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tragischer Weise. In dem Augenblick, da sie in einem Rennwagen Platz genommen hat, am 14. September, bereit zur heiteren Fahrt durch den herbstlichen Tag, verknüpft sich ihr freiwehender Schal, den sie nur lose um den Hals ges Räder. Zu spät erkennt der Chauffeur, daß er knüpft hat, in den Speichen der abrollenden eine Tote spazieren fährt...
beiden ihre Flitterwochen. Uebersättigt von all An der blauen Küste der Riviera hat die tagen 1927 vollendet sich das Schicksal dieser dem Lurus bricht die Tänzerin das Ideal ab, nimmermüde Duncan eine Tanzschule eröffnet. abenteuerlichen Frau in ungewöhnlicher und jagi durch halb Europa, tehrt wieder nach Neuerdings zieht sie begeisterte Anhänger an Paris zurück und wird dort von ,, Lohengrin" sich. Unter ihnen befindet sich der junge Pianist feierlich empfangen. Auf dem Höhepunkt ihres Seroff. Für ihn flammt die LiebesleidenLebens trifft sie ihr schwerster Schicksalsschlag, schaft der Tänzerin mit neu erwachter Kraft. von dem sie sich nie wieder ganz erholen wird: Und als der Geliebte sich als unzuverlässig erdurch eine Unvorsichtigkeit ihres Chauffeurs er weist, antwortet die Künstlerin mit einem trinken ihre beiden Kinder in der Seine. Be- Selbstmordversuch. Ein englischer Offizier rettet täubt vom übergroßen Schmerz, sucht Isadora die Liebesmüde aus den Meeresfluten. Er wird in ihrer Tanzkunst Trost und Vergessen. Ein der Nachfolger des Pianisten Seroff und der Jahr später, nach erfolgreicher Europatournee, leßte Geliebte der Tänzerin. In den Herbsthält fie triumphalen Einzug in New York, be= jubelt von den Oberen Vierhundert". Zum Testenmal treffen sich die Tänzerin und„, Lohen= grin" auf einem Prunkfest. Eine häßliche Eiferfuchtsszene zwischen ihnen führt zum endgültigen Bruch. Isadora Duncan hat ihren großzügigsten und verständnisvollsten Freund für immer berloren
Nach dem Kriege dringt zu ihr eine Botschaft aus Petersburg. Das revolutionäre Ruß land hat an Isadora Duncan den Ruf ergehen laffen, ihre wegweisenden Ideen in den Dienst der neuen Gesellschaft zu stellen.
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In der Sowjet- Union angekommen man schreibt das Jahr 1921 im Kreise von Matrosen, Soldaten, Bauern und revolutionären Intellektuellen, erleben die tänzerischen Ideale der Isadora Duncan eine ungeahnte Auferstehung. Der Funke echter Lebensfreude springt über auf diese einfachen Menschen und hilft die Schytvere ihres neuen Alltags leichter zu tragen. Und es geschieht, daß in einer jener bunt zusammengewürfelten Gesellschaften von Politikern, Technikern, Soldaten, Schriftstellern und Schauspielern Isadora Duncan auf den jungenhaften, aber schon berühmten Bauern= dichter Alexandrowitsch Jessenin stößt. Diese erste Begegnung zwischen der reifen, fultivierten Frau und dem simplen, dichtenden Bauernburschen wird für beide die Schicksals= stunde. Nach Wochen leidenschaftlichen Liebesglüdes gehen sie aufs Kommissariat und lassen ihre Sowjetehe ordnungsgemäß registrieren. Aber Jronie des Schicksals: diese eigenivillige Frau, die, erfüllt von einem ungebändigten Freiheitstrieb, bisher jeden Ehewerber, der ihr mebr bieten konnte als dieser Jessenin, abgelehnt hat, sitzt plöblich in einer Ehe, die fraß
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L.
