BUNTE WELT

Nr. 40

Unterhaltungsbeilage

Ein Tanz ins Schicksal...

Lebensweg der Tänzerin Isadora Duncan

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1937

Um die Jahrhundertwende tauchte in Lon-| dem sie ihre Liebe schenkt. Aufgewühlt von dem Bayreuth eingeladen. Dort schließt sie eine sehr don, im Salon der Lady Wyndham, dem Treff- Erlebnis mann- weiblicher Gemeinschaft, gelangt merkwürdige Freundschaft mit Heinrich Thode , punkt berühmter englischer Literaten und Künst- Isadora Duncan zu neuen Tanzschöpfungen, in dem berühmten Kunsthistorifer. Monatelang ler, eine junge unbekannte Tänzerin auf. Das denen sie gleichsam das eigene Seelenerlebnis fesselt die beiden ein seltsames, ekstatisches Vers bis unerwartet eine Ein­schlanke Mädchen, gekleidet in eine griechische auferstehen läßt. Bergeblich hat der Schauspieler hältnis aneinander weißfließende Tunika, die dunklen Haarflechten die Tänzerin an sich zu fesseln gesucht, indem er ladung aus Petersburg kommt und die zarten zum griechischen Knoten geschürzt, tanzte bar- ihr die Hand zum Ehebund geboten hat. Doch Bande dieser platonischen Liebe zerreißt. füßig nach den Weisen Schubertscher Musik... Jadora Duncan, besessen von einem fanatischen Freiheitsdrang, verläßt den geliebten Mann. Später hat sie in der tragischen Tanzpantomime Iphigeniens Schicksal" diesen schmerzlichen Ab­schied künstlerisch geformt.

Im Triumphzug durchreist sie die Städte Wien München Berlin überall ent­

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Londons vornehmste Gesellschaft applau­dierte lebhaft dem jungen Gast, der von jen­seits des Ozeans, aus San Francisko, herüber­gekommen war. Und der überlaute Beifall dringt hinaus in die Straßen Londons , sein Echo wird laut in allen europäischen Groß­städten: am Kunsthimmel Europas ist meteoren - husiastisch empfangen und bejubelt. Der bedeu­haft ein neuer Name erschienen: Isadora Dun- tende Maler Franz Stuck und Richard Wagners Sohn Siegfried werben um die Freundschaft der Tänzerin. Die Weltpresse nannte sie nur noch die ,, göttliche heilige Isadora Duncan "...

can!

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Bevor die eigenartigen Tanzschöpfungen Isadora Duncans berechtigtes Aufsehen erreg­ten, fannte man eigentlich nur eine sehr scha­blonenhafte Art der Tanzkunst, die sich im Bal­lett- und Dekorationstanz erschöpfte und in der die Musik und das Kostüm die entscheidende Rolle spielten. Isadora Duncan hat als erste den Versuch unternommen, die tänzerischen Möglichkeiten des Körpers in eine neue Sphäre zu heben, indem sie die menschlichen Grund­erlebnisse tänzerisch nachgestaltete: die Liebe die Sehnsucht den Schmerz den Tod. Als die knapp Achtzehnjährige in Beglei­tung ihrer Familie nach ihrem ersten er­folgreichen Auftreten in London bald darauf Variser Boden betritt, ist ihr der junge Ruhm ihrer neuartigen Tanzkunst vorausgeeilt: mit großen Ehren und stürmischem Applaus wird sie empfangen. In Paris nähern sich der jun­gen Tänzerin zum ersten Male die Männer und versuchen sie in ihren Liebesbann zu ziehen. Doch nur zu schnell müssen sie erkennen, daß diese von mystischen Vorstellungen erfüllte Mäd­chenseele weder Sinn noch Raum für flüchtige Liebesabenteuer hat..

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An die Grenze eines fast tragischen Kon­fliktes hat Isadora Duncan die Begegnung mit August Rodin gebracht. Dieser große Mensch und einzigartige Künstler hatte den Körper der jungen Tängerin in Marmor nach­gebildet und in jenen stundenlangen Sibun­gen im Atelier war zwischen beiden eine selt= fame Gemeinsamkeit entstanden verwandte Naturen in der fünstlerischen Zielsetzung ihres Daseins, übten sie aufeinander eine merkwür­dige Anziehungskraft aus. Erfüllt von echter Anteilnahme, lauschte der große Bildhauer den fanatischen Reden der jungen Tänzerin, ver­suchte dem phantastischen Gedankenflug der be­geisterten Künstlerin zu folgen. Und in diesen Kontroversen mit Rodin spürte Isadora Dun can zum ersten Male die Leidenschaft zum Manne erwachen. Durchzittert und erschüttert von dem jäh erwachten Sturm ihrer Gefühle, entflieht die junge Tänzerin nach Budapest . Dort erlebt ihre Tanzkunst nicht nur rauschende Erfolge, in dieser Stadt trifft sie auch auf den ersten Mann, einen ungarischen Schauspieler,

