- durch die slawischen Lande. Aber konnte nicht dieser oder jener, der ihrer Güte bedurfte, ibrer Aufmerksamkeit entgangen sein? Ein solwes Unglück mußte verhütet werden. So bestiegen denn die wendischen Bauern ihre Rosse und ritten hinter golddurchwirkten Purpurfahnen mit dem weißen Greif, dem Sinnbild des Damals fing eben die Nep*) an. Belebung Wendentums, über die grünenden Fluren, um im Lande. Semmeln wurden gebacken. Der Handie gute Göttin Hertha um Segen für ihre del blühte. Mit einem Wort: das Leben pulFelder zu bitten. Chroniken, die über 1100 fierte frisch. Aber nichtsdestoweniger irrte unser Jahre alt sind, berichten in staunender Bewun- Freund Golowfin wahl- und ziellos durch die derung von solchen Umzügen, an denen mehrere Siadt. Er hat keine Wohnung. Nur an den Hundert Reiterpaare teilnahmen, in ihrer far- Samstagen schläft er bei Bekannten. Auf einer benfreudigen, silber- und goldgestickten Fest- elenden Strohunterlage. Im Vorzimmer. fleidung einen phantastischen Anblick bietend. In der Vornacht des Hauptfeſttages schöpf- steptisch gestimmt. ten die Mädchen dann das Osterwasser, das die geheimnisvolle Gabe besaß, Schönheit, Glück und Gesundheit zu verleihen. Am heiligsten und wundertätigsten war das Osterwasser, das aus dem Hertha - See auf der Insel Rügen kam, auf dessen tiefem Grund die Göttin in ihrem Feenpalast thronte. Aber nicht allen war es möglich, diese weite Wallfahrt zu unternehmen, und so schöpften sie das Osterwasser um die Stunde der Mitternacht aus Seen, Teichen und Bächen. Aber schweigend mußte das geschehen, fonst verlor das Wasser seine tvundertätige Kraft.
Am Tage des Hauptfestes herrschte dann im ganzen Lande das Osterrecht, das jedem junaen Burschen und jedem jungen Mädchen die Möglichkeit gab, dem insgeheim längst gewählten Gegenstand seiner Zuneigung durch den Osterkus auf beide Wangen seine Liebe zu bezeigen. Vergalt der oder die so Beglückte dies Bekenntnis durch das traditionelle Festgeschenk von zwei oder mehr buntbemalten Eiern, so bestätigte er dadurch, daß die Liebe Gegenliebe gefunden hatte, und nach wenigen Wochen folgte dann das Verlöbnis.
Die Verehrung der Frühlingsgörtin Hertha ist seit fast einem Jahrtausend der Religion des Kreuzes gewichen, aber die alten slawischen Oftersttten der Osterreiter, des Osterwassers und
Na, und natürlich ist der Mann deswegen
Utopie. Seit einem halben Jahre bin ich hier ..Die Nep", sagt er, ist gewissermaßen eine und kann keine Wohnung finden."
Im Jahre 1923 hat endlich Golowfin nach langem Suchen und Irren eine Wohnung gefunden. Vielleicht hat er Ablöse bezahlt oder hat das Glück sich ihm plötzlich zugewendet aber er hat sie gefunden.
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Ein liebes Kämmerlein. Zweifenstrig. dassaden natürlich. Decke auch. Alles ist da. Nichts kann man sagen.
Ganz gemütlich hat sich Golowkin hier eingerichtet. Er ruinierte sich buchstäblich und hat sogar Tapeten angeklebt. Alles so eingerichtet, damit das Zimmer gemütlicher aussah und er lebte da wie ein Padischah.
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Hier", sagte sie, hat einmal Alexander Sergejewitsch Buschkin gewohnt! Na, und welch eine Schlamperei! Hier steht ein Besen, da hän= gen Hosen- dort Hosenträger an der Wand. Es ist einfach eine Beleidigung für das Andenken diefes großen Genies."
Also was ist hier viel zu erzählen? Nach faum drei Wochen wurden alle Einwohner dieses Hauses auswaggoniért.
Es ist schon wahr, Golowfin schimpfte seyr. Er gab seiner Meinung laut Ausdruck und fürch tete nicht die Folgen.
gewesen, und wenn er ſchon Verslein geſchries ,, Was ist schon dabei? Na, ist er ein Genie ben wie:„ Das Vögelchen springt auf dem Zweiglein", deswegen müssen doch gewöhnliche Sterbliche nicht delogietr werden!
Gol wokin wollte zu den Behörden laufen, nach einer neuen Wohnung beſchäftigt. Krawall schlagen, aber er war mit der Suche
Er sucht noch jeßt. Ist mager und ganz grau geworden. Und ist so anspruchsvoll gewor den. Alle fragt er aus, ter früher in dieser Wohnung gelebt hat. Hat vielleicht hier der Schöpfer der Landesverteidigung gewohnt oder gar Demjan Bednij oder Meierhold? Sollten diese hier gewohnt haben, so will er die Wohnung auch wenn man sie ihm umsonst gibt nicht haben.
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Das ist richtig. Gar oft sind diese großen Menschen so leichtsinnig, daß sie von Haus zu Haus ziehen. Und nachher ergeben sich solche traurige Folgen.
Man muß nicht weit gehen: In unserer Und die Zeit geht natürlich weiter. Nun Beit hat unser gut bekannter Dichter Mitja ist der siebenundachtzigste Todestag unseres Zenior Dimitrij Mihailowitsch nicht weniger als teuren Dichters Puschkin. Und dann der achtund- sieben Zimmer im letzten Jahr gewechselt! Er achtzigste. fonnte sich nirgends einleben. Nämlich weil er Am neunundachtzigsten Todestag gingen nicht zahlt. Weiß der Teufel, vielleicht ist er allerlei Gerüchte im Hause um. Puschkin!| auch ein Genie! Schriftsteller. Lebte nämlich zu einer gewissen Ach, und da wird man vielleicht nach fünfZeit eben in dieser Wohnung. Hatte diese Woh- zig Jahren alle diese sieben Zimmer belegen! nung mit seinem Genie beglückt. Es wäre also Die einzige Hoffnung bleibt, daß vielleicht nicht übel, eine Tafel mit allen wissenswerten bis dahin die Wohnungskrise gemildert sein wird. Die einzige Hoffnung!
Aus dem Ruffischen übertragen von Recha a z.