Pringsheim: Der Verdächtigte
Der Juwelier legte mit überlegenem Lächeln den Kriminalroman beiseite. Jeden Tag beinahe machte es ihm Spaß, die ungezählten Kriminalnovellen und Skizzen und Romane zu lesen, in denen jedesmal ein Juwelier der Gaunerbande zum Opfer fiel. Immer waren es elegante Betrüger, die im vornehmen RollsRoyce vorfuhren, vor dem Geschäft hielten und durch irgend einen Trick( gerade die besonders vertrauenerweckenden waren die größten Verbrecher), den Inhaber des Geschäftes hineinlegten. Es brauchten aber nicht Romane oder Nobellen zu sein, man las es auch so jeden Tag in der Zeitung. Der Juwelier Homann aus Ham burg gehörte zu den vorsichtigen, superflugen Norddeutschen, die nicht auf einen Trick hineinfallen würden. Zumindestens glaubte er das.
Als er seine behagliche Wohnung verließ, seiner Frau einen üblichen Abschiedskuß auf die Stirne drückte( seit dreißig Jahren geschah das am Vormittag um dieselbe Zeit), und er sein Geschäft im vornehmsten Stadtteil betrat, durch die Angestellten die Läden aufziehen ließ, war wie üblich das erste, daß er die Sicherungen gegen Diebe ausprobierte. Alles funktionierte tadellos: die Diebesglocke, der Detektiv als Angestellter, ein anderer als unschlüssiger Käufer, die Alarmvorrichtung und so weiter.
Plötzlich geschah etwas, was Herrn Homann stubig machte und sogar einen Augenblick ihm den eben beendeten Kriminalroman vor Augen führte. Ein wirklich höchst feudales Auto
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Herr Homann sah eine Sekunde den Detektiv an, der Detektiv senkte das eine Augenlid nach kurzer Zeit betrat der zur Bejahung, unentschlossene Käufer das Geschäft und der elegante Herr wurde nicht eine Sekunde von drei verantwortungsvollen Herren aus den Augen gelassen. Es wurde immer romanählicher.
mit eingebautem Radio hielt vor dem Geschäft, und widerspruchsvoll ihren Ideen entgegensteht: Jessenin, der ertorene Ehegatte, der sie im ein eleganter Herr mit Einglas entstieg dem Rausche schlägt, der für ihre subtile Tonskunst Auto, betrat nachlässig elegant das Geschäft und nicht das geringste Verständnis hat, ist nun wandte sich an den diskret ihn begrüßenden ihr ständiger Begleiter. Für diese eigentlich Herrn Homann mit der Frage nach dem Preise Teste und mert sürdigste Liebespassion der eines seiner schönsten Stücke, einem seltenen Juwel von bezauberndem Glanz. Tänzerin gibt es keine eindeutige Erklärung es sei denn, daß man ihr herannahendes Alter als ausreichenden Beweggrund für diese feltsame Ehe betrachtet. Noch einmal siegt für furze Zeit ihre starte Persönlichkeit über den von seinen Leidenschaften zerrütteten Dichter. Isadora Duncan ist in Berlin öffentlich auf getreten, ohne aber den früheren Erfolg zu ernten. Nur in Paris geht noch einmal für furze Zeit ihr Stern auf. Wieder gemeinsam Der Herr betrachtete unschlüssig das Juwel, nach der Sowjet- Union zurückgekehrt, glauben er gab an, telephonieren zu müssen, ließ sich die beiden nach monatelangen Irrfahrten durch mit der deutschen Bank und Eskompte- GesellRußland in Moskau die langentbehrte Ruhe schaft verbinden und erledigte einige scheinbar und den Antrieb zu neuer, schöpferischer Arbeit geschäftliche Dinge. Die drei Augenpaare brannzu finden. Ein Irrtum. Durch übermäßigen ten beinahe Löcher in seinen Anzug, der unentAlkoholgenuß und durch ungebändigte Liebes- schlossene Käufer rannte an die nächste Telephonleidenschaft ist Jessenins Körper frühzeitig ge- zelle und ließ sich ebenfalls mit der Deutschen brochen. In umdüsterter Stimmung öffnet er Bank und Eskompte- Gesellschaft verbinden. Der fich in der Silvesternacht 1925 die Pulsadern elegante Herr sagte das, was Herr Homann Im einsamen Hotelzimmer verblutet mit Inapp eigentlich erwartete, und zwar:" Ich habe nicht 25 Jahren eines der eigengeprägtesten Dichter- so viel Geld bei mir, ich werde Ihnen einen inlente des neuen Rußlands Alexandrowitsch Scheck für die Deutsche Bank ausstellen!" Jessenin, der Gatte der 46jährigen Isadora Duncan.
