3-
Monica, California.
Nach vielen Monaten schier blauer und blendender Trockenheit rauschen endlich die Wasser herab aus der grauen Unendlichkeit. Schmunzelnd steht der Farmer auf der Veranda seines Hauses und schaut in den Regen, den guten, nährenden, fräftebringenden.
Die Eukalyptusbäume duften unsagbar, Graz und Sträucher glänzen dunkel, voll und üppig. Der graugelbe Sand ist nun oder und blutrot, die Fächer der Palmen biegen sich unter den schweren Tropfen. Zart und süß liegt der Schleier der abgeschlagenen Pfirsichblüten auf dem Grund. Schön ist die Melodie der Fruchtbarkeit und mächtig der weise Sang der Natur. ,, Drüben" träumte ich vom ewig blauen Himmel und als ich ihn hier erlebte, wurde ich nervös, ja gereizt und war dankbar für die kleinste Wolfe, die die strahlende Einsamkeit unterbrach. Schon als Kind liebte ich den Regen, liebte es, die Pflastersteine spiegelblank gescheuert zu sehen, mit lustigen füßen dazwischen, kleinen Seen und glucksenden Bächlein. Das handbreite Rinnsal war ein reißender Strom, die regenbogenschillernde Lache das große Meer. Aus den Gärten kam ein schwerer Duft nach Erde und feuchtem Holz. An verregnete Feiertage erinnerte ich mich, an das Landhaus mit dem Strohdach. Wir saßen um den einfachen Tisch. Blau und rot kariert war die Dede. Wir Kinder spielten Domino und nach zehn Minuten zanften wir uns bereits so heftig, daß die Mutter Mühe hatte, den Streit zu schlichten.( Sie saß gewöhnlich am Fenster, strickte und, las in einem Band aus Engelhorns Romanbibliothek! Ich als der Aeltere mußte immer der Klügere sein und nachgeben. Das haßte ich.( Weil ich ahnte, daß im Leben nur der Dümmere und Schwächere nachgibt.) Trozig zog ich mich in die Küche zurück, oder half dem Knecht das Futter bereiten, ging mit ihm in den Stall zu den Küben, Pferden und Ziegen. Am liebsten saß ich jedoch vor dem altmodischen Herd, schob trockene Reiser ins Feuer und mächtige Scheite. An meinen Fingern flebte Harz. Es roch nach Milch, blankgescheuertem Holz und frischem Brot. Eine kleine graue Kaze versuchte die Regentropfen, die an der Außenseite der Fen
ſter herunterfollerten, aufzuhalten. Die Kacheln
strömten wohltuende Wärme aus.
werk blockieren das Vorwärtskommen. Drunten in Canyon, zweihundert Meter steil abfallend, wälzt sich ein brodelnder, lehmgelber Strom. Wir sehen eben, wie ein Hund an einen Felsen geschleudert wird. Schon hat ihn der Wirbel mitgerissen. Nach einer sehr ungemütlichen Stunde, in der ich reichlich Gelegenheit hatte, Dids Fahrkunst zu bewundern, langen wir bei Hazels Haus an. Ein Rettungswagen der Feuerwehr ist vor uns eingetroffen. Der Garten ist eine Geröllhalde, wo die Garage stand, ragen verbogene Eisenstangen. Hazels Eltern find out of town", so ist das achtzehnjährige hübsche Mädchen auf sich angewiesen. Wir legen m Hand an und laden das Auto voll, bis für uns faum noch Blah bleibt. Die schönen Möbel freilich und noch vieles andere sind verloren. Da hilft fein Damm und fein Graben. Die Waffer schießen gurgelnd darüber hinaus, ge= fährlich, gigantisch
-
-
beinahe hätte ich ,, schön"
andere ins Elend zurückzujagen", ein zweiter. Hat das Leben ein Herz? Ist die Natur mitleidig-?", erwidert Hazel ruhig.