In dieser sieghaften Epoche ihres Lebens trägt sich die große Tänzerin mit dem Gedanken, auf den klassischen Trümmerfeldern Griechen­ lands für sich und ihre Gemeinde Wohnstätten und Tanztempel zu errichten. Besondere Lebens­und Sittengeseße, unter denen die völlige Ab­schaffung der Ehe die Hauptrolle spielte, sollten diese eigenartige Gemeinde geistig und sozial binden. Bevor jedoch diese romantischen Pläne zur Wirklichkeit wurden, versiegte der Geld­strom. Wieder muß Isadora Duncan auf Tour­nee gehen. Sie wird von Cosima Wagner nach

Armer fröstelt

Reiche Ernte sammelte der Herbst

in seine große Schürze. Von Früchten prall find Keller und Dach. Aber ach,

mich fröstelt

in der frühen Kühle. Der falte Nebel schnürt mir die Brust. Bon Bilzen leer und Beeren ist der Wald.

Die bitt're Frucht der Schlehe und des Wacholder blauen im froft'gen Tau. Ich zitt're wie Blätter im Morgenreif furz vor dem Fall.

Jetzt wär' es gut

in warmer Stube

bei Büchern träumen...

Ich will in eine Wärmestube gehn eine heiße Suppe essen. Und bann

vielleicht einschlafen und alles vergessen.

Julius 3erfa B.

Ihr Schicksalsschiff wird durch alle Höhen und Tiefen des menschlichen Seins gejagt größtes Glück und tiefster Kummer wechseln in rascher Folge. Im Jahre 1910 hat Isadora Duncan in Berlin ihre erste Tanzschule gegrün det und hält öffentliche Vorträge, in denen fie für die Befreiung der Frau eintritt und die kühne Forderung aufstellt, daß man jeder Frau das Recht auf Liebe und Kinder zubilligen müsse, auch wenn sie nicht ordnungsgemäß ver­heiratet sei. Beifall und Ablehnung lassen die Tänzerin an ihren radikalen Anschauungen nicht irre werden. Das Ziel steht unverrückbar vor ihren Augen: Emanzipation der Frau in allen Berufen, die bisher nur dem Manne zugäng lich waren, Abschaffung der Ehe, unbedingte Freiheit für das Liebesleben von Mann und Frau und Gleichberechtigung für das illegitima Kind...

In jener Zeit verstrickte sich Isadora Dun­ can in eine tiefe Leidenschaft zu dem englischen Dichter Cordon Craig. Aus dieser Vera bindung ist später ihre Tochter Deidre hervors gegangen. Auch der Dichter Craig bietet ihr. wie einst der ungarische Schauspieler, seinen Namen und sein Heim an. Doch zum zweiten Male lehnt die Tänzerin das Eheangebot ab, weil ihr Freiheitsempfinden sich gegen diese ,, Sanktionierung der Liebe" wehrt..

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Noch besitzt der Name Isadora Duncan Weltruf noch findet ihre Tanzkunst begeis sterte Anhänger. Doch die Künstlerin kann das verdiente Geld nicht zusammenhalten. Trot großer Erfolge steht sie eines Tages mittellos in Paris . In ihrer bedrängten Situation faßt sie den grotesten Entschluß, sich durch eine ,, Geldheirat" endgültig aus ihrer finanziellen Misere zu retten. Und als hätte das Schicksal nur auf diese Sinneswandlung gewartet, klopft es eines Tages an der Hotelzimmertür der Tänzerin: ein amerikanischer Millionär- Ers finder der Nähmaschine in USA - läßt sich bei Isadora Duncan melden. Dieser Dollarfönig, dem sie den liebenswürdig- ironischen Spiz namen ,, Lohengrin " gegeben hat, verleiht ihrem Dasein für furze Zeit einen fostbaren Rahmen. Längst gehegte Wünsche Isadoras gehen in Ers füllung: eine prächtige Villa an der Riviera- eine eigene Jacht ein Schloß in der Bres tagne Landhaus und Jagd in Schottland - Kleider von Poiret. Monate überreichen Le= bensgenusses find angebrochen: Amerika Europa

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Afrika find abwechselnd die schöne Kulisse ihres verschwenderisch geführten Daseins. Ein Sohn ist zur Welt gekommen. ,, Lohengrin " bittet die Tänzerin, in die Ehe einzuvilligen. Isadora schlägt eine Probeehe von drei Me­naten vor. Auf Schloß Devonshire verleben die