Herrn Homanns Mienen blieben undurch dringlich, er flingelte nach seinem Kassaboten,
während der Herr interessiert die üblichen Schmuckstücke ansah. Der Laufjunge fam zurüc und meldete, der Kassenbote sei einer unerklärlichen Krankheit verfallen, wahrscheinlich einer Vergiftung. Wieder betrachteten sich sekundenlang die verkleideten Detektive und Herr Homann.
Inzwischen betrat der unentschlossene Käufer wieder das Geschäft, um in furzen, leisen Worten mitzuteilen, daß das Konto auf Baron so und so tatsächlich besteht. Herr Homann hatte auch das vorausgesehen. Dieser Käufer war natürlich nicht der Baron, aber er, Homann, war auch nicht der Juwelier aller Romane und Detektivgeschichten.
Der elegante Herr, also sagen wir einmal der Baron, füllte mit genau so nachlässiger Eleganz, wie es die Romane vorschreiben, den Scheck aus, wartete auf das Juwel. Herr Homann ließ sich nicht beirren:„ Verzeihung, mein Herr"( ein Weltmann wie Homann konnte einen Betrüger nicht Baron nennen) ,,, Sie werden es mir nicht verargen, wenn ich zunächst iemanden in die nahe Bank schicke, den Scheck einzulösen. Sie verstehen, ich bin Geschäftsmann, und der Ruf meines Geschäftes geht mir über alles!" Der Herr machte ein erstauntes, ia mißbilligendes Gesicht und sagte: Bei einer Firma von Weltruf wie Ihrige, dürfte das nicht vorkommen, Herr Homann, ich verzichte auf den Kauf!"
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Mit diesen Worten bestieg er seinen Wa
gen und fuhr davon. Einige Meter entfernt folgte ihm ein Tari mit dem unentschlossenen Käufer, der elegante Wagen hielt am Bahnhof, der elegante Herr beſtieg ein Coupé nach Amsterdam, der unentschlossene Käufer saß im Coupé daneben.
Herr Homann ringt sich die Hände, in so eleganter und raffinierter Weise wahrscheinlich dem bekannten Juwelendieb so und so entgangen zu sein.
Der Baron stieg in Amsterdam aus, betrat ein elegantes Juvelengeschäft, und sagte dem ihm liebenswürdig begrüßenden Juwelier:„ Ich faufe doch Ihren Stein, denn diese Art Behandlung in Hamburg war ich nicht gewöhnt!", und erzählte ihm den Vorfall. Der unentschlos= fene Käufer, der Detektiv so und so mußte zu seinem Leidwesen feststellen, daß der Baron ein wirklicher Baron, sein Bankkonto ein wirkliches Bankkonto war und daß Herr Homann um ein blendendes Geschäft gekommen war. Peinlich. Herr Homann lieft feine Kriminalromane mehr.
Ich habe nur einen Maßstab für die Moralität, und ich glaube, den strengsten: Ist die Tat, die ich begehe, von guten oder schlimmen wenn fie allgemein ist? Folgen für die Welt Schiller.
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