"
She is right", meldet sich nun Did und stößt mit der Eisenstange in die glühende Asche. Da werden Theorien aufgestellt und hunderttausend Bücher über dasselbe Thema geschrieben, wobei jeder versichert, das Rätsel endgültig gelöst zu haben. Sie glauben, das Leben sei ein Appartementhaus und preisen sich als Innenarchitekten oder fühlen sich berechtigt, die Miete einzukassieren... Im Innern sind sich diese Führer der Menschheit" allerdings schon längst klar, daß unser gesamtes Dasein nur ein biologischer Vorgang ist aber fie verschwer gen es, weil sonst ihre Autorität beim Teufel wäre."
,, Auf in den Kampf!" ruft Peggy lachend und schnürt sich den Gürtel ihrer langen grauen Flanellhose fester. Außerdem trägt sie einen blauen Sweater. ,, Ich geh mit Dir", sage ich. Als Beschüßer?" Als Kampfgefährte" All right."
"
"
"
Vor der Tür peitscht uns der Regen in die gesagt. Die schweren Steine werden wie von Ratapulten und mit ebensolcher Wirkung gegen Augen. Der Wischer an der Windschutzscheibe die Wände geschleudert. Um ein größeres Un- müht sich vergeblich, die Wasser aus seinem glück zu verhüten, bleibt nichts anderes übrig, Halbkreis auszuschöpfen. Tantalus im faliforni als den erbarmungslosen Fluten zuvorzufom- schen Regen... Unsere Straße führt dicht am men. Die Feuerwehrleute beginnen ihnen einen Meer entlang. Die Brandung tobt. Zuweilen Weg zu bahnen mitten durch das Haus... sprißen die Wellen bis an die Scheiben. Es ist, Zerschunden, durchnäßt und müde langen als führen wir mitten durch den Ozean. Rechts wir zu Hause an. Das Feuer im Kamin ist schimmern eng beieinander winzige Lichter. Ich niedergebrannt wie die gute Stimmung. Es zeige sie Peggy. Sie stoppt, zieht die Hands foftet Mühe, neues zu entfachen. Wir strecken bremse an, wendet den dunkelgeloďten, knabenuns zum Trocknen aus. Man tröstet Hazel, die haften Kopf. im übrigen recht gefaßt ist und meint, es würde für ihre Eltern ,, quite a surprise"( eine ziemliche Ueberraschung) sein, wenn sie erfahren, daß ein Gebirgsbach durch den Dining- room fließt. Dann gibt es sogar allerhand Gelächter, in Anbetracht der vielen unnüßen Dinge, die man in der Eile und Verwirrung rettete. Nun legt sich Schweigen über uns wie ein Der Kavalier in der Provinz wollenes Tuch. Warm und weich. Wir hören auf das Flackern im Kamin und auf den Regen draußen. Vor den Fenstern ergießt sich ein undurchdringlicher Wasservorhang, den das Licht aus unserem Zimmer grottenhaft erleuchtet. Im tiefen Schatten der Gegenstände finden sich junge Hände.
,, Bitte, dreht das Radio an", sagt Helens Mutter aus dem Nebenzimmer; sie ist eine weißhaarige Dame, mit Zügen, die einst beträchtliche Schönheit verrieten. Sie ist seit Jah ren gelähmt.
-
-
-
., Das ist ein Frächter. Kommt aus Kuba und geht nach Frisco... Ist die Welt nicht auch wenn es regnet?" In ihrer herrlich Stimme ist Sehnsucht, Weite und Sicherheit. ,, Ja", sage ich. Und wir lösen die Bremse. Hanns Leo Reich.
Der Kavalier fommt in fleinen, großen
und mittelgroßen Provinzstädten vor und vers mehrt sich schnell durch Nachahmung, Modes journale, mondäne Filme, Revuen und Ope= retten. Gott hat ihn einmal erschaffen. Aber das ist schon so lange her, daß man es nicht mehr erkennt. Revue- Autoren, Schauspieler, Salonlöwen forrigierten so lange den Kavalier, bis des Herrn Spuren verschwunden waren und
er die Autorschaft ablehnen mußte. Eine Schöpfung zog sich vom Schöpfer zurück, begab sich in ein Modewarengeschäft und kam als Kavalier heraus, mit einem goldenen Kettchen um das Handgelenk, ein Abzeichen der Zunft, gewissermaßen das Monokel der Hand.
Wohltuende Wärme strömt auch von dem offenen Kamin, mit dem altspanischen Gitter dabor, aus. Zwei Burschen und zwei Mädchen Durch das Radio hören wir bereits von fauern, fißen, liegen davor, spißen Holzstöcke den Schäden, die das Unwetter anrichtete. Häuund spießen ,, Mash Mellows" daran. Das sind ser wurden entwurzelt, Menschen und Vieh sehr füße weiche Zuckerwaren, ähnlich unserem weggeschwemmt. Was ein Segen sein sollte, türkischen Honig oder großen ,, Gummizuckerln", wuchs zum Verderben. Eine andere Meldung und müssen über offenem Feuer geröstet werden, berichtet von dem schweren Dienst der Grenzsollen sie den richtigen Geschmack bekommen. patrouillen, deren Aufgabe es ist, die Scharen Das Kunststück ist, sie nicht Feuer fangen zu der Arbeitslosen die aus anderen Staaten Tassen, weil sie sonst unweigerlich verbrennen nach Kalifornien wandern aufzuhalten. Ein welcher Zeitpunkt bei Mash Mellows leichter neues Gesetz verbietet auch Amerikanern das zu erraten ist, als bei Menschen. Da ich wieder Betreten Kaliforniens, sofern sie nicht geder Aeltere im Kreise bin, so nehme ich mir nügend Geld nachweisen können. Wer es den jedoch vor, auch der Klügere zu sein. noch versucht, hat strenge Gefängnisstrafen zu gewärtigen. Gestern wurden die ersten zehn abgeurteilt. Die Deportiertentransporte werden immer größer. Und trotzdem versuchen viele immer wieder ihr Glück, in ,, sunny California" zu gelangen, wobei sie von Arizona unterstützt Alle Frauen, glaubt er, sind ihm verfallen. werden, das allen Arbeitslosen kostenlos Ben- Wehrlos an der Seite ihrer Männer und zin bis an die Grenze gibt wenn sie ver- Freunde sißen sie, gehen sie dem optischen Sieg sprechen, das Land zu verlassen. des Kavaliers ausgeliefert, der nur holde Ver,, Grauenhaft muß das sein in diesem sprechen im Auge des Opfers liest. Erfordert Wetter ohne Obdach", sagt einer... Ich begreife es die Situation, daß er einer Frau nachgebe, nicht, wie Menschen so herzlos sein können, so schreitet er nach der Melodie: Man steigt
Das Telephon läutet. Dick hebt den Hörer ab. Er horcht aufgeregt und ruft:„ Okay ( was soviel heißt wie: all right) wir kommen." Und zu uns: ,, Hazel sagt, das Wasser hat den ganzen Garten weggeschivemmt und die Bäume umgeriffen. De Haus muß geräumt werden. Ob wir ihr helfen können-." Wir werfen die Regenmäntel um, springen ins Auto, sausen davon. Hinauf in die Berge.
Die High- ways( Hochwege) sind in schlimmer Verfassung, Steine, Schutt und Wurzel
-
Je kleiner die Stadt, in der ein Kavalier Tebt, desto weltmännischer erscheint er sich. Er ist der Vorläufer einer Entwicklung, die einmal aus der Provinz eine Weltstadt machen wird. Aber er läuft in einem aus der Mode gekommenen Tempo. Er läuft nach der letzten Mode, die eben ausgehaucht hat. Er kann, als Typus, seiner Heimat vorauseilen, aber als Individuum mit der Gegenwart nicht Schritt halten Er verkündet Parolen, die in seiner Umgebung noch nicht, in der großen Welt nicht mehr Geltung